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Tharandt, Aossen, Sieöenteßn und die Hlmgegmdm. Amtsblatt für die Rgl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruffs sowie für das Rgl. Horstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, , Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, Ko.ufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Mohorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, OberhermSdors, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen l.Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Lorpuszeile. Druck und Perlaa von Marlin Berger tn WWdrun. — Verantwortlich für die Redaktion Martin B«rq«r ^alelbü. Ns. 2. ! Sonnabens, Sen 3. Januar 1SV3. 62. Jahrg Diejenigen Schulvorstände, welche Ostern dss. Js. eines Hilfslehrers bedürfen, werden hierdurch veranlaßt, dies spätestens bis zum 1. Februar 1W3 anher anzuzeigen. Meißen, am 2. Januar 1903. Der Königliche Bezirksschulinspektor. Schulrat 1)r. Gelbe. Rnn-sehan. So fängt also das alte Lied mit seinen 12 Versen, dem Januar und Februar usw., wieder von vorne an. In den Fabriken und in den Komptoirs ist das werk- thätige Leden, das sich in dem gewohnten Geleise bewegt, mit dem neuen Jahre wieder mit Eifer ausgenommen worden, in den Schulen wird wieder geschrieben und ge lesen, nach neuer Orthographie, aber nach dem alten Konzept. Balv treten auch die Parlamente wieder zusammen, um zu diskutiren und zu raisoniren und am Ende doch olles das zu bewilligen, was nicht abzulehneu ist. Ob mit, ob ohne uns, es vollendet sich auch der Kreislauf des neuen Aahres in derselben Weise, in der die Jahrtausende vorher abgelaufcn sind und die folgenden Jahrzehnte und Jahr- Hunderte sblaufen werden. Wer im Vorjahr nichts anders als gute Vorsätze und zuversichtliche Hoffnungen im Ranzel führte, wird sich auch in dem neuen durch kein gewichtigeres Gepäck beschwert fühlen. Es wird Jemand leichter 14mal vom Blitze erschlagen, als daß er einmal das große Loos gewinnt. Es ist Alles eitel, wie Salomo der Weise spricht. Die Welt ist ein großes Narrenhaus, in der Jeder das Recht hat, sich für den einzigen vernünftigen Menschen zu halten, wie ein moderner Philosoph behauptet. Soll das nun wirklich der Weisheit letzter Schluß, soll das unsere Loosung sein für das neue Jahr, unser Kompaß für die Führung unseres Lebens? Freude am Leben und Muth sind zwei Eigenschaften, die unserm modernen Geschlechte mehr und mehr verloren gehen, und doch find sie die besten, ja die unentbehrlichen Reisemarschälle für unsere Lebens fahrt. Gewiß vollendet sich der neue Laut Tag für Tag nach unabänderlichem Naturgesetz in gleicher Weise, gewiß spielt sich das Leben der großen Mehrzahl der Menschen in denkbar engsten Grenzen ab, und der Vergleich des alltäglichen Berufslebens mit der Tretmühle ist nicht immer und unter allen Umständen von der Hand zu weisen. Und doch hatte der große Herzenskündiger Recht, wenn er sang: Alle Tage, alle Nächte — Preis' ich so des Menschen Loos; — Denkt er ewig sich ins Rechte, — Ist er ewig schön und groß. Und es bleibt auch wahr, das tiefsinnige Dichterwort: Doch der wahrhaft hohe Sinn, — Legt das Große in das Leben, — Und er sucht es nicht darin! Wie man in den Wald hineinruft, schallt es wieder heraus. Das Leben ist schön und lobenswerth, wenn man's nur danach gestaltet. Das Glück liegt nicht außer uns, son dern in uns. In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne! Mit dieser Weisheit, mit Hellem Blick und frischer Kraft, mit gutem Willen und einem Herzen voll Menschen- und Gottvertrauen kommt man wohl seine Strecke und empfindet dankbar, daß das Leben doch viel reicher an Licht- als an Schattenseiten ist. Vom Kaiserhofe. Beide Majestäten und die drei ältesten Prinzen nahmen am Sylvester-Morgen das heilige Abendmahl. Zur Abendtafel gab eS Karpfen in Bier mit Pfefferkuchen und starken Gewürzen, Pfannkuchen und Punsch aus feinstem Rheinwein. Um 12 Uhr begrüßte der Kaiser das neue Jahr, worauf die gegenseitige