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Areitaa den Oktober L8S8 57. Jahrkang MBc«dn»cr Bezirks- Amtsblatt der Königlichen AmtslMPtmannschaft Flöha, des Königlichen Amtsgerichts nird des Stadtrats zll Frankenberg. Auferat-HeSützre», Einspaltig« Petit-Zeile oder deren Naum 10 Ps.; im amtlichen Teile pro Zeile 80 Ps.; „Eingesandt" und Reklame unter dem Nedaktio nsstrich Hü Ps. — tkompttzlerte Inserate nach beson derem Taris. — Für Nachweis und Offerten - Annahme werden pro Inserat LbPs.extra berechnet -rschetnt täglich nitt Ausnahme der Houn-uud Festtage, abends sür den sal zenden Tag. Preis vierteljährlich 1 M. bO Ps., monatlich bO Ps., Einzelnummer bPf. Bestellungen "erden in unserer Geschäftsstelle, von de» Boten und Aus gabestellen, sowie allen Postanstalten angenommen. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Norberg in Frankenberg I. Sa. Druck und Verlag von E. G. Nostberg in Frankenberg I. Sa. U roivd die evste rr«»rnrev -es Lageblsrttcs fuv -le bev-tt» E Montis Lriik s Ullir M » «UKK«sebeir. Al,serate für dieselbe <VH»rtt«ir «>r* ««» bi* svütesten» rs«nt<»K «rittas 12 Ittzr vi« Lxp»r>iiion «>v» Der Faschoda-Fall. „Der Kerl hat recht", sagte jener Preußenkönig, als er vor Gericht in einer bürgerlichen Streitsache einen Advokaten seine Rechtsauffassung hatte darlegcn hören, und „Der Kerl hat auch recht", sügte er nach der Auseinandersetzung deS gegnerischen An walts hinzu. An dieses kleine Geschichtchen erinnert der Streit fall, der augenblicklich wegen des Besitzes von Faschoda zwischen Großbritannien und Frankreich schwebt. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Frist, nur verschärfter noch als damals im Hinterlande von Dahome, prallt der Gegen satz beider Länder in Afrika aufeinander. Die Spannung zwischen Downingstreet und Quai d'Orsay hat diesmal einen ungewöhnlich hohen Grad erreicht und niemand vermag derzeit zu sagen, wie sie ihre Lösung finden soll. Der Ort Faschoda liegt am Ober lauf« des Nil, und zwar am Weißen Nil, Halbwegs zwischen Khar tum und dem Mktoria-Nyanza an einer strategisch und politisch wichtigen Stelle. Der Gedanke Englands richtet sich auf ein un unterbrochen englisches Gebiet von Kairo bis zur Kapstadt. Als die Anglo-Aegypter mit dem Falle von Omdurman den Sudan an sich gebracht, eilte der siegreiche General Kitchener rasch nil- aufwärtS, um auch Faschoda in Besitz zu nehmen und von dort aus dem von Uganda vorrückenden Major Macdonald die Hand zu reichen. Aber cs zeigte sich, was man beinahe vermutet hatte, daß ein Wettbewerber ihm zuvorgekommen war. Der sranzösischc Major Marchand hatte von Westen her mit einem kleinen Häuf lein weißer Offiziere und senegalischer Mannschaften nach gewalti gen Anstrengungen früher den umworbenen Punkt erreicht und die Flagge seines Landes dort aufgehißt. Marchand handelte da mit im Sinne der seit 18V4 von Frankreich verfolgten Sudan politik, die dahin geht, vom Atlantischen Meere quer durch Afrika bis zur Somaliküste ein zusammenhängendes französisches Gebiet zu schaffen und namentlich am oberen Nil sich ein- beherrschende Stellung zu sichern. Damit aber wäre, da Frankreich dann den britischen Sudan von Ostafrika trennen würde, der englische Plan deS einheitlichen LängsgebieteS zu schänden gemacht. Es handelt sich also um eine afrikanische Machtfrage ersten Ranges. Schon 1895 erklärte nun die britische Regierung im Unterhause, jedes Eindringen Frankreichs in das Nilthal, jeder Versuch desselben, die Verbindung zwischen Aegypten und Uganda zu stören, wäre eine „unfreundliche Handlung". Trotz der hierin liegenden Droh ung nahm die Expedition Marchands ihren Weg nach Faschoda. Das Verlangen deS um zwei Monate später in dem Wettrennen dort eingetroffenen britischen Generals, die französische Flagge ein zuziehen und das Gebiet zu «erlassen, lehnte er ab: „Hier bin ich uqd hier bleibe ich!" Zu einem kriegerischen Zusammenstöße kam eS dabei nicht, friedlich wehen in Faschoda vorläufig die eng