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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumiraiions- Prei« 22j Sgr. (j Tblr.) vierteljährlich, Z Tblr. iür ba« ganze Jahr, ohne Er- döhung, in alle« Theilen, der Preußischen Monarchie. z r n für die Man vränumcnrt aus diese« BeiMatt der ÄUg. Pr. StaatS- Zeirung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im AuSlande hei den WokMbl. Poft - Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 21. Berlin, Freitag den 17. Februar 1837. Nord-Amerika. Coopcr's Erinnerungen aus Europa. °) Diese« neueste Werk des Amerikanischen Novellisten kann als ein Nachtrag zu seinen frühere» Schriften Uber Frankreich und die Schweiz angesehen werben. „Ich habe", sagt der Verfasser selbst in der Bor rede, „zur Entschuldigung der Fehler in diesen beiden Bänden weder Eil noch Mangel an Zeit vorzuschiitzen. Alles, was ich wünsche, ist, daß man nicht mehr darin erblicken wolle, als wosür ne sich ausgeben. Sie sind die Acbrenlese nach bereits eingcbrachter Aerndle, unverbunden zusammengeworsen und ohne die mindesten Ansprüche, oder wenigstens mit 'sehr geringen, aus arithmetische und statistische Genauig keit, wie sie Werken von ernsterem Charakter geziemt. Man findet darin nur die flüchtigen Bemerkungen eines Mannes, der allerdings ein wenig von der Welt gesehen hat, es mag nun zu seinem Bortheil ge wesen seyn oder nicht, der ziemlich gute Gelegenheit balle, zu prüfen, was er sah, und der sich bewußt ist, daß weder Furcht, noch Gunst, noch Hoffnung auf Lohn den geringsten Einfluß auf ihn üben. Sein oomjilv r«nüu muß für das gellen, was es werth ist." Gewiß ein ausrichligcs und herausforderndes Geständniß; der Leser wird inteß genug Anziehendes und Unlerhallende« in diesen zerstreuten Blättern finden. Mag man dergleichen Bücher auch Sammelsoria nen nen, sie dielen doch, wenn sie von seinen Beobachlern berrührrn, sür den Wißbegierige» manches Belehrende und für den, der bloß zu seinem Vergnügen liest, manches Ergötzliche dar. Nur elwaS dürfte vielleicht weder in Amerika noch in Europa an den Belrachlungen und Mei nungsäußerungen des Lersasscrs wenig bcwunderl werden. Cooper hat sich nämlich in der letzten Zeit zu einem moralischen Censor ausgewor- sen, und er sagt beiden Nationen, der Amerikanischen und der Europäi schen, in den Vorlesungen, die ec ihnen hält, manche Wahrheit. Wenn aber der Hauptcharakter dieser Vorlesungen als Ausdruck der dem Ver fasser eigenen Denk- und GefühlSwcise zu betrachten ist, so wird man nicht umhin können, diese etwas auffallend und seltsam zu finden, denn es möchte kaum in den albernsten Englischen Moderomanen so viel mit philosophischem Anstrich prunkende« Geschwätz über bloße Förmlichkeiten und Manieren anznlreffen seyn. Da« Werk scheint sür ein Buch der Etikette gelten zu sollen; wenigstens könnten die Transatlantischen Buch händler hinreichenden Stoff zu einem Amerikanischen Handbuch sür den „Mann von Welt" daraus entnehmen. Die Formen und Gebräuche der Europäischen Gesellschaft scheinen sür den Versaffer wirklich Dinge von gewaltiger Bedeutung zu sevn, und er meint ganz im Ernste, daß die Frage über den Vorrang bei Tische, wo die Amerikaner, an Gleich, heil der Gesetze und Institutionen gewohnt, wie es scheint, noch keinen Unterschied in den Plätze» machen, späterhin auch werde ins Reine gebracht