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chönbuM TagMatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- schrinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnemsntspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. SO Hf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteurs dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Freitag, den 9. Mai 1884. Bekanntmachung, die Verlösimg erledigter Kirchensitze betr. Nachdem im Laufe der letzten Jahre eine größere Anzahl bisher »erlöster Kirchensitze im Frauenschiff und auf der Männerempore der hiesigen Kirche durch Todesfall oder Wegzug der bisherigen Inhaber zur Erledigung gekommen sind, sollen dieselben nunmehr aufs Neue gegen Erlegung der festgestellten Ge bührensätze »erlöst werden. Es werden daher alle diejenigen Gemeindeglieder, welche einen solchen Kirchensitz zu erwerben wünschen, gebeten, sich bei Herrn Kirchner Prescher zu melden und bei demselben alles Nähere zu erfragen. Doch soll den Angehöri gen der bisherigen Inhaber das Vorkaufsrecht zustehen. Auch sind die neu zu lösenden Kirchensitze von nun an wieder durch gleichförmige Schilder mit Namenbezeichnung kenntlich zu machen, welche von einem später noch bekannt zu gebenden Termine an gleichfalls durch Herrn Kirchner Prescher bezogen werden können. Waldenburg, den I. Mai 1884. Der Kirchenvorstand daselbst. Oberpf. Schumann. "Waldenburg, 8. Mai 1884. Der Wortlaut des von Preußen im Bundesralh eingebrachten Gesetzes gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen, liegt uns vor. Der Entwurf umfaßt 15 Para graphen, aus denen wir nachstehend daß Haupt sächlichste wiedergeben. 1 besagt: Die Herstellung, der Vertrieb und der Besitz von Sprengstoffen, sowie die Einführung derselben aus dem Auslande ist unbeschadet der sonstigen Beschränkungen nur mit polizeilicher Ge nehmigung zulässig. Wer sich mit der Herstellung oder dem Vertriebe von Sprengstoffen befaßt, hat ein Register zu führen, aus welchem die Mengen der hergestellten und ungeschafften Sprengstoffe, der Bezugsquellen und der Verbleib ersichtlich sein müssen. Dies Register ist der zuständigen Behörde auf Er fordern jederzeit vorzulegen. Auf Schießmittel fin- den diese Bestimmungen, vorbehaltlich abweichender ! landesrechtlicher Vorschriften keine Anwendung, ebenso nicht, wenn Sprengstoffe von Behörden zum eigenen ; Gebrauch hergestellt u. s. w. werden. Die näheren ' Vorschriften werden von den Centralbehörden der Bundesstaaten erlassen, (8 2.) Gegen die versa gende Verfügung ist nur die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde innerhalb 14 Tagen zulässig. Die selbe hat keine ausschiebende Wirkung. (§ 3.) Die Ertheilung der zum Vertrieb nölhigen Erlaubniß erfolgt in widerruflicher Weise, die aber nur auf Grund der betr. Bestimmungen der Gewerbeordnung erfolgen kann, (ß 4.) 88 5 rc. enthalten die Straf bestimmungen: Vorsätzliche Anwendung von Spreng stoffen zur Gefährdung der Gesundheit, des Lebens und des Eigenthums wird mit Zuchthaus und nicht unter 5 Jahren bestraft, wenn eine schwere Körper verletzung verursacht ist, ist ein Mensch getödtet, so tritt Zuchthaus nicht unter 10 Jahren oder lebens längliches Zuchthaus ein. Konnte der Attentäter den Tod eines Menschen voraussehen, so tritt To desstrafe ein. Haben sich Mehrere zu solchen Ver- brechen verbunden, werden sie, auch ohne daß der Entschluß durch Handlungen bethätigt