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Woche«- uud Kachrichlsblatt zugleich 8Wfts-AWM sn Hohsisrs, Militz, Beriistzttf, Utzdorf, 8t. Wie», Heinrichtzorl, MirieiM oid Mlse». Amtsblatt für de« Stadttat zu Lichtenstein. —— — s« Jahrgang. — — Nr. 192. Mittwoch, den 20. August 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonu- uud Festtag») abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 2b Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 17S, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergeipalteNk KorpuSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. Auf dem den „Vorschuß Bereit» zu Lichteustein-Calluberg ei«- getrageue Genossenschaft in Liquidation" betreffenden Folium 94 des hiesigen Handelsregisters ist heute verlautbart worden, daß an Stelle des ver storbenen Stadtrichters Karl Friedrich Werner in Callnberg Herr Kaufmann Ottomar Fankhänel in Lichtenstein zum Mit-Liquidator gewählt worden ist. Lichtenstein, am 15. August 1890. Köuigl. Amtsgericht. Keil, Ass., i. St. Die russischen Manöver- Der deutsche Kaiser ist am Sonntag nachmittag in Narwa in Rußland angekommen und vom Czaren Alexander, seiner Gemahlin und den russischen Prinzen feierlich empfangen worden. Kaiser Wilhelm II. wird diese ganze Woche hindurch in Rußland bleiben, und dann von Petersburg aus über Kronstadt die Heim reise antreten. Der Reichskanzler von Caprivi be gleitet den Monarchen, und es liegt also nahe, daß auch allgemeine politische Besprechungen stattfinden, die bei der später folgenden Begegnung unseres Kaisers mit dem österreichischen Herrscher ihren Fort gang finden werden. Der offizielle Zweck der Reise ist aber bekanntlich ein rein militärischer, sie gilt der Beiwohnung der großen russischen Manöver. Da der deutsche Reichskanzler zugleich einer der besten deutschen Generäle ist, kann er ja auch auf diesem Gebiete dem Kaiser zur Seite stehen. Die Russen haben für diese Manöver gewaltige Anstrengungen gemacht. Nicht nur, daß umfangreiche Truppenkorps zu denselben herangezogen worden sind, es sollen auch zahlreiche neue kriegstcchnische Erfindungen praktisch erprobt werden. Mit den letzteren brüstet sich die Petersburger Militärverwaltung etwas, und hat auch ein gewisses Recht dazu, denn noch im letzten Türken kriege war es mit dem Geniewesen in der russischen Armee ganz miserabel bestellt. Die Türken leisteten weit mehr. Kaiser Alexander und sein Kriegsminister, den die Franzosen, ob mit Recht oder Unrecht, bleibe dahingestellt, ihren besten Freund nennen, haben augenscheinlich den Wunsch, dem deutschen Kaiser, den sonst erschienenen Fürstlichkeiten, den fremden Militärbevollmächtigten und damit allen europäischen Staaten zu zeigen, daß die russische Armee völlig auf der Höhe der Zeit steht. Daher auch die Feierlich keit und der Aufwand bei diesen Manövern. Kaiser Alexander hat aber vor 2 Wochen auch ausgesprochen, daß er eine Friedenspolitik verfolge und hoffe, seinem Lande den Frieden noch recht lange erhalten zu können. Rußlands militärische Stärke, die in ihrem Haupt teile an der West- und Südwestgrenze des ungeheuren Reiches aufgestellt ist, soll aber Jedermann klar vor Augen geführt werden. Es würde thöricht sein, Ruß lands Heeresmacht zu unterschätzen. Die früheren bekannten traurigen Vecwaltungsverhältnisse, die noch im Türkenkriege in haarsträubender Weise zu Tage traten, haben sich sehr geändert, und wenn auch nicht alles, was auf dem Papier steht, heute vorhanden sein mag, das Meiste ist sicherlich da. Das Czaren- reich ist also eine Achtung gebietende militärische Macht, die durch die Einheit detz Willens, welche über sie mit unumschränkter Gewalt