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Schönburger Tageblatt — 6^6 —— 2lmt§b!att für den Stcrdtrath zu Mcriöendurg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herr» Kaufmann Otto Forster; in Kamungea bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs- dors bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipziaerstr. 168; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; m Wollenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Erscheint täglich UN- WWW WMtnlmqer Amiger. ^rpediUon-^WÄmburg, Obsrgass? LSI»' Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteuftsin-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, St. Egidlen, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. M6 mnwbend, den U April Witterungsbericht, ausgenommen am 10. April, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 765 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerftand -s- 12" 6. (Morgens 8 Uhr -s- 10") Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 70"/a. Thaupunkt -s- 7 Grad. Windrichtung: West. Daher Witterungsanssichten für den 11. April: Wechselnde Bewölkung mit Neigung zu Niederschlägen. "Waldenburg, io. April 1896. Wir stehen, nachdem die Osterwoche vorüber, dicht vor dem Wiederzusammentrilt des deutschen Reichstages, vor welchem noch die zweite preußische Kammer, das Abge ordnetenhaus, seiue Arbeiten aufnimmt, dem soeben noch die alljährlich übliche Eisenbahnvorlage, sowie eine Kredit forderung für die Errichtung von Kornhäusern zugegangen ist. Besonders über den letzten Punkt wird es mancherlei zu reden geben. Die Reichstagsabgeordneten sollen schon im Voraus für jhr Wiedererscheinen in Berlin etwas nervös gemacht werden durch die Alarmnachricht, daß die in Aussicht stehende neue Forderung für die deutsche Kriegsmarine nicht weniger als 150 Millionen Mark, in drei Jahren aufzubringen, betragen wird. Da in der Ankündigung auch der Bau von drei neuen schweren Panzerschiffen enthalten war, so wäre diese Summe aller dings nicht zu hoch gewesen, diese Gattung von Kriegs schiffen ist ja außerordentlich kostspielig geworden. Der Reichstag hatte freilich immer nur die Bewilligung einer mäßigen Zahl von schnellen Kreuzern im Auge und hier über würde auch eine Einigung herbeizuführen gewesen sein. Bezüglich schwerer Panzerschiffe ist die Bewilligung fraglich. Der Eindruck der Ankündigung war nicht der beste, sie ist darum auch schon schleunigst wieder in Ab rede gestellt, und man kann ja allerdings der Versiche rung Glauben schenken, daß noch keine bindenden Be schlüsse gefaßt sind. Nur damit ist zu rechnen, und das thun auch agx Parteien im Reichstage. Sollen wirklich neue schwere Panzerschiffe gebaut werden, dann kommt man 1^0. Millionen nicht fort. Der Reichstag wird in seiner ersten Sitzung nach den Fertrn die zweite Lesung des Gesetzbuches über den un- lauterm Wettbewerb vornehmen, dessen Annahme ja außer Zweifel steh^ Unsicher sind nach wie vor die Aussichten des bürgerlichen Gesetzbuches, und es fehlt nicht an Po litikern, ^ secht düster in die Zukunft sehen. Möglich ist ja, daß die Verhältnisse sich bis zur nächsten Reichs tagssession günstiger gestalten, und dann also möglich wnd, was heute vielleicht fehlschlägt. Sonst ist das politische Leben noch still, wenigstens so weit allgemein interessante Dinge m Betracht kommen. Die Partei- Auseinandersetzungen, namentlich über die politische Stel lung des Herrn Stöcker, dauern fort. Die Socialdemo kraten haben m den Osterfeicrtagen zahlreiche größere Parteiversammlungen abgehalten, in welche aber vom „ruhmreichen ersten Mai nicht eben viel die Rede war. Unfer Kaiser und die Kaiserin haben ihre Mittelmeer reise in der Hauptsache beendet In Palermo, Syrakus, Messina auf Siznwn, den letzten Rcststätten, ist den Ma jestäten eine hervorragend enthusiastische