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.Mnstm-Emstthalkr Anzeiger Mgeblatt für AoßcnKein-tztn^Hal, HLerliinzwitz, Hersdorf, Kermsdvrs, Wernsdorf, Mstmbrcmd MMM Mwwach, LlMMberg. A«K<A, GrmMch. Tlrfchhci« rc. Mi»! Dieses Blatt erscheint mt: Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Aus träger, sowie alle Postanstalten. Für Abonnenten wird der Sonntags-Nummer eine illustrierte Sonn tagsbeilage gratis beigeg's Abonnrment: Bei Abholung monatlich 35 Pfg. die einzelne Nummer 5 „ Frei iuS Hau» monatlich .4? Pfg. vierteljährlich 1. M. 25 Pfg. Durch die Post bezogen 1.25 Mk. excl. Bestellgeld. FnfertionSgebühre«: die sech-gespaltene CorpuSzeile oder deren Raum für den Verbreitungsbezirk IO Pfg., für auswärts 12 Pfg. Reklamen 25 Pfg. Bei mehrmaliger Aufgabe Rabatt. Annahme der Inserate für die folgende Nummer bis Vorm« 1V Uhr. Größere Anzeigen abends vorher erbeten. 73. Fernsprecher Nr. 151. Freitag, den 30. Mürz 1906. MschMst-ll-- Bah»,«-, s. 33. Jahrgang. Gewerbl. Fach- «nd Fortbildungsschule Hohenstein-Ernstthal. Die diesjährigen JahreSprüfungen werden Sonntag, den 1. April, von V,11—1 Uhr nach dem hierzu besonders aufgestellten Programm abgehalten. Die theoretischen Prüfungen finden in der Schulturnhalle, die praktischen an den mechanischen und Handstühlen in der Webschule statt. Die von den Schülern gefertigten schriftlichen Arbeiten, die Zeichnungen, die praktischen Arbeiten u. s w. sind im mittleren Schulhause, Zimmer Nr. 1 u. 2 am Sonntage, den 1. April, von 10—4 Uhr und am Montage, den 2. April, von 8—6 Uhr zu jedermanns Ansicht ausgestellt. ES beehrt sich hierzu ergebenst einzuladen Die Direktion -er Handels-, Handwerker- u. Webschule. Schuldir. Dietze. Emil Zschocke. Freibank Hohenstein-Ernstthal: Berkaus von gekochtem Kalbfleisch; Pfund 50 Pfg. Gewerbliche Erziehung. Um die Osterzeit treten tausende von jungen Leuten alljährlich aus der Schule in das Leben hinein, um sich einem Beruf zu widmen, ihn so zu lernen in allen seinen Einzelheiten, daß er ihnen später die eigene Existenz bietet und sie befähigt, sich in ihm weiter zu entwickeln, neues zu ersinnen und altes auSzubauen. Wenn wir von einem ge- werblichen Lehrling sprechen, so ist daS ein kleines Wort; aber auf seinem Werdegang ruhen hohe Pflichten, erwachsen weitgehende Ansprüche an daS Können, nicht zum besten anderer, sondern zum besten seiner selbst. Und darum wollen und müssen wir heute in den jungen Leuten, die sich einem gewerblichen Berufe zuwenden, die Erkenntnis wecken, daß sie nicht allein, im eigensten Interesse, zur Sicherung ihres Fortkommens praktisch und theoretisch tüchtig etwas zu lernen haben, sondern auch, daß sie dann etwa- auf sich zu halten haben, geradesogut wie jeder andere. AuS der Lehrzeit soll kein schwanken- des Rohr herauswachsen, sondern ein in den An fechtungen deS Lebens sicherer Jüngling, der das Zeug zu einem selbstbewußten Mann in sich trägt. Wir brauchen heute Charaktere, nicht Persönlich, leiten, die sich von Agitatoren und Tagesgeschrei beeinflussen lassen. Eine solche Persönlichkeit ist aber nicht mit einem Male vorhanden, der junge Mann muß vom ersten Tage der Arbeit an dazu erzogen werden Wir wissen alle, welchen Anfechtungen gerade solche jungen Leute ausgesetzt sind, die im prakti- schen Leben stehen. Und weil wir ferner wissen, daß sie später auch mit den mannigfaltigsten Schwierig keiten zu kämpfen haben werden, wollen wir in ihnen den Stolz der Arbeit, auf die eigene Tüchtig- leit, wecken. Ein Lehrling soll und muß lernen, aber e- soll und muß ihm auch klar werden, daß er sich soweit durchringen muß, daß einmal eine Bevormundung aufhört. Biele Uebel unserer Zeit erwachsen daraus, daß wir zuviel Persönlichkeiten auS zwei Menschen-Kategorien haben: Die einen lasten sich gar zu sehr leiten, die anderen stellen ihre extravaganten Anschauungen