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lufiag«: 11,000 Montag, 30. Leptember 1807. Zös»»««e»t: M«tteljLhcNch20«M.j bet llvtulgeldlich«rLt»i frruog tu'« Hau«. Durch dt« Köutgl Psst »i«rtrljShrttch -2 «gr. Ntutrlu« Numm«r» j 1 Skgr. Ami «ch d« H«r«««^r Lirpsch 4k Neichardt. - »,r«nv»rtltch«r t^dornm« Juli» RrichuM, Snserateupreise^ 1 Für diu Raum «tu«- > >«spalt«o,u Zeit«: , I «gr. U»t«r „Singet ^ saudt" di« Z»tl« » » «gr. LresHe», dm 30 September. — Zu dem neum Paßgesetz de» Norddeutschen Bunde» «ird f«lgender sehr praktischer Vorschlag für die Herstellung einer ebenso bequemen als untrüglichen Legitimation gemacht: Eine Karte mit dem gelungenen photographischen Portrait 'welche höchstens alle 10 Jahre erneuert werden müßte) und auf der Rückseite Namm und Stand, beglaubigt durch Stem pel und Unterschrift irgend einer Behörde, ist in allen Fällen, die Vorkommen könnm, da» beste Mittel, welches auch Rr Po lizei genügen kann und gmügen muß. — Die 4. Fuß-Abtheilung des Feld-Artillerie-RegimentS, bi» jetzt in Dippoldiswalde in Garnison, wird am I. October von dort abrücken und am 2. ihren Marsch durch DreSdm zur ständigen Garnison nach Radeberg nehmen. — Mit dieser Woche beginnen an der Gewerbeschule deS Gewerbevereins wieder neue Unterrichtskurse in allen den Ge- »erbtreibenden nölhigen Wifsensfächer.i, sowie im Zeichnen. Die Lehrstunden werden in den arbeitsfreim Abendstunden und Sonntags abgchalten. Wie wir erfahren, werdm sich diesmal besonders viele MilitairS betheiligen, die ihre freie Zeit zu weiterer Ausbildung benutzen wollen, (s. Inserat.) — Wir haben heute eines neum, recht zweckmäßigen Un ternehmens zu gedenken, welches von dem Plakat-Institut aus geht und demselben viele neue Freunde erwerben wird. Ein besonderer täglicher Anschlag an allen Plakatsäulm- und Ta feln wird den Fahrplan der Eisenbahnen u. s. w, eine Liste der Dresdner Sehenswürdigkeiten und dergl., kurz eine Art Tagebuch enthaltm, welches Tausenden Einheimischen und Fremden von Interesse ist. Wer die Tageblätter nicht gleich zur Hand hat, (die übrigens nicht regelmäßig dergl. Pläne aufnehmen), wer seinm „Domann" nicht bei sich trägt, suchte bisher vergeblich nach einer solchen oft recht nochwcndigen Aus kunft; jetzt hat man Alles bequem und schnell im Vorbeigehen und auf allen Passagen, wo die Geucke'schen Säulen und Ta feln ihr buntes B ld entfalten, kann man sich sogleich NathS erholen. Dieser, unter dem Titel „Expreß-Blatt" erscheinende Straßenanzeiger, wird aber auch noch andere Vortheile haben. Er soll zugleich eine billige Gelegenheit zu Ankündigungen aller Art bieten, namentlich auch für WohnungS- Miech- und Ver mischungen, Dienstzesuche und dergl. Besonders rubrizirt wird jede» derartige Inserat nur 2 Ngr. kosten. Nicht minder wird sich auch die Expedition unseres Blattes insofern betheiligen, als sie Inserate aus den „Dresd. Nachrichten" gleichzeitig zum Abdruck im Expreß Blatt gegen ganz geringe Mehrzahlung an- nkmmt. Der Anschlag dieses neum höchst praktischen Straßen- anzcigers soll nächster Tage beginnen und werden Inserate in der Expedition dieses Blattes sowohl, wie im Büreau des Plakat Instituts, Altmarkt 23. I. angenommen. — Ein Jubiläum am Hoftheater. Morgen, den 1. October, werdm eS fünfzig Jahre, daß ein jetzt noch regeS und rüstiges Mitglied der königl. Hofbühne, Herr Albert von Böhme, seine Thätigkeit an dem Institut begann. An fänglich, wegen seiner Jugend, mit Pagenrollen betraut, wurde der Jubilar später durch Verfügung des Kapellmeister Carl Maria von Weber zu klemm Gesangparthien in der Oper ver wendet, eine Thätigkeit, die auch in de, italienischen Oper Raum gewann, welche zu jener Zeit in Dresden fiorirte. Roch unter dem Regisseur Bassi, sang Herr von Böhme im Don Juan den „Masetto". Als