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So ist e« traurigeruste Wirklichkeit geworden: was wir i« den letzten zwei Jahren so oft zu fürchten hatten und doch von innigsten Wünschen und Hoffnungen beseelt, so gern in die fernste Zukunft hinaus gerückt gesehen hätten, waS wir noch ia den letzten Tagen mit immer neu sich belebendem Hoffen ua» erspart glaubten, e« ist mit der furchtbaren Unerbittlichkeit des Schicksales an uns herangetreten: das sächsische Volk steht verwaist in tiefster, schmerz lichster Trauer an dem Sarge seines aus innerstem Herzen geliebten und verehrten König- Albert. Und die übrigen deutschen Stämme reichen uoS die Bruderhand mit dem warmen Drucke, der auch vom innersten Herzen geht. Auch sie haben bewundernd und voll Liebe zu dieser königlichen Heldengestalt, zu dem maßvoll abwägenden Weisen auf dem sächsischen Throne emporgeschaut. Ja, uns ist ein Herrscher entrissen, der uu« wie ein Vater vor dem Herzen stand, der deutschen Nation aber ein Bundesfürst glorreichster Ver gangenheit, unwandelbarer Treue zu Kaiser und Reich. Schwer, o nur zu schwer wird eS uns, an diese allerbitterste Wirklichkeit zu glauben, unS ia diese barte Prüfung zu fügen! Mit dem 29. October dieses Jahres hätten sich 29 Jahre erfüllt seit der Thronbesteigung des Verewigten. Wie klar und lichtvoll liegen diese 29 Jahre vor unseren Augen! Wie fragend blicken wir nun hinaus in das Dunkel der Zukunft! WaS uu- hierbei Licht und Trost bietet, da- ist die feste Ueberzeugung, daß die Arbeit, dir in Herrscherfür sorge und -Weisheit eine volle Generation unseres Volkes zur Höhe ihrer Entwickelung geführt, in dieser zugleich die Kraft großgezogen hat, da- LebenSwerk König Albert zu pflegen und weiter zu fördern, und daß König Albert den Geist still waltender Thätigkeit, nie rastender Herrschersorge, abwägender und einsichtsvoller Duldsamkeit auch seinem Nachfolger ein geflößt hat und in diesen Tugenden nicht nur ihm, sondern für alle Zeiten da- Vorbild auch denen sei» muß, denen das Schicksal daS Scepter de- Sachsenlandes fürderhin in die Hand geben wird. Ein in heutiger Zeit oft mißbrauchtes Wort will uns glauben machen. Niemand sei unersetzlich. Es ist das ein Wort so recht im Sinne unsere« Zeitalter-, da« ungern die wahre Größe trägt und anerkennt. Da- empfinden wir Alle, deren Herz sich schmerzlich bei der heutigen Trauerkunde zusammenkrampft; wir fühlen eS al- «ine unwiderlegliche uud darum um so schmerzlichere Wahrheit, daß eia Fürst von dem Wesen und dem Entwickelung-gange König Albert'S unersetzlich ist für sein sächsische-, für da- deutsche Volk. Wie seiner Zeit mit Kaiser Wilhelm I., so sinkt mit König Albert ein Stück unserer Geschichte in- Grab; wir sahen eS in ihm verkörpert, in ihm wandelte der Geist einer glorreichen Zeit unter un- und hatte Fleisch und Blut angenommen; an ihm erinnerte sich der Krieger von 1866 und 1870 ruhmvoller Kampfe, an ihm der patriotische Bürger de- Werdegang- uud der Vollendung seiner Jugend träume. Da- ist ja da- schönste Geschenk, da- eine gütige Vorsehung einem hervorragenden Manne al- Morgengabe ia die Wiege legen kaan, daß e- ihn an der Wende einer aeuen Zeit geboren seiu und mit dieser groß werden laß», daß «- ihn daun immer aa di« Puncte wirkend und Einfluß übead stellt, wo di« Schicksale de» Zeitalter- entschieden werden, daß sein« Entwickelung und Thätigkeit gleichen Schritt hält mit den Wünschen und Bestrebungen seine- Volke-: so wird di« Geschichte de- Fürsten zugleich die Geschichte seine- Volke». DaS galt «inst von dem unvergeßlichen Kaiser Wilhelm I., daS gilt in gleichem Maß« für unseren unvergeß- lichen und unersetzlichen König Albert. Geboren in jener dumpfen Zeit, in der die deutschen Staaten sich mit einem partikularen Stillleben begnügten, eifer süchtig über ihre berechtigung-lose Selbstständigkeit wachend, hat König Albert da» Zusammenwachsen der deutschen Stämme zur Reich-einheit und die Entfaltung zu gemein samer Thätigkeit nach innen und außen, zur nationalen, zur Social- und Weltpolitik nicht nur miterlebt, sondern persönlich auch mitbewirkt. Die Freude, welche