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Wöchcnlli» scheinen drei Nummern. PrLnumrrationS > Preis 22^ Silbcrgr. Thlr.) vlerteliöhrUch, 3 Thlr. für das ganze Jadr, odne Erhöhung, in allen Theile» der Preußische» Monarchie. Magazin für die PrZnumeralionen werden von feder Buchhandlung (in Berlin bei Bei, ». Comp., Jägerstraße Nr. 25), sc wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 13 Berlin, Dienstag den 4. Februar 1843. Westindien. Die Insel St. Lucia. °) Die Insel St. Lucia liegt 24 englische Meilen südöstlich von Martinique und 2I nordöstlich von St. Vincent. Sie ist, mit Ausnahme Guadaloupe'S und Trinidad'», die ansehnlichste unter den kleineren Antillen, indem sie 42 Meilen in der Länge und an einigen Stellen 21 Meile» in der Breite mißt, einen Umfang von 150 Meilen und ein Areal von 158,620 Acres hat. Obgleich sic in Hinsicht ihrer centralen Lage, ihrer Wichtigkeit als militairische Station, der Anzahl und Geräumigkeit ihrer Häfen und der Fruchtbarkeit ihres Bodens von keiner anderen westindischen Insel übertroffen wird, ist sie doch bisher von Reisenden und Statistikern so sehr vernachlässigt worden, daß selbst der berühmte Kolonialhistoriker Montgomery Martin sich bei der Ab schätzung ihrer Oberfläche um 121,000 Acres irren konnte! Hieran ist wohl der Umstand schuld, daß St. Lucia stets für äußerst ungesund galt, wodurch die meisten Touristen von dem Besuche der Insel zurückgcschcucht wurden oder sich, wie z. V. Coleridge, nur kurze Zeit dort aufhielten. St. Lucia wurde von den Franzosen entdeckt, aber zuerst von den Eng. ländern kolonisirt, die den Bevollmächtigten Ludwig'S XIU. zuvorkamen. Nach Gewohnheit der britischen Ansiedler, geriethcu sie bald mit den Emge- borncn in Streit und wurden von der Insel vertrieben. Unter der Regierung Ludwig'S XlV. trat eine französische Kolonie an ihre Stelle, aber die Eng länder kehrten zurück, setzten sich allmälig wieder fest und machten den Fran, zosen den Besitz streitig. Von dieser Zeit (1660) an erfolgte eine Reihe von Kämpfen, die das Eiland hundertfunszig Jahre lang in einem Zustande der Aufregung hielten, der seiner vulkanischen Natur entsprach. Anfangs wurden die Franzosen 1664 durch die Engländer verjagt, erschienen aber im Jahre 1667 von neuem und wußten ihre Nebenbuhler durch diplomatische Kunstgriffe zu entfernen. Nenuzehn Jahre später machte ein britisches Kriegsschiff von 50 Kanonen den Versuch, die Insel wegzunehmcn, wurde aber von den Ein- wohncrn mit Hülfe eines starken Corps französischer Truppen zurückgetrieben. Der Gouverneur von Barbadoes landete 1700 an der Spitze einer ansehn- lichen Kriegsmacht und spielte eine Zeit lang den Meister; schon in demselben Jahre wurde ihm jedoch seine Beute durch den Oberbefehlshaber der fran zösischen Antillen entrissen. Hieranf versuchte man andere Maßregeln. Der Regent Orleans schenkte die Insel im Jahre 1718 dem Marschall Grafen von Etrees, was der König von England dadurch erwicderte, daß er sie (1722) an den Herzog von Montagu, einen der reichsten britischen Edelleute und Großmeister des BM-Ordens, verschenkte. Der französische Marschall und der englische Herzog waren Beide entschlossen, ihre Ansprüche durch Waffen- gewalt geltend zu machen; aber nach gewaltigen Rüstungen, die mit schweren Kosten verbunden waren, ließen sie cS bei gegenseitigen Drohungen bewenden und kamen im Jahre 