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und TügMM Amtsblatt für die königliche« Md städtische« Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun iu Freiberg. -U /* Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den 11Nß andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., W* zweimonatlich 1 M. 50 Pf. n.nnmonatl. 75 Pf. 8». Jahrgang. Mittwoch, den 1. M-i Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile oder deren Raum 15 Psennige. 1878. »MM. » , , «»ch « Nachbestellungen auf dm « für die Monate Mat «nd Juni «erden von sämmtlichev Postanstalte« wie von der unterzeichneten Expedition und den bekannten Ausgabe stellen znm Preise von 1 Mark 50 Pf. augenommm. kxpsMion äss „froibengen ^nreigsn". Deutschland und die orientalische Krisis. Alle Völker Europa's blicken jetzt sehnsuchtsvoll auf's deutsche Reich und hoffen, daß es seinem „ehrlichen Makler" gelingen möge, eine erfolgreiche Vermittlung zwischen den widerstrebenden Mächten zu Stande zu bringen. Die un geheure Mehrheit unseres Volkes begleitet diese Thätigkeit des Reichskanzlers mit den besten Wünschen. Welche Partei in Deutschland könnte aus einem russisch-englischen oder gar aus einem allgemeinen europäischen Kriege Vor theil erhoffen? Selbst wenn der Zusammenstoß von der spezifisch deutschen Interessensphäre möglichst fern gehalten würde — die Zerrüttung der internationalen Verkehrsver- hältnifse, welche er zur Folge haben würde, müßte auch auf die deutsche Volkswirthschaft ihren schädigenden Ein fluß üben. Zur Zeit vermag freilich Niemand zu sagen, welchen Erfolg die Bemühungen der deutschen Reichsregierung haben, zumal die Preßorgane derselben sich einer großen Schweigsamkeit befleißigen. Jedoch weiß man aus früheren Erklärungen des Reichskanzlers, daß seine Vermittlung niemals soweit gehen wird, um den Ausbruch eines Krieges zwischen England und Rußland durch Drohungen nach der einen oder anderen Seite hin zu verhindern. Das deutsche Reich in seiner machtvollen Stellung kann nicht drohen, ohne der wirkungslos gebliebenen Drohung hinterher die angedrohte That auch wirklich folgen zu lassen. Und worin sollte diese That bestehen? Es ist — selbst wenn man dem Fürsten Bismarck genug europäischen Sinn zutrauen darf, um nöthigenfalls auch Rußland mit Krieg zu bedrohen — aus den Aeutzerungen desselben im Reichstage bekannt, daß das gute Einvernehmen Deutschlands mit Rußland „thurmhoch" über den Ein flüssen und Einflüsterungen steht, die dasselbe zu stören trachten. Damit sollte jedenfalls gesagt sein: so lange Kaiser Wilhelm in Deutschland und Kaiser Alexander in Rußland neben einander regieren, kann kein äußeres Er- eigniß jenes gute Einvernehmen stören, eS sei denn, daß es von russischer Seite selbst aufgegeben würde. Was aber russischer SeitS am ägäischen und schwarzen Meere, in Bulgarien und Armenien sich ereignen mag, das wird, wenn auch alle anderen Mächte sich dagegen echauffiren sollten, das gute Einvernehmen des deutschen und russischen Kaisers niemals stören. Die That, welche dem deutschen Reiche zur Erhaltung des europäischen Friedens angesonnen wird, könnte sich demnach nur gegen England richten, da dieses Forderungen erhebt, die das Zustandekommen des Kongresses und damit die Sicherung des europäischen Friedens hindert. Soll nun etwa das deutsche Reich England mit Krieg bedrohen, damit dieses sich bereit finde, mit Rußland im i Frieden über die neue Gestaltung des Orients zu ver- I handeln? Es braucht diese Frage nur richtig formulirt Izu werden, damit ihre Absurdität zu Tage trete. Nach »dieser Seite hin kann nur indirekt gewirkt werden und »zwar in der Weise, daß Deutschland seinen Einfluß auf M)esterreich-Ungarn, der ja bei Anwendung der geeigneten Miittel stets ein sehr maßgeblicher sein muß, im Sinne Miner friedlichen Verständigung mit Rußland verwendet, um die Spekulationen auf eine gegen Rußland gerichtete englisch-österreichische Allianz zu Nichte zu machen und Eng land in Europa zu isoliren. Das ist es aber gerade, was die Rufer nach einer Friedensthat dem