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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.03.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120311021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912031102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912031102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-03
- Tag 1912-03-11
-
Monat
1912-03
-
Jahr
1912
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Bezu-s-Prei» TeSaer u»d Spediteue« Lmal tS-ltch M» Ha», „broiit:» VI- 2.7» »k. »ietteUähel. Bei unlee» Ättialrn u. Na. D,»ch »t« V«»r tanerhalb Deutichland» und der deutschen Kiloniea vierteliährl. i.SU Mk., monatl. 1.SI Mk. au.Ichl. Poltdestellaeld. Fern« in Belstru, Dänemark, den Donauliaoten, Italien, ^ureinbura, Niederland», Nor» weaen, Oe>t«rreich. Ungarn. Ausland, Schweden, Schweiz u. Epanien. In allen üdrrgrn Staaten nur direkt durch di« S«>chält»llell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt ericheint 2mal täglich. Sann- «. Feiertag, nur morgen». Ldonnem«nt».Bnnahm«: Johanni»,all« 8, der unjeren Trägern, Filialen, Spediteuren und Vnnahmellellen. lowie Panämtern und Bnetträgern. kktn,«lv«rkauf»pret» 10 Pk. Abend-Ausgabe. KlWgcrTaMaü s 14 692 lBachtaalchln» Lel.-ÄUschl.I 14 693 l 14694 Handelszeitung. Tel.-AuM. 14 692 lNachtanIchluh) 14 693 14 694 Amtsblatt -es Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Nr. 12S Montag, üen ll. März 1912. Anzeigen-PreiS kllr Inferat« au» Leip,,, und Umgebung di« kloaltigePetit,eil« »Pf. dieSieklam«. „ile i Ml.' von -u»wän, ZN Ps.. Neklamen UÄi E' Injerate von Behörden im amt- lithen Teil di« PetitteU« S» Ps E-lchäst»an,eigen mit Piatzvorlchriste» im Prell« erhöht > Rabatt nach Taris. Beilagegebühr G,,amt» aujl-g« L Mk. o. Tauiend rill. Poiigebühr. Teilbeilag« höher. Festerteilt» Busträa« können ni»t ,urück. gezogen werden Für da» Erscheinen an venimmlen Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Rn,eigen.Annahmen 2»h»n,i»«asl« «, bei sämtlichen Filialen u. allen Lnnoncen» Erpeditionen de» In- und Luslan»«». Druck und Jeelag »an Fischer L Kürst», Inhaber' Vaul Kürste». Redaktion und »eschäs,»stelle: Iohanniogasse 8. Haupt-Filiale Dre»den: Eeestratze t, l lTelephon »821). 106. Ishrgsng. Zum Bergarbeiterftr eik. Lin Mißerfolg. -I- Soviel steht zur Stunde fest: Die Arbei ter im Ruhrrevicr sind zum großen Teil her Aufforderung der Führer, in den Ausstand zu treten, heute nicht gefolgt. Nur in dem Ge biet, in lem der alte ssozialüemokratische) Verband die Führung hat — imDortmunderRevier—, sind nach den Meldungen unseres ins Streikgebiet entsandten Spezialberichterstatters ca. 50 Prozent der Bergleute ihren Arbeitsstätten ferngeblieben; im ganzen Ruhrrevicr beträgt die Zahl der Aus ständigen ca. 20 Prozent der über 350000 Mann umfassenden Belegschaften. Hoffentlich führt diöser Mißerfolg dazu, die schwankenden Elemente der Unorganisierten zur Weiterarbeit zu veranlassen. Den Grubenbesitzern kann aber gerade jetzt nicht dringend genug ans Herz gelegt werden, auch ihrerseits alles zu tun und nichts zu verabsäumen, daß den Arbeits willigen die Weiterarbeit und den Schwankenden die eventuelle Rückkehr zu ihren Betriebsstätten möglichst erleichtert wird. Gerade jetzt darf man von Lem sozial und wirtschaftlich einsichtigen Teil der Gru benbesitzer das größtmögliche Entgegenkommen gegen über den berechtigten Wünschen der Arbeiter erhoffen