werde»; jetzt sind die Amerikaner, obgleich sie Macht genug besitzen, jeden Streit über eine vermeintliche Beeinträchtigung mit der Mündung der Kanone zu entscheiden, vermulhlich noch zu schwach, um eine so wichtige Sacke zu erledigen! Was sie, ihrer zwölf Millionen, nickt vermögen, werden sie vielleicht, ihrer fünfzig, im Stande sepn. Aber die fünfzig Millionen wären wirklich zu bedauern, wenn sie sich mit solchen Lappalien abgeben wollten, so sehr auch Herr Cooper jede Gelegenheit benutzt, um seine Landsleute zu unterrichten, wie sie sich bei Besuchen, Vorstellungen, Anzeigen, Einladungen und dergleichen zu benehmen haben. Freilick unterscheiden sich diese Formalitäten in Ame rika und Europa ost sehr bedemend, dock sind sie nicht auch in jedem Laude Europa'«, ja in jeder gesellschaftlichen Kaste eine« jeden Lande« wieder anders? Wohlwollen und Freundlichkeit aber reden eine allge meine Weltsprache, und wo solche Gesinnungen sich offenbaren, da kömmt wobl aus äußere Formen wenig an. Als Cooper mit Lasavette zusammenkam, fragte er ibn, wie es zu- ginge, daß sein Vater Graf von Lafavclte geheißen habe, und daß er Marquis genannt werde. „Er konnte mir", sag, der Verfasser, „keine ' Auskunft darüber geben, sein Großvater sev Marquis von Lasavette, sein Vater Gras „»k er selbst wieder Marquis genannt worden. „„Außer diesem"", fügte er hinzu, „„ist mir sehr wenig darüber be kannt; ich fand mich als kleinen Marquis, wie ich zu denken anfing, und Knaben kümmern sich „m dergleichen nicht viel; und nachher, wie ich in Amerika war. wurde mir der Titel bald zuwider."" — Den Amerikanern scheinen aber überhaupt Titel und Wurden nicht fo gleich- gültig j« "VN, wie man ans dem Umstande schließen könnte, daß sie selbst unter sich keine Distinctioncn habe». So erzählt Copher: „Ich I ttvrolleetion. vl Lueupe; l>F s ^ouimore t.ovper. vvl besand mich einst zu einem kleinen Diner bei dem Grasen von Stgur, wo auch der General Lafayette und Herr Alexander von Lameih zu Gaste waren. Die Drei hatten zusammen in Amerika gedient und waren alle schon Obersten, als sie noch kaum die Knadenjahrc über schritten hatten. Herr von Lamelb bemerkte aber im Lause des Gespräch« scherzend, daß die Amerikaner dem General Lafayette immer größere Achtung bezeigt hätten, weil er Marquis gewesen." Wa« die politischen Ansichten de« Verfassers anbelangt, fo konnte man schon in den Beschreibungen seiner Reisen durch Frankreich und die Schweiz wahrnehmen, daß er in dcr letzten Zeit seine» Sinn we sentlich geändert, und daß seine mächtigen National-Worurtheile und republikanischen Theorieen sich allmälig in eine gegen Europa s Einrich tungen und Regierungssormen duldsamere Ansicht verwandelt hatten. Wenn er auch Amerika immer noch den Vorzug vor jedem anderen Lande einräumte, so ibar e« doch unverkennbar, daß er oft Ursache sand, Institutionen zu loben, die mit dem System der Bereinigten Staaten in direktem Gegensatz standen. Hier nun, wo er uns dir zerstreuten, noch unbenutzten Bruchstücke aus seinem Notizbuch in der Form von Briesen mittheilt und sie mit den Betrachtungen ausstaltel, die sich ihm nach längerer Zell über die schon entfernte» Gegenstäyjie aufdränglcn, al« er spätere Erfahrungen mit seinen ersten Eindrücken verglich, hier zeigt sich jene Leränderung noch deutlicher; es tritt hier das stillschweigende Ein- geständniß