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BkeMA^ia^ und TagMM. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Ü Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. 5 Uhr für dm SS. Jahrgang Inserate werden bis Vormittag II Uhr angenom-II Ug 1 , andeni Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2d Ps., 27 Vl llldN» men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile ! a/N» zweimonatlich I M. dO Pf. und einmonatlich7b Pf. oder deren Raum ld Pf. 1886. Nachbestellungen auf de« Monat September werden znm Preise von 75 Pfg. von allen kaiserlichen Postanstalten sowie von den be kannten Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die bulgarische Revolution. Je mehr Einzelheiten über die am Sonnabend früh von den Zankowisten bewerkstelligte Absetzung des Fürsten Ale xander von Bulgarien in die Oeffentlichkeit dnngen, desto mehr überzeugt man sich, daß der meuterische Ueberfall eine von Rußland bestellte Arbeit war. Der Oberst Stoyanow, der mit dem zweiten Kavallerie-Regiment von Kostendil die Wohnung des Fürsten umzingelte, erscheint als das Werk zeug der von Zankow geleiteten russenfreundlichen Partei, während der bisherige Ministerpräsident Karawelow ebenso wenig wie der Minister Stoilow den geringsten Antheil an der hochverrätherischen Bewegung hatte. Die erste in Um lauf gesetzte Liste der Mitglieder des Revolutions-Komitees war von bulgarischer Seite tendenziös gefälscht, um den Schein zu wecken, als ob alle Parteien des Landes an der Bewegung theilgenommen hätten. Von den elf namhaft gemachten Mitgliedern waren überhaupt nur vier in Sofia anwesend. Die Verschworenen benutzten absichtlich zu ihrem Anschlag die Zeit, in welcher sich fast alle dem Fürsten er gebenen Persönlichkeiten auf Urlaub befanden und bevor derselbe zur Inspektion der Truppen nach Widdin abging, wo zwei dem Fürsten besonders ergebene Offiziere, Oberst lieutenant Linbowski und Major Usumow kommandiren. Den Minister Karawelow sollen die Empörer zuerst festge nommen haben. An der Spitze des Komplotts standen der Metropolit von Sofia, Clement, der Oppositionsführer Zankow und der bereits erwähnteKavallerie-Oberst Stoyanow. Der Letztere und drei Offiziere seines Regiments drangen Sonnabend früh 2 Uhr mit Revolvern in das Schlafgemach des Fürsten und forderten seine Abdankung, während die Soldaten nnd das Volk draußen: Dolo Xnorr?! (Nieder mit dem Fürsten!) riefen. Der Fürst wurde als Gefangener zunächst in Begleitung seines Bruders nach Lom-Palanka gebracht und von dort auf geheimnißvolle Weise weiter geschafft. Die sofort konstituirte provisorische Regierung, an deren Spitze sich Clement und Zankow stellten, erbat durch den diplomatischen Agenten Rußlands den Schutz des Zaren demüthig und traf sodann eine ganze Reihe von Maßregeln, durch welche das Ausland über die Vorgänge in Bulgarien möglichst im Unklaren gehalten wurde. Mit welchen Mitteln die Zankowisten ihre That vorbe reitet hatten und von welchen Tendenzen sie geleitet worden sind, läßt sich aus einem Artikel der dieser Partei ange hörenden Zeitung „Swietline" ersehen, in dem sich folgende Sätze finden: „Die serbische Regierung entwickelt eine fieberhafte Thätigkeit, um sich für einen neuen Krieg mit Bulgarien vorzubereiten, und die Söhne Bulgariens werden von Neuem Vater und Mutter verlassen und ihr Blut vergießen. Wenn dies einem wesentlichen Zwecke gelten würde, so würden die Bulgaren gewiß ihre heilige Pflicht mit Freuden erfüllen. Höchst