und fordern. Aus dem Revier selbst liegen uns die nachstehen den Meldungen vor: Der Liusltanü zum Teil gescheitert. sLon unserem ins Streikgebiet entsandten Spezialkorrespondenten.j Bochum, 11. März. Die Begeisterung, die am Sonntagnachmittag in den zahlreichen Versamm lungen der drei streiklustigen Verbände (sozialdemo kratischen. polnischen und Hirsch-Dunckerschcns künstlich gezüchtet wurde, hat sich heute vormittag nicht in die Tat umsetzen lassen. Wider Erwarten haben nicht einmal die Mitglieder der obigen drei Verbände voll zählig die Arbeit niedergelegt, und wenn man berück sichtigt, das; sowieso schon jeden Montag ein großer Teil der Bergarbeiter blau macht, so sind im Ruhr revier im Durchschnitt knapp 20 Prozent von den rund 360 000 Leuten in den Ausstand getreten. Vor allem haben die etwa 50 000 christ lichen Bergarbeiter und ihr Anhang der Leitung Folge geleistet und die Arbeit fortgesetzt. Diese Tat sache konnte auf das große Heer der Nichtorgani sierten nicht ohne Einslus; bleiben. Der Herd des Ausstandes befindet sich im Dortmunder Revier, wo der alte sozialdemokratische Verband die Führung hat. Hier haben etwa über 50 Prozent der Arbeiter gestreikt. Soweit die Ziffern bis Mittag vorliegen, sind im Revier Dortmund I bei einer Gesamtbelegschaft von 92 064 Mann 66,47 Prozent im Streik. Je mehr man auf Essen und Oberhausen zugeht, desto geringer ist di« Streiklust, und so ist es ge kommen, daß z. B. im Essener Revier von einem Ausstand kaum etwas zu spüren ist. Auf sämtlichen Schächten der Guten Hoffnungshütte in Oberhausen streiken von den 8000 Bergleuten kaum 1000 Mann, wobei zu berücksichtigen ist, daß auch in normalen Zeiten hiervon rund 500 Arbeiter regelmäßig Montags blau machen. Aehnlich sieht es beispielsweise auf den Schächten der Hibernia- gescllschaft, des Kölner Bergwerksvereins, der Ge werkschaften Langenbrahm. Königin Elisabeth usw. aus. wo nur ein kleiner Bruchteil die Arbeit niedergelegt hat. Im Revier Recklinghausen- Osten, wo der König!. Preußische Bergfiskus do miziliert, streiken von 13 118 Mann insgesamt 37,28 Prozent. Es sind dies die beiden streiklustigsten Re viere. Auf den fiskalischen Zechen in Gladbeck in Westfalen arbeiten auf den Möllerschächten 930 Mann, wogegen 483 streiken, auf den Rhein babenschächten arbeiten 1154 gegen nur 246 Strei kende. Im Gelsenkirchener Revier beträgt bei einer Belegschaft von 10142 Mann die Zahl der Streikenden nur 2188 Mann, also 21,57 Prozent. Ueber ü!e allgemeine Lage berichte* uns unser pk.-Spezialbericht erstatter folgende Einzelheiten: Größere Unruhen im ganzen Ruhrrevier sind bisher nicht vorgekommen. Die aus den Zechenplätzen eingerichteten Wachen sind verstärkt worden. Auf den zu den Zechen führenden Straßen kam es nicht zu den sonst wohl beobachteten großen Ansammlungen. Allerdings wurden die Arbeitswilligen, die sich in einzelnen Trupps zur Zeche begaben, von Streikenden abgefangen, die auf sie ernredetcn. die Arbeit niederzulegen. Da jvdock» an allen Straßenecken Schutzleute paarweise aufgestellt waren und diese sich bei solchen Vorgängen bald zeig ten, kam es zu keinerlei Gewalttätigkeiten. Bei den Ansammlungen, bei denen man sonst das weib liche Element nicht selten vertreten sieht, fehlten diesmal die Frauen fast vollständig. Die Bekanntmachung des Regierungs präsidenten von Arnsberg, wonach bei Be lästigung Arbeitswilliger sofort mit Waffengewalt durch die