lische und die ägyptische Flagge neben der Trikolore Frankreichs. Zunächst noch hat di« Diplomatie das Wort. Die Frage nach dem Eigentumsrechte ist sehr schwierig. In ihren sehr gereizten Ausführungen verteidigte die britische Presse In der Krandnng des Lebens. Roman von I. von Werth. n. Fortsetzung. —— (Nachdruck verboten.) Doktor Gröner trat auS der Allee und Fräulein Rose eilte ihm entgegen. „Um Gottes Willen, Kind, Sie bluten!" rief der Doktor. „Wie sehen Eie aus? Was ist hier vorgegangcn? Weshalb will kein Mensch mir Rede stehens" Statt aller Antwort ergriff Rose seine Hand, zog ihn mit sich fort, bis zu der Freiin, die noch immer regungslos auf dem Rasen lag. Äe deutet« auf den anscheinend leblosen Körper nieder und sagt«: „DaS Pf«rd — da — helfen Eie." Der Professor ließ seinen finster fragenden Blick über die ver störten Gesichter der Umstehenden gleiten und einen Moment auf Benno hasten bleiben. Dann kniete er neben der Bewußtlosen nieder, während Rose mit angstvoller Spannung jeder seiner Be wegungen folgte. Er öffnete da- Kleid. Ein Husschlag hatte die Brust getroffen. DaS Gesicht des Arztes wurde immer ernster. „Aber sie lebt, sie lebt!" rief Rose händeringend. „Ja, noch lebt sie", entgegnete der Arzt und untersuchte weiter. „Der Brustknochen ist gebrochen", sagte er leise, scheu dem Blicke der forschenden Kinderaugen ausweichend. „Auch die Lungen schwer verletzt", fuhr er diesmal schweigend in seiner Untersuchungsort, „und bleibt nichts weiter zu wünschen, als ein schneller Tod, um die Qualen nicht zu verlängern." Als die Leidend« dann in da« Schloß getragen und sanft aus ihr Lager gebettet worden war, kehrte ihr das Bewußtsein zurück. Me öffnete die Augen, ihre lieben, elenvollen Augen, die sich zärtlich aus Rose richteten. Dann öffnete sic den Mund und oersucht« zu sprechen. Doch statt der Worte drängt« sich ein schwarzer vlutstrom zwischen den halbgeöffneten Lippen hervor. stets den Satz, daß Faschoda, das seit 1837 eine ägyptische Mi- litärstation war, doch trotz seiner späteren Räumung niemals auf gehört habe, ägyptisches Gebiet zu sein. FranzösischerseitS dagegen behauptete man, daß durch seine thatsächliche Ausgebung durch Aegypten Faschoda ein herrenloser Gegenstand, eine io» null»" geworden und daher infolge der Besitzergreifung durch Marchand den Franzosen zugefallcn sei. In dem soeben in London ver öffentlichten Schriftwechsel beider Regierungen erklärt demgemäß Lord Salisbury, das ganze Nilgebict gehöre dem unter englischem Schutze stehenden Aegypten, und England halte dieses Recht für unerörterbar. Der französische Minister deS Aeußern führt seiner seits dagegen den Grund ins Feld, daß Aegypten thatsächlich des Sudans verlustig gegangen sei und Frankreich auch niemals den britischen Einflußbereich am oberen Nil anerkannt habe. Der entschiedenere Ton in diesen Auseinandersetzungen ist auf britischer Seite. Er zerstreut alle Zweifel der französfischen Presse, als ob das britische Auswärtige Amt die scharfe Auffassung der Londoner Blätter über die Faschodafrage nicht teile, sondern ge linde Saiten aufzichen werde. Und wiederum die maßgebende britische Presse spricht die höchste Befriedigung über Ton und In halt der Kundgebungen Lord Salisburys aus, von dem man ins geheim vielleicht doch Zugeständnisse an Frankreich befürchtet hatte. Mit seltener Einmütigkeit und Rückhaltlosigkeit billigen „Standard", „Times" und „Morningpost" die Politik deS leitenden Staats mannes, dem auch die befriedigte Zustimmung der Oppositions blätter, wie „Daily News" und „Daily Chronicle", nicht vor- cnthaltcn bleibt. Auch diese erklären, daß Marchand seine Flagge «inziehen müsse, wenn sie auch trotz der unfraglich ernsten Lage eine friedliche Schlichtung der Schwierigkeiten noch immer erhoffen. Schwierig ist die Lage in der That. Die sonst wenig kolonial- freundlichen Franzosen haben sich in den „französischen Nil", wie sie den Weißen Nil wohl benennen, nun einmal verliebt. Mar-' chand, den