beklagenswerther Weise ist aber die Ursache des uns bevorstehenden neuen Krieges mit den Serben nur in Ler verrätherischen Politik des Prinzen von Battenberg und seiner nihilistischen Regierung zu suchen. Letzterer hat cs darauf abgesehen, Bulgarien zu einer Festung gegen Rußland zu gestalten, um den Deutschen und Engländern zu Gefallen zu sein, und er hat unseren Beschützern, ja dem Zar selbst und den geheiligten Ideen aller orthodoxen Slaven des Orients offene Feindschaft erklärt. Alle Welt weiß, daß Bulgarien, wenn diese widersinnige und für Bulgarien unheilvolle Feindseligkeit seitens des Prinzen von Battenberg gegen Rußland nicht bestände, sich wie früher aller Wohlthate» eines dauerhaften Friedens erfreuen und sich weiter entwickeln, sich konsolidiren und von Jahr zu Jahr bereichern würde, und eines Tages, im Augenblicke einer für Rußland und die Slaven günstigen Konstellation, wie sie sich schon zu wiederholten Malen eingestellt hat, würden durch einen Federstrich nicht blos Ostrumelien, sondern auch ganz Mazedonien dem Fürsten- thume einverlcibt werden. Jetzt dagegen harrt unser nicht nur unnützes Blutvergießen, innere Zersetzung, sondern auch die Zerstückelung und Verkleinerung Bulgariens, wie dies dem Plane der Engländer und Deutschen entspricht!" Bezeichnend ist es, daß die czechischen Blätter die bulgari schen Vorgänge in ganz demselben Sinne besprochen haben, wie ihre slavischen Stammverwandten. „Narodni Lisch" schrieb, Alexander habe sich in Sofia wohl als guter preußi scher Lieutenant, keineswegs aber als Regent bewährt. Durch seine Beseitigung würden nicht blos in Bulgarien, sondern auf dem ganzen Balkan geordnete und natürliche Verhältnisse cintreten. Es müsse jedem Bulgaren bekannt sein, daß ein kleines, junges, noch nicht gefestigtes Staats wesen nicht auf eigenen Füßen stehen könne, sondern sich auf einen mächstgen Staat stützen müsse, welcher es schützen könne und wolle. Ein solcher Staat sei für Bulgarien nur Rußland, ohne von der Dankbarkeit reden zu wollen, welche die Bulgaren den Russen für ihre Befreiung schulden. Durch ähnlich gesinnte Leute ist der Sieger von Slivnitza in feiger und hinterlistiger Weise beseitigt worden, nachdem er länger als sieben Jahre Bulgariens wirthschaftlichen Aufschwung zu fördern gesucht und diesem Staat durch hohen Kriegsruhm die Achtung Europas verschafft hatte. Zur Ehre des bulgarischen Volkes stellte es sich aber noch rechtzeitig heraus, daß es nur ein Bruchtheil dieser Nation war, der seinen Herrn verrieth und an Rußland verkaufte. Bald nach dem Bekanntwerdcn der Frevelthat in Sofia erfuhr man auch, daß die bulgarischen Garnisonen von Widdin und Schumla mit der Absetzung des Fürsten nicht einverstanden seien. Der Chef der rumelischen Milizen, Oberst Mutkurow, erklärte ebenfalls, dem Fürsten die Treue wahren zu wollen und verband sich mit dem loyalen Kammer präsidenten Stambulow zu einer erfolgreichen Kontre- revolution. Die von dem Kammerpräsidenten Stambulow als Präsidenten der Volksvertretung und dem Oberst Mut' kurow als Generalkommandirenden der Armee unterzeichnete Proklamation lautet: „Im Namen des Fürsten Alexander und der Volksvertretung gebe ich kund, daß ich einstweilen die provisorische Regierung in Sofia übernommen und Jeden, der sich den Gesetzen nicht fügt, standrechtlich be handeln werde. Ich ernenne den Oberst Mutkurow zum Generalkommandirenden und übertrage demselben alle Zivil und Militärgewalt; daher hat Jeder seinen Befehlen zu