verfügt, noch gefähr licher wird. Aber hat Rußland seit dem letzten Kriege so bedeutende Fortschritte gemacht, in Einem ist dies nicht gelungen: Der Staat besitzt keine wirkliche mili tärische Autorität und die Eigenwilligkeit der höheren Führer, die 1877/78 den Russen so viele schwere Niederlagen bereitet hat, ist heute noch ganz so vor handen wie damals. Kaiser Alexander ist kein General, nicht einmal ein energischer Soldat. Sein jüngerer Bruder Wladimir ist ein strammer Militär und wegen seiner Strenge sehr gefürchtet. Aber er hat eine Eigenschaft, die einem hohen General nicht ziert, er ist zu heftig. Der Kriegsminister von Wannowsky ist militärischer Politiker, General Gurko in Warschau eine fähige, aber unbeschreiblich eitle und gewaltthätige Natur. Der bedeutendste der russischen Heerführer ist wohl der General Dragomirow in Kiew, ein aus gezeichneter Taktiker, aber als Mensch von so radikalen Gesinnungen, daß mit ihm nicht auszukommen ist. Das sind Rußlands militärische Größen, nach ihnen hat sich auch das Offizierkorps gebildet, von welchem ja bekannt ist, daß es sich mehr als gut mit der Po litik beschäftigt. Fürst Bismarck hat im Reichstage einmal gesagt: „Unsere Nachbarn können uns alles nachmachen, aber ein Offizierkorps, wie das deutsche, kriegen sie nicht!" Das kriegen sie auch nicht. Tagesgeschichte. *— L i ch t e n st e i n, 19. August. Die Landeskollekte, welche am 24. August gesammelt wird, ist für den Bau einer Kirche in Gröditz be stimmt. Das außerordentliche Anwachsen dieses Fabrikortes und die weite Entfernung von der Kirche Frauenhain, lassen schon lange den Bau eines Gotteshauses in Gröditz als dringend wünschens wert erscheinen. Doch fehlte trotz aller Opfer, welche die Beteiligten für diesen Zweck gebracht haben, immer noch die größere Hälfte der Bau summe ; mit der Ausführung aber darf nicht länger gezögert werden, da sonst stiftungsgemäß die für den Bau gemachten Schenkungen wieder zurück gezogen werden können. Die Kirche selbst soll in der schlichtesten Weise einschließlich Orgel, Glocken und innere Einrichtung für nur 30,000 M. fertig gestellt werden und es ist der Gemeinde Gröditz ein recht reichlicher Ertrag der Kollekte von Herzen zu wünschen. *— Durch die gestern hier verquartierten Mann schaften des 5. Infanterie-Regiments Nr. 104 aus Chemnitz entwickelte sich gestern abend in den sämt lichen hiesigen Restaurationslokalitäten ein buntbewegtes, lustiges Leben und Treiben. Fast jeder Quariier- geber war mit seinem braven Vaterlandssohn er schienen, um sich mit demselben durch einige Seidel ff. Bier rc. nach der Schwüle des Tages zu erquicken und auch außerdem ihm die schweren Strapazen des Kantonnementslebens auf einige Stunden vergessen zu lassen. Hoch ging es dabei her, aber die freund lichen Gesichter und die lustige Stimmung, welche sich der braven Söhne, die des Königs Rock tragen, be mächtigt hatte, haben gewiß manchen Quartiergeber auch recht fröhlich gestimmt und eine schöne Erinnerung an die kurzen Stunden hinterlassen. Heute früh 7 Uhr marschierten die Mannschaften bei klingendem Spiel nach Zwickau ab und manchem Quartiergeber wurde noch zum R o s e. Roman von I. von Werth. (Nachdruck verholen.) (Fortsetzung.) Harald las weiter: Es war alles durchaus richtig kalkuliert und habe ich gestern gegen Abend durch eine erste Umarmung meiner Braut den Fazitstrich unterzogen. Tante Freiin selbst hat durch ihren Segen die Richtigkeit des Exempels bestätigt. So habe ich denn auch jeder Sorge in Geldangelegenheiten Valet gesagt. Diese Verlobung schafft mir neuen Kredit; auch wird mir an meinem Hochzeitstage ein Barkapital als Mitgift meiner Braut ausgezahlt