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Ai Millionen NornnWai liir MN Sens Nernsloesl im vennamnlen A«ri»aß Genf. 28. Sept. Die 10 Völkerbundsversammlung ist hente vormittag 11.20 Uhr vou ihrem PrSstdentcu Gner- rer» (Salvador) mit einer längeren Schlnßausprache ge schlossen morde». I« der Schlußsitzung war ohne Aussprache der Bericht über die Organisation des Völkerbunds« sekretartatS, des Internationalen Arbeitsamts und deS Ständigen Internationale« Gerichtshofs, sowie über die Einsetzung eines besonderen komiteesfür diese Fragen genehmigt worden. Deutschland ist in diesem Komitee, das a«S IS Mitgliedern besteht, durch Gras Bernstorss ver trete». Ein zweiter Bericht begründet die Vertagung des fin nischen Antrages, dem Ständigen Internationalen Gerichtshof den Charakter einer RevtstonSin stanz für die ge» mischten internationalen Schiedsgerichte zu geben Der An trag wird zunächst den Regierungen zur Gegcnäußerung zu geleitet und kann in einer spätere» Völkerbundsversammlung neu behandelt werden. — Zu dem Bericht über den chinesi schen Antrag, betressend den Revisionsartikel IS, meldete Bolivien unter Zitierung einer von Chile im Rechtsausschuh zu dieser Frage abgegebenen Erklärung einen Vorbehalt an, während China stillschweigend dem Bericht zustimmte, der damit einstimmig angenommen war. Der Berichterstatter Pilotti (Italiens erwähnte in einem kurzen mündlichen Bericht die Stellungnahme Abes siniens, das im Rechtsausschuh ebenfalls von un gleichen Beiträgen gesprochen hatte, die ihm gegenüber noch bestehen, und unterstrich im übrigen den Umstand, dah die Völkerbundsversammlung sich auch auf besonderen An» trag hi« nur darüber anssprechen kann, ob eine Ausforde» ruug znr Nachprüfung eines bestimmten Bertra-es er, gehen soll oder nicht. Nachdem Bundesrat Motta sSchwcizs noch kurz über die Zurückziehung des dänisch-norwegisch-polnischen Antrages in bezug auf die Internationale Bank berichtet und auf die Zusage Frankreichs und Englands hingcmicsen hatte, die Sitzungsprotokolle durch ihre Vertreter im Orgautsations- komitee zu unterbreiten, wurde noch der Voranschlag für 1030 genehmigt. Einschließlich der NachtragSkredit« von rund 800 000 Schweizer Franken beläuft sich der Voranschlag für das >!k,'i-s»indssekretariat, das Internationale Arbeitsamt und den Ständigen Internationalen Gerichtshof im Haag auf 28210 248 Schweizer Franken. Dir StwsMstk MM den Zweikampf Die Fassung »es RechtsaussckusseS Berlin, 28. Scpt. Der Strafrechtsausschuh deS Reichstages setzte heute die Beratung über den Abschnitt IS (Zweikampfs unter Vorsitz des Abg. Dr. Kahl fort. Abg. Dr. Roscnfeld (Soz.s wies gegenüber einer Acuhcrung des Ab geordneten Hergt, dah die Ehrengerichte im kaiserlichen Deutschland gegen die Duelle gewirkt hätten, auf eine Rede -es Zentrumsabgeordnetcn Dr. Gröber in der Nationalver sammlung hin, der die Abschaffung der Duelle scharf ge- sorüert und dabei mitgeteilt habe, dah die Ehrcngertchts- ordnung von 1874 insofern eine Lücke gelassen habe, als sie nur da. wo die Standeüstttc cs zulasse, Be mühungen zur waffenlosen Beilegung des Ehrenhandels gelten lasse. Abg. Hergt (D.-N.s legt dar, -ah im kaiserlichen Deutschland schon bis zum Jahre IV14 ein starker Abbau des Duells tm Heere stattgcfunden habe. Man verwechsle immer die sportliche Betätigung mit Waffen mit Ehrenhandel. Abg. Scheiter (Z.s: Seine Partei werde bei der ersten Lesung für den sozialdemokratischen Antrag stimmen, wünsche aber für die zweite Lesung eine Aenderung der Vorschrift. Abg. Dr. Strathmann (Dn.s bekennt sich als Duellgegner und will auch die Einrichtung der B e st i >u mungs - mensur nicht verteidigen, lehnt aber deren Bestrafung entschieden ab. Abg. Jörisseu sWp.s kündigt an, dah er sich bei der Abstimmung über die Anträge zu 8 270 der Stimme enthalten werde in der Erwartung, daß bis zur zweiten Lesung ein Weg gesunden sei. den Boxkampf ebenso unter Strafe z« stelle« wie die BcstimmungSmcnsur. Abg. Rosenfelb (Soz.s legt einen Antrag vor, der jede Anregung zu einem Zweikampf unter Strafe stellen will. Abg. Dr. Wegemann (Z.s erklärt in seinem Schluhwort, er könne für die Bestimmungsmcnsur keine achtenswerten Beweggründe sehen, er sehe darin auch keinen Sport. Abg. Dr. Hanemann <D.-N.) weist darauf hin, dah selbst G e- hcimrat Bier die Mensur als eine der ungefähr lichsten Sportarten bezeichnet habe. Beim 8 270 wurden gegen die Stimmen der Deutschnationalcn, der Deutschen Bolkspartei und der Demokraten die Aenderungsan- träge des Zentrums und der Sozialdemokraten angenom men. 8 270 erhält danach folgende Fassung: „Der Zweikampf mit Waffen wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Hat der Zweikampf den Tod deS Gegners zur Folge, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter zwei Fahren." Mit der gleichen Mehrheit. 18:7 Stimmen, erhält 8 271 folgende geänderte Fassung: «Wer jemanden znm Zweikampf heraussordert oder eine Herausforderung znm Zweikamps annimmt, wird mit Gefängnis bis z« einem Jahre bestraft. Die Herausforderung und die Annahme werde» für den straflos» der den Zweikampf vor Beginn freiwillig ansgibt." 8 272 lautet nach der Annahme von Äenberungsanträgen des Zentrums und der Sozialdemokraten: «Kartellträger, die ernstlich bemüht gewesen find, den Zweikampf,« verhindern, und Personen, die zur ärztlichen Hilfeleistung zugezogen werden» stnd straffrei." Rücktritt »es österreichischen Kabinetts? Wie«, 28. September. In politische« Kreisen rechnet man nahezu bestimmt damit» dah das Kabinett Strccruwitz heute abend oder morgen gestürzt werden wird, «nd -war durch de» Landbund. Die betreffenden Entschlüsse sollen heute in einer besonders dazu einderusencu Sitzung der Reichsparteileitnng des LandbnndeS gefaht werden. Neben der Beunruhigung des Wiener Geldmarktes, woran man der schwachen Stellung des Kabinetts Strcern- witz die Schuld gibt, heißt eS. dah der Landbu « d de« von der Regierung auSgearbeltete« Bcrfassungsentwurs für ungenügend halte, weil er den vom Laudbund gcLnhertcn Wünschen nicht voll entspreche. AIS sicherer Anwärter anf die BunbeSkanzlerschast wird auch heut« wieder der Polizei präsident von Wien. Schober, genannt. Dervaffnrinv -er Ketmwebren durch die Regierung Ein« Feststellung des