folgen. Ich fordere das bulgarische Volk auf, die Krone und das Vaterland vor den Verräthern zu schützen, welche unseren heldenmüthigen, geliebten Fürsten vom Throne stürzen wollen. Der Allmächtige kräftige die Hand des Volkes und der Armee, damit wir den vom Volke gewählten geliebten Fürsten schützen können. Es lebe Alexander, der Fürst Bulgariens!" In Philippopcl trat die Garnison zu Gunsten des Fürsten Alexander unter die Waffen und das dortige Infanterie-Regiment marschirte unter klingendem Spiel vor die Konsulate, wo der Kommandeur desselben erklärte, die Armee widersetze sich der Absetzung des Fürsten und sei bereit, für ihn zu streiten und zu sterben. Aus allen um liegenden Dörfern strömte die Landbevölkerung herbei, welche durchweg dem Fürsten ergeben ist und in der Stadt Philippopel selbst fraternisirte das Volk mit den loyalen Truppen, welche verlangten, gegen die Verschwörer in Sofia geführt zu werden. Das scheint gar nicht nöthig gewesen zu sein, denn ein über Bukarest eingetrossenes T.'egramm meldet, die gesammte bulgarische Armee habe siu) für den Fürsten Alexander erklärt; die beiden Bataillone, welche ihn in Sofia gefangen nahmen, hätten Pardon erbeten und die Waffen gestreckt. Nach einer Depesche aus Kalafat erfolgte in Sofia der Sturz der bulgarischen provisorischen Regierung, die Verhaftung der Mitglieder derselben und die Wieder einsetzung des Ministeriums Karawelow. Diese Depesche ent hält auch die Mittheilung, daß Deputationen nach Bukarest, Wien, Berlin und Darmstadt abgcsandt wurden, um den spurlos verschwundenen Fürsten Alexander zu suchen und ihn zur Rückkehr Nach Bulgarien zu bewegen. Wenn sich der Fürst nicht bereits außerhalb des Machtbereichs der Zankowisten befindet, kann ihm der Erfolg seiner treuen Anhänger sehr leicht verhängnißvoll werden, umsomehr, als seine Gegner die Absicht kundgegebcn haben, ihn nach Ruß land zu schaffen. Die Dacht, auf welcher der Fürst und sein Bruder sich befanden, passirte Dienstag Nachmittag Bralla und soll in Reni, an der Mündung dcS Pruth in die Donau, gelandet sein. Die „Wiener Allgemeine Ztg." erhielt ein Telegramm aus Bukarest, nach welchem dort aus verläßlichster Quelle bekannt geworden sei, daß Fürst Alexander in Reni alsStaatsgefangener an die russischen Behörden aus geliefert wurde. Selbst wenn sich diese Nachricht nicht bestätigte, wäre es unwahrscheinlich, daß der Fürst nach Sofia zurück kehrte und sich einer kaum noch vermeidlichen russischen Intervention mit bewaffneter Macht widersetzte. Besser als in Sofia lebt es sich sicher in Berlin oder Darmstadt und würde der muthige Prinz von Battenberg, der Sohn des Prinzen Alexander von Hessen, nach seinen bei Sliwniitza und Pirot glänzend abgelegten Proben als Heerführer jeder deutschen Armee als General willkommen sein. Am 5. April 1857 geboren, ist der Prinz, der seinen Rang als preußischer Generalmajor behielt, jung genug, um noch viele Kriegslorbeeren zu ernten und bei der fast unvermeidlichen einstigen Abrechnung verschiedener europäischer Staaten mit Rußland diesem Staate redlich heimzuzahlen, was derselbe ihm nicht erst am vorigen Sonnabend, sondern schon während seiner ganzen letzten Regiamngszeit Schlimmes anthun ließ. Jetzt ist Rußland kaum im Stande, seine ungeschickten bulgarischen Werkzeuge ihrem Schicksale zu überlassen und etwa dem nach Sofia zurückkehrenden Fürst Alexander zu gestatten, den Metropoliten Clement, den Staatsmann Zankow und den Oberst Stoyanow als Hoch- verräther