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Nr. LtS ^ Jahrgang Donnerstag den 18. Mai 1V11 MGscheRolksMlm Erscheint täglich nachm, mii Ausnahme der Sonn, und Festtage. Ausgabe 1 mit .Die Zeit in Wort und Bild- vierteljährlich »> lO -se In Dresden durch Boten »,4« ^ In ganz Deutschland frei Haus 2,5« in Oesterreich 4,1» X. llusgabe « ohne illuitrterte Beilage vierteljährlich 1,d»0 Zn Dresden durch Boten «10 ^ In ganz Deutschland frei Hau» «,«« tn Oesterreich 4.07 X, — Linzel-Nr. 1« 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die ^gespaltene Pctit-eilc ober deren Raum mit 15 4. ReNamen mit 5<t ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt, Buchdruileret, Redaktion und Geschäftsstelle: Dresden, Pilluttzer Strafte 4». — Fernsprecher I»S<1 JürRückgabe unverlangt. SchrtftstUckekeineBerdtndlichkei, Redaltions-Sprechstunde: 11 bis 1« Uhr. Irotr uvck nis clsxovesener X»kkee - Deuerunx koatet unser be liebter, vorrü^Iicker pamilien-^akkee nur ISO PL. ^as k>kun6. kerliox L kockslroli, vresäen. 0 blisäsrlaßen in allen Stsätteilen. Die Reichsversicherungsordnung. Bon M. Erjberger. M, d. R. Zweites Buch: Krankenversicherung. lSchlutz.) Wenn im letzten Artikel der allgemeine Umfang der Organisation beschrieben worden ist, so soll jetzt gezeichnet werden, wie diese im Innern aussieht. Da kommt man zu drei großen Fragen: 1. Verwaltung der Kasse durch Vor stand und Ausschuß-, 2. Angestellte der Kassen: 3. Aufbrin gung der Mittel. Die Verhandlungen darüber brachten den Sturm iin Reichstage mit stundenlangen Reden, was leicht erklärlich ist, denn hier vollzieht sich die größte Umwälzung gegenüber dem bisherigen Zustande. Bisher waren alle diese Verhältnisse so geordnet, daß die Arbeitgeber nichts zu sagen hatten, da sie eine geborene Minderheit darstel:m, weil sie nur ein Drittel der Stimmen hatten und jeder zeit von den Vertretern der Arbeiter überstimmt werden konnten. Nunmehr ist freilich das Stimmenverhältnis beibe halten worden: die Arbeiter zahlen auch zwei Drittel aller Beiträge und haben daher im Vorstande und Ausschuß auch zwei Drittel aller Stimmen. An diesem Zustande ist nichts geändert worden, weil die Arbeiter selbst sich einer Halbie rung widersetzten und die Arbeitgeber auch nicht mehr an Lasten übernehmen wollten: namentlich der Mittelstand wehrte sich dagegen. Dagegen sind eine ganze Menge von Garantien gegeben worden die die einseitige Ausnutzung der Kassen verhindern sollen. Der Staat hat diese Organi sation geschaffen, er zwingt Arbeitgeber zu Beiträgen, Ar beitnehmer zum Beitritt: da muß derselbe Staat auch die volle Gewähr dafür übernehmen, daß diese Einrichtungen streng neutral sich verhalten und nicht für parteipolitische Zwecke mißbraucht werden: er muß die Einrichtung so ge stalten, daß politische und konfessionelle Gesichtspunkte aus- scheiden, daß alle Parteien gleichberechtigt neben einander stehen. Zu einer solchen Neutralisierung der Krankenkassen ist der Staat aber um so mehr verpflichtet, weil die Sozial demokraten diese Kassen da, wo sie die Macht haben, für sich ansnützen. Sie bestreiten es zwar, aber sie geben keine Antwort auf die Frage: Wo hat eine unter sozialdemokra tischer Mehrheit stehende Kasse einmal auch nur einen Be amten aus der christlichnationalen Arbeiterschaft geholt? Auf diese Frage gibt es keine Antwort. Die Reform war unaufschiebbar, weil sozialdemokratische Kassen Angestell tenverträge abgeschlossen hatten, die gegen die guten Sitten verstießen und zum Beispiel einem Kassenbeamten auch den Gehalt zusprachen, wenn er sechs Monate im Gefängnis wegen Beleidigung brummen mußte usw. Wie ist nun die neue Organisation? Arbeitgeber und Arbeitnehmer wählen wie seither ihren Ausschuß: die Ver hältniswahl gilt überall. Der Ausschuß wählt ebenso den Vorstand. Aber der Vorsitzende kann nur gewählt werden, wenn er in beiden Gruppen die Mehrheit hat: es kann kein Teil mehr vergewaltigt werden. Kommt eine Wahl nicht zustande, so hat