daS sächsische Volk bei der Geburt deS Prinzen Albert in so rührender Weise bezeugt hat, ist wie eine günstige Weissagung für den gesammten LcbenSgang deS Gefeierten gewesen, der dis zum letzten Athemzug« für die Freude und daS Glück seine- Volkes besorgt war. Wie eine Weissagung klingt e- auch aus dem Dankgedichte seines erlauchten Vater-, des Prinzen Johann, wenn er damals sang: Laßt zu der Götter Tempel uns alle heut' Bereinigt treten. Kam doch dem Vaterland Der Gottgeschenkte, der Vollender, Goldne Geschlechter dereinst beherrschend. Ja, ein Gottgeschenkter; War nicht mit seiner Geburt die bange Sorge von den treu zum Herrscherhause stehenden Sachsenherzen genommen, baß der Albertinische Stamm dem Verdorren nahe sei? Wohl mag unserm verewigten greisen Herrscher im Hinblick auf jene Tage, namentlich wenn, wie so ost in diesen letzten Jahren, der leise Schauer des Todes ihm daS Herz erzittern machte, da« Auge gestrahlt haben, wenn die frische Schaar der Enkel d«S Bruders ihn umtummelte. Und ein Vollender! Ein Vollender dessen, WaS schon dem Vater vorschwebte, als noch die Hand des korsischen Eroberers auf dem Vaterlande lastete, und in den Besten der Nation in der Mitte der ersten fünf Jahrzehnte deS 19. Jahrhunderts zu immer festerer Ueberzeugung emporwuchs. Auch in dem Prinzen Albert. Als er ein Kind war, da stak auch die deutsche Politik in den Kinderschuhen, aber als er zum Jüngling herangereift war, erfaßte ihn wie die ganze Nation daS Wehen einer jugendstarken Begeisterung. ES entsprach dem Wunsche des 21jährigen Jünglings, daß er mit hinauf gen Norden ziehen durfte» um für deutsches Land gegen einen fremden Unterdrücker zu kämpfen. Aus jenen Tagen liegt jene- herrliche Zeugniß vor, daS in dem Jüngling schon den zukünftigen Mann, den zukünftigen Herrscher und seine politische Stellung erkennen läßt: „Der Krieg hier hat", so hat Prinz Albert damals an einen Dresdener Freund geschrieben, der ihm im Namen mehrerer besorgter Mitbürger größere Schonung seiner Persönlichkeit ans Herz legte, „abgesehen von dem Recht und Unrecht, daS schwer zu erklären, für mich eine höhere Bedeutung; eS ist daS erste Zusammenwirken der deutschen Stämme zu einem Ziele; eS ist das der wahre Weg zur Einigung, und diese Bahn zu eröffnen, ist r« Pflicht, namentlich deS Fürsten, vorauSzugehen, und gelte eS da- Leben; denn, liebster Freund, die Monarchie stirbt nicht durch den Tod eine- Gliedes, aber Deutschland geht zu Grunde, wagt eS nicht durchzukämpfeu!" — In dieser Meinung war er eins mit dem Vater, wenn dieser auch die Sachlage nicht mit den Augen eines opferfreudigen Kriegers, sondern als Staatsmann ansah. Seine durch die Bewegung der Jahre 1848/49 gereifte und im Jahr« 1853 niedergeschriebene Ueberzeugung bildet eine Ergänzung zu der Auffassung deS SohneS; wohl ist sie diesem bei späteren Entschließungen gegenwärtig gewesen, und darum sei sie auch hier wiedergegeben: „Auch wir Couservativen wünschen ein freies, mächtiges und einige- Deutschland; auch wir wollen von dem schwankenden Boden des Staatenbundes in die engere Verbindung deS Bunde-staate- übergehen. — Wenn aber mehrere selbstständige, in einem völkerrechtlichen Ver bände lebende Staaten ein innigere- Bündniß schließen wollen, so kann eS nach allen Grundsätzen deS öffentlichen Rechts nur durch eine Uebereinkunft dieser Staaten erfolgen. Der Versuch der Frankfurter Nationalversammlung, eine solche Vereinbarung zu Staude zu bringen, ist mißlungen, weil sie, die Competenz überschreitend, die Verfassung ohne die Regierungen durchzuführen vermeinte." Dieser Weg einer gemeinsamen Einigung, die das Ideal deS gesctzliebcnden Prinzen und Königs Johann war, ist ja später beschritten worden. Aber erst mußten die Kanonen sprechen. Und darum fügte e- da» Schicksal, daß Prinz Abrrt nach Beendigung deS dänischen Kriege- Soldat blieb, Soldat auS Neigung und au» hervorragender Begabung für diesen Stand. Und darum fügte eS da- Schicksal, daß Kron prinz Albert die Führung de« sächsischen Heere- übernehmen konnte, als Sachsen in dem Kriege von 1866 auf der Seite Oesterreichs den Kampf gegen den