Kilian im „Freischütz" wirkte er 180 Mal und im Bereich des heiteren Elementes, wo er gern gesehen wurde, erwarb er sich stets verdimte Anerkennung. Mit dem morgenden Tage vollendet er auf der großm, sich ewig drehenden Scheibe der Zeit den Probeschuß in die gol denen Fünfzig und „Vivat, der Meister soll leben!" ertönt eS gewiß von den College» und vielen Freunden des Jubilar», dessen LebenLkranz nicht immer mit veilchenblauer Seide ge wunden war; aber, „ein Gescheidter sieht das nicht!" sagt GaSpar und so möge denn dieser Tag — Max bringt gute Zeichen mit, — die Flagge der Liebe mag wehen — sich für ihn zu einem recht frohen und freudigen gestalten. — x. Wenn bei der vorletzten Exkursion der „Flora" nach Wachwitz auf den Weinberg Ihre Majestät der Königin Maxia dm zahlreichen Theilnehmern willkommene Gelegenheit geboten ward, in dm schattigen Spaziergängen der ausgedehn ten und mühsam zu unterhaltenden Anlagen zu lustwandeln und sich an dm wahrhaft bezaubernden Aussichtspunkten auf die ganz« Umgebung zu erfreuen, woran diese Besitzung sehr «ich ist: so fesselte bei dem letzten diesjährigen Ausstuge nach Gorbitz der reiche Obstsegm, dessen wir uns in diesem Jahre erfreuen und der in der Gorbitzer Gegmd so recht vor die Augm tritt, so wie die reichen und vorzüglich gepflegten Be stände in dm beiden Obstbaumschulen von Tube (Wölfnitz) und Lämmerhirt (Obergorbitz). ES ist wahr, daß in jener Gegmd ein sehr guter Boden sich findet. Wird nun derselbe von flei ßiger Hand rationell bewirthschastet, so werden auch so erfreu liche Resultate erzielt, wie wir in dm genannten Baumschu len zu bemerken Gelegenheit fanden. Wir sehen Obstbäume von allen Sorten in den verschiedensten Formen gezogen, von dmen besonders die mit schönen und vielm Früchten prangen- dm CordonS, Palmetten und Spalierwände bei Lämmerhirt ansprechen. Ueberhaupt sind die Anlagen von CordonS und Palmetten bei Kernobst für kleinere Gärten sehr zu empfehlen, da sie für dieselben nicht nur eine herrliche Zierde bilden, son-' dern auch vorzügliche Früchte liefern und dankbar sind. Beide Gartenbesitzer hattm auch Ausstellungen ihrer Früchte veran staltet, die nicht nur sehr manmchfaltig waren (bei dem zwei» ten Aussteller zähltm wir allein 52 Sortm Acpfel und 34 Sorten Birnen), sondern auch gleichmäßig nur Tafelfrüchte ersten Ranges aufzeigten und — eine Hauptsache für dm Obstzüchter — mit richtiger Nommklatur versehen waren. Die in 14 Tagen stattfindende Herbstausstellung der Flora wird erwünschte Gelegenheit bietm, die in diesem Jahre so reichli chen Gabm de» Herbstes in ausgezeichneten Sammlungm und Exemplaren prüfen zu können und werden wir nach Schluß derselben auf eine Empfehlung der als vorzüglich geprüften und auch für den kleinsten Gartenbesitzer in unsrer Gegend zum Anbau sich eignenden Obstsorten ausführlicher zurückkom men. Einen Spaziergang aber nach dem I Stunde entfernten Gorbitz können wir in diesen Tagen jedem Obstfreunde mit Recht empfehlen. — Die hiesige Groflohandlung von Johaun Scholz, Rampeschestraße 20. verkauft seit einiger Zeit einen Artikel untm dem Namen „Orientalischer Caffeeschrot" und soll derselbe Ersatz für indischen Bohnen-Caffee bieten, und demselben an Wohlgeschmack auch wirklich fast gleichkommen. Damit ist na mentlich dm Unbemittelteren Gelegenheit geboten, sich für ei nen billigen Preis ein angmehmes Getränk herzustellen. Von einem Loth dieses CaffeeschrotS, welches 1 Pfennig kostet, soll man 15 Tassen kräftigen Caffee erzeugen können. — Wir berichteten neulich, daß sich ein in sehr gutm Verhältnissen befindlicher Besitzer aus Kötzschenbroda vorige Woche auS seiner Behausung entfernt und man dort allgemein die An sicht hatte, daß er wahrscheinlich aus religiöser Schwärmerei bewogen, sein Ende in der