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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.06.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191106117
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110611
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110611
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-06
- Tag 1911-06-11
-
Monat
1911-06
-
Jahr
1911
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BezugS-Preir Anzeigen-Prei- flr Letp»»» »»d vorortt varch m»I«r« Träger and Eoedtrrur, r«»l tänI»ch >n» Hau, aedrach»: « PI. monatig LTV Vit. vierieUädrl. »et nnlrr» 8Utal,v » An, »ahmeftelle» adaehou: 72 Pi. «oaatt, ILMr. otertelfLhrU »«ch St» V«» »nnerhald Dentlchland» and der deatlchrn Kolonien oteNeltährl. >.» »k^ monatl. l.M Mi. anolchl. PoitdesteüaeU». ferner in Lelgten^ Dänemark, de» Donaaffaaten. Italien. Lu;rmdurn. Sltederlande, 5ior» wegen. Oesterreich. Ungarn, »ludland. Schweden, EchweU »- Spante» 2a alle« übrigen Staate» nar direkt dnrch di» Eelchüttsiteü« de» Blattt» «kdällltch. Da» Letvltger Ia««d!iM «rlchrua »mal täglich. Son». ». steiertag» »», «orgena. Sld onnement»-Amiahm»: Johanai^all« 8, bet »nie«» Trägern. FUtalen. kpeditenre» »ad Lnnahmeltellen, lowt» Postämter» and Briefträger». Gt«»«l»irka»f»»r»k» »Vt. WWMrTagcblM «ri.-Mchl.jirM Handelszeitnng. «ri-Mchij»^ Ämtsvlatt -es Rates und des Nokizeiamtes der Lta-t Leipzig. Nr. 160 Sonnls-, arn I I. lluni lSII fdr Inserat, a», iieipit, and Umgeb»», die lIpalttg,Petttr»U« rd Ps_ bi, Reklame, «eil, 1 Mk:»»» aa»wär» ») Ps. Siellamen 1^0 Mk.; Inlerat« »an Behörde» im amt. ltche» TeU di, «ettt,»ile SV Vs. <k«lchäsl»ane«tgea mit Platzvorichristen » tn »er kld,ndau»gab« im Pren« erhöht Rabatt nach Tarik. Betlagegebüdr Besamt, aaslog« ü Mk. o Tausend erkl. Postgebühr, leildetlag, Höger. geftertelU« Aufträge können nicht ,urüa- aerogen werben. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme. 2ob»,nt»g»st, », bet sämtlichen Filialen ». allen Annoncen- Ezpedttione» de» Ja» and Ausland«» Druck irr» Verla, »«» Sei»,»,«, T»,«. blatte» L. Volz. Inhaber: Paul Kürst,». Redaktion «»» S«Ichäs»,st«I>i: Iohanntsgass, L Haupt»Ailtai« Dre,de»r Seeitrag, < l iTelephoa A8U 105. Jahrgang. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 32 Seiten. Dss Mltstiglte. * In Leipzig beginnt heute der H. Deutsche Wohnungskongreß mit einem Begrüßungs- abend. Die Verhandlungen am Montag eröffnet Graf Posadowsky mit einer Ansprache. sS. d. lokalen Leitart.) * Der Prinzregent von Bayern hat aus Anlaft seines 25fährigen Jubiläums als Regierungs verweser den Minister von Podewils zum Grafen ernannt. sS. Dtschs. R.) * Der Dichter Adolf Wilbrandt ist am Sonn- abend nachmittag in Rostock gestorben. (S. d. bes. Art.) * Auf der Bulkanwerft in Hamburg fand am Sonnabend der Stapellauf des Linienschiffes „Friedrich der Große" statt. sS. d. bes. Art.) * Die neue italienische Wahlreform vorlage ist veröffentlicht worden. sS. Lehte Dep.) Schutz Mrs privstleden! Dieser Tage hat sich die „Norddeutsche Allge meine Zeitung" mit begreiflicher Entrüstung gegen die Eebärdenspäher gewandt, die seit Jahren damit beschäftigt sind, der kaum er wachsenen Kaisertochter einen Gatten zu suchen. Sie hat das eine „grobe Ungehörigkeit" genannt; aber es ist mehr als das: es ist eine Takt-- losigkeit, durch die das Bürgertum sich selbst erniedrigt. Jeder Mensch hat ein heiliges Anrecht darauf, daß ihm seine Privat sphäre respektiert werde, und gerade die Staats bürger, die es verdrießt, wenn der Kaiser mit raschem Wort und leidenschaftlichem Urteil in Dinge sich mischt, die ein jeglicher nach seinem eigenen Belieben zu ordnen gewohnt ist, die den gerechten Kampf um ein größeres Ausmaß von politischer Freiheit führen, sollten sich hüten, mit lüsterner