Volltext Seite (XML)
Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Ps. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten-Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Reclamen im Redactionotheil pro Zeile 20 Pf. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. 22. Diiistag. 20. Anglist 1878. Bekanntmachung. Die im hiesigen Stadtbezirke wohnhaften Eltern, bez. Vormün der und Pfleger impfpflichtiger Kinder werden darauf aufmerksam gemacht, daß die gesetzlich vorgeschriebenen unentgeltlichen Impfungen bis ans Weiteres Dinstags und Sonnabends Vormittags von 8—9 Uhr ini Zimmer der Stadtverordneten hier (Nathhaus, I. Etage rechts) vorge nommen werden und daß behufige Anmeldungen zur gedachten Zeit eben daselbst beim Jmpfarzte, Herrn vi. inoä. Funkhänel, vorzubringen sind. Waldenburg, den 13. August 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. Bekanntmachung. Behufs geeigneter Durchführung der Bestimmungen des Reichs-Jmpf- gesetzes werden die im hiesigen Stadtbezirke wohnhaften Ellern, bez. Vor münder und Pfleger der in den Jahren I87S bis 1877 geborenen Kinder aufgefordert, die bezüglichen Impfscheine bei Vermeidung von Geldstrafen bis zu 20 Mark —- bis zum 24. August 1878 auf der hiesigen Nathsexpedition abzugeben. Waldenburg, den 13. August 1878. Der Stadtrath. Cunrady. Politische Rundschau. * Waldenburg, 19. August 1878. Das Socialist engesetz wirbelt außerordent lich viel Staub in der deutschen sowohl wie in der ausländischen Presse auf. Die deutschen Blätter sind zum großen Theile gegen das Ge setz, da sie befürchten, daß unsere Freiheiten da durch in bedenklichster Weise gefährdet würden. Als es sich um die Maigesetze handelte, die doch auch einem großen Theile der Bevölkerung er hebliche Beschränkungen auferlegen, waren sie für ihre Einführung. Bei dem Socialistengesetz han delt es sich allein um die Dämmung der socia- listischen Hochfluth und unser unabhängiger Rich terstand muß uns die Sicherheit gewähren, daß nicht Personen unter diesem Gesetze leiden, die von socialistischen auf Umsturz berechneten Be strebungen weit entfernt sind. Natürlich wird das Gesetz noch manchen Aenderungen unterliegen, ehe es zur Annahme gelangen dürfte. In nationalliberalen Kreisen herrscht die Meinung, daß ihre Fraction das Gesetz nicht ohne Weite res abweisen wird, man glaubt, daß die Forde rungen, welche von nationalliberaler Seite er hoben werden dürften, nicht derart sein werden, um eine Verständigung mit der Negierung aus zuschließen. Vor Allem soll das Gesetz nur für eine gewisse Reihe von Jahren Geltung haben, sodann wird der Wunsch geäußert, daß entweder die dem neuen „Neichsamt für Vereinswesen und Presse" zugewiesenen Funktionen den ordentlichen Gerichten übertragen werden möchten oder aber der richterliche Charakter des neuen Amtes noch schärfer hervorgehoben werde. Wir können eben falls nicht eiuseheu, weshalb denn ein besonderer Gerichtshof für die Socialisten nöthig ist, es scheint uns darin eine große Gefahr zu liegen. In der Unabhängigkeit der Richter liegt unser Palladium. Im Justizausschuß des Bundesraths ist bis jetzt nur ein Theil der Socialistenvorlage durch- beralhen worden. Das Hauptbedenken richtet sich gegen das „Neichsamt für Vereinswesen und Presse." Namentlich soll Baiern und nicht minder Würtemberg und Sachsen sich dagegen erklärt haben. Die Stichwahlen haben für die Socialdemo kraten noch einen ansehnlichen Zuwachs gebracht, und sind jetzt gewählt in Sachsen Bebel, Lieb knecht, Bracke, Wiemer und Kaiser. Ob auch Vahlteich, der nach den bisherigen Meldungen große Aussichten hat, durchgekommen ist, konn ten wir noch nicht erfahren. In Preußen wurden socialistische Vertreter in Elberfeld, Breslau und Berlin gewählt, sodaß bis jetzt acht Social demokraten in den Reichstag kommen. In Altona hat es ein hartes Ringen zwischen Fortschritt und Socialdemokratie gegeben. Von den Socialdemokraten als eine feste Burg be trachtet, die sie mit Leichtigkeit wieder erobern könnten, ist ihnen der Sieg dennoch nicht gelun gen. Karsten wurde mit 13,303 Stimmen ge gen den Socialdemokraten Praast gewählt. Letz terer erhielt 13,212 Stimmen. Allerdings fehlt ihm da nur eine geringe Zahl. Das D eficit in Höhe von 20 Millionen Mark, welches der preußische Etat anfzuweisen hat, rührt, wie bereits erwähnt, theilweise aus den Mindereinnahmen der Staatsindustrie her. Bei der nächsten Etatberathung im Landtage soll nun von der Volksvertretung wiederum daraus hingc- wirkt