Gendarmerie und Polizeimannschaftcn ein- geschritten werden soll, wirktsehr ernüchternd. Dazu kommt noch, daß dieStreikenden bereits jetzt dis Erfolglosigkeit einzusehen scheinen. Die gestrigen Erklärungen der sozial demokratischen Führer, daß auch die christlichen Berg arbeiter heute in den Streikbureaus erscheinen sollten, wo sie ebenso wie die Mitglieder behandelt und willkommen geheißen würden, zeigt so recht den Kern der Bewegung: Man will den christ lichen Gewerkschaften die Mitglieder abfangen. Alle derartigen Versuche sind aber an der Disziplin der organi sierten christlichen Arbeiter gescheitert. Die Zechenbesitzer werden voraussichtlich nach der heutigen Vorstandssitzung, die um 5 Uhr im Berg- bauoerein stattfinüet, die Arbeiter auffordern, un verzüglich die Arbeit wieder aufzu nehmen, andernfalls ihnen die durch Kontrakt bruch verwirkten Löhne für mehrere Arbeitstage einbehalten werden, so daß die Streikenden dann den doppelten Schaden haben. Was noch besonders ni e d e rd r ü ck e n d auf die Ausständischen einwirken muß, ist der UmstanL, daß ihnen weder die Sympathie der Bürgerschaft, noch die Unterstützung der Regierung, wie dies 1905 bekanntlich der Fall war, als Rückhalt dient. Dazu kommt noch, daß auch die Lebensmittel geschäfte sich weigern, Kredit zu geben, weil sie beim letzten Generalstreik große Verluste er» litten haben. Alles in allem genommen, ist diesem „Sympathie streik zugunsten der englischen Arbeiter" nur in sofern «ine Bedeutung beizumessen, als er zeigt, in welcher Weise die sozialdemokratischen Führer ihre Macht über die Arbeiter zu politischen Machenschaften ausnutzen. Weiter wird uns noch gemeldet: Esten (Ruhr), 11. März. (Tel.) Don den Zechen bei Dortmund fehlten bei der Morgenschicht über 50 Prozent der Belegschaften, während in den übrigen Bezirken auf den meisten Zechen der größte Teil der Belegschaften angcfahren ist. Auf einzelnen Zechen, wie der des Kölner Bergwerks vereins, sind die Belegschaften fast voll ständig erschienen. Die Lage im linksrheinischen Revier. Aachen, 11. März. sTel.j Zahlreiche gestern im Murmrevier unter großer Beteiligung abgehaltene Bergar-eiterversammlungen nahmen ein« Resolution an, in der es heißt: Die Versammlung spricht der Leitung des t8 e - Werkvereins christlicher Bergarbeiter ihr vollstes Vertrauen für die jetzige Stel lungnahme zu der Lohnbewegung aus. Die un redliche Taktik der sozialdemokrati schen Verbandsleitung im Wurmgebiet be weist, daß cs dem sozialdemokratischen Verband nicht um eine wirkliche Besserung der Lohnverhältnisse, sondern um die agitato rische Verhetzung der Arbeiter untereinander zu tun ist. Die Konferenz spricht die Erwartung aus, daß der Eschweiler Bergwerksver- e i n eine Len Verhältnissen entsprechende Auf besserung der Löhne sowohl der unterirdischen, als auch der oberirdischen Arbeiter eintreten läßt. Die Löhne der oberirdischen Arbeiter sowie der Heizer und Maschinisten müssen als besonders beunruhigend bezeichnet werden. Es werden sodann die einzelnen der Aufbesserung bedürftigen Löhne der verschiedenen Arbeiterkategorien aufgezählt und hervorgehoben, daß feste Gedingsätze eingeführt werden müssen, damit die Arbeiter nicht auf das Wohlwollen der Beamten angewiesen seien. Die Resolution bringt schließlich den Wunsch zum Ausdruck, daß die Ar beiterausschüsse der Gruben- und früheren Vereinigungsgesellschaften bei der Verwaltung vorstellig werden sollen, und spricht die Er wartung aus, Laß die Direktion des Eschweiler Bergwerksvereins Len berechtigten Wünschen der Belegschaften Rechnung tragen werde. Verhandlungen bei Deutsch-Luxemburg. Essen a. d. Ruhr, 11. März. (k.