werden, welches in seiner Höhe dem Deiner Heloise nicht nachstehen wird. Daß unsere Hochzeit vor der zweiten Hälfte des Oktobers statt- stndet, dazu will die Freiin durchaus nicht ihren Konsens geben. Ich werde mich also schon ohne jenes Kapital behelfen müssen. Du wirst nun fragen, wie das so gekommen? Du kennst mein Talent, und daß ich einigermaßen Uebung gehabt, weißt Du auch. So habe ich denn wieder mit vielem Geschick den romantischen Liebhaber gespielt; daß ich auch mit Glück gespielt, ersiehst Du aus dem Resultat. Rose meinte, einer unserer ersten Besuche müsse auf Wildersbach abgestattet werden, also auf Wieder sehen. Benno." k. 8. „Den Castor kannst Du ja nach Rottenau schicken, wenn Du magst. Es hat damit durchaus keine Eile." „Armes Geschöpf, so hintergangen zu werden," dachte Harald. „Gott gebe, daß er noch einsehen lernt, welchen Schatz er in dem Herzen eines reinen Weibes besitzt." Dabei knitterte er unwillig den Brief zusammen. „Hast Du unangenehme Nachrichten bekommen?" fragte Heloise teilnehmend. „Nein, mein Lieb. Benno teilt mir nur seine Verlobung mit und daß die Freiin von Stein vor der zweiten Hälfte des Oktobers nicht in die Hoch zeit willige." Dabei glättete er den Brief wieder und legte ihn in sein Portefeuille. 7. Der Sommer mit seiner Sonnenglut und seinen Gewitterstürmen war vorüber. Es war Herbst ge worden, aber welch wundersam schöner Herbst! Die Luft war so klar und von so würziger Frische, daß man entzückt aufatmete, sobald man nur ins Freie trat. Und wie prächtig bunt es in dem wohlge pflegten Garten aussah. Die Bäume und Sträucher hatten ihr Herbstkleid angezogen und sahen mit den gelben und roten Blättern gar festlich aus. In den Blumenbeeten blühten Astern und Georginen in bunter Pracht und ließen sich schaukeln von dem frischen Hauche des Herbstwindes. Die dunkle Ge stalt der jungen Frau dort stand hochaufgerichtet in all' der bunten Pracht und sog mit glücklichem Lächeln die herrliche Lnft in die halb geöffneten Lippen. „Glück verschönt," sagt ein altes Wort, und wahrlich hier fand es sich bewahrheitet. Wer vor vier Monaten, an jenem unglücklichen Festabend beim Forst hause, das junge Mädchen im grünen Seidenkleid ge sehen, würde er dasselbe in der jungen Frau dort wieder erkannt haben? War das dieselbe Heloise von Estrow? Sie hieß jetzt allerdings Heloise von Kahden, waren doch fast drei Monate vergangen, seit sie ihren Namen geändert. Damit zugleich war sie selbst eine andere geworden. Sie war noch gewachsen und das dunkle eng anschließende Kleid ließ noch schlanker erscheinen. Das schwarze Haar, einfach zurückge nommen, fiel in schweren Locken über den Rücken. Das glückliche Lächeln auf den frischroten Wangen verlieh ihr Aehnlichkeit mit den Bildern von Schnee wittchen. So nannte auch Harald seine Frau bis weilen ; er wußte, welch' innige Freude er ihr da durch machte. Jetzt streckte sie den Kopf ein wenig vor und lauschte. Es näherten sich Schritte auf dem Kies wege. Wer mochte kommen? Das war nicht Haralds Schritt. „Gnädige Frau, Fräulein Ternoff ist soeben vorgefahren," meldete der Diener. „Ah, das ist schön. Führen Sie das gnädige Fräulein hierher. Ist Baron Rotteck mit ihr gekommen?" „Nein, das gnädige Fräulein sind allein." Der Diener ging und Heloise trat in das kleine Gartenhaus, nahm einen breitrandigen Strohhut vom Tisch und nachdem sie ihn aufgesetzt, schritt sie den Weg entlang, den der Diener eben verlassen. Sie chewegte sich so sicher und fand sich so gut zu recht, daß man wohl sah, jle kannte jedes Plätzchen. Da vernahm sie wieder leichte, eilige Schritte und gleich darauf eine Helle, frohe Stimme. „Guten Tag, liebes Herz," erwiderte Heloise