1723 überein, die Sache durch einen friedlichen Ver gleich zu schlichten. Beide Theile sollten ihre Truppen zurückziehcn, und die Insel sollte neutral bleiben, bis sich die beiderseitigen Regierungen über ihren Besitz verständigt haben würden; unterdessen stand eS sowohl den Franzosen als den Engländern frei, mit ihr Handel zu treiben. Dieser Traktat war für St. Lucia höchst ersprießlich; er halte einen ruhigen Zwischenraum zur Folge, der einundzwanzig Jahre dauerte — die Insel blühte auf und bedeckte sich mit Kaffee, und Kakao-Plantagen. 1744 wurde der Friede von neuem gestört; die Franzosen unternahmen den ersten Angriff, aber nach verschiedenen GlückSwechseln erschien der englische Admiral Rodney im Jahre 1762 vor der Insel und bemächtigte sich derselben. Schon im folgenden Jahre wurde jedoch der schmähliche Vertrag von Paris ge schloffen, durch den der unfähige Lord Bute fast alle Bortheile aus den Händen gab, die sein großer Vorgänger Pitt während deS siebenjährigen Krieges er rungen hatte, und auch Sj. Lucia wurde an Frankreich abgetreten. Beim Ausbruch de» amerikanischen NcvolutionSkriegcS machte Rodney das Mini- sterium auf die Wichtigkeit dieser Insel aufmerksam; er erhielt den Befehl, sie wegzunehmen, und eroberte sie am Schluffe des JahreS 1778 mit einer Handvoll Truppen nach einem blutigen Gefechte, worin die Zahl der ge- tödteten Franzosen die des ganzen englischen DetaschementS überstieg. Drei Jahre später versuchten die Franzosen, sich der Insel wieder zu bemächtigen, wurden aber mit großem Verlust zurückgeschlagen. Dessenungeachtet kam sie durch den Frieden von Versailles (1783) wieder an Frankreich. Im Revo- ') Aus Breen's 8t. «tstlstiettl, »uü äeseriptive. I^oudou 1844. lutionSkriege kapitulirte St. Lucia 1794 fast ohne Widerstand an eine britische Flotte unter dem Kommando des Admirals Sir John Jervis; kaum hatte sich aber dieser entfernt, als eine Jnsurrection ausbrach und die von ihm zurück- gelassene Garnison durch den französischen General Victor HugueS gezwungen wurde, die Insel zu räumen. Der General Abercromby und der Admiral Christian eroberten sie im Mai 1796 von neuem; der Friede von Amiens gab sie noch einmal an Frankreich zurück — schon im Juni 1803 erschien aber nach Wicderausbruch der Feindseligkeiten eine britische EScadre an ihren Küsten und nahm die Citadelle Morne Fortmwe mit Sturm, worauf der Gouverneur kapitulirte. Seit dieser Zeit ist die Insel das unbestrittene Eigen- thum GroßbritanienS geblieben, wird jedoch noch immer zum Theil nach fran. zösischen Gesetzen regiert. St. Lucia ist durch den wild-romantischen Charakter seiner Landschaften in ganz Westindien berühmt. Von welcher Seite man sich ihm auch nähern möge, ist sein Anblick gleich majestätisch und pittoresk. Die dunkellaubigen Wälder und fruchtbaren Thäler, die blühenden Ebenen und drohenden Ab hänge, die reißenden Bäche und schroffen Klüfte bilde» ein weites Panorama, das sich von dem großartigen Pi ton, der seinen Gipfel in den Wolken birgl und den rasenden Elemente» Trotz beut, bis zu der bescheidenen Kaffeepflanze erstreckt, die den Einwohnern zur Quelle ihres Rcichthums dient. Hier zeigt sich die Natur abwechselnd in ihrer furchtbarsten und in ihrer reizendsten Ge stalt. Die Hauptbcrge oder Bergketten ziehen sich in länglicher Richtung durch die Insel und theilen sie in zwei Distrikte: die Windseite und die