ist, mit Zucht haus nicht unter 5 Jahrxrr bestraft. Gleiche Strafe trifft, wer Sprengstoffe herstellt oder besitzt, um da mit direct oder indirect ein Verbrechen herbeizufüh ren, oder an Personen wissentlich zu diesem Zwecke überläßt. auch, wenn der Sprengstoff nur zu den Schießmuteln gehört. Wer ohne poli zeiliche Erlaubnisse Sprengstoffe herstellt, bezieht, verkauft wird mit Gefängniß von drei Monaten bis zu 2 Jahren bestraft. (8 S.) Wer öffentlich oder in Schrift für soche Verbrechen wirkt, oder dieselben anpreist, wird mit Zuchthaus bestraft. In allen Fällen der Strafparagraphen, mit Ausnahme des 8 9 kann auch Stellung unter Polizeiaufsicht tintreten. Die 88 treten drei Monate nach Erlaß des Gesetzes, die übrigen sofort in Kraft. Erfährt nicht die Reichstagssession durch vorzeitige Auflösung ein schnelle« Ende, so wird da« vorste- hende Gesetz sicher Annahme finden. Der Umstand, daß die Controllmaßregel nicht auch auf Schieß pulver ausgedehnt ist, macht jeden Einwand ver stummen. Uebrigens wird wohl schon in allen Betrieben, in denen Dynamit hergestellt oder ver kauft wird, genau das geforderte Register geführt. Daß die preußische Regierung so sehr schnell mit dem Gesetzentwurf an den Bundesrath herangetreten ist, beweist am besten, daß sie ihn für durchaus nothwendig hält. "Waldenburg, 8. Mai 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Königin Victoria von England und die Prinzessin Beatrice haben am 6. d. Abend l0'/4 Uhr in Begleitung des Grobherzogs und der Prin zessin Elisabeth von Hessen die Rückreise angelrelen, der Prinz und die Prinzessin von Wales mit ihren Töchtern sind im Laufe des nachmittags abgereist. Im weiteren Verlauf ihrer Beratungen hat die Unfallversicherungscommission eine von der Reichsregierung mit besonderem Nachdruck betonte Bestimmung, die Arbeiterausschüffe, gegen die Stim men der Conservativen abgelehnt. Statt dessen wur den aus Arbeitgebern und Arbeitern zusammengesetzte Genoffenschaftsvorstände beschlossen, mit ungleicher Anzahl von Mitgliedern, wobei die Arbeitgeber sich durch den Vorsitzenden mit einer Stimme in der Mehrheit befinden. Am 9. Mai wird die Berathung fortgesetzt. Folgende neue Vorlage ist dem preußischen Ab geordnetenhause noch zugegangen: Der Entwurf eines Gesetzes betr. den Verkehr auf den Haupt- und Nebenlandstraßen und den wichtigeren Neben wegen der Provinz Schleswig-Holstein mit Aus nahme des Kreises Herzogthum Lauenburg und den Schutz dieser Straßen und Wege. Der Abg. Windthorst hat seine von der Com mission abgelehnten Abänderungsanträge zum So- cialisten-Gesetz zur zweiten Berathung im Plenum wieder eingebracht. Die kleine Excellenz sichert sich also nach jeder Seite hin. Ueber die Ledochowski-Angelegenheit wird der „Germania" neuerdings aus Rom geschrieben: Die Verhandlungen zwischen Preußen und dem Va tikan sind im vollen Flusse. Vor ungefähr 3 Wochen ließ der Papst Herrn von Schlözer zu sich kommen, um persönlich diese Frage mit ihm zu besprechen. Leo XIII. erklärte, die Kirche könne das schwere Opfer der Demission des genannten Kirchenfürsten nur dann bringen, wenn die preußische Regierung auf zwei Bedingungen eingehe: 1) Daß der zum Nachfolger bestimmte Candidat eine beim polnischen Klerus und Volk angesehene Persönlichkeit sei; 2) daß die preußische Regierung die Gesetze, welche die Vorbildung des Klerus betreffen, revidire. Es soll darauf auch ein Candidat