Begrüßung zu Theil geworden; die Sizilianer sehen selten so erlauchte Gäste und mache" daher aus ihrer Herzensfreude kein Hehl. Italienische und französische Zeitungen ergehen sich in langen Betrachtungen über die Unterredung, welche der deutsche Kaiser in Neapel mit dem dortigen Kardinal- Erzbischof Sanfelice hatte, in welchem Viele den künfti- S«n Papst sehen wollen. Selbstverständlich hat diese Unterredung auch nicht die geringste politische Bedeutung. Von Messina geht die Kaiserreise direct nach der dalma tischen (österreichisch^ Küste, nach Cattaro, wo schon Vorbereitnnaen ,u festlichem Empfange im Gange sind. ist Venedig, wo am Sonntag die Begrüßung -dein italienischen Königspaare erfolgt, nicht mehr Wüsern. her letzten Woche des Monats gedenkt Gr?" wieder in Berl'» resp. Potsdam einzutreffen. Dinge sind auch von der auswärtigen Politik nicht zu berichten, aber es könnte sich vielleicht mancherlei vorbereiten. In Paris hat der Premierminister Bour geois seine Sorgen, aber nicht wegen des Zankes mit dem französischen Senat, um den man jedoch schließlich so oder so herumkommen wird, sondern we gen Rußlands. Es ist kein Zweifel, daß die russische Negierung von diesem radikal-demokratischen Mini sterium wenig erbaut ist, zumal dasselbe für die auswär tige Politik blos Dilettanten hat. Der Czar und seine Minister des Auswärtigen Fürst Lobanow sind klug ge nug, um jede Einmischung in die inneren französischen Verhältnisse zu vermeiden, aber zur Behandlung der Aus wärtigen Politik möchten sie doch einen Mann haben, mit dem sich bequem verhandeln läßt. Der frühere Minister des Auswärtigen, Berthelot, hat schon springen müssen, für ihn trat der Premierminister Bourgeois ein, aber auch der paßt für dies Fach nicht. Herr Bourgeois, der früher ein Heißsporn ersten Ranges war, hat sich übrigens sehr geändert; selbst in seinem Streit mit dem Senat vermeidet er, mit dem Kopfe durch die Wand zu rennen, und versucht seinem Gegner Rückzugswege frei zu halten. Es ist die alte Geschichte: Ein Politiker, der Minister werden will, spricht ganz anders, wenn er Minister ist. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der enthusiastischste und herzlichste Empfang auf ihrer ganzen Reise ist den kaiserlichen Majestäten wohl in Messina auf Sizilien zu Theil geworden, wo man aus der Ankunft des Kaisers und der Kaiserin ein wahres Volksfest gemacht hatte. Es regnete Blumen, die Tausende von Menschen, welche dort versammelt waren, brachten fast ununterbrochen ihre Hochrufe dar. Am Mittwoch Abend wurde am Hafen ein glänzender Fackelzug dargebracht. Donnerstag Vormittag fuhren die Majestäten in die festlich geschmückte Stadt, mit wahren Jubelsalven begrüßt, und nahmen die Sehens würdigkeiten derselben in Augenschein. Nachmittags er folgte die Rückkehr an Bord der Dacht „Hohenzollern"; an Bord ist Alles wohlauf. Unter erneuten Ovationen und dem Donner der Geschütze wurde die Weiterreise nach Norden angetreten. Heute Freitag wird die An kunft vor den Boche di Cattaro, am Sonnabend Nach mittag die in Venedig erfolgen, wo der Kaiser und die Kaiserin bis zum Montag Abend zu verweilen gedenken. Die Ankunft in Wien erfolgt am Dienstag Vormittag um 10 Uhr. Am selben Tage abends reisen die Kai serin und die beiden ältesten Prinzen direct nach Berlin zurück, während der Kaiser am Mittwoch, den 15. d., abends 8 Uhr von Wien über München nach Karlsruhe und nach kurzem Aufenthalt daselbst nach Kaltenbronn zur Auerhahnbalz weilerreist. Am 18. April trifft der Kaiser auf der Wartburg ein und begiebt sich von dort zu den Hochzeitsfeierlichkeiten nach Koburg. In dem neuen Flottenbauplan, von welchem be hauptet worden ist, daß er noch nicht zum Abschluß und zur definitiven Genehmigung durch Kaiser Wilhelm ge langt sei, sind aber drei Panzer-Ersatzbauten bisher wenigstens in