Beglück- wünschung folgte. Die Christbäume erstrahlten noch ein mal im vollen Glanze, und der Monarch machte bei dem ruhig trockenen Wetter einen kurzen Spaziergang. Am Reujahrstage kam die kaiserliche Familie von Potsdam nach Berlin, wo inzwischen das große mtlitansche „Wecken stattgefunden hat. Um 10 Uhr geht der Feftgottesdicnst in der Schloßkapelle vor sich, au dem stch die Gratulations- kour im Weißen Saale reiht. Mittags giebt der Kaiser iln Zeughause die Parole „Berlin.Königsberg" aus. Die Wiederaufnahme der Reichstagsverhand- lungen im neuen Jahre ist absichtlich für einen etwas späteren Termin anberaumt worden, weil man besorgt, die Aufstellung des Etats nicht früher fertig zu bringen. Diese Sorge ist grundlos gewesen. Militär- und Marine- ctat liegen dem Bnndeöralh schon seit mehreren Tagen vor und werden möglicherweise noch in dieser Woche ver- öffcnrlicht werden. Was den Marineetat anlangt, so ver lautet, daß an ersten Raten zu neuen Schlffsbauten zwei Linienschiffe, ein großer Kreuzer für „Ersatz Deutschland", zwei kleine Kreuzer und eine Tor- pedoboolSdivtston gefordert werden. Diese Neubauten ent sprechen dem regierungsseitigen Plane zur Ausführung des Flottengesetzcs für dieses Jahr. Der Bruderkrieg zwischen Bündlern und konser vativen ist zum guten Theil noch im alten Jahre deige- legt worden. Auf einer Kreisversammlung des Bundes der Landwirthe haben sich die Führer der beiden eng ver bundenen und aus einander angewiesenen Parteien die Hand zur Versöhnung gereicht. Es wurde von allen Anwesenden eine Resolution angenommen, in der die Annahme des Zolltarifs zwar bedauert, gleichzeitig aber die Hoffnung ausgesprochen wird, daß in Zukunft wie früher die konservative Partei mit dem Bunde der Land wirthe Hand in Hand gehen werde, selbst wenn in Zeiten großer politischer Erregung hüben und drüben einmal allzu scharfe Worte fallen. Die Versöhnung war das Klügste, was herbeizuführen war, und zu klugen Thaten soll man stets Glück wünschen. Die venezuelanische Frage ist nun auch noch in das neue Jahr mit hineingeschleppt worden, und es sieht beinahe io aus, als ob sie noch einen ganz erheblichen Theil desselben in Anspruch nehmen sollte. Präsident Castro ist zwar aus La Viktoria nach Caracas zurückge kehrt und hat dort aus der Hand des amerikanischen Bot schafters Bowen die Bedingungen entgegengenommen, die die vereinigten Mächte an die Unterweisung der Streit frage an das Haager Schiedsgericht knüpfen. Aber Herr Castro ist noch immer nicht mürbe geworden. Die kleinen Erfolge der Negierungstruppen am Schluffe des ver gangenen Jahres, die ihm sogar die Möglichkeit verschafften, aus der freiwilligen Verbannung nach der Hauptstadt zurückzukehien, haben sein bereits ins Wanken gerathene Selbstbewußtsein wieder gestärkt und gehoben. So lange dieser gewissenlose Patron die Geschicke Venezuelas leitet, muß man sich auf Verdrießlichkeiten aller Art gefaßt machen. Hoffentlich machen sich die Wirkungen der Blockade recht bald in einem solchem Maße fühlbar, daß Castro zur Nachgiebigkeit gedrängt wird. — Von der Gewissenlosigkeit des Präsidenten Castro kann man sich einen Begriff machen, wenn man hört, was ein Berichterstatter des „B.-L.-A.", der den Präsidenten in La Victoria aufsuchte, von diesem Besuche zu erzählen hat. Castro befand sich als Gast des Generals Alkantara auf dessen Landsitz bei La Victoria. Es war um die Mittagsstunde, Castro befand sich bei Tanz und Frühstück im Garten, seine Maitresse im Arm. Der Ankömmling wünschte dem Präsidenten vorgestellt zu werden. General Alkantara wehrte aber ab mit dem Be merken, er fürchte, den Präsidenten mit einer Vorstellung zu stören. Dabei zeigte er auf ein Bündel Staatsdepeschen, die eingegangen, dem Präsidenten aber noch nicht vorgelegt worden waren, da dieser in seinem Vergnügen nicht ge stört sein wollte. Als der Corresponvent schließlich doch vorgelaffen wurde, fragte er den seelenvergnügten Castro, ob er denn schon wisse, daß die Streitfrage dem