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Wöchentlich erscheinen drei Numn.krn. Pränumeration»-Preis 22j Sildergr. (^ Tdlr.) »icrieliährUch, Z Wr. für das ganz, Jade, ohne Erhöhung, in ollen Theilen der Preuhischen Monarchie. MKgazi ZI für die Man rrLnumerirt auf diese» Literatur- Blatt in Berlin in der Erpcöition her AUg. Pr. Ttaa>»,AeiiU"a iärtcdria»- Strare Nr. 72; ; in der Perrin; so wie im AusianLc bei den Wohllödt. Poff -Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 9. Berlin, Freitag den 20. Januar 1843 Algier. Hamuda, der General-Gouverneur von Konstantine. Zu den interessanten Maurischen Familien, deren Einfluß durch die Fran zösische Eroberung Afrika'- einen bedeutenden Stoß erlitten hat, gehört die der Uled-el-Fegun's. Vor der Eroberung durch die Franzosen gab es seit undenklichen Zeiten in Konstantine eine allgemein verehrte Würde, deren In haber oft mit dem Bep der Provinz gleiches Ansehen genoß, selbst in welt lichen Dingen; es war die des Scheich-el-Islam oder Glaubcnshauptcs. Diese Würde erbte fort in der reichen und mächtigen Familie der Ulcd-el- Fegun, die seit sechshundert Jahren in Konstantine ansässig war und jenem religiösen Lehen eine Menge Freiheiten und Vorrechte vcrdankle. Ihr Ruf hatte schon lange die Gränzen der Provinz überschritten, und der Großherr selbst geruhte zuweilen, niit dem Geschlecht der Fegun'S zu korresponviren, welches in seinen Archiven mehrere Diplome verschiedener Sultane sorgfältig aufbewahrt, worin die Würde des Schcich-el.Zslam in ihrer Familie bestätigt und jedem gläubigen Muselmann geboten wird, in ihnen die Erwählten des Allerhöchste» zu achten und ihnen in Allem Beistand zu leisten. Die Verwaltung des Gutes der Armen war eine Hauptfunction des Scheich-el-Islam, und die unzufriedenen und boshaften Leute, wie cs deren ja überall gicbt, schrieben diesen. Umstand die wunderbare Zunahme des Vermögens der Fcguns zu. Wie dem auch scpn mag, jedenfalls waren andere Borthcile von mindestens gleichem Werth mit jener hohen Würde ver bunden. Ein besonders einträglicher Einnahmczwcig bestand in den Depositen, welche täglich bei dem Scheich von den Zanilscharcnhäuptcrn oder anderen Türkischen Würdenträgern gemacht wurden, wenn sie zu einer fernen Expe dition abgiugen oder sich auf den Ruf des DeyS nach Algier begaben, um daselbst über ihre Amtsführung Rechenschaft abzulegen. In beiden Fällen, deren Gefahr gleich groß war, ordnete der vorsichtige, aber resignirte und keiner Furcht zugängliche Türke seine Angelegenheiten und machte sich dann unter der Obhut Gottes auf den Weg, nachdem er Alles, was er sein nannte, der Obhut des Scheich-el-Islam anvertraut. Wenn er zurückkchrte, beeilte sich dieser, ihm das anvcrtraute Gut unversehrt zurückzugeben; aber sehr oft kam der OSmanli nicht wieder, sey eS, daß eine Kugel ihn auf dem Schlacht- feldc getroffen, oder daß sein Haupt in Algier auf einen Wink des Herrn in den Löwcnbrunnen gerollt war. Dann ward der Scheich, wo nicht üo jure, doch äe tuet», sein Universal-Erbe. Der mörderische Feldzug von I8Z0 und die blutigen Erecntioncn, die ihm folgten, waren in dieser Be- ziehung für den GlaubenS-Chef sehr vorthcilhaft. Die Dynastie der El-FcgunS hatte aber nicht bloß religiöse und finan zielle, sondern zugleich auch kriegerische und feudale Bedeutung -, sie besaß außer ungeheuren Gütern in den Bergen des Distrikts Bona einen ganzen Stamm, den der Uled-Djebara, der ihr Tribut zahlte und seine Scheichs von ihr bekam. So geboten einst jene kriegerischen Mönche, die uns der Marmor ihrer Grabmäler mit dem Degen an der Seile und dem Panzerhemd in Form einer Kutte darstellt, aus dem Dunkel ihrer Klöster ganzen Bevölkerungen von Leibeigenen, welche bewaffnet ihren Bannern folgten. Dieser quasipriesterlichcn und fürstlichen Familie gehört Sidi Hamuda- ben-el-Scheich an. Sein Vater, Mohammed, der letzte Scheich-el-Islam, war von Alter und Schwäche niedergedrückt, als wir Konstantine nahmen. Nachdem er überlegt, ob er nach dem Beispiel seiner Glaubensgenossen, der Großen wie der Kleinen, die Stadt verlassen sollte, entschied er sich dahin, in Ler alten Wohnung seiner Väter zu bleiben, und während seine älteren Söhne auf seinen Befehl dem General Valöe und dem Herzog von Nemours cntgegengingcn, um ihnen seine Unterwerfung anzubieten, er wartete er wie ein Römischer Senator mitten unter dem Waffenlärm, den Klagen der Verwundeten und dem Röcheln der Sterbenden die Ankunft der neuen Gallier. Bon dem Einfluß und dem Rang dieser Familie in Kcnntniß gesetzt, suchten der Marschall und der Prinz denselben zu benutzen, und in der That übernahmen es die El-FegunS auf ihre Bitte, den Französischen Truppen Lebensmittel und verschiedene Gegenstände des dringendsten Bedürfnisses zu liefern. Di« Sache war nicht sehr leicht, weil, wie Hamuda meinte, „die Bewohner, von panischem Schrecken ergriffen, entflohen waren und ihre Häuser und selbst ihre Frauen im Stich gelassen." Zndeß Vie Verbindungen, die sie mit dem ganzen Lande hatte, machten es der Familie des Scheich möglich, ihre Verpflichtung zu erfüllen, und ihr Lohn war die Würde eines Hakcm oder Civil-Gouverneurs, die der Chef der Armee, nachdem der alte Mohammed sie ausgeschlagcn, seinem zweiten Sohne Hamuda übertrug, der schon als Proviant-Verwalter unserer Truppen seine Stelle vertreten hatte. Der ältere Sohn des Scheich, Ahmed, ward von diesir Würde aus- geschloffen, nicht bloß wegen der halb feindlichen Lauigkeit, die er gegen den Sieger gezeigt, sondern auch, weil er in üblem Ruf stand und durch sein notorisch schlechtes Betragen der Bevölkerung großes Aergerniß gab. Auch verließ er bald Konstantine und stellte sich an die Spitze jenes Stammes der Djcbara, der seiner Familie untcrthänig war uns der nach Art der Clans in den Schottischen Hochlanden lebte, indein er die benachbarten Dörfer plün derte, Frauen und Vieh wegführte und die Reisenden ohne Unterschied der Religion beraubte. Eine der ersten Maßregeln des Marschalls Balee, nachdem er General- Gouverneur geworden, war, eine Kriegs-Contribntivn von 208,000 Budjus (nahe an 400,000 Franken) den Bewohnern der Stadt aufzulcgcn, welche, nachdem sie sich von ihrem Schrecken erholt, täglich in großer Anzahl zurück- kehrtcn und um den Aman (Pardon) baten. Als Hakcm bekam Hamuda den Auftrag, dicse außerordentliche Auflage zu erheben. Er hatte zu diesem Zweck unumschränkte Vollmacht und besteuerte willkürlich jeden Einwohner nach seinem Vermögen. Alles ging ganz gut, so lange es sich nur darum han delte, den Tribut zu erheben; trotz des Geschreis und der Klagen der Steuer baren, deren Jeder, wie gewöhnlich, Himmel