Neugier die Fürsten in ihre in timsten Gemächer zu verfolgen. Auch Fürsten sind Ctaubgeborene; mit denselben Tugenden und Fehlern, denselben Neigungen, Leiden schaften und Bedürfnissen wie wir anoern aue. Auch mit dem Bedürfnis, daß ihnen kein Fremder indiskret über die Schulter guckt, wenn sie allein zu sein wünschen. Woraus sich dann bei allen Wohlerzogenen die Neigung ergibt, alle, die solcher Indiskretion sich dennoch schuldig machen, recht gründlich zu mißachten. Wir jedenfalls sind in diesen letzten Wochen, wo das an und für sich schon unglaubwürdige Histörchen von der mecklenburgischen Verlobung durch die Blätter zog, nie recht die ebenso be schämende wie beklemmende Empfindung los geworden: mit welchem Gefühl unsäglicher Ver achtung mag die betroffene Familie auf die Leute blicken, die mit der schwatzhaften Zudring lichkeit der Portierstube ihren zartesten Geheim nissen nachstöbern. Unter solchen Umständen kann es nicht mehr verwunderlich erscheinen, wenn solche Familien durch die Wiederholung derartiger Erfahrungen dazu gelangen würden, die unter ihnen stehenden Staatsbürger nur noch als minderwertig zu betrachten. Nun wissen wir ja wohl, daß es, wie allent halben im Leben, auch hier an mancherlei Entschuldigungen und Milderungsgründen nicht fehlt. Die Nachrichtenkorrespondenzen schießen aus dem für jede faule Gründung empfänglichen Berliner Boden neuerdings wie wild empor. Da es so viele Neuigkeiten, wie sie zu ihrer Existenzmöglichkeit brauchen, überhaupt nicht gibt, helfen sie vielfach diesem Mangel durch kühne Erfindungen ab und tummeln sich in tollem Wettbewerb in dem luftigen Gebiete der Gerüchte. Dabei heißt's: Je sensationeller, um so lieber. Ringsum im Lande aber wohnt in Tausenden und Millionen von Exemplaren das uralte, ewige Geschlecht der Waschweiber, denen der Gipfel alles Erden glücks bedeutet, wenn der Hans seine Grete findet, und das Auge in verklärtem Glanze er schimmert, wenn dieser Hans zugleich ein Prinz lein und die Grete ein leibhaftiges Fürstenkind ist. Das sind gierige Reflektanten auf derlei fürstliche Familiennachrichten, und ihnen zuliebe sehen sich auch Blätter genötigt, solchem Gerede und Geranne ihre Spalten zu öffnen, die sonst die Hohlheit und Haltlosigkeit der sensationellen Nachricht vollauf durchschauen. Auch ist uns wohlbekannt, daß wir im Deutschen Reiche nicht allein in dieser peinlichen Lage leben, daß man auch anderswo — wenn gleich nicht immer mit demselben Zug von Be- dientenhaftigkeit — Intimitäten aus höchsten und allerhöchsten Kreisen an die Oeffentlichkeit zu zerren liebt. In England bilden die Schil derungen aus der Gesellschaft eine ständige, mit liebevoller Sorgfalt ausgestaltete Rubrik der Tagespresse, und im stammverwandten Oester reich, zumal in Wien, ist man gewohnt, allen Begebnissen bei Hofe spürsam und mit zärt lichem Interesse nachzugehen. Bei den Er örterungen über die November-Ereignisse von 1908 haben wir alle, wenn die Erinnerung uns nicht tauscht, es doch für wünschenswert erklärt, daß die Einzelheiten des kaiserlichen Tage- und Reisewerks uns vorenthalten bleiben, weshalb seit jener Frist auch der Hofbericht, der durch den Wolffschen Draht verbreitet zu werden pflegt, von einer erfreulichen Kürze geworden ist. Die Schlußfolgerung aus alledem scheint uns recht nahe zu liegen: „Geh' nicht zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst, oder wenn es nicht die nationale Pflicht er heischt. Und schnüffle ihm vor allem nicht in seinen Privatangelegenheiten nach, auf deren sekrete und diskrete Behandlung er genau das selbe Menschenrecht hat wie du!" Stspellsuk eines neuen üeutichen Linienltzikkes. Am Sonnabend nachmittag 4 Uhr lief auf der Vuttanwerft in Hamburg das Linienschiff „E r s a tz H e i m L a l l" in Anwesenheit des