deutschen Reiche verargen und weswegen sie dasselbe für den Ausbruch eines englisch-russischen Krieges verantwortlich machen, es der hohen Stellung, die ihm die Ereignisse von 1870 bis 71 angewiesen haben, wegen Verabsäumung der damit verbun denen Pflichten als unwerth darzustellen suchen. Diese sonderbaren „Freunde Deutschlands" geben ganz deutlich zu verstehen, daß das deutsche Reich davon ablassen möge, auf eine Verständigung zwischen Rußland und Oesterreich- Ungarn hinzuarbeiten, damit Letzteres „freie Hand" er halte, seine Macht gegen Rußland auszuspielen. Mit andern Worten: das deutsche Reich soll Oesterreich-Ungarn eine moralische Bürgschaft dafür geben, daß es ihm gegen über im Falle eines österreichisch russischen Krieges Neu tralität beobachten werde. Eine solche Aufmunterung zum Kriege gegen Rußland wird nun aber von deutscher Seite aus ganz sicher nicht erfolgen. Fürst Bismarck deutete darauf in seiner letzten Orientrede hin. Unter d m „Dolche, welchen das deutsche Reich Rußland in den Rücken stoßen solle", ist, wie wir guten Grund haben, anzunehmen, die Ertheilung des deutschen Placet zu einem Kriege Oester reich-Ungarns gegen Rußland zu verstehen gewesen Da somit eine direkte FriedenSthat des deutschen Reiches ebenso wenig gegen England wie gegen Rußland zu er warten steht, so wird Deutschland, wenn die redlichen Be mühungen seiner Regierung für eine Vermittlung des Friedens sich als vergebliche erweisen sollten, seinen Trost n dem Bewußtsein seiner guten Absichten suchen müssen. Will England, was wir noch immer kaum glauben, absolut Krieg mit Rußland in der Voraussetzung, daß letzteres heute militärisch, finanziell und wirthschastlich ungemein geschwächt sei, um es leicht besiegen zu können — so wird dem kontinentalen Europa nichts übrig bleiben, als sich neutral zu erklären und auf diese Weise die Folgen der asiatischen Rivalitäten Englands und Rußlands von sich abzuwehren. Das deutsche Reich aber — und das mag seine Friedensthat fein — wird sich an die Spitze der neutralen Mächte zu stellen haben. Tagesschau. Freiberg, 30. April. Die neueste Nachricht über den Stand der Ksvgretzs Angelegenheit kommt heute aus Petersburg und meldet, daß das deutsche Reich aus seiner vermittelnden Stellung zurückgetreten sei. Damit sei aber nicht gesagt, daß man in Berlin sich von der Erfolglosigkeit der bisherigen Be mühungen überzeugt habe, vielmehr herrsche dort die An sicht vor, daß, nachdem England und Rußland den gleich zeitigen Rückzug ihrer Streitkräfte im Prinzip angenommen hätten, die Verhandlung über die Details bequemer direkt geführt werden könnten. Rußland sei vollständig bereit, die Verhandlungen direkt fortzusetzen und hoff«, daß Lord Salisbury die rein negative Kritik des FriedenSvertrages aufgeben werde, es sei aber nicht bekannt, wie England zu handeln gedenkt. Rußland wünscht aufrichtig eine friedliche Lösung und sei bereit, jedwedes Arrangement zu acceptiren, durch welches der Hauptzweck des Friedens gesichert und eine mäßige Entschädigung sür die von ihm gebrachten Opfer erlangt werde. Was die Annexion Bessarabiens andetreffe, so würde Rußland durch Uebrr lassung des von Russen bevölkerten Theiles befriedigt sein. Eine friedliche Lösung sei indeß nur möglich, wenn bei den Verhandlungen der Punkt der formellen Unterbreitung des ganzen Friedensvertrages an den Kongreß vermieden würde, weil Rußland dies als eine Demüthtgung an sehe. — Die gestern telegraphisch signalisirte Miltheilung der Wiener „Presse" über En glands Forde r un g e n auf dem Kongreß entbehrt noch der Bestätigung. Bekanntlich sollen dieselben dahin gehen, daß die Grenzen Bulgariens aus den Raum zwischen der Donau und dem Balkan beschränkt blieben, in Rumelien und Macedonien Reformen eingeführt, die Provinzen Thessalien und Epirus an Griechenland ab getreten würden, Bessarabien eher bet Rumänien und Batum bei der Türkei belassen würde. — Auf solche Be schränkungen des San Stefano-FriedenS würde Rußland auf keinen Fall eingehen, es müßte denn gewaltsam dazu gezwungen werden. — Für