werden, daß man mit der Veräußerung der Domänen und Hüttenwerke langsam vorgehe. Es soll hervorgehoben werden, daß diese Domänen und Hüttenwerke, wenn sie sich im Besitze von Privaten befänden, einen weit höheren Betrag abwerfen würden, weil alsdann die Geschäftsführer an dem Gewinne ein unmittelbares Interesse haben würde. Die Münzconferenz in Paris hat am Frei tag ihre erste Sitzung abgehalten. Der Delegirte der Vereinigten Staaten von Nordamerika unter breitete der Conferenz eine Vorlage, wonach ein allgemeines Verhältniß zwischen Gold und Silber hergestellt, und die Freiheit der Ausprägung aus gesprochen werden soll. Beschlossen wurde, Deutsch land nochmals zur Betheiligung an den Arbeiten der Conferenz einzuladen. Der diesjährige XI. deutsche allgemeine Protestantentag wird vom 8. bis 10. Oktober d. I. in Hildesheim stattfinden. Als erster GegenstandderHauptverhandlungenift das Thema: „die kirchliche Lehrfreiheit und das Gemeinderecht" in Aussicht genommen. Gegenüber der Verküm merung der Gemeinderechte, wie sie in der preu ßischen Landeskirche an der Tagesordnung ist, wird der Verein die Grundsätze darlegen, nach denen die Grenzen der Lehrfreiheit gezogen werden können, ohne die Grundrechte der Reformation zu verleugnen. An zweiter Stelle wird „die grund legende Bedeutung der Religion für das Volks leben" von Kircheninspektor vr. Spaeth aus Breslau besprochen werden, woran sich eine Be leuchtung der praktischen Aufgaben des Vereins in der gegenwärtigen sozialen Lage knüpfen wird. Die Festpredigten werden Professor D. Pfleiderer aus Berlin und Pastor Klaap aus Osnabrück halten. Die österreichischen Occupationstruppen haben einen Mißerfolg zu verzeichnen. Die 20. Division hatte die Aufgabe, den nordöstlichen Winkel Bosniens zu besetzen und bis Zwornik an der serbischen Grenze vorzudringen. Während nun die anderen Colonnen bei ungleich schwieri- i gerem Terrain sich ihren, Ziele näherten und ! bald vor Serajewo stehen werden, mußte die 20. Division von Tuzla nach ihrem Ausgangspunkte Gracanica zurückgehen. An jenem Punkte haben nämlich fämmtliche Einwohner, Christen und Tür ken, fast ausnahmlos gegen die Oesterreicher die Waffen ergriffen. Außerdem haben auch die Ge schütze nicht überall zur Verwendung kommen können, weil häufige Achsenbrüche der Gestelle deren rasche Bewegung verhinderten. Spätere Berichte sagen, daß die Division relativ riesige Verluste erlitten hat, sowohl an Menschen wie an Train. Thatsache soll sein, daß reguläre türkische Truppen und serbische „Freiwillige" die Oesterreicher hart bedrängten. Ein osficielles Wiener Telegramm vom 16. d. besagt noch, daß gegen 30 Bataillone regulärer türkischer Truppen den aufständischenMohamedanern sichangeschlofsen haben und daß große Quantitäten von Waffen und Munition nach Bosnien geschafft und dort vertheilt worden sind. Angesichts dieser That- sachen werden in Oesterreich bereits zwei weitere Divisionen mobilisirt. Eine blutige Arbeit, diese Occupation, wie sie selbst von den ärgsten Schwarz sehern nicht erwartet worden ist. Oesterreich hat es sich zum großen Theile selbst zuzuschreiben, daß die Besetzung so außerordentlich schwierig ge worden ist; anstatt so schnell wie möglich die Besetzung vorzunehmen, versäumt es mehrere Wochen mit diplomatischen Unterhandlungen, die von der Türkei wahrscheinlicherweise zur Organisi- rung des Aufstandes benutzt wurden. Das englische Parlament ist gestern in die wohlverdienten Ferien gegangen. Parlament und Kabinet haben ans eine glorreiche Campagne zu- rückznblicken und beiden ist die Ruhe wohl zu gönnen, wenngleich für das Ministerium die Zeit aufregender politischer Arbeit noch lange nicht abgeschlossen ist, denn es gilt jetzt den neuerwor benen Besitz an Ansehen, Macht und Ländergebiet zn festigen, und auf der gelegten Basis das be gonnene Gebäude weiter auszuführen. Man muß gestehen, Englands Ansehen und Macht ist in der jüngsten Spanne Zeit kolossal gewachsen und seine Stimme ist wieder maßgebend geworden im Rache der Nationen. Ob allein durch eigene Kraft oder hauptsächlich durch die Fehler des russischen Geg ners mag im Augenblick unerörtert bleiben. Je denfalls hat die von Lord Beaconsfield mit kraftvoller Energie von Neuem ins Leben geru fene „Reichspolitik", welche die riesigen Hilfsmittel des verstreuten englischen Besitzstandes zu gemein samer Aktion zusammenzuschließen bestrebt ist, Hervorragendes geleistet und England wieder in das Vordertreffen der tonangebenden Natio nen gestellt.