bestrafen zu lassen. Der Panslavismus ist in Rußland eine ungeheure Macht, mit welcher auch der un umschränkte Zar rechnen muß. Sowie aber Fürst Alexander am besten thäte, er ließe es bei der einmal unterzeichneten Abdankung bewenden, so würden die Russen am klügsten thun, sich nicht in die bulgarischen Händel zu mischen. Sie gewinnen in Sofia und Philippopel nichts, wenn sie nicht von dort nach Adrianopel vorrücken können, versuchen sie das aber, dann werden sie'zu ihrem Leidwesen erfahren, daß zwar die bulgarischen Händel nicht bedeutend genug sind, um die Knochen eines deutschen Musketiers zu ge fährden, ein Angriff auf das dem Sultan noch gebliebene abendländische Gebiet von Deutschland, Oesterreich-Ungarn und England aber nicht geduldet wird. Der jetzige Gleich- muth der deutschen Politik dürfte sich dann demjenigen Fieskos ähnlich erweisen, der in entscheidender Stunde sprach: „ Meintet Ihr, der Löwe schliefe, weil er nicht brüllte?" Tagesschau. Freiberg, den 26. August Der deutsche Kaiser wohnte vorgestern Vormittag s Uhr den Kavallerie-Uebungen auf dem Bornstedter Felde bei Potsdam bei und empfing dann den Oberhofmarschall Grafen Perponcher zum Vortrage. — Der deutschen Reichsregierung ist die Ver letzung des ungarischen Nationalgefühls durch einige deutsche Gemeindevertretungen, welche die Einladung zum Ofener Be- frciungsfeste ablehnten, gerade bei der jetzigen Weltlage nicht zeitgemäß erschienen und anscheinend sogar peinlich gewesen. Offenbar im höheren Auftrage schreibt deshalb die „Nordd. Allg. Ztg.", die Einladung zur Theilnahme an dem Feste zur Feier der Wiedereroberung Ofens sei von Berlin in gesucht artiger Form, aber dennoch mit nicht stichhaltiger Begründung, von München in schroffer Weise abgelehnt worden. Die höf liche sowohl, wie die unhöfliche Art der Ablehnung zeuge von einem gleichen Mangel an politischem Takt. „Wir verstehen es gern," fährt das Blatt fort, „daß das Gefühl der Deutschen durch die Behandlung der Brüder in Siebenbürgen seitens der Ungarn verletzt sei, aber unsere Beziehungen zu Ungarn sind derart, daß wir besser thun, uns der Punkte zu erinnern, die uns mit Ungarn vereinen, als deren, die uns von ihm trennen." — Der jetzt in Deutschland verweilende chinesische Botschafter Marquis Tseng traf gestern früh mit seinen Begleitern zum Besuch des Krupp'schen Etablissements in Essen a. R- ein und gedenkt mehrere Tage daselbst zu verweilen. Eine Einladung des französischen Ministers Freycinet, nach Paris zu kommen, lehnte der chinesische Staatsmann ab, weil er dazu von seiner Regierung keinen Auftrag habe. — An der festen Absicht der vreußischen Minister, die Germanisirungsversuche im Osten des Reiches energisch fortzusetzen, läßt sich nicht zweifeln. Das rcikonscrvative Berliner Blatt „Post" erörtert jetzt sogar allen Trustes den Plan einer Theilung der Provinz Posen. Der jetzige Regierungsbezirk Posen soll zu Schlesien und der Re- gicrlliigsbezirk Bromberg zu Westpreußen geschlagen werden. — Ucber die in Fulda von der Bischofskonferenz gefaßten Be- chlüsse bringt jetzt ein eifriges katholisches Blatt, die „Köln. Vollsztg.", nähere Aufschlüsse. Nach diesen einigten sich die deutschen Kirchenfürsten über folgende Forderungen: I) die Freiheit und Selbständigkeit der Kirche, 2) das Recht derBe- ctzung der kirchlichen Aemter und Seelsorgestellen, 3) die volle Freiheit der Kirche, ihre Diener den kirchlichen Gesetzen gemäß zu erziehen, 4) den konfessionellen Charakter der Volksschule,