Tischlcrssohn aus der Provinz, umgiebt in ihren Augen ein wenig der Nimbus eines nationalen Helden. Und der Pariser Stadtrat hat dem fiebergefähilichen Nest, um dessen Besitz man sich streitet, soeben die allerdings in der französischen Hauptstadt nicht so ganz unwandelbare Ehre erwiesen, eine Straße „Rue Faschoda" zu benennen. Bei dieser Volkstümlichkeit der Nilfrage würde das Ministerium Brisson seinem Ansehen im Lande einen argen Riß versetzen, wollte es die von Hanotaux mit bestem äußeren Erfolge betriebene afrikanische Politik in bezug aus den oberen Nil so ohne weiteres verleugnen. So wird die französische Re gierung bei der bevorstehenden Unterhandlung sicher alle Hebel an setzen, mit Anstand die Angelegenheit zu ordnen, und schwerlich verfehlen, dabei die ägyptische Frage aufs Tapet zu bringen. Daß cs zum Aeußerstcn, zum Kriege komme, steht trotz allem übrigens zunächst kaum zu befürchten. Die größere Wahrscheinlich keit spricht immerhin dafür, daß Frankreich schließlich doch, in möglichst unverfänglicher Forni natürlich, den Marchandschcn Vor stoß rückgängig machen werde. Und Lord Salisbury dürste, an gesichts der sonstigen Sorgen seines Kabinetts, im Grundsatz schwerlich abgeneigt sein, goldene Brücken sür einen solchen Rück zug zu bauen. — Freilich, bei der schwülen Spannung, welch« die politische Welt ringsum erfüllt, darf immerhin di« Möglichk«it weiterer Verwickelungen auch in der Faschoda-Frage nicht außer Acht bleiben. Wie sich aber auch die Sache schließlich w«nde, zum Guten oder zum Bösen, so werden nicht so sehr die Rück sichten des in diesem Falle höchst strittigen Rechtes, sondern Gründe der allgemeinen Politik den Ausschlag sür Haltung der beiden be teiligten Mächte geben. Oertliches und Sächsisches. Frankenberg, 13. Oktober 18S8. s- Der Gewerbeverein eröffnete seine Herbst- und Winter saison gestern abend mit einem Familienabend, dessen Hauptteil eine theatralische Darbietung war, sür welche die Langesche Thea- tergcsellschaft gewonnen worden war. Das Kneiselsche PreiSluft- spiel: „Die Tochter Belials" war gewählt worden, in welchem die Mehrzahl der Bühnenkräste der Direktion Lange Verwendung fand. Auf die Tendenz des Stückes — siegreicher Kampf bied«- ren, rechtlichen Wesens gegenüber egoistischer Heuchelei — näher cinzugehen, kann hier nicht der Ort sein, wohl aber sei der treff lichen Art und Weise gedacht, durch welche die Träger der Haupt rollen das Stück zur vollen Geltung brachten. Den Hauptanteil hat Fräulein Franziska Lange, welche trotz eines wenige Stunden vorher erlittenen Unfalles die nicht leichte Rolle der Sängerin Wallfried, welche alle Phasen Gemütsbewegungen vom trotzigsten Ansturm auf Vorurteile bis zur innigen, zärtlich«» Liebe zum wiedergcfundenen Vatcr fordert, sicher spielte. In ihrem Partner, Herrn Aurich, als Kandidat Weiland, zeigte sich ein sicherer und angenehmer Darsteller jüngerer Rollen, in Herrn und Frau Küh- ncrt vorzügliche Repräsentanten älterer Partien, Herr Lehmann als Ferdinand v. Wernberg ist im Spiel sicher und wohlgewandt in Charakterrollen, wie sie ihm vorgcschrieben war zuerst als lockerer Großstadtsohn, dann als Uebcrläufcr zu den Heuchlern. Herr Direktor Lange, Frau Aurich und Frl. Nicolas waren mit kleine ren Partien bedacht und trugen zuni Wohlgelingen der Vorstel lung das Ihre redlich bei. — Wenn auch andere Vereine an di« Frage der Veranstaltung von Familienabenden herantreten, so kann nur empfohlen werden, während des Hierseins der Gesell schaft Lange mit der Direktion in diesbezügliche Verhandlung ein zutreten. In den, reichhaltigen Repertoir derselben befinden sich ebenso zahlreiche Stücke, welche einen ganzen Abend füllen, als auch nette Ein- und Zweiakter, welche sür Familienabende gem gewählt werden. -ß Die Freunde und Gönner des Kaiserpanoramas seien auch an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Prachtferie der bayerischen Königsschlösser nur noch bis morgen, Freitag, zur Be- ichligung