Prinzen- paares August Wilhelm von Preußen glücklich vom Stapel. An der Tauffeier nahmen u. a. teil: Gene- ralfeldmarfchall Freiherr v. d. Goltz, Staatssekre tär v. Tirpitz, der Präsident des Senates Bür germeister Dr. Predöhl, Bürgermeister Dr. Burchard, Generaldirektor Ballin, der Präsi dent der Bürgerschaft Engel, sowie eine Anzahl von Senatsmitgliedern und die Spitzen der Militär behörden. Nach Abschreiten der von einem Regiment in Hamburg gestellten Ehrenwache hielt Freiherr von der G o l tz folgende Taufred«: „Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs bin ich berufen worden, dem Schiffe, das hier zum Stapellauf bereitliegt, die Taufrede zu halten und ihm die Segenswünsche des Vaterlandes auf den Lebensweg mitzugeben. Es ist der „Ersatz Heimdall", der vor uns steht, des Schiffes, Las Len Namen des wachsamen Wortes trug, der fafarfer horte uuo ,ah. ctts Lie Sterblichen und stets bereit war, alles Unheil vom Heime der Götter und Menschen fernzuhalten. Nun soll es den Nameneines Königs trwzen, der gleichfalls schärferen Auges als Lie Mit lebenden Lie Gefahren voraussah, Lie einst Preußen, und damit auch der Zuknuft Deutschlands drohten, und der sein scharfes Schwert zur rechten Stunde zog, um es davor zu schützen. Seine Eigenschaften sollst Lu auf den Wogen Les Meeres verkörpern, stolzes Schiff. Suche draußen auf dem Meere den Schutz des Vaterlandes, wie es der große König wollte, als er Lie Verteidigung Preußens jenseits seiner Grenzen begann, wie es, treu der Tradition, unser großer Kaiser für Deutschland in zwei blutigen Krie gen tat, so daß unsere geliebte Heimat deren Schrecken nicht kennen lernte. Sei scharfen Auges auf der Fahrt, sei führungsicharfen Geistes und starken Gemüts, um früh vorauszusehen, wo du deine Kräfte einzusetzen hast, wo und wann den heimischen Gestaden Gefahr drohen kann. Sei jederzeit kampfbereit, deine Waf fen zu brauchen und den Donner deiner Geschütze er dröhnen zu lasten, wenn die Stunde der Entscheidung naht, stets fertig zum Angriff wie das Heer deines Ahnherrn, der seinen Reitergeschwadern befahl: „Die preußische Kavallerie attackiert allemal zuerst." Möge auch dir, möge der ganzen deutschen Flotte dies Königswort in der Schlacht zum Wahlspruch werden. Sei fest und standhaft wie ein Fels von Erz, wo ou, von Feinden umringt, dich ihrer zu er wehren hast. Heimdall, dein Vorjahr, war der Sohn der Meereswoaen und wird auch dem Nachkommen hold sein. Mehre Deutschlands Ansehen in der Ferne. Was wir einst Weltgeschichte nannten, war nur die Geschichte eines kleinen Stückes dieser Erde, des euro päischen Abendlandes. Heute vollziehen sich die Dölkergeschickc in einem den ganzen Erdball um spinnenden gemeinsamen Verkehr, und es gilt nicht nur bei unseren Nachbarn, sondern auch draußen, weit jenseits der Meere, unseren Namen in Ehren und in der Achtung bei allen Nationen zu hatten. Sei ein kraftvoller Rückhalt der Schiffe, deren Dienst dies in erster Linie ist; denn ohne einen solchen ist die Erfüllung ihrer Aufgabe unmöglich. Deutschland hat in seiner Entwicklung neue Bahnen betreten, zu deren glücklicher Vollendung wir nicht nur eines kriegsgewaltigen Heeres, sondern auch einer starken Flotte bedürfen, wie 'sie unser Kaiserlicher Kriegsherr, vorausschauenden Blickes, ge schaffen hat. Dankbaren Herzens dafür, daß es endlich so weit gekommen ist, vereinen wir uns in dem Rufe: Es lebe Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser, König und Herr Hurra, Hurra, Hurra!" Die Taufe des Schiffes wurde von der Prin zessin August Wilhelm von Preußen voll- zogen, die ihm den Namen „Friedrich der Große" gab. Unter den Klängen der National hymne erfolgte dann der Ablauf des Schiffer. Darauf verließen das Prinzenpaar und die Ehrengäste di« Zllcrft und begaben sich