über die wahren Erfordernisse und Erfahrungen des Lebens. Schwan kendes Rohr und Aufgeblasenheit, das sind die Merkmale, die viel zu viel jüngere Leute, die sich den ManneSjahren nähern, haben, während wir doch solche Elemente gebrauchen, bei denen sich rechte- Können mit Besonnenheit und Lebenskennt- niS eint. Ein jeder Lehrherr und Lehrmeister, der seine reichen Erfahrungen hat und seine Zeit erkennt, steht in dem Lehrling und Zögling nicht einen den Kinderschuhen entwachsenen jungen Menschen, der bei ihm einige Jahre verweilen und praktische- und theoretisches BerufSwisten sich aneignen soll, er sieht in ihm schon den künftigen Kollegen und Mit kämpfer zur Festigung und Wahrung deS deutschen NährstandeS. Der Lehrherr ist seinem Schutz befohlenen nicht allein die unterweisende Persönlich, leit, beruflicher Lehrer, sondern auch der Freund, der den Heranwachsenden zu einem würdigen Mit glied der großen Berufsfamilie und damit des kräftigen Bürgertums heranzieht, das immer das Rückgrat unseres Volkes bleiben wird. So ist die richtige Auffassung von der gewerblichen Erziehung, in der ein überzeugter Kämpfer und Streiter für nationalen Stolz und nationale Wohlfahrt mit herangezogen werden soll. Wer heute im Leben nicht festzustehen weiß, der wird von den Lebenserfahrungen ost grausam in den April geschickt. Wir können jemanden mit ganzem Herzen bedauern, dessen Lebensschiff strandete, der nichts als getäuschte Hoffnungen und fehlge- schlagen« Versuche heimbrachle, aber wir vermögen ihn kaum noch auf einen anderen Weg zu ver weisen. Was Hänschen nicht lernte, lernt Hans nimmermehr, und jung gewohnt, alt getan! DaS sollten namentlich auch die Eltern bedenken, und in einem gewissenhaften Lehrherrn einen Freund ihres KindeS erblicken, dem Vertrauen gebührt. Das möchten wir allen zurufen, die vom Leben viel erwarten, und deren Erwartungen sich doch nur erfüllen können, wenn sie mit der Wirklichkeit rechnen. Die Vorgänge in Rußland. Der Erfolg des drohenden politischen General streiks in ganz Rußlr.nd soll durch die Zuwendung erheblicher Geldmittel an das Hauptstreikkomitee der Petersburger „Ruß" zufolge jetzt gesichert sein. Die Eisenbahner haben ihre Zustimmung zum Generalstreik erklärt. Die Fabriken Moskaus und anderer Städte beschränken dis Zahl ihrer Arbeiter und wollen noch vor Ostern alle Arbeiter entlassen, um in der Osterwoche neue zuverlässige anzuwerben. Einen Begriff von der Unsicherheit im Lande gibt die Tatsache, daß gegenwärtig noch 69 Proz. des ganzen russischen Territoriums unter Ausnahme gesetzen stehen. DaS Verhalten der vor keiner Konsequenz zurückschreckenden russischen Revolutio- näre macht diese Ausnahmebestimmungen allerdings erklärlich. So sind z. B., wie die „Kreuzztg." er- zählt, kürzlich in einer Spinnerei bei Lodz 34 Mäd- chen, welche sich geweigert hatten, zu streiken, durch Ausstreuen von Giftpulver auf die Dielen vergiftet worden. Einige find bereits gestorben, die anderen Arbeiterinnen liegen schwerkrank darnieder. In Petersburg nimmt die Unsicherheit in er schreckendem Umfange zu. Viele Wohnungen werden nachts überkallen und auSgeraubt. In der Roschd- jestwensky-Straße wurden eine volle Stunde lang alle Passanren von einer Räuberbande festgehalten und ausgeplündect, ohne daß sich ein Polizist auch nur blicken ließ. Die haben mst der Bewachung der Bankhäuser und Postanstalten, ouf die fort während Ueberfälle verübt werden, vollauf zu tun. Deutscher Reichstag. 