-O.-Tel.j Die Arbftterausschüsse der sämtlichen Zechen der Deutsch Luxemburariwen Bergwerks- und Hütten-Aktieugrsell schäft sind bereits gestern für Donnerstag zu einer Besprechung der Streikfrage von der Direktion eingeladen worden. Ein Erlaß des Arnsberger Regierungspräsidenten. Arnsberg i. W., 11. März. (Tel.) Der Arns berger Regierungspräsident v. Baake richtet an die Bevölkerung die Mahnung zur Ruhe. Es werde in dem öffentlichen Erlaß darauf hingewiesen, daß die preußische Verfassung iedem Staatsbürger die per sönliche Unverletzlichkeit seiner Person und seines Eigentums gewährleiste. Die persönliche Freiheit umfaß« auch das Selbstbestimmungs recht des freien Arbeiters darüber, ob er für seine Familie arbeiten wolle oder nicht. Um dieses ver fassungsmäßige Recht zu sichern, seien die Polizerbe Hörden angewresen, mit unbedingter Strenge von vornherein dem Ernst der Lage Rechnung zu tragen, jedem Angriff auf Arbeitswillige und ihr Eigentum sowie jeder Ausschreitung unnachsichtlich, erforder lichenfalls mrt der Waffe, entgegenzutreten. Der Erlaß ermahnt ferner die Ausständigen, ihre wirt schaftlichcn Kämpfe innerhalb der gesetzlichen Gren zen zu führen. Das Publikum wird eindringlich er mahnt. sich von Ansammlungen auf der Straß« oder von sonstigen Unruhen fern zu halten. * Zm Mitteldeutsche« Braupkohlenberabau, wo vor .Jahren ein Streik ausbvach, der nach wochen langem Ringen für die Arbeiterschaft verloren ging befürchtet man keinen neuen Ausbruch Les Streiks, oa die Löhn« erheblich über die Höhe der Hochkonjunktur von 1907 erhöht worden sind. O - Oec Busltsnü unü üle Drysnilatlonen üer Bergarbeiter. Bei dem gewaltigen Kampf, der sich jetzt im deut schen Kohlenbergbau abspielt, dürften einige Anga- ben über die Stärke der Bcrgarbeiterorganisationcn. über die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel usw. von Intereile sein. Unter den deutschen Bergarbeiterorganisatior.cn steht, was die Zahl der Mitglieder angeht, der sreigewerkschaftliche laltef Bergarbsiterverband obenan. Nach den letzten Berichten dieser Organi sation zahlte der sreigewerkschaftliche Bergarbeiteroer band am Ende des Jahres 1910 insgesamt 123 437 Mitglieder l„ 806 Zweigvereinen. Der Verband hatte 1910 Iahreseinnahmen in Höhe von 2 633 819 Mark; die Ausgaben betrugen 1517 573 Ui. Für Unterstützungen wurden im Berichtsjahr« 671874 -tt, für Streiks und Aussperrungen 49 814 Ul und für Arbeitslosenunterstützung 30 717 .il verausgabt. Die Agitationskosten stellten sich auf 124 724 Ul. Der alte Bcrgarbeiteroerband hatte am Schluss« des Jahres Ni Aemüe Erüe. Roman von Richard Nordmann. Malten sah zur Erde und schwieg, doch Elena wiederholte: „Sagen Sie es mir doch endlich! Solange ich Sie kenne, ist es die erste Bitte, die ich an Sie richte, und es wäre grausam von Ihnen, mir etwas, das mir so nahe geht, zu verschweigen. Was hat Ihnen mein Vater getan?" „Mir nichts!" stieß Malten hervor. Aber Ihre Mutter, dieses herrliche Geschöpf, hat er zerstört, uird das ist's, was ich ihm nicht verzeihen kann!" „Sie haben sie geliebt?" entfuhr es Elena. „Ja", preßte Malten hervor. „Wie ein Ver dammter, unter tausend Qualen und Schmerzen!" „Und