Elbe gesucht. Die Sache hat sich nunmehr anders herausgestellt. Der Verlorene, gegen 60 Jahre alt, ist wieder da! Nach mehrtägigem Suchen ist es dm Seinigen gelungen, ihn in einem Steinbruch in der Löß nitz wiederzufinven, in sehr andächtiger Stimmung; denn er hatte die Bibel bei sich. Aber er hatte auch für das materi elle Wohl bedächtiger Weise ge orgt und sich zwei große Vrode und ein Stück Speck in die Einsiedlerklause mitgenommen. Am Tage nach Aufhebung seines Klosters im Steinbruch fuhr er gemüthlich mit seiner Frau nach Dresden. — Von allen Seiten kommen Nachrichten über die plötz lich eingetretene Kälte, die gewiß den großen Raupenschaaren ein selige» Ende bereitet haben wird. Namentlich hören wir aus der Löbnitz, daß dort nicht blos das noch an dm Bäumen hängende Obst in den Morgenstunden der letzten Tage eisig glasirt war, sondern auch über die Waschbecken sich eine leichte Eisdecke gelagert hatte. In Folge dessen haben die meisten Kürschner bereits ihre Pelze und Muffs an s Schaufenster als warme Lockspeise gehängt. Königliche» Hoftheater. Sonnabend, am 28. September. Zur Erinnerung an die erste Aufführung vor Einhundert Jahren: Minna von Barnhelm, oder Soldatenglück. Lustspiel in fünf Acten von G. E. Lessing. ,O Vaterland! bespie dick von Undank, Und ehre dick in deiner Bürger Ehre! Vergebens fragt der Wandrer nach dein Hügel, Ter deines gropm LcssingS Reste birgt — Er ruht vergessen unter andern Todtcnl' Mit diesen Worten beginnt eine Stelle in KlingemannS Prolog zur Todtenfeier für Leisewitz. Die Zeit hat gerichtet; Lessing, dem ersten Classiker, prangm Denkmäler, das schönste aber hat sich dieser Artillerie- und Genie-General unserer beginnenden Literatur in seinen Werken errichtet. Jedes Wort Lessings ward eine That, und die Summe der Thaten gab einen gro ßen Mann. Lessing war eS, der das erste deutsche Lustsviel schrieb und das noch heute als unübertroffen gelten kann. Die ses ächt deutsche, kerngesunde Geistesspiel jenes stets mit dem Verstände dichtenden Dramaturgen, der das deutsche Theater von der Fremdherrschaft befreite, eS feierte vorgestern sein hun dertjähriges Bestehen auf der Bühne. Ein Lustspiel von hundertjähriger Dauer und immer noch derselbe Beifall. Wie wird Euch, Ihr deutschen Lustspieldichter der Jctztzeitj? Die alten Aegypter würzten ihre Freudengelage durch dm Anblick des Todes; dies könnt Ihr auch habm, wenn Ihr bei einem Festessen auf Eure Lustspiele blickt, um welche vielleicht in zwanzig Jahren kein Hahn mehr kräht, geschweige dmn nach Verlauf eine« Jahrhunderts. Höchstens wird noch hier und da der Name eine« Stückes oder seine» Verfassers in einer Literaturgeschichte fortlebm, wie eine Mücke im Bernsteins nicht aber das Stück auf der Bühne, nicht in Fleisch und Blut verkörpert auf den Bretern, welche die Welt bedeuten. Es ist den Literaturfreunden nicht unbekannt, daß „Minna von Barnheim" Anfechtungen von den Gebrüdem Schlegel, von Franz Horn, Tuck >c erlitt; man bekrittelte da» logisch witzelnde Wortgefecht der beiden Liebenden, man hob den Mangel an gordischer Verwickelung hervor und Schlegel belegte da» Stück mit dem Tadel der „Assertion manierirter Darstellung und Peinlichkeit des darin behandelten Liebesverhältnisses". Horn behauptete: Lessing habe nicht gewußt, was Liebe sei, und die Nebenrollen des Just, wie des Wachtmeisters und der Franziska erschienen im Vergleich zu den eigentlichen Haupt» charakteren in zu hohen Gouachefarben gemalt. Sei, wie dem sei! Was den Stempel des Gmius trägt, besteht und — das Leere fällt. Daß das Gute und Treffliche in der Gegenwart wie in der Vergangenheit sein Publikum findet, davon gab das volle HauS vorgestern Abend einen siegen den Beweis. — Jean Paul sagt in seiner Aesthetik: man solle bei jedem Aufziehen des