vorgeschlagen, vom aposto lischen Stuhl aber nicht angenommen seim. Im Allgemeinen ist man in Rom sehr pessimistisch an gehaucht. Wir finden in einem Blatte folgende pikante ge- geschichtliche Erinnerung an die weiland sezessio- nistische Partei und deren Organ. Die sezessio- nistische Partei hat wenig Glück gehabt in der Welt. Sie existirt nicht mehr und ist in den „Fortschritt" zerflossen. Schier drei Jahre ist sie alt geworden; dann ging sie hinüber in das Land, dem sie in Wahrheit angehörte, in das Land ewiger Vergessen heit. Ehe sie geboren wurde — im Frühjahr 1881 — erfuhr Jedermann, daß Großes im Werden sei, und als sie geboren war, hieß es, mit ihr sei der Stein der Weisen in die Welt gekommen, die Panacee, die alle politischen Schäden heilt. Aber die sezessionistischen Heilmittel glichen denen aus der Küche des Or. Eisenbarth. Bekanntlich ist ja auch ein Herr Barth aus Bremen einer der Hauptköche gewesen. Die Herren Sezessionisten begannen ihre Thätigkeit mit dem Ankauf einer Zeitung, der Tribüne. Dies Blatt hatte bis dahin niemals nach politischen Lorbeeren gestrebt. Es hatte sich an das Berliner Kleinbürgerthum gewandt und dessen Ge schmack gedient. Nachrichten über Kühe, welche eine Treppe hinaufgelaufen waren, gewisse Zweideutig keiten, wie solche in den Gerichtsstätten vorfallen, spannende Criminalgeschichten mit möglichst vielen und schrecklichen Mordthaten und Aehnliches hatten den Hauptinhalt der Tribüne gebildet, und sie hatte ihr Lesepublikum befriedigt und den Eigenthümer des Blattes zum vermögenden Manne gemacht. Der Zustand, in welchem dieser die Tribüne an das sezessionistische Consortium ablieferte, war ein glänzender; die Herren Sezessionisten bekundeten jedoch ihre Fähigkeiten im Regieren sofort in der bisherigen unerhörten Geschicklichkeit, mit der sie in weniger als 2 Jahren die früher so beliebte Tribüne zu einem Blatt letzter Ordnung herunterredigirten und das früher blühende Geschäft so zu Grunoe richteten, daß bereits im Frühjahr 1883 die Tribüne den Weg ging, den jetzt die ganze sezessionistische Partei gegangen ist: sie hörte auf zu sein. Oesterreich. Aus Prag wird gemeldet: Die Ueberführung der Leiche der Kaiserin Maria Anna aus dem Sterbezimmer in die Capelle der Hofburg ist Diens tag Abend nach dem vorgeschriebenen Ceremoniell erfolgt. Bei dem Erscheinen des Zuges auf dem Burgplatze trat die Wache ins Gewehr. Auf den Höfen der Hofburg hatte sich eine zahlreiche Menge Theilnehmender versammelt. Auf ein sehr einfaches Mittel, den österreichischen Abg. Ritter v. Schönerer wegen allerlei Extra vaganzen zu „bestrafen", welche derselbe in einer Rede über die Regierungsvorlage, betr. die Kaiser Ferdinands-Nordbahn, beging, sind die ihm sonst nahestehenden Liberalen verfallen. Da« Privilegium der Nordbahn läuft nämlich in zwei Jahren ab; die österreichische Regierung hat nun mit derselben einen neuen Vertrag auf 80 Jahre abgeschlossen, welcher gegenwärtig dem Abgeorvnetenhause vorliegl. Der genannte Abgeordnete, welchen seine antisemi tischen Neigungen, die sich bei diesem Anlaß beson ders gegen die die Bahn kontrolirende Rothschild- Gruppe kehrten, mit einem ostentativen Bismarck- cultuü verbunden, unter seinen engeren Fractions- genoffen wenig populär gemacht haben, wozu allerdings seine Wahrheitsliebe auch Etwas beige tragen haben mag, wird, wie die Presse mittheilt, von dem Schicksal bedroht, seine Reden vor sich