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«r. 36 Verantwortlicher Redacteur: Carl Sehne in Dippoldiswalde. Stur nicht ängstlich! Wir gehören zwar auch zu den unzählig Vielen, welche glauben, daß der Krieg auch jetzt immer noch zu vermeiden ist; — aber wir müssen auch gestehen, daß die Lage sich sehr ernst gestattet hat und jeder Augenblick die Nachricht der Entscheidung für den Krieg bringen kann. Dennoch aber und trotz alledem ist e- möglich, daß das Schwert wieder in die Scheide gesteckt und ein wirklicher Zusammenstoß vermieden wird, — denn: „es ist Alles schon dagewesen." Es haben schon die Armeen ganzer Reiche kampf gerüstet, die Artilleristen mit brennender Lunde bei den Kanonen, sich gegenüber gestanden, und es ist kein Schuß gefallen. Warum soll es denn gerade jetzt unvermeidlich sein, daß der Krieg losbricht? Der Krieg ist unpopulär, das Volk will ihn nickt. Halten wir vor der Hand noch daran fest, und ganz besonders an dem Gedanken, daß sämmtliche Fürsten Deutschlands, bei dem Ausbruche eines solchen, Alles zu verlieren haben, nicht das Volk; daß die Dynastien sich sämmtlich bereit halten müssen, „ihre Kronen drein zuwerfen," wenn sie um ihrer cabinetspolitischen Eifer süchteleien willen es zum Aeußersten treiben. DaS wissen sie, und weil sie Alle in dem Bestreben einig sind, den Volksrechten keine Geltung zu verschaffen, oder doch nur ganz geringe Conceffionen angedeihen zu lassen, so wird noch in der letzten Stunde eine Ei nigung versucht werden. Ein anderer Grund, warum wir jetzt noch nicht an einen Krieg in Deutschland selbst glauben mögen, liegt in dem Anträge Preußens auf Berufung eines deutschen Parlaments. Mag immerhin der Mann, welcher ihn eingebracht hat, mit dem größten Mißtrauen und er hat es reichlich verdient, betrachtet werden, — der Antrag selbst ist ganz geeignet, die SonderpolM treibenden und mit Oesterreich um jeden Preis gehen wollenden mittelstaatlichen Diplomaten zur Besinnung zu bringen. Von ganz besonderer Bedeutung ist auch Die italienische Regierung läßt in Paris erklären, daß sie nicht angreifen werde (aber Garibaldi?); die preußische Regierung macht die ganze Armee mobil — was beiläufig gesagt täglich Million kosten soll,— dennoch aber behaupten die Blätter: der König sei für den Frieden! Und wir glauben dies, da es vor der Hand an einem besonders dringenden Anlässe, die Feindseligkeiten zu eröffnen, geradezu fehlt. Komme indeß, was da wolle, — wir werden uns mit den Worten unsres Fritz Reuter trösten: „dat uns' oll Herrgott ümmer noch lewt!" Dienstag. Nr. 1« 8. M«i 186«. ätschrint . Kits Dienstags O K ä «"» Onattal ,4L Weißenh-Zeiturig. L. anstatt«». ! V 8 Pfg. Ms- m» Mtigt-Klatt -er Königlichen Gerichts-Ämter nnd Stadträlhe zn Dippoldiswalde, /ranenflein und Altenberg. Politische Wetterbeobachtungen. 4. ... äwcr de Hoffnung is drift, es deJnem, sei drängt sik an jede Blaum un drSggt ut jede ehren Honig. (Aber die Hoffnung ist dreist, wie die Biene, sie drängt sich an jede Blume und trägt aus jeder ihren Honig.) Fritz Reuter. Seit unseren« letzten Wetterberichte haben sich Kriegswolken in« Süden aufgezogen, und es scheint in der Thal, als solle das eiserne Würfelspiel in der,« mit deutschem Blute so reich gedrängten lombardischen Ebene beginnen. Mar« nimmt — ob mit Recht oder Unrecht, bleibt dahingestellt — ein Einverständniß mit Italien und Preußen, vielleicht sogar mit Frankreich an. Die Muthlosigkeit der Geschäftswelt ist in Folge dessen groß; die Course sinken geivaltig; das Discont- und Lombardgeschäft hat so ziemlich ausgehört. Den noch ist das furchtbare Wort „Krieg" noch nicht ge sprochen, und wir hoffen, daß es — für Deutschland wenigstens — ungesprochen bleiben wird. Dagegen muß inan in Italien jede Stunde dem Eintritte ernster Ereignisse entgegensehen, nnd die nächste Zukunft muß lehren, ob Preußen sich diese Situation zu Stutze macken und ebenfalls kriegerisch vorgehen wird. Möglich, Gaß man vorläufig nur beabsichtigt, den preußischen Bun desreformplänen durch das Geräusch der Waffen eine«« entschiedenen Nachdruck zu gebe«« und mit einem kate gorischen „entweder" — „oder" vor die Bundesver sammlung zu treten. Die Aufforderung des preußi schen Cabinets an Sachsen, zu entwaffne««, und die neueste Circulardepesche des Grafen Bismarck, worin die Feststellung eines Termins für Einberufung des Parlaments gefordert wird, lasse«« nichts Gutes ahnen, und wenn die Mittel- und Kleinstaaten sich nicht unter ordnen, so scheint die Alternative eines große«« «nittel- europäischen Krieges nicht fern zu liegen. Doppelt schwer nnd verantwortlich sind in so ernster Zeit die Pflichten der Regenten und Staats männer, die über die Geschicke Deutschlands mit zu entscheiden haben. Namentlich tritt an die Regierun gen der Mittel- nnd Kleinstaaten die bedenkliche Frage Hera««: ob es rathsamer ist, den Forderungen Preußens nachzugeben, oder sich zu widersetzen. Die liberale Presse ist noch immer gespalten in die zwei großen Lager Derer, die durch die Einheit zur Freiheit wollen und deshalb in gewisser Weise mit dem Grafen Bismarck gehen, und Derer, die da glauben, daß man erst die Freiheit und dann die Einheit er langen müsse. Der Gang der Thatsachei« wird indeß über diese Lehrsätze Hittausgehen, und es ist auch nicht entfernt abzusehen, wie diese Verwirrung enden soll.