Erwägung gezogen worden. Diese Ersatz bauten gelten den drei ältesten heutigen Panzern unserer Marine, „König Wilhelm", „Kaiser", „Deutschland". Die Gesammtkosten der drei neu zu bauenden Schiffe würden etwa 60—70 Millionen betragen, ein Posten, für welchen der Reichstag wohl kaum anstandslos die Bewilligung sofort aussprechen wird. Mit lebhaftestem Interesse sehen die verbündeten Re gierungen den Beschlüßen der Reichstagscommission über das neue bürgerliche Gesetzbuch beim Eherecht ent gegen, zu welchem bekanntlich der Antrag vorliegt, die bisherige obligatorische Civilehe durch die fakultative zu ersetzen. Die Abstimmung bei diesem Titel entscheidet über das ganze Gesetz, denn bezüglich aller anderen Vor schriften ist schließlich eine Einigung zu erzielen. Den verbündeten Regierungen liegt die Fertigstellung der Vor lage noch in dieser Session sehr am Herzen, und sie werden daher bei der Wiederaufnahme der Commissions- berathungen Alles thun, um auftauchende Schwierigkeiten zu beseitigen. Hier ist aber der Punkt, wo der Reichs tag selbst sich berathen muß. Zur Maifeier erläßt der geschäftsführende Ausschuß der Socialdemokratie folgende Aufforderung an die Parteigenoffen: „Als würdigste Feier des 1. Mai be trachtet die Partei die allgemeine Arbeitsruhe. Daher empfiehlt der Parteitag denjenigen Arbeitern und Ar beiterorganisationen, die ohne Schädigung der Arbeiter intereßen den 1. Mai neben den anderen Kundgebungen auch durch Arbeitsruhe feiern können, Arbeitsruhe ein treten zu laßen. Die gegenwärtige, aufsteigende Con- junctur ist für die allgemeinere Durchführung der Ar beitsruhe als der würdigsten Form der Feier des 1. Mai eine günstige. Wir wißen, daß da, wo es angeht, die Genoßen diese Gelegenheit ausnützen werden, ohne in den Fehler der Uebereilung und Unbesonnenheit zu ver fallen." Für die Arbeiter selbst steht, trotz der tönenden Worte, die Sache wie sie war. Laßen sie sich durch die Aufforderung der socialdemokratischen Parteileitung ver leiten, am 1. Mai die Arbeit ruhen zu laßen wider den Willen der Arbeitgeber und werden entlaßen, dann ist das ihre eigene Sache. Sie haben selbst die Kosten ihres Verhaltens zu tragen, und die Parteikasse zahlt ihnen nicht einen Pfennig, wenn sie im Verträum auf die Proclamation des Ausschußes und die darin verbürgte „gegenwärtige, aufsteigende Conjunctur" um ihren Er werb sich gebracht haben. Eine interessante Gabe ist allen Denen, welche der Erinnerungsfeier an die Kaiserproclamation zu Ver sailles am 18. Januar im Berliner kgl. Schloß beige wohnt haben, durch das Hofmarschallamt zugesandt wor den. Bekanntlich fand jeder zur Festtafel jenes Abends Eingeladenc in einem Briefumschlag eine Faksimilekopie der Originaldepesche des Königs vor, durch welche dieser der Königin Augusta die erste kurze Nachricht vom Siege bei Sedan sandte. Als Ergänzung dieser Erinnerungs gabe ist deren Empfängern nun ein ähnlicher Briefum schlag zugegangen, dessen Inhalt die Faksimilekopie der anscheinend mit Bleistift rasch niedergeschriebenen Mittheilung des kgl. Befehls, Victoria schießen zu laßen, an den Gouverneur von Berlin, von der Hand der Kö nigin bildet. Diese Mittheilung lautet wörtlich: „Der König befiehlt mir soeben, Victoria schießen zu laßen. Ertheilen Sie demnach sofort dem Commandanten die nöthigen Befehle. Die Königin pr. 3. 9. 70 um 4*/« Uhr Nm." Der dünne Oktavbriefbogen, der die in Eile abgeriflene Hälfte eines Ouartbogens zu sein scheint, ist, ebenso wie der Umschlag mit blauer Jnnmseite, wie die Schriftzüge der Königin in jenen Zeilen und in der Adresse: „Dem Gouverneur von Berlin" so genau nachgebildet, daß die Täuschung vollkommen ist. Man glaubt das merkwürdige Document, dies doppelt geweihte, kostbare schriftliche Erinnerungsdenkmal an einen der größten Tage der vaterländischen Geschichte, wie an