das Versicherungsamt das Recht, den Vor sitzenden zu bestellen. Ganz genau so geht es mit den An gestellten der Kasse, für die eine Dienstordnung einzuführen ist. Die Selbstverwaltung ist also nicht beschatten; wenn Arbeitgeber und Arbeiter stets einig sind, spricht ihnen kein Beamter etwas darein: nur bei Uneinigkeit soll kein Teil an die Wand gedrückt werden. In diesen Vorschriften liegt ein Zwang zum Zusammenarbeiten und das ist für beid? Teile gut. Das Auseinandcrreitzen stärkt nm- die Macht der Aufsichtsbehörde, aber nichts anderes. Unter den Be amten erhalten die Militäranwärter kein Vorrecht. Wenn einer aber sein Amt zu politischen Zwecken mißbraucht oder im Dienste gegen den christlichen Glauben hetzt, dann kann er im Wiederholungsfälle sofort entlassen werden. Im übrigen sind die Beamten gegen sofortige Entlassung ge schützt und haben ihre Rechte verbürgt. Diese Kassenbeam ten können auch die Rechte und Pflichten von Kommunal- beamten erhalten, was den Sozialdemokraten am unan genehmsten ist. Man darf sagen, daß jetzt bei den Ortd- krankenkassen ein Mißbrauch nicht mehr möglich ist. Eine ganz andere Organisation tritt bei den Land krankenkassen ein: da gibt es kein allgemeines, gleiches Wahlrecht zum Ausschüsse. Die Dienstkncchte und Dienst- mägde dürfen ebenso wenig wählen wie die Dienstboten in der Stadt. Der Ausschuß wird vielmehr von der Vertre tung des Gemeindeverbandes gewählt, das ist in Preußen der Kreistag, in Bayern der Distriktstag, in Württemberg der Bezirkstag (die frühere Amtsversammlung). Die Re gierung kann aber auch dieses Wahlrecht den einzelnen Ge meinden selbst übertragen, nur für den preußischen Osten ist der Kreistag stets der Wahlkörper. Man wird zugeben müssen, daß vom politischen und religiösen Standpunkte aus sehr lebhafte Bedenken sich einstellen können: in vielen Kreistagen sind die Katholiken sehr schlecht vertreten, in manchen gar nicht und doch sind viele katholische Arbeiter daselbst beschäftigt. Zudem wählen hier Leute mit, die gar nichts in die Landkrankenkassen bezahlen usw. Noch schlim mer aber ist, daß der Vorstand der Kasse auf dieselbe Weise gewählt wird. Man wird es verstehen, wenn ein Teil des Zentrums diesen Vorschriften nicht zustimmte, weil er eine Benachteiligung des katholischen Volksteiles darin erblickte. Wenn die Mehrheit des Zentrums diesen Kommissions- antrag annahm, so geschah es, weil die Konservativen das Gesetz für unannehmbar erklärt hatten, wenn nicht dieses Wahlrecht gegeben werde. Aber es war auch für die Mehr heit des Zentrums eine sehr schwerer Schritt. Wir geben die Hoffnung nicht auf, daß doch in dritter Lesung noch ein besseres Wahlrecht zu erzielen ist. Das jetzige sichert den Konservativen freilich den Einfluß auf dem Lande auf Jahrzehnte. Mau darf auch der Befürchtung Ausdruck ver leihen, daß diese Organisation sich nicht allzu stark bewäh ren wird. Aber man ist leider in einer Zwangslage, in die man durch die Haltung der Rechten und der Regierung ver setzt worden ist. Dieser Punkt erscheint uns als jener, der in dem ganzen großen Werke die am wenigsten glückliche Lösung gefunden hat. Achim, der Vauernsührer. Wien, den 16. Mai 1911. Der redcgewaltige Führer der ungarischen Bauern schaft, der ungekrönte König der ungarischen Tiefebene, Andreas Achim, liegt auf der Bahre, in seiner Schlafkam mer überfallen und ermordet von zwei Sendlingen der judäo-magyarischcn Klique, der Gentry, die Ungarn be herrscht und die Massen des Volkes ohne Unterschied der Nation knechtet und ausbeutet. Zwei Neffe» des Exstaats sekretärs v. Zsilinsky haben ihm die todbringenden Kugeln zugesaudt. Eine gewaltige Erregung geht durch die Massen der ungarischen Bauernschaft ob dieses unerhörten politi schen Mordes, dessen Opfer der unerschrockene Anwalt der selben geworden ist. Die Bauernfäuste ballen sich drohend zusammen, der Zorn rottet Tausende von Bauern in Bekes Szaha, „dein größten Bauerndorfe Europas" zusaittmen. wo das Blut