nach dem Hotel „Vier Jahres Zeiten", wo um Uhr ein Diner statt-and, an dem das Prinzenpaar und die Ehrengäste des Reichs marineamts Teilnahmen. Italiens auswärtige Politik. Auf die Rede, die der frühere Minister Euicciardini in der italienischen Deputierten kammer am Donnerstag gehalten hat, und die in einer sehr kühlen Einschätzung des Dreibundes ihren bemerk mswcrten Hdhepunkt fand, bat am Freitag der MnOster des Aeußern San Giuliano geantwortet. Er erklärte, die Teilnahme der zivilisierten Well an den vater ländischen Festlichkeiten Hobe eine hohe moralische und politische Bedeutung. Gewiß sei die Aufrechterhal tung des territorialen Statusquo und des gegen wärtigen Gleichgewichts im Adriatiichen Meere im Interesse Italiens gelegen. Der beste Weg, Lies Ziel zu erreichen, sei gegenseitiges Vertrauen und ein gefestigtes Bündnis zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn. Der Minister äußerte seine Befriedigung darüber, daß die Beziehungen zwischen den beiden Regierungen intim und herzlich seien und daß der beständige Gedankenaustausch über die großen Balkan fragen Italien täglich eine neue Bestätigung der Uebereinstimmung der Ansichten und Ziele der beiden Regierungen gebe. Dieses Ein vernehmen in großen Fragen gestalte es, die kleinen Zwischenfälle einem hohen gegenseitigen Interesse unterzuordnen. Der Minister wies darauf hin. wie Chiesa in bezug auf die Anwendbarkeit des Art. 23 des Berliner Vertrages auf die gegenwärtige Lage in Albanien im Irrtum sei, und versicherte, Italien wie die andern Mächte hätten, ohne sich in die inneren Fragen des ottomanischen Reiches zu mischen, dessen hohes Prestige und festgefügte Inte grität sie zu erhalten wünschten, stets freundschaftliche Ratschläge zur Mäßigung und Klugheit gegeben. Der Minister sagte weiter, daß das deutsch sranzö- fische Abkommen über Marokko vom kl. Februar 1909 kein italienisches Inter esse verletze, vielmehr von neuem den Grundsatz der wirtschaftlichen Gleichberechtigung befestige. Er schloß mit der Feststellung, daß sieben Schiedsgerichts octträge laufen, während die Verhandlungen für neun weitere im Gange seien. Ein Hinweis auf den Drei bund fehlt. Also auch aus dieser Rede ist auf eine gegenüber dem Dreibund gleichgültige Stimmung der maßgebenden Kreise Italiens zu schließen. Zn dieser Auffassung werden wir be stärk! durch folgenden römischen Brief unseres 8.-Mit arbeiters: Rom, 9. Juni. Man wird in Deutschland gut tun, Las Datum der Rede Euicciardinis sich zu merken (7. Juni). Es bedeutet nicht mehr und nicht weniger als den B e - grün einer Wandlung ln der rtarle - nischen auswärtigen Politik. In wohl unterrichteten Kreisen wird mir bestätigt, daß des Exministers Rede bestellte Arbeit der Re gierung war. In deren Absicht lag es seit langem, die Regierungen, Lie es angeht, vor allem die österreichische und mit ihr auch die deutsche, über die augenblicklichen Strömungen in der Kammer zu unterrichten. Daß diese der alten Dreibundpolitik nicht hold sind, wußte man in der Wilhelmstraße ebensogut wie am Ballhausplatz. Aber man wollte von der Consulta aus ein Warnungssignal auf- steigen lasten. Dazu sah man sich einen Mann aus, der durch seine Ministertütigkeit als Drcibundgegner in Berlin und Wien nicht verdächtig ist, der aber anderseits mit der Erkenntnis von der Größe seiner Verantwortung die Gewähr bietet, daß er die Warnung nicht allzu schroff ausstößt. Die Resonanz der Ausführungen Euicciardinis ist denn auch nicht ausgeblieben. Was er über Lie Schwäche der für Italien angeblich so wenig ergiebigen Dreibund- politik nur leise und oft zaghaft angedeutet hat. wird von den Blättern, die ihr neutral oder feindlich gegenüberstehen, um so schärfer hervorgehoben. Ich bin im Augenblick, wo ich dies niederschreibe, noch nicht