Seite unter dem Winde; diese Berge sind mit dichten Waldungen bedeckt, und ihre höchsten Punkte führen den Namen der LoroH-re, der ?aix-voucbe und der ItsrnbLra. An beiden Seiten der Kette befinden sich Berge von geringerer Höhe, die sich nach dem Meere zu abzweigen und Thäler, Schluchten und Kessel in ihren Zwischenräumen einschließcn. Die PitonS sind zwei Pyramiden, aus massiven Felsen bestehend und von höchst merkwürdiger Form, die sich an der Südseite der Einfahrt in die herrliche Soufriöre-Bai erheben; ihre Höhe wird rcsp. zu 3300 und 3000 Fuß über dem Meeresspiegel angeschlagen. Sie liegen von den anderen Bergen getrennt, und mit Ausnahme ihres westlichen Abhangs, der von der See gebadet wird, ist ihr Fuß mit üppiger Vegetation und reichen Zuckerplantagen bedeckt. Man hat oft versucht, diese Kuppen zu ersteigen, und es giebt darüber mehrere interessante Legenden; wer aber ihre senkrechten Wände betrachtet, wird die Unmöglichkeit des Erfolgs anerkennen. Das größte Naturwunder auf St. Lucia ist die Soufriöre oder der Schwefelberg, der in dem Kirchspiel gleichen Namens etwa eine halbe Stunde von der Stadt Soufriere mid eine Stunde östlich von den PitonS liegt. Der Krater zeigt sich in einer Höhe von 1000 Fuß über der Meeresfläche, zwischen zwei kleinen Hügeln, die ganz von Vegetation entblößt sind. Er erstreckt sich über einen Raum von drei Acres und ist von einer aus Schwefel, Alaun, Asche und anderen vulkanischen Stoffen bestehenden Kruste umringt, in deren Mitte sich mehrere heiße Quellen befinden. In einigen ist das Wasser außer ordentlich klar; in den übrigen ist eS aber ganz schwarz und kocht bis zu einer Höhe von 2 — 3 Fuß empor, indem es dichte schwefelartige Dampfwolken auS- stößt, die von einem höchst widerlichen und erstickenden Qualm begleitet wer den. Wegen der verhältnißmäßigcn Schwere der fie umgebenden Luft erheben sich diese Wolken gewöhnlich bis zum Gipfel der Berge und zerstreuen sich dann vor dem Winde in horizontaler Richtung. Bleibt man ein paar Minuten auf jener Schwefelkruste stehen, so dringt die unterirdische Hitze durch die stärkste Fußbekleidung — ein Beweis, daß der vulkanische Brennpunkt sich nicht auf die siedenden Quellen beschränkt. Man braucht in der That nur stellenweise die obere Schichte bis zur Tiefe von achtzehn Zoll oder zwei Fuß durchzugra- den, um das Wasser hervorsprudeln und die Oeffnung in einen Kessel ver wandelt zu sehen. Von Zeit zu Zeit brechen frische Quellen hervor, worauf die kleineren sich allmälig abzukühlen scheinen und nach und nach erlöschen. Die Soufri«-re besitzt eine Eigentümlichkeit, die wir bet keinem un- be kannten Vulkane wiederfinden. Sie kann sich allerdings weder mit dem Aetna, dem Vesuv, »och mit einigen anderen feuerspeienden Bergen in der Intensität und Heftigkeit ihrer Ausbrüche und in der majestätischen Erhabenheit ihre» ruhigen Zustande» messen, übertrifft sie aber alle in der ununterbrochenen Fortdauer des vulkanischen Prozesses. Selbst die Gipser in Island, mit denen fie Manches gemein hat, sind nur von Zeit zu Zeit in Thätigkeit, während die Soufriore in einem immerwährenden, obgleich weniger heftigen Zustande der Aufregung begriffen ist. Wie sie vor drei Jahrhunderten erschien, zeigt sie sich noch in diesem Augenblick — möglich, daß sie drei Jahrhunderte später noch eben so erscheint. Die chaotische Gestalt der fie umgebenden Berge und