des feige ermordeten Führers zum Himmel um Rache ruft. Tie ganze asiatische Gewalttätigkeit der judäo-magya- rischen Klique ist durch diesen unerhörten Mord wieder einmal grell beleuchtet worden: Ein unbequemer Volks führer wird einfach im eigenen Hause niedergeknallt. Andreas Achim hat die staatsrechtlichen antidynastischen Schwindeleien der Kossuthisten und ihrer Scheingegner nicht mitgemacht, er hat Volkspolitik gemacht und kein Blatt vor den Mund genommen, er hat sich nicht im mindesten ge kümmert um die Gravaminalpolitik, die er als Mittel zur Unterdrückung des Volkes und als ein schlaues Manöver der herrschenden Gentry durchschaute: er hat dafür das gleiche Wahlrecht, die politische Rechtsgleichheit aller unga rischen Staatsbbürger verlangt, er forderte die Bekämpfung der Volksausbeutung, die Eindämmung der Latisundien- wirtschaft, die Förderung des Mittelstandes, er vertrat mir einem Worte die Interessen der breiten Volksmassen. Nun hat ihn die Rache der Gentry ereilt. Er liegt tot in seinem Hause, eine blutige Warnungstafel für alle, die in Ungarn fürder die Lust verspüren sollten, Volkspolitik zu machen und die herrschende Klique in ihrer Sicherheit zu stören. Wie echt ungarisch: Das offizielle Ungarn nimmt keinen Anteil an der Trauer des Volkes und an dessen Ent rüstung über die ruchlosen Mörder. Das offizielle Ungarn atmet erleichtert auf, denn cs hat einen seiner gefährlichsten Gegner verloren. Das offizielle Ungarn hat nur mit den Mördern Mitleid, die sich jetzt der Form halber allerlei Un annehmlichkeiten gefallen lassen müssen. Das offizielle Ungarn macht in seinen offiziellen Meldungen Stimmung für die Mörder, läßt den Ermordeten durch eine feile Presse beschmutzen und sendet gegen die entrüsteten Bouernmassew Militär und Gendarmerie. Ueberaus bezeichnend ist das Verhalten der Wiener liberalen und sozialdemokratischen Presse in diesem Falle. Sie, die über jeden Juden, dem in Kiew oder sonstwo bei einem angeblichen Pogrom der Kopf zurechtgesctzt wurde, ein Geschrei anhebt, und Europas Kulturvölker auffordert, mit Waffengewalt ihre heiligsten Güter — nämlich die rus< fischen Kaftanjuden — zu schützen, hat keinen Laut der Em pörung übrig für den Mord von Bekes Szaba. Es wurde ja nur ein Bauernführer umgebracht. Und die Mörder sind die Neffen eines Gcheimrates der ungarischen Krone. Da schweigen von Benedikt bis Adler alle Presseflöten und Singer und Kanner geben ihren Segen darein. Denn der standesstolze unbeugsame Bauer ist der stärkste Damm gegen den Umsturz und das ärgste Hindernis judenlibera- ler Allgewalt. Den Bauern hassen sie alle! Die gesamte Judenpresse der Welt ist im Verein mit dem offiziellen Ungarn an der Arbeit, den Mord von Bekes zu vertuschen, zu entstellen und das Andenken des Ermordeten zn be schmutzen. Aber Ungarns Bauern werden ihren ermordeten Führer nicht vergessen, und der Tag wird kommen, wo sie mit seinen Mördern und deren Hintermännern Abrech- nung halten. Politische Rundschau. Dresden, den 17. Mai ISN. — Der deutsche Kronprinz traf am 16. d. M. um i/zlL Uhr in Posen ein, besuchte die Ostdeutsche Ausstellung Katholisches Lebensideal und weltliches Berufsleben. ii. Ist aber, wie gezeigt, das Motiv der katholischen Lebensführung die Liebe Gottes, und gilt es diese zu er weisen in der Erfüllung der Gebote Gottes, so ist tvahrlich nicht einzusehen, wieso ein solches Leben sich nicht auswirken müßte in den verschiedenen irdischen Berufen, oder inwie fern eine solche Auffassung des Lebens ein Hindernis sein solle für die Uebung aktiver Tugenden oder deren Uebung nur als eine widerwillig abgegebene Konzession betrachtet worden könnte! Hat man denn ganz vergessen, daß einst in Deutschland all die verschiedenen Zünfte ihren Patron hotten in der Person eines Heiligen, und daß also damit die llirche ihre volle Anerkennung des weltlichen Berufslebens bekundet hat, schon in den Jahrhunderten des Mittelalters, also nicht erst als eine widerwillig mit