den heutigen Dienstag ist die Abreise des Großfürsten Nikolaus nach Petersburg festgesetzt. Sein Nachfolger im Oberkommando ist dec 60jährige General Totleben, der Vertheidiger Sebasto- pols Derselbe soll nunmehr sein russisches Vaterland nicht auf eigenem russischen, sondern auf fremdem Boden gegen Feinde vertheidigen, deren eigentliche Beschaffenheit und Anzahl sich noch immer hinter dem Nebel der diplo matischen Verhandlungen verbirgt. Aber jeden Augenblick kann ein Ausblitzen in den Nebel hineinzucken, das Auf blitzen eines ersten Kanonenschusses. Die russische Armee kann Gelegenheit erhalten, möglicherweise den sechzigsten Geburtstag ihres neuen Oberkommandanten, den 20. Mat, mit ganz anderen, als Festungssalven zu begehen. Der bevorstehende Wiederbeginn der Arbeiten des deutschen Reichstage- richtet vornehmlich die Blicke nach Friedrichsruhe in daS Krankenzimmer deS Reichs kanzlers. Die Reichstagsarbeiten sind, neben die große Weltfrage des Krieges oder Friedens gehalten, zwar von untergeordneter Natur; sie betreffen aber nichts desto we niger Gegenstände, welch« auf die Gestaltung unserer inneren Zustände vom größten Einfluß sind und man kann dabei nicht ohne Sorge sein, wie weit es möglich werden wird, diese Gegenstände in Abwesenheit des Reichskanzlers zu erle igen. In Kreisen, welche Beziehungen zum Netchs- kanzleramte haben, sind die Ansichten sowohl über die Erkrankung des Fürsten sowie über seine etwaige Theil- nahme an den Arbeiten des Reichstages gethetlt. Die Einen behaupten, Fürst Bismarck leide an der Wasser sucht und diese in Hofkreisen längst bekannte betrübende Thatsache erkläre auch die krankhaft reizbare Haltung des Kanzlers im Reichstage. Wir verwahren unsjedoch ausdrücklich dagegen, irgend welcheVertretung für die Richtigkeit dieser Meldung übernehmen zu wollen. Die Anderen dagegen sind der Ansicht, daß der Fürst etwa 8 bis 14 Tage nach Wiedereröffnung des Reichstages in Berlin eintreffen werde, um an den legislatorischen Arbeiten theilzunehmen, da das Auftreten der „Gürtelrose" ein verhältnißmäßig schwaches sei. Mit den Bestimmungen der Gewerbeordnungs-Novelle über das Lehrlingsverhältniß hat die Mehrheit der Kommission sich fast in allen wesentlichen Punkten einver standen erklären können. Einige Mitglieder versuchten allerdings, die ersteren in grundsätzlichen Punkten abzu- ändern So wurde von einer Seite PrüfungSpflicht ver langt, von anderer Seite eine Bestimmung des Inhalts, daß Niemand Lehrlinge ausbilden dürfe, der nicht in seinem oder in einem verwandten Gewerbe mindestens 3 Jahre als Gesell« oder Gehülfe gearbeitet habe; womit, wie der Antragsteller ausführte, die Reorganisation der Innungen vorbereitet werden sollte. Allein diese Anträge fanden wenig Anklang und wurden zurückgezogen. Das Verlangen einer obligatorischen Prüfung ist auch in der gedruckten Petition des Verbandes deutscher Baugewerks- meistrr und in einer Reihe anderer Petitionen enthalten. Den bestimmtesten Ausdruck hat dasselbe in der Petition der Handwerkrvereins zu Dresden gesunden: ohne PlüfungSpflicht sei der mangelhaften Ausbildung der jungen Leute nicht abzuhelfen; der Lehrling müsse die Prüfung vor Augen haben, dann werde er lernen. Das Verhältniß habe sich leider so gestaltet, daß nur Zwang helfe. Ebenso kehrt die Forderung einer bestimmten Dauer des Lehrlings- verhältntsseS vielfach wieder; während aber die Emen mindestens dreijährige Dauer verlangen, schlägt der Aus schuß des schlesischen Zentral-Geiverbevereins, welcher sich eingehend mit der LehrltngSfrage beschäftigt hat, zwei- bis vierjährige Dauer vor. Obligatorische Schriftlichkeit wird gleichfalls in einer ganzen Reihe von Petitionen verlangt. Die Kommiision beschloß denn auch folgenden neuen tz 127», welchem die Vertreter des BundesratheS Widerspruch nicht entgegensetzten: „Bei Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling unter Angabe des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist, über die Dauer der Lehrzeit und die während derselben erworbenen Kenntnisse und Fertig-