sie?" Elenas Atem ging schnell, sie wagte es nicht, ihn anzusehen. „Sie —? Ach —" Er bedeckte seine Augen mit der Hans und schwieg. „O sagen Sie es mir. ich beschwöre Sie. sagen sie es mir! Niemals würde ich meine arme Mutter an klagen, für mich ist und bleibt sie die. die sie immer war, wenn sie auch nach herkömmlichen Begriffen von der vorgezeichnetcn Bahn abgewich«n sein sollte." Ein schmerzliches Lächeln zog um Malten» Lippen, dann sagte er: „Wie soll man es bezeichnen, wenn ein unglück liches, mißlxrstandenes. vereinsamtes Herz sich eines Tages einem Menschen znwendet. von dem es sich ge liebt. angebetet steht? Magda Pallestrazzi war nach unzähligen mißglückten Versuchen, ihre Eh« ins richtige Fahrwasser zu bringen, bereits eine Ge scheiterte. Schiffbrüchige, als sic ihr Herz einem anderen zuwandte" „Also doch —! Ihr« Flucht von hier und dann ihr ewiges Umhcrziehen war die Flucht vor ihrer Liebe!" flüsterte Elena bewegt. „Ja — aber ihre Liebe galt nicht mir", sagte Malten wehmutsvoll. „Ich hatte bloß das bittere Glück, der Vertraute ihrer Schmerzen und ihres Kampfes zu sein." „Wie—? Wer war es?" „Friedrich Eerhardos." „Unmöglich!" rief Elena zitternd. „Er selbst hat mir geschworen, daß es nicht wahr ist, er selbst hat mir Briefe von ihrer Hand gegeben, die —" Malten nickte wehmutsvoll mit dem Kopfe. „Darin lag ja die Größe dieser Frau, daß selbst er, Len sie bis zum letzten Atemzug geliebt hat. es nie erfuhr." „Und weshalb tat sie das? Erzählen Sie mir alles. Malten, ich flehe Sie an!" Malten starrte lange vor sich hin, dann glitten seine Augen in die Ferne, und wie weit abwesend, wie versunken in längst vergangenen Zeiten, sprach er: „Diese Frau besaß einen fast märchenhaften Zauber! Ich glaube, ich bin ihm an demselben Abend erlegen, an dem ich sie zum ersten Male in Athen sah. Ich hatte fast gar keinen Willen mehr, als sie mich bat, als Erzähler in ihr Haus zukommen, unü gab meine Professur in Athen mit Freuden auf. Es war ein Taumel über mich gekommen. Aber mein ge dankenloser Rausch währte nicht lange: mit Entsetzen gestand ich mir eines Tages, daß ich diese Frau bis zum Wahnsinn liebte, und entdeckte zugleich, daß nicht nur ich. sondern auch der Kompagnon und Freund Aristides Pallestrazzis dessen Frau heimlich anbete. Die Konflikte im Hause Ihrer Eltern wurden immer heftiger. Ihr Vater immer brutaler gegen seine Frau, bis auch eines Tages der Bruch zwischen ihm und Gerhardos erfolgte. Und da — ach, Fräulein Elena, ermeßen Sie. was ich damals gelitten haben mag! Ihre Mutter gestand mir in einer Stund« der Ver zweiflung, daß sie Friedrich Gerhardos liebe und darum beschloßen habe, sich von ihrem Gatten zu trennen und auch Sem Manne aus dem Wege zu gebe«, den sie liebte und nicht aus ihrem Herzen zu reißen vermochte." „Mein Gott —hauchte Elena. ..Warum, wenn ihre Ehe schon so zerstört war, hat sie nicht dieses andere Glück genommen?" „Ihres Gatten wegen. Damals gab es im Ge schäft Wirren und Schwankungen, die durch die Er krankung Gerhardos' herbeigeführt worden waren. Aristides Pallestrazzi war unfähig, den großen Be trietz zu le ten und hatte den Kopf verloren. Wenn nun noch seine Frau sich Gerhardos zugewendet hätte, wäre ihm nichts anderes übriggeolieben, als sich auch geschäftlich von ihm zu trennen und so seinen Ruin zu besiegeln. Das wollte Magda verhindern. Sie wollte ihm nicht den Freund und Kompagnon seine Stütze, rauben