Rücksicht auf das Vorgehen des Protestantismus gemachte Konzession. Viel leicht beherzigt man die Ausführungen Zahns: „Wir glauben wahrlich nicht, daß z. B. die 9 383 267, welche (nach der Berufszählung von 1907) im Deutschen Reiche die Landwirtschaft als Hauptberuf ausübcn, oder die ll 266264, deren Hauptberuf die Industrie ist, oder die 3477 626, die hauptberuflich dem Handel und Verkehr bienen, aus dem Bereiche des ethischen Ideals ausgeschlossen seien. Oder um es anders zu sagen: Wir sind darüber nicht zweifelhaft, daß wir daS Auge des göttlichen Meisters, daS einst mit liebevollstem Interesse auf der Arbeit der säenden und erntenden Landleute und der die Netze einseukenden und emporhebendcu Fischer ruhte, auch heute den Neu schöpfungen der Industrie gegenüber nicht verschlossen uns denken dürfen, und daß das mild-majestätische Auge, das tn Liebe, den Kindern der Bergbewohner Galiläas und denen der Hauptstadt Jerusalem sich zuwandte, nicht kalt, nicht blind ist gegenüber den Kindern der modernen Fabrik arbeiter in unseren Städten und Vororten." (S. 166.) Und was gibt dem Berufsleben so starke Antriebe als die ideale Auffassung desselben, die in ihm das Mittel der sittlichen Pflichterfüllung sicht. Und hier treten alle die verschiedensten irdischen Berufe nebeneinander: .Der Priester, der mit dem Kelch und mit der Pateue am Altäre steht, um dem ewigen Gotte Gebete und Gaben darzubringen, und der Winzer und der Landmanu, der die Rebe pflanzt oder den Weizen sät, auf daß Kelch und Pateue ihren Inhalt gewinnen, sie dürfen treuherzig die Hand sich reichen, wenn nur jeder seiner Berufung gemäß dem ge meinsamen Herrn dient: der Ingenieur, der den Plan aus gearbeitet zum werdenden hohen Bau, zur werdenden kunst vollen Maschine, der Meister, der mit kundigem Sinn und geübter Hand dem Gedanken den Körper leiht, der Tage löhner und der Lehrling, die Stein oder Stahl und das Werkzeug reichen, und wieder der einzelne Arbeiter unter all den Hunderten und Tausenden im Fabrtkbctriebe, sie können doch alle durch einen Geist geeinigt sein: der Bota niker, der im Dienste der Wissenschaft die Kinder der Flora in ihre Familien und Stämme einordnet, und Greis und Kind, die auf den einsamen Triften der Hochalpen oder auf den Höhen des Schwarzwaldes Kräuter und Beeren sam meln, »in einen kleinen Verdienst zu haben, sic dürfen ge trost nebeneinander ihre Wege gehen: »nd ebenso dürfen die Lehrenden und Lernenden, deren Lehren und Lernen den geistige» Gütern gilt, und dem geistigen Straßenbau und Güteraustausch, jenen zur Seite gehen, die ihren Arm. ihre Feder, ihren praktischen Sinn der Produktion materieller.Werte, dem äußeren Güterverkehr der Länder und Erdteile leihen: kein Stand gibt Würde, wenn nicht ideale Berufsanschauung, Berufsweihe, Berusstreue den Träger erheben, und kein Beruf erniedrigt, wenn der hohe Sinn ihn adelt." (S. 163.) Wahrlich, es heißt den Katholizismus schlecht kennen, wenn man ihm Vernachlässigung, Unterschätzung oder qar- Gcringschätzung der irdisch-weltlichen Berufe zum Vorwurfe machen will. Wer das tut, kennt die Geschichte nicht und weiß nicht, wie die Kirche ihre Segnungen ausgedehnt hat auf das ganze wirtschaftliche Leben, und ein solcher hat noch nie erfaßt, welch ein Abglanz einer höberen Welt in das Wirken und Schaffen der Arbeiter die Stellung eines Be rufes unter das Patronat eines Heiligen gebracht und ausgegossen hat. Und hat man denn auch noch nicht bedacht, daß unter den Heiligen, die die katholische Kirche auf ihre Altäre stellt, Vertreter aller weltlichen Berufe und nicht bloß Klosterleute sich befinden? Dies allein schon zeigt die Ungereimtheit des Geschwätzes, der Katholizismus habe kein inneres Verhältnis zur weltliche» Berufsarbeit! Nun, ein intimeres Verhältnis kann man zu diesen Berufen nicht haben, als wenn man sie zum Gebet macht und sie be trachtet als Pflichterfüllung, die Gott von uns verlangt. Und das ist die uralte Anschauung des Katholizismus II