im Besitz der deutschen Uebertragungen der Euicciardinischen Ausführungen durch dze offiziösen Telegraphenbureaus, fürchte aber, daß auch dies mal wie früher leider schon allzu häufig die Färbung zu stark ins Rosarote schillert. Es wäre wünschenswert, daß des Exministers Rede auch in Deutschland im Wortlaut bekannt würde. Sie ent hält viel beachtenswette Fingerzeige. Wie stark bereits die Strömung gegen die Drei- bundpolitik in Italien geworden ist, wird man auch daraus erkennen, daß das maßgebendste Organ, der „Corriere della Sera", einem für Deutschland und Oesterreich wenig freundlichen Artikel des Deputierten Torre Aufnahme gewährt hat. Das gibt zu denken. Der „Torriere" sowohl als auch der Onorevole Torre standen bislang an der Spitze zur Verteidigung des Dreibundes. Was Euicciardini nur leise andeutel, unterstreicht Torre mit lauter Forderung: Italien würde sich außerhalb der Allianz mit Deutschland und Oe st erreich weit besser stehen und solle es in Zukunft mit der Politik der Ententen versuchen. Andere mehr chauvinistische Blätter erheben diese Forderung noch weit un» gestümer. Die nächste Zeit wird es noch deutlicktzr werden lasten, daß die Losung durch Italien geht: Los vom Dreibund! Hinüber zu den Westmächten) Vorschau aus üss Ssller- manSoer. Die Zahl unserer aktiven Offiziere, denen die Spangen mit den 1870/71er Schlachtennamen auf dem schwarz-weiß-roten Denkmünzcnbande die große Kriegserfahrung attestieren, nimmt von Jahr zu Jahr ab, und auch der Ritter ^wn den in China und in Afrika verdienten Schwerterorden, die wenigstens im Kleinkrieg die Kugeln haben pfeifen hören, gibt es im Heere nicht eben allzu viele. Ein so glänzendes Zeugnis es auch für die deutsche Friedensliebe sein mag, daß wir sogar schon zwei Generäle in der Stellung eines Kommandierenden lv. Pritzelwitz und Ealllvitz) haben, die sich nur auf dem Manöverielde die Qualifikation zu den von ihnen bekleideten hohen Posten erworben haben, um so nachdrücklicher muß die Forderung aufrecht erhalten werden, daß die allein allerkrieqs mäßigste Friedensschulung die Armee und ihre Führer als die scharfe Waffe erhalten kann, die im Ernsifalle beide für Deutschland sein sollen. Wenn daher ein Lurch hundert Gefechte gegangener Offizier von dem ruhigen und reifen, im Heere und darüber hinaus allgemein anerkannten Urteil des „alten Römers", des langjährigen Südwest- und Ostafrika Kämpfers v. Estorfs «jetzt Oberst und Kommandeur des Braunschweigischen Infanterie- Regiments Nr. 92), in einem Vortrag — vom 8. Fe bruar d. I. vor der Militärischen Gesellschaft zu Berlin — aus seinen Erfahrungen im schwarzen Erd teil berichten konnte: „Viel zu gering war im Verhältnis die Zahl derjenigen Offiziere, die man gern als selbständige Führer verwendete, und die hierzu genug Urteilskraft, Charakter und Unternehmungslust besaßen. Das ist eine harte Wahrheit, und wir haben allen Grund, hier eine Besserung zu erstreben," dann wird vielleicht auch der soldatisch etwas voreingenommene Laie mit dem Berufsmilitür die Notwendigkeit der besonderen Er ziehung zur Tat und zur richtigen Entschließung zu geben und die Berechtigung von Uebung en größten Stils für die Durchführung der Schlagfertigkeit unseres Heeres einsehen müssen. Das vornehmste Mittel, gerade unsere höheren Führer schlüssig in ihren Aufgaben für den Ernstfall fest zu machen, bildet in seiner heutigen kriegsmäßigen Form das Kaisermanöver, das laut Kabinetts order vom 28. Februar in diesem Jahre unter Be teiligung des Garde-, lk. und IX. Armeekorps vom 11. September ab stattfinden soll und voraus sichtlich vier Tage dauern wird. Da jedes dieser drei Korps in der Friedensformation fünf Infanterie Brigaden, das Eardekorps sogar elf Infanterie- Regimenter und dazu drei selbständige Bataillone