Vorhanges vor der Aufführung eine» Lustspiels fragen: „Ist kein Lessing da?" — Die Frage mag hingehm, wenn man Schauspieler hat, die seine Lustspiele wahrhaft lebendig und ergänzmd zur Darstellung bringm. Noch neulich, bei Besprechung der Hebbel'schen „Nibelungen" deuteten wir darauf hin, daß der wahre denkende Darsteller den Dichter ergänzen könne und solle. Wer tiefere Blicke in „Minna von Barnhelm" gethan und wie Referent dieses wohl mehr denn ein Dutzend Mal auf den größten Bühnen und von renom- mirten Schauspielern zur Aufführung gelangen sah, dem ist ge wiß nicht entgangm, daß Lessing seine, treu nach dem Leben copirten Charaktere oft nur als Scizze für den Darsteller ge geben. Eine Neuerzeugung durch eigene Beobachtung und Zu thun auS seinem Innern ist ihm gegönnt, sie habm freie Hand zu eigener Schöpfung und aus diesem Gesichtspunkte sei die Darstellung von Seiten der beschäftigten Mitglieder betrachtet. Ehe sich der Vorhang erhob, sprach mich mein Nachbar, ein fremder Gelehrter an. Er war der Meinung, das zu er wartende Lustspiel sei als Lesestück in psychologischer, dramati scher und stilistischer Hinsicht allerdings klassisch, genüge aber nicht den Erfordernissen der modernen Bühne. Ich widersprach ihm mit den Worten: vortrefflich dargestellt, genügt Minna von Barnhclm den Erfordernissen der modernsten Bühne und — eS geschah. Major von Tellheim, Herr Dettmer, prächtig in der äußeren Haltung wie in den Stellen, wo der sich aus dem Innern entfaltende Seelenzustand zur Reizbarkeit entflammt und der Gedanke zur Kürzung seines Lebms erwacht, wie nicht min der da, wo die Liebe zum Dasein und der Geliebten sich der Fesseln entledigt. Herr Dettmer gab in dieser Rolle Beweis seines Talentes und der Bildungsstufe- auf die ihn Verstand und Fleiß gehoben. Minna von Barnhelm, Fräulein Langenhaun, höchst lobenswerth in den zarten Nuancen ihrer Darstellung, nur, wie uns dünkt, etwas zu viel reflectirende Sentimentalität. Diese, auf ächte Weiblichkeit basirte Rolle hat nebm den halb schmerzhaften Elementen auch frohe und heitere. Die bedeutsame Aufgabe der Franziska löste Fräulein Guinand mit einer Lebhaftigkeit und Elasticität de« Ge» müthe», wie wir sie nicht erwartet hätten. So manche sonst gute Darstellerin dieser Rolle zeigte sich nur als harmlos gut» müthiges Stubenmädchen, und dies war hier durchaus nicht der Fall; Fräulein Guinand, reizmd in ihrem Anzug wie in der ganzen Erscheinung, war hier die originelle, dem kriegerischen Wachtmeister gegenüberstehende Franziska. Wc Andere bei den Worten: „Brauchen Sie keine Frau Wachtmeisterin?" einen Knix machen, warf sie sich militärisch in die Brust und traf so mit die Laune, welche diese Nolle verlangt. Wachtmeister Werner, Herr Winzer, ganz der militä rische Mann aus der Zeit, in welcher Vater Gleim seine Lieder eines preußischen Grenadiers sang. Nur vermißte man bei dem sonst so braven Darsteller die nothwendige Nüaneirung in dem „Frauenzimmerchen". Sodann war sein Kostüm nicht gut ge wählt ; eS guckte in dem langen Rock mehr der Dorsrichter al» der Wachtmeister heraus, wie denn überhaupt das vorgerückte Alter nicht gut nüt dem jugendlichen Kammermädchen harmo- nirt. Das Sprüchwort: „Gleich und gleich gesellt sich gern", will auch hier aufrecht erhalten sein. Riccaut de la Marliniere, Herr v. Strantz, zeigte seine- Fertigkeit in der nationellen Aussprache des Französischen und empfing Hervorruf nach seiner Scene. Nur hätte er nicht von dem nahestehenden Tische Zucker klemmen sollen, da» erregt Achselzucken. Herr Räder, als Just, wirkte mit seinem grobgemüthliche» Packknechtshumor ganz besonders. Er verfiel durchaus nicht in Uebertreibung deS von Lessing mit großer Vorliebe geschaffenen Charakters. Göthe» Worte: ,Hn der Begrenzung zeigt sich erst