uns Erde zu Zeugen anries, daß der Krieg ihn rninirt, und daß er so arm sey wie eine Kirchenmaus, ging doch die Erhebung vortrefflich von Statten, unv Ler Kommandant der Pro vinz konnte mit dcm fiskalischen Geschick des energischen Ei mchmcrs Hamuda ganz zufrieden scpn. Verwickelter aber wurden die Dinge, als die Einnahme beendigt war und die Ablieferung an die Reihe kam. Hier sah sich der Ur heber der Maßregel in einer ganz besonderen Verlegenheit. Die Arabische Nation ist nämlich ein Volk von durch und durch aristokratischen Sitten. Dies tritt besonders in der großmüthigen Nachsicht hervor, welche die Großen des Landes, den Souverain mitgerechnet, in ihren finanziellen Verbindungen mit den zur Erhebung der Auflagen eingesetzten Agenten zeigten; sie schlossen die Augen bei den Plünderungen dieser habsüchtigen Geldmacher und gingen dagegen mit ihnen um, wie unsere großen Herren in früherer Zeit mit den oogums ü'inkemlanru Von Rechenschaft nnd Kontrolle war nicht die Rede; indem man bas Volkshuhn rupfte, behielt jeder Gehülfe in der Küche des Fiskus etwas in den Händen; der Herr des Hauses wußte cs und kümmerte sich nicht darum. In diesen lobenswürdigcn Grundsätzen erzogen, hütete sich der Hakem Hamuda , davon abzuwcichcn, weil er hier mit Rumis (Christen) zu thun hatte. Er lieferte also, nicht ohne sich sehr bitten zu lassen, 113,000 BuLjuS, d. h. ungefähr die Hälfte der Contribntivn, ab; die fehlende Summe hatte er, nach dem hergebrachten Arabischen Finanz-Spstem, auf eine Menge kleiner Ausgaben und Unkosten verwandt, über die er eine lange Liste, eine wahre Apotheker-Rechnung, vorzcigtc. Dieses summarische Verfahren in Gelvsachcn konnte natürlich unseren Finanzmänncrn, welches sehr methodische und minutiöse Leute sind, die, wenn cs nöthig ist, sechs Wochen darüber zubringen können, einen Fehler von einer halben Centime aufzusuchen, durchaus nicht zusagen. Hamuva's naives Streben, die Einfachheit der Arabischen Formen wieder anfleben zu lauen, ward daher sehr schlecht aufgenommen. Man verwarf ohne Erbarmen all seine vorgebliche» Ausgaben, und cs ward ihm zur Pflicht gemacht, die Summen, deren unrechtmäßiger Besitzer er dcm Staat gegenüber blieb, zu erstatten. Er erhob anfangs ein Zetergeschrei und erklärte nach alter Gewohnheit, er sep außer Stande, zu zahlen, und es gebe keinen ärmeren Menschen auf der Welt, als ihn; doch als man ihm drohte, ihm das Amt des Hakem zu nehmen, nahm er eine andere Sprache an und versprach, zu zahlen, was er auch bald darauf mit einer fast wunderbaren Leichtigkeit that. Man beschuldigte ihn daher auch, daß er seine Stellung mißbrauche, mm seine unglücklichen Unter gebenen fortwährend zu pressen. Die Araber sind Sklaven der Gewohnheit, und sie willigen daher ein, sich von Zeit zu Zeit durch die schützende Behörde auSplündern zu lassen; aber es muß dies mit einer gewissen Mäßigung ge schehen. Dies verstand der junge Hamuda nicht, wenn man den zahlreichen Klagen, die seine Verwaltung erregte, glauben darf. Die Klugen wieder holten sich so oft gegen ihn, daß sic die Aufmerksamkeit des Kommandanten, der schon aus mehr als einem Grunde mit dcm Benehmen des Hakem unzu frieden war, auf sich zogen. Er trug also bei dem Statthalter auf die Ab setzung Hamuva's an, vem er vorher in seinem Hause Arrest aufcrlegt; aber