und das große Unternehmen nicht in Frage stellen. Auf der anderen Seite war sie zu stolz, ihrem Gatten das Recht zu geben, sagen zu können, sein bester Freund sei ehrlos und habe ihm sein Weib gestohlen. Sie liebt« Gerhardos zu sehr und stellt« ihn zu hoch, als daß sie es über sich ge- Wonnen hätte, ihn in ein zweifelhaftes Licht zu setzen und ihn ihretwegen in häßliche Konflikte zu stürzen. Vielleicht scheute sie vor solchen um so mehr zurück, da seine Gesundheit damals sehr angegriffen war und sie von fortgesetzten Unruhen und Erschütterungen das schlimmst« lnfürchten durfte. So ging sie fort. Es war an einem Tage, wo ihr Pater auf die Jagd gegangen war — und als er zurückkehrte, fand er einen Brief von ihr, sonst nichts mehr. Sie schrieb mir oft! Sie hat alles mit sich selber allein ausge kämpft, ohne Eerhardos jemals auch nur durch ein Wort aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben." „Und was hätte dieser Mann dafür gegeben, wenn ihm jemand in seiner letzten Stunde gesagt hätte, sie hat dich doch geliebt!" rief Elena, sich erschüttert das Gesicht mit den Händen bedeckend. „Ja, diese beiden Menschen wären einander w::t gewesen — aber es geht nicht nach Recht und Ver dienst im Leben, sie sind beide freudlos gestorben und haben daher nichts mit sich genommen als das Bewußtsein ihrer eigenen Unantastbarkeit und Reinheit." „Arme, arm«, geliebte Mutter!" flüsterte Elena, unü das Bild Friedrich Gerhardos stieg vor ihr auf, um Jahre verjüngt, so wie sie sich seiner plötzlich aus der Kindheit erinnerte:. mittelgroß und schlank, mit einem seingeschnittenen, merkwürdig belebten Antlitz und zwei wundersamen, leuchtenden Augen, blau und tief, wie ein sonnendurchglänzter See. Und sie begriff cs, daß ihre Mutter ihn geliebt hatte, unü im tiefsten, geheimsten Winkel ihres Herzens war sie stolz darauf, daß er es gewesen, bet dem ihre verwundete Seele Zuflucht gesucht hatte. Im tiefsten, geheimsten Winkel ihres Herzens grollte sie ihr aber auch, daß sie ihr Schicksal nicht kraftvoller gemeistert, daß sie es nicht diesem wunderbaren Manne überlaßen hatte, einen Ausweg zu schaffen, der sie und ihn zum Glücke geführt und ihren Vater sicher nicht elender gemacht hätte, als er es all die Jahre her ohnedies gewesen war. Sie bewunderte ihre Mutter ob der hoben Kratt des Entsagens und Duldens, aber in diese Bewun derung mischte sich Wehmut über zwei zerschellte Leben und nutzlos gebrachte Opfer. — — — Die Stunde war da. in welcher Elena Alexander zum Abschied erwartete. Sie stand am Fenster, und ihre Blick« streiften über die Felder, über die Berge und über den Ho rizont, an Lem sich in einer seltsamen, dunkclroten Färbung schwere Wolken ballten, wie vor einem Gewitter. Die Luft war schwül, fast beengend und das Meer ging hoch, in breiten, schäumenden Wellen. Ein me.livürdiger, schwefeliger Hauch lag in der Luft, wie ibn Elena nie zuvor empfunden, und durch die seltsame, schwärzliche Färbung des Firmaments erschien di« ganze Landschaft verändert. Unheimlich Lräutcn die Berge, das Meer wälzte sich wie ein« Glühmaße auf und nieder, die weißen Häuser hatten sich rötlichste«) gefärbt und starrten wie entzündete Riesenaugäpsel aus dem seltsam umleuchteten Braun- grün der Bäume, die plötzlich zu zittern und unheim lich zu raufch.n begannen. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.^
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