noch viel stärker hervor, daß in Amerika in politischer und moralischer Hinsicht noch gar Manche« z» verbessern und von Europa zu lernen sev. Diese Meinungsänderung ist insofern von nicht gerin ger Wichtigkeit, als sie, von einem solche» Autor ausgehend, auch wohl im Gemüth der Leser entsprechende Wirkungen bervorbringe» und end lich zu richtigeren Begriffen von dem wahren Zustande der Dinge in der Neuen Welt führen dürfte. La« Werk beginnt mit Coover s Abreise von New-York im Jahre 1828, wo er zum erstenmal Europa besuchte, nm süns Jahre hier zu verweilen. Es sängt daher natürlich mit vorgefäßten Meinungen an, die aber bald, während seines Ausenthalt« in Frankreich und England, immer mehr berichtigt werden, so daß wir die gereisten Resultate seiner Erfahrungen in beiden Ländern erhalten. Fehlt e« diesen Erinnerungen auch an der Frische und Lebendigkeit, womit die ähnlichen Schilderun gen seines Landsmannes, Herrn Willis, die der Impuls des Augenblick« eingab, geschrieben sind, so besitzen sie dasür den gewichtigeren Charak ter eines Produkt« der ruhigen Ueberlegung und haben zugleich da« emp findsame Kolorit, welches von den Schristen eines Autors zu erwarten ist, der so lange im Reiche der Phantasie gearbeitet hat. Besonder« aber giebt uns Cooper nirgends so sich selbst, wie in diesem letzten seiner Werke. Die vielerlei Gegenstände, welche uns hier vorgeführt werden, und die fragmentarische unzusammenhängende Weise, wie dieselben behandelt sind, machen es unmöglich, dem Versaffer von Ort zu Ort zu folgen. Nachdem wir daher vorauSgeschickl haben, daß die Schilderungen sich über Frankreich und England verbreiten und uns bei einer Menze be rühmter Personen cinführen, welche Cooper auf seinen Reisen kennen lernte, wollen wir au» den unterhaltendsten Theilen des Ganzen einige Auszüge folgen lassen. Zuerst einen Blick aus die Kleidertracht in Amerika: „Als Volk haben wir ohne Frage einen entschieden provinzialisti- schcn Charakter; aber unser Provinzialismus zeigt sich nicht gerade in unserer äußeren Erscheinung. Die Männer vernachlässigen ihren Anzug ganz, denn sie sind zu sehr beschäftigt, haben wenig Dienstboten, und die Kleider sind fehl lheuer; aber die Tracht der Frauen richtet sich möglichst nack den Pariser Moden. Wir trauen es uns nicht zu, eigene Moden aufzubringcn.. Wo wir von den Gebräuchen der übrigen Welt abweichen, ist es eine Folge der Umstände, nicht der Berechnung, wenn es nicht c,wa einen pekuniären Grund bat. Wem daran gelegen ist, daß Veränderungen in der Kleidertracht auskommen, der weiß die Moden schnell herbeizusördern, und e« macht in der Thal nicht so viel Schwie rigkeit, „och auch mehr Kosten, etwas von Havre nack New-York za schaffen, al« eben dasselbe von Calais nach London l» spcdiren, während es bei un« weit leichter ist, eine neue Mode einzufübren, weil wir, al« ein jugendliches Volk, von Natur nachabmungssucklig sind." Hieraus sieht man, daß Amerika kein eigene« Kostüm, kein Mode- Genie bat, und daß e« hinter Europa, seinem Vorbild, jedenfalls immer um die Reise eine-Pakrtbool« zurückbleibt. Nun eine Schilderung von England, nicht de« modische» Englands, sondern eine« Seehasen«, So uthamp ton's, wo der Verfasser landete: „Gegen die New-Yorker gehalten, erschienen die Leute außerordent lich gut gekleidet- Die Frauen waren zwar nicht so modisch herau-ge«