ausgestellt ist, da bereits am Sonnabend eine neue Serie an ihre Stelle tritt. Von einem dieswöchigen Besucher deS Kaiserpanoramas wird uns mitgeteilt, daß bei genauer Betrachtung Laut aufstöhncnd, sank Rose ins Knie, während Doktor Gröner sich um die Kranke bemühte. So verbrachten die Beiden zwei lange, bange Stunden an dem Schmerzenslager, ohne doch die Qualen der Leidenden lindern zu können. Als nach diesen endlosen zwei Stunden die Sonne ihre letzten Strahlen rotgolden durch die weit geöffneten Fenster in das Zimmer sandte, wo Rose schmerzgebeugt mit starren, thränenlosen Augen neben dem Lager der Freiin kniete, da trennte sich die Seele von dem gebrochenen Körper und stieg aus den letzten Sonnenstrahlen zu Gott empor. Besinnungslos und kampflos war sie hinüber geschlummert. Nur ein tieferer Atemzug der wunden Brust und dann tiefe, lautlose Grabesstille. Der Doktor hatte mit leichtem Druck die Augen der Toten geschlossen. Jetzt näherte er sich dem jungen Mädchen, das immer noch in dem blutbefleckten Kleide, in unveränderter Stellung neben der Toten kniete, und sagte leise: „Es ist vorbei. Kommen Sie mit mir, Rose." Sie schien seine Stimme nicht zu hören und verharrte regungslos in ihrer Stellung. Er strich liebkosend über ihren braunen Lockenkopf und wandle daS bleiche, blutbefleckte Ge sichtchen zu ihm empor. Aber diese Augen! Er konnte ihren Blick nicht vertragen. So blickte wohl ein zu Tode gehetztes Reh, da«, zusammenbrcchend, die Mordwaffe auf sich gerichtet sieht. Der Dollar wandte sich ab. Solch' ergreifenden Schmerz hatte er noch nie in einem Mcnschenantlitz geschaut. Langsam fuhr er mit der Hand über die feucht gewordenen Augen und verließ daS Gemach. Bald daraus kehrte er mit Louison zurück, die ein Becken mit frischem Wasser und weiches, weißes Linnen trug. Doktor Gröner setzte sich neben das knicendc Mädchen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, wusch das Blut von dem bleichen Antlitz und verband die Wunde. Rose ließ alle» geduldig mit sich machen, als bemerkte sie cs gar nicht. Nur wenn der Professor oder Louison versuchten, sie von dem Sterbelager zu entfernen, dann erhob sie die großen Augen, vor deren schmerzzerrissenen Ausdruck beide zurückwichen. Es war Abend geworden, als Doktor Gröner beim Fortfahren Louison zurief: „Sorgen Sie sür das gnädige Fräulein. Morgen früh bin ich wieder hier. Ich will nur in der Stadt das Nötige besorgen." Er lehnte sich in die Wagcncckc und schaute mit trübem Blick zurück auf das Schloß, das sich in undeutlichen Umrissen von dem dunklen Abendhimmcl abhob. Dann bedeckte er die Augen mit der Hand und seufzte leise. Hier hatte sich wieder erfüllt, was der Dichter gesagt: ein einziger Augenblick hatte alles umge- staltct. DaS HauS, das vor wenigen Stunden noch eine Stätte heiteren Friedens, innigen Glückes gewesen, in das waren jetzt Schmerz, Sorge und Tod cingezogcn. Wo sonst heiteres Lachen, fröhliche Geplauder zu vernehmen war, Hörl« man nur gedämpft« Schritte, Klagen und Weinen. DaS liebevolle Auge der Herrin, daS über allem und allen sorgend gewaltet, hatte sich sür immer geschlossen, und niit ihrem sanften Blick war der Sonnenschein von dem Hause gewichen. — DaS waren Doktor GronerS Ge danken, während die mutigen Pferde ihn in raschem Trab auf der Landstraße dahinführtcn. Und doch, war er heute nicht selbst ge kommen, daS stille Glück dort grausam zu zerstören? — Er fühlte nach seiner Tasche, bis er ein leises Knittern vernahm. Es kam von dem Blatt, daS er gestern auS dem Papierkorb de« jungen Kahden genommen. Als er am Morgen seinen Knaben die Samen körner gegeben, waren ihm die steilen, gcschnörkclten Schriftzüge ausgefallen, welche daS Blatt bedeckten. Während er dieselben betrachtete, hatte er den Namen der Freifrau gelesen. DaS hatte sein Interesse erregt und ihn zum Weitcrlesen bewogen. Nun wußte er den ganzen Bries Zeile für Zeile, Wort sür Wort, aus wendig, so ost hatte er denselben gelesen und mit welchen Gefühlen!