77. Sitzung vom 28. März. Abg. FuSangel hat an den Reichstag ein Schreiben gerichtet, indem er mitteilt, daß er wegen gegen ihn, und zwar auch in Zentrums-Zeitungen, erhobener grundloser Verleumdungen beim Staats anwalt in Esten ein Untersuchungsverfahren gegen sich beantragt habe, zu besten Einleitung er die Genehmigung des Reichstags erbitte. Das Schrei ben gehl an die GeschäftSordnungS-Kommission. Auf der Tagesordnung stehen zunächst Wahl- Prüfungen. Die Kommission beantragt, die Wahl des Abg Zimmermann im Wahlkreise Zschopau für gültig zu erklären. Äbg. Geyer (Soz.) führt auS, die Wahl sei unter allen Umständen auf ungesetzlichem Wege zu stande gekommen. Gegen die klare Bestimmung des Reglements seien Wähler, obwohl sie auf der Liste standen, wegen Verzugs von dem Wahlvor- steher zurückgewiesen worden. Allerdings sei der Antrag der Kommission formell berechtigt, denn erst nach abgelaufener Einspruchsfrist sei bekannt ge- worden, daß die Zahl der ungesetzlich zurück gewiesenen Wähler eine so große war. Abg. Bruhn (Antis.) erwidert, daß auch nach Berücksichtigung dieser Ungesetzlichkeiten noch eine Mehrheit für Zimmermann sich ergebe. Abg. Eingrr (Soz.) bestreitet dies. Auf jeden Fall lägen hier so viele Gesetzwidrigkeiten von Wahlvorstehern vor, daß das HauS unmöglich eine so zustande gekommene Wahl für gültig erklären könne. Er beantrage daher Ungültigkeitserklärung. Abg. Wellstein (Ztr.), Vorsitzender der Wahl- Prüfungskommission, gibt zu, daß materiell dir Wahl zu unrecht zustande gekommen sei. (Zuruf links: Nun also!) Die WahlprüfungS-Komnussion sei trotzdem mit vollem Recht zu ihrem Antrag ge kommen, denn sie sei keine Untersuchungskommission und habe nicht allen Ungesetzlichkeiten nachzuforschen, sondern rechtzeitig eingelaufene Einsprüche zu prüfen. Und darnach ergab sich für Zimmermann eine er hebliche Majorität (Rufe links: erhebliche?!), nun jedenfalls eine Majorität. Er bitte daher, daß das Haus dem Anträge der Kommission beitrete Abg. Bruhn (Antis.) tritt nochmals für Gültig keit ein. Abg. Luca» (natl ), ebenfalls für Gültigkeit der Wahl, vertritt den Standpunkt, daß wählen dürfe, nur wer am Wahlorte wohne und in die Liste eingetragen sei. Unrichtig sei überdies, daß der Wahlkommiffar, wie Singer behaupte, eine Ver- sügung an die Wahlvorsteher erlassen habe, daß sie alle nicht mehr am Orte wohnenden Wähler zurückzuweisen hätten. Der Wahlkommissar habe lediglich auf eine Anfrage deS sozialdemokratischen W rhlkomilees eine höfliche Antwort in jenem Sinne gegeben. Abg. Fischer-Berlin (Soz) führt an, daß nach ausdrücklich von einer früheren Wahlprüfungs kommission festgelegtem Grundsätze die Eintragung in d»e Wählerliste unter allen Umständen maß gebend sei. Abg. Merte« (freis. Vp.) stellt fest, daß in diesem Falle die Wahlvorsteher bei den betreffen den Namen in der Liste vermerkt hätten: „Ver zogen." Das sei schon an und für sich unzulässig. Die Wählerliste ist eine Urkunde, an der nach ihrer Abschließung die Wahlvorsteher Aenderungen nicht vorzunehmen berechtigt seien. Abg. Wellstetn (Zentr) bleibt dabei, die Ein- tragung in die Wählerlisten sei nicht unbedingt entscheidend, sondern wer auS dem Wahlakte ver- ziehe, verliere dadurch dort sein Wahlrecht. Abg. Potthoff (freis. Vgg.) konstatiert u. a. noch, daß die nach Angabe deS Abg. LucaS „Höf- liche Antwort" deS Wahlkommiffar- in den Amts blättern veröffentlicht worden sei, also gleichsam als Instruktion für die Wahlvorsteher. Um so mehr müsse die Wahl für ungültig erklärt werden. Abg. Gröber (Zentr.) gibt zu bedenken, wohin es kommen würde, wenn die WahlprüfungS-Kom- misston von ihren früher gefaßten Entscheidungen abweichen würde. Andererseits meine er, daß zu nächst einmal von der WahlprüfungS-Kommission in aller Ruhe die Rechtsfrage geprüft werden solle. Bis das geschehen, solle man die Entscheidung über die Wahl Zimmermanns vertagen. Redner be antragt dies. Dieser Antrag gelangte einstimmig zur Annahme. Es folgt die Wahlprüfung Raab, Wahlkreis Eschwege-Schmalkalden. Die Kommission beantragt Beanstandung der Wahl, bezw. Beweiserhebungen. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antis.) beantragt demgegenüber Zurückverweisung der Gache an die Kommission. Die Wahl wird beanstandet, ebenso die deS Abg. Scharre (Wahlkreis Merseburg) unter Ablehnung eines Antrags Arendt auf Gültig- keits-Erklärung. ES folgt die Wahlprüfung Bassermanns (Wahl kreis Frankfurt a. O.). Die Kommission beantragt Gültigkeit. Abg Fischer-Berlin (Soz) beantragt Ungültig keit, weil ein paar Tage vor der Wahl der Reichs, kanzler im Herrenhaus« die Konservativen bezw. den Bund der Landwirte aufgefordert habe, zur Vermeidung der Wahl eines Sozialdemokraten mit den anderen bürgerlichen Parteien bei der Wahl zusammenzugehen. Abg. WeUfteiu (Zentr.) tritt für den Antrag der Kommission ein. Der Reichskanzler habe im Parlamente von allgemein politischen Gesichtspunkten aus gesprochen, aber nicht im Rahmen einer Wahl agitation. Abg. Potthoff (freis. Ver.): Dem Reichskanzler stehe allerdings das Recht zu, sich im Parlamente allgemein über politische Fragen zu äußern. Aber ebensowenig wie ein Justizminister in einen schwe benden Prozeß eingreisen dürfe, ebensowenig dürfe ein Ministerpräsident in eine schwebende Wahl derart amtlich eingreifen, wie dies Fürst Bülow zwei Tage vor der Wahl in Frankfurt unter deut licher Nennung dieses Wahlkreises getan habe. Deshalb müsse die Wahl Bassermann- kassiert werden. Abg. Epahn (Zentr.) betont demgegenüber, eS sei im Herrenhause von der bevorstehenden Wahl gesprochen worden, und da habe der Reichskanzler allerdings allgemein ein Zusammengehen der bür gerlichen Parteien gewünscht, aber das sei ja gar nichts neues. Zu welchen Konsequenzen würde es führen, wenn dem Reichskanzler verwehrt sein sollte, sich so zu äußern? Abg. LnkaS (natl.-lib.) spricht sich im gleichen Sinne aus. ES müßten ja einfach alle Wahlen für ungültig erklärt werden, wenn dem Reichs kanzler untersagt sein sollte, sich so zu äußern, wie eS auS seiner ganzen Stellung sich von selbst ergebe. Abg. Fischer-Berlin ^Soz ): Wer sagt denn, daß dem Reichskanzler verboten sein soll, uns zu bekämpfen?! Aber in diesem Falle habe der Reichs kanzler direkt dem Bunde der Landwirte empfohlen, auf eine eigene Kandidatur zu verzichten. Der Antrag der Kommission wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der freisinnigen Vereinigung angenommen, die Wahl Bassermanns also für gültig erklärt. Dann wird die Beratung deS Marine-Etats fortgesetzt. Abg. Müller-Meiningen (freis. Vp.) verlangt, damit der gute Ruf der Marine erhalten bleibe, vom Staatssekretär, oft eine Warnung vor schlechter Behandlung von Mannschaften ergehen zu lassen. Redner exemplifiziert auf die Behandlung eines Einjährigen Macholtz. Kapitän z. S. v. Heeringe» erwidert, Macholtz sei durchaus entgegenkommend behandelt worden. Vom 27. Mai bis 5. Juli sei er eines Knieleidens wegen in seiner Wohnung behandelt worden, von da ab bis zum September war er dienstfähig, im Oktober wurde er wieder krank, aber infolge eines Unfalls. Kurz vor der Entlastung mußte er wegen ungehöriger Beschwerdesührung eine Arreststrafe er- leiden. Er ist bis ans Reichsmilitärgericht ge- gangen, dieses hat aber kemen Anlaß gefunden, daS Verfahren wieder auszunehmen. Die Marine verwaltung verurteilt jede Mißhandlung aufs schärfste; in dieser Beziehung laufen die Interessen der Marine mit denen deS deutschen Volke- zusammen. Abg. GieSbert» (Zentr.) erörtert die Arbeiter- Verhältnisse in der Panzerplattenfabrikation bei den Kruppschen Werken. Di« Marineverwaltung sollte sich nur mit den Kruppschen Werken in Verbindung setzen, sie zur Einführung der Zehnstundenzeit, zur Einführung von ArbeilerauSschüsten usw. aufzu- fordern. Der Titel „Staatssekretär" wird genehmigt. Dann wird die namentliche Abstimmung über den Antrag Ablaß, betreffend Deckung der Flotten- vermehrungskosten durch eine ReichSoermögenssteuer, wiederholt. Der Antrag wird abgelehnt mit 142 gegen 67 Stimmen, bei drei Stimmenthaltungen. Darnach wird die Flottengesetznovelle in ein-