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Luigi Boccberini, der als ein Charakter von großer Ehrlichkeit. Bescheidenheit, Geduld und Sanftmut geschildert wird und in seinem selbstlosen Dienst für die Kunst zu den edelsten Gestalten der Musikgeschichte zählt, studierte Musik in seiner oberitalienischen Heimatstadt Lucca und in Rom. Als hervorragender Violoncello-Virtuose erntete er 1768 in Paris größte Erfolge. Ein Jahr später ließ er sich in Madrid nieder, wo er ab 1785 als Hofkapellmcister wirkte. Kompositorisch widmete er sich dem Dienste des Cello spielenden preußischen Königs Friedrich Wilhelm II., dem er - wie Mozart und Beet hoven - Werke für sein Instrument zueignete. Bocchcrini besaß eine erstaunliche Produktivität. Er schuf ungefähr 400 Werke, hauptsächlich auf dem Gebiet der Instru mentalmusik (etwa 30 Sinfonien, verschiedene Instrumentalkonzcrte, 125 Streichquintette, 90 Streichquartette, 50 Streichtrios u. a.). Bocchcrinis Musik huldigt mit ihren zärtlichen Figurationen, ihrer süßen Melodik, ihrem etwas „weichlichen“ Charakter dem Stilideal des Rokoko. Seine Werke sind typisch italienische Instrumentalmusik und bezeichnender Ausdruck ihrer Zeit (das erklärt die enorme Beliebtheit Bocchcrinis zu Lebzeiten und das spätere verhältnismäßig rasche Vergessen seines Schaffens). Bocchcrini fand den Weg zum Streichquartett ohne Bindung an Haydn, das Streichquintett ist seine Schöpfung, und auf Mozart hat er gewiß anregend gewirkt. Die „galante“, schlichte, sangliche und anmutige Thematik seiner Stücke wie ihre fein herausgearbeitete Dynamik und origi nelle Figuration verfehlen auch heute ihre Wirkung nicht. Die italienische Boccherini- Forschung hat in den letzten Jahrzehnten verstärkt eingesetzt. Von seinen vier Cellokonzerten lebt vor allem noch das Konzert für Violoncello und. Orchester B-Dur op. 34, das einzige aus jener Zeit neben dem Haydnschen in D-Dur. Das einfache Hauptthema des ersten Satzes (Allegro moderato) erklingt zunächst im Orchester, ehe der Solist mit einer umspielten Form beginnt, deren melodisches Filigran bezeichnend ist für Bocchcrinis Stil. Den lyrischen Charakter des Satzes unterstreicht ein zartes Scitcnthcma, ohne daß die virtuose Seite zu kurz käme. Ein arloses Adagio in g-Moll steht an zweiter Stelle. Das Finale (Allegro) ist ein Rondo und besitzt ein Menuett-Thema, zu dem eine ruhige Melodie in den Zwischenspielen tritt. Triller, Sprünge und Triolcnpassagcn weisen auf den spielerischen Zug des Ganzen hin. Johannes Brahms’ Sinfonie Nr. 2. D-Dur op. 73. im Jahre 1877 komponiert, entstammt einer glücklichen Lebensperiode des Meisters, deren ruhige Heiterkeit sich in den meisten der in dieser Zeit vollendeten Werke widerspiegelt. So ist auch die Grundstimmung der D-Dur-Sinfonie durch Lebensbejahung, Lebensfreude und innere Gelöstheit gekenn zeichnet. Das Werk, das oft als die „Pastorale“ des Komponisten bezeichnet wurde, steht in starkem Gegensatz zu der vorangegangenen, leidenschaftlich-kämpferischen c-Moll-Sinfonie und verhält sich zu ihr vergleichsweise etwa wie Beethovens „Sechste“ zu seiner „Fünften“ oder Dvoraks achte zur siebenten Sinfonie. Landschaftliche Ein drücke, Naturstimmungen sollen auch bei der Entstehung dieser Brahms-Sinfonie eine wesentliche Rolle gespielt haben. „Das ist ja lauter blauer Himmel, Quellenrieseln, Sonnenschein und kühler, grüner Schatten. Am Wörther See muß cs doch schön sein“, äußerte der dem Komponisten befreundete Chirurg Theodor Billroth zu der in wenigen sonnenerfülltcn Sommermonaten in Pörtschach am See in den Kärnter Bergen geschrie benen Komposition, die in ihrer pastoralen Lieblichkeit dem ein Jahr später dort ent standenen Violinkonzert nahe verwandt ist. „Eine glückliche, wonnige Stimmung geht durch das Ganze, und alles trägt so den Stempel der Vollendung und des mühelosen Aus strömens abgeklärter Gedanken und warmer Empfindungen.“ Doch entbehrt das sehr einheitliche und geschlossene, an herrlichen Einfällen überreiche Werk trotz seiner lichten und freudigen, lyrischen Grundhaltung keineswegs kraftvoller, ja zum Teil auch tra gischer Töne. Am 30. Dezember 1877 fand die Uraufführung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer“ nannte) durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraussage „Mit dieser Sinfonie wird er auch beim Publikum durchschlagenderen Erfolg haben als mit der ersten“ sollte sich dabei nach haltig bestätigen. Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdringung und Bindung der einzelnen gegen sätzlichen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung erwächst, DRESDNER sehr wirkungsvoll instru- bcschwingte Finale der Eduard Hanslick sagte: geheim ¬ charakterisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des gesamten Werkes ist das aus drei Tönen (d - cis - d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violoncelli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema vorausgeschickt wird und als Grundmotiv in zahlreichen Varianten und Ableitungen die Sinfonie durchzieht. In Hörnern und Holzbläsern erklingt das Haupt thema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnisvolle Klänge der Posaunen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung anmutenden Beginn tragen die Violinen eine weitgeschwungene, bereits abgeleitete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlichkeit, die jedoch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wieder gedämpft wird. In der poesicvollen Durchführung des Satzes, die durchaus große Steigerungen aufweist und ihren Flöhe punkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grundmotiv, das Hauptthema und daraus abgeleitete Gedanken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von ungetrübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungsschwerer gibt sich der folgende, in dreiteiliger Liedform angelegte Satz (Adagio ma non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwer mütige Ccllo-Kantilcne in H-Dur, die dann von den Violinen aufgenommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechscl; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakteristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu spannungsvollem musikalischen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cellothemas durch die Flöten in der freien Wiederholung des ersten Teiles beruhigt sich der Aufruhr wieder. In milder Resignation verklingt der Satz, dessen Hauptthema in der Coda, in Holzbläsern, Streichern und schließlich in der Klarinette zu gedämpften Trioienschlägen der Pauke zerbröckelt. Besonders beliebt wurde in kurzer Zeit der mit seiner gemütvollen Liebenswürdigkeit etwas an Schubert erinnernde dritte Satz (Allcgrctto grazioso). Durch die Holzbläser erklingt, von Pizzikato-Achteln der Celli begleitet, das anmutige, menuettartige G-Dur-Hauptthema mit seinen drolligen Vorschlägen auf dem dritten Viertel, das übrigens auch aus einer Ableitung des Grundmotivs der Sinfonie gewonnen wurde. Auch ein zweimal in verschiedener Form auf tretender, rasch vorbeihuschender Trioteil kann als Variierung des Hauptthemas erkannt werden. Aber trotz dieser kunstvoll verzahnten, zum Teil leicht ungarisch gefärbten Thematik erscheint der montierte Satz wie mit leichtester Hand hingezaubert. Unproblematisch gibt sich auch das jubelnd ausklingendc, Sinfonie, von dem der gefürchtete Wiener Musikkritiker „Mozarts Blut fließt in seinen Adern“. Nach dem ein wenig zurückhaltenden, nisvollcn Beginn - das Hauptthema huscht zunächst wie von Ferne ertönend in den Streichern vorbei, ehe cs im Orchestertutti aufklingt - entfaltet sich kräftige Fröhlichkeit. Auch das sexten- und terzenselige, etwas ruhigere zweite Thema stellen die Streicher (Violinen und Violen) vor. Diese beiden Hauptthemen, die sich in der Coda schließlich vereinigen, sowie das immer wieder benutzte Grundmotiv des Werkes und daraus abge leitete Nebengedanken tragen das Geschehen des trotz einiger besinnlicher Wendungen kaum von Schatten berührten Finalsatzes, der das Werk in festlicher Freudigkeit beschließt. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG : 1. und 2. Oktober 1966, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 4. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Horst Förster Solist: Pierre Fournier, Frankreich (Violoncello) Werke von Witold Lutoslawski, Joseph Haydn und Antonin Dvorak Freier Kartenverkauf Programmblättcr der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966/67 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 39/141 It G 009/50/66 1. Philharmonisches Konzert 1966/67