besitzt, außerdem die 9. und die von Colmar i. E. heranzuholenben mecklenburgischen 14. Jäger (beim lX. Korps) verfügbar fein werden, so stehen der bereits gemeldeten Aufstellung von einer blauen und einer roten Armeeabteilung in der Stärke von je zwei Armeekorps mit je einer Division Heeres kavallerie nicht einmal die sonst in den letzten Jahren fast übermächtig gewordenen finanziellen und etats politischen Bedenken entgegen. Sollte eine Drei- gliederung einzelner Korps vorgezogen werden, so würden Truppenteile des ltl., I V. und X. Ar» eekorps für die Komplettierung zu drei Infanterie-Divisionen in Frage kommen. Für die aus dem Gros der Pommern, Mecklen burger, Hanseaten und Schleswig-Holsteiner bestehende ^cvroarmee qr oer wenerat-^nipelreur der rrrfien Armee-Inspektion, Generaloberst Friedrich Leo pold Prinz von Preußen, der Sohn des „Roten Prinzen", der designierte und logisch gegebene Führer. Die aus der Garde und einem Reierve-lManöver-f Korps zu bildende Südarmee soll von dem Ober befehlshaber in den Marken, Generalobersten v.K essel, befehligt werden. In den Oberquartiermeistern Generalmajoren Stein und v. Hutier werden den beiden Oberkommandierenden zwei Chefs ihrer Armeestäbe beiaegeben, die wiederum durch eine firoße Zahl von Generalstäblern, Adjutanten, Ordonnanzoffizieren, militärtechnijchen Beiräten, Jntendanturbeamten zu ergänzen sein würden. Die drei beteiligten Friedenskorps unter stehen den Generälen der Infanterie v. Loewen seid (Garde), v. Linsingen sll.) und Freiherrn v. Plettenberg lH). Für die Führung des kom binierten Reserve-Armeekorps ist anscheinend der Kommandeur der 1. Gardedivision, Generalleutnant v. Below, in Aussicht genommen. Die Heeres- kavallerie-Süd wird Generalleutnant Graf Dohna, der militärische Reisechef des Kronprinzen in In dien, die Nord - Reiterei der Inspekteur der 2. Kavallerie-Inspektion in Stettin, Eeneralleut nant v. Stangen, führen. Neben den schon langgewohnten Militärkraftwagen, dem automobilen Train, den lenkbaren Luftschiffen, den drahtlosen Telegraphie-Detachements — auch ein Funker-Auto soll mit ausrücken — werden die Offiziere der Döberitzer Fliegerschule eine ganz neuzeitigc Beigabe für die Aufklärung bei beiden Parteien bilden. Durch umfangreiche Einziehungen von Reservisten, die insgesamt die 1911 unter Waffen stehenden Deutschen auf über eine Million anschwellen lasten, werden die Bataillone auf eine Kopsstärke von 700 Mann gebracht, wobei die Regimenter mit nur zwei stehenden Bataillonen (5. Garde z. F., 5. Garde-Grenadiere, 148, 149, 162, 163) je ein komplettes Reservebataillon unter dem Major beim Stabe formieren. Dazu kommt die Ausstellung von im ganzen sechs selbständigen Re- jerveregimentern Infanterie und drei Reserve, abteilungen Feldartillerie bei den drei übenden Armeekorps. Die strategischen Vorbereitungen für das Kaisermanöver liegen, nunmehr zum sechsten Male, in der Hand des Chess des Generalstabes der Armee, Generals der Infanterie v. Moltke, die verwal tungstechnischen, d. h. die Regelung des Manöver- Fuhrparkwesens, die Einrichtung von Proviant- und Furageämtern, Feldschlächtereien und -bückereien, werden von dem Generalmajor Staabs, dem Di rektor des Armee-Verwaltungs-Departements des Preußischen Kriegsministeriums, versehen. Eine sehr erhebliche Rolle wird, angesichts der Versammlung aus kleinem Raum so erheblicher Truppenmasten, vornehmlich kür den Abtransport nach den Garnisonen, auch die Arbeit der Eisenbahnabteilung des Großen Generalstabes bilden, die unter ihrem Leiter, dem früheren Südwestafrikaner Obersten Quade, mit Assistenz der Linienkommandanten in Berlin lfür den Abtransport der Garde), Stettin und Bromberg lfür das II. A.-K.) und Altona lfür das IX. A.-K.),
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