nordischen Nebenbuhler begann. Je befangener bei dem ganzen Charakter der bis herigen sächsischen Politik und bei den Erfahrungen, die man mit Preußen seit 1848 gemacht hatte, der Prinz für Oester reich sein mußte, um so gründlicher und nachhaltiger mußte die innere Klärung und Befreiung auf dem Schlachtfelde von Königgrätz sich gestalten. Ist es nicht gerade jetzt, wo wir auf dieses reiche Leben zurückblicken, unsere Pflicht, auch der Verhältnisse zu ge denken und ihnen gerecht zu werden, unter denen Kron prinz Albert Sachsens Schwert gegen Preußen mit Recht zu führen glaubte? Je rückhaltloser sich da« sächsische Königshaus 1848/49 in die national-patriotische Bewegung hineinziehen ließ, je mehr eS zu Opfern bereit gewesen war, um so herber mußte die Enttäuschung sein, als Preußen dieselbe Bewegung selbst zurückdämmte und sich zu Olmütz demüthigen ließ. Bis zur Uebernahme der Regierung durch Wilhelm I. ist kaum etwas geschehen, um das Vor- urtheil gegen Preußen im übrigen Deutschland zu beheben. Je klarer daun aber die Absicht der neuen, nunmehr durch BiSmarck geleiteten Richtung hrrvortrat, in Deutschland die Vorherrschaft an Preußen zu bringen, um> so mißtrauischer und besorgter für die eigene Existenz wurden naturgemäß die kleineren Staaten und suchen Anlehnung an Oesterreich, daS feit den Niederlagen von 1859 auf den italienischen Schlacht feldern nicht mehr so zu fürchten schien und mehr als früher auf deutsche Bundesgenossenschaften angewiesen war. Gerade aber die Ereignisse deS JahreS 1859führten zu einer Spannung zwischen Preußen und Sachsen: Sachsen hatte am 20. October beim Frankfurter Bundestage in Verbindung mit Bayern und Württemberg die Revision ider Bundeskriegsverfassung bean tragt; die Weigerung Preußens, in der wir schon den Ein fluß BiSmarck's zu erkennen haben, sich vom BundeSrathe in solchen Fragen majorisiren zu lassen, bringt die Vorlage zu Fall und hat gereizte Auseinandersetzungen zwischen Berlin und Dresden zur Folge, wo schon seit einem Jabrzehnte der Preußen feindselig gesinnte Herr von Beust daS StaatSruder in der Hand hält. Persönliche Beziehungen wirken mit. Kronprinz Albert ist eng mit dem nur um zwei Jahre jüngeren österreichischen Kaiser Franz Josef befreundet; bei der damaligen politischen Lage war eS mehr als ein bloßes Zeichen der Freundschaft, wenn Kronprinz Albert sich vom Mai bis Juni 1862 als Gast deS Kaiser- in Wien aufhielt, dann im September den österreichischen Manövern in Böhmen beiwohnte und schließlich nochmals im October von der Gastfreundschaft des österreichischen Kaisers Gebrauch machte, wie er auch schon in den Tagen der Olmützer Ent scheidung ein in jeder Weise bevorzugter und ausgezeichneter Gast seine» Freunde- gewesen war. — Bald aber kommt eine neue Veranlassung zur Entfremdung von Preußen. Als im März deS JahreS 1863 daS Vorgehen Dänemarks gegen die Elbhcrzogthümcr die Langmuth deS deutschen Bundes einer harten Probe au-setzte, zeigte sich die Nothwendigkeit einer BuodeSreform in greifbarer Deutlichkeit. Bei den zahllosen gegenseitigen Eifersüchteleien wurde ein einigermaßen positive« Resultat nur dem König Johann verdankt, der mit allen Mitteln seines scharfsinnigen Geistes daS Reformwerk unter Dach und Fach zu bringen bemüht war. Es ist bekannt, wie er persönlich den König Wilhelm zur Theilnahme an der Frankfurter Fürstenversammlung einlud, aber am 19. August eine Abweisung erfuhr. Mau kann sich vorstellrn, welche Stimmung nach diesem Mißerfolge, dessen letzte Gründe man damals noch nicht so klar durchschauen konnte, in der königlichen Familie gegen Preußen uud den Leiter seiner Politik vor waltete. An dem dänischen Kriege nimmt Sachse» activ nicht theil, obwohl eS zu dem BundeSexecutionScorpS Truppen gestellt hat. Bekanntlich beanspruchten Oesterreich und Preußen allein die Regelung der schleswig-holsteinischen Frage. Aber eben dadurch trat die Unzulänglichkeit der sächsischen HeereSmacht recht klar zu Tage. Hier mußte etwa« geschehen, wenn Sachsen nicht da- Spiel fremder Willkür werden sollte in dem der Entscheidung zudrängendrn Widerspiele Preußen« und Oester-