Haager Schiedsgericht vorgelegt werden würde. Castro bejahte. „Sie mußten mir ja kommen!" fügte er mit Selbstgefühl hinzu. Ob er Abbitte leisten wolle? lautete eine andere Frage. „Ich bin der Beleidigte," erklärte Castro, „brauche und werde also Niemandem Satisfaction geben." Bei Wein und Weibern setzte der ehrenwerthe Präsident alsdann sein Vergnügen fort. Es ist jammerschade, daß diesem ruchlosen Patron nicht die geziemende Tracht Prügel verabfolgt werden kann. Wir wüßten kein probateres Mittel als dieses, um dieses Pflicht- und ehrvergessene „Staatsober haupt" zur Raison zu bringen. Wann und wie unter der Herrschaft dieses Präsidenten die Streitfrage mit den bisher angewendeten Mitteln in befriedigender Weise ge löst werden wird, das wissen die Götter. Aus Willcm- stadt ist Londoner Blättern gemeldet worden, der Post meister von Marecaibo halte verschiedene Briefschaften deutscher Kaufleute zurück, und der deutsche Kreuzer „Falke" vrohe infolge dessen die Stadt zu beschießen. — Castro soll noch immer auf die Unterstützung des Präsidenten Roosevelt rechnen. Wir hoffen dagegen, daß die Vereinigten Staaten ihren Einfluß dahin geltend machen werden, daß Venezuela sobald als möglich nachgiebt. Wir schreiben 1903, und die österreich-ungarische Ausgleichsfrage hat gleich wohl nicht ihre Erledigung gefunden. Auf Schreiben des Kaisers wurden die Berat ungen der beiderseitigen Ministerpräsidenten während der letzten Tage des verflossenen Jahres fast ohne Unterbrechung fortgesetzt. Aber alles vergeblich. Ministerpräsident v. Szell mußte Wien verlassen, um seine übliche Neujahrs ansprache an die zur Neujahrsgratulation erschienenen Ver treter der liberalen Partei Ungarns zu halten, und als ec Wien verließ, da war die Lage gerade so ungewiß, wie sie seit dem Begin» der Ausgleichsverhandlungen stets erschien. Auch die Verständigungskonferenz in der Sprachen- frage, die in diesen Tagen stattfinden soll, wird ergebniß- los verlaufen; wenn sie überhaupt zu Stande kommt. Es gewinnt daher die Auffassung an Boden, daß auch die Sprachenfrage durch kaiserliches Dekret auf Grund deS bereits oben erwähnten H 74 ihre Erledigung finden wird. Dem russischen Minister des Auswärtigen Grafen Lambsdorff sind in Wien die ausgesuchtesten Ehrungen zu Theil geworden. Kaiser Franz Joseph über reichte dem leitenden russischen Staatsmanne eigenhändig die Jnsignieu des Großkceuzes des Stephansordens. Mit dem Grafen Goluchowski hatte der russische Minister eine fast zweistündige Konferenz, der auch der russische Botschafter in Wien, Graf Kaßnist, sowie der russische Botschaftssekretär inKonstantinopelSchtschebatzki beiwohnte. Jedenfalls hat Graf Lambsdorff sehr freundliche Er- innerungen von den Wiener Tagen mit nach Petersburg genommen. Sachliche Meinungsverschiedenheiten über die Behandlung der mazedonischen Fragen bestehen zwischen Wien und Petersburg überhaupt nicht. Marokko. Da die Truppen des Prätendenten denen des Sultans ums Vierfache überlegen sind, die Regierungs armee auch durch die schwere Niederlage vor einigen Tagen überdies fast völlig vernichtet ist und der Prätendent sich auf dem Marsche gegen Fez befindet, so steht in Marokko allerdings Alles ans dem Spiele. Wahrscheinlich ist zur Stunde bereits der Sultan sammt seiner Hauptstadt Fez und seiner Negierung in den Händen des Prätendenten. Unsicherheit herrscht im ganzen Lande. Die im Innern weilenden Europäer wurden aufgefordert, sich schleunigst in Hafenstädten in Sicherheit zu bringen. Ein englischer llnterthan wurde in der Nähe von Tetuan ermordet. Soll nicht völlige Anarchie eintreten, so werden die an Marokko unmittelbar betheiligtcn Mächte doch wohl energisch zu greifen müssen, wenn auch keine einzige von ihnen Ver langen trägt, die gegenwärtigen Wirren znr Äufrollung der schwierigen marokkoanischen Frage zu benutzen. Die Unruhen in China haben auch vor dem neuen Jahre nicht Halt gemacht. Von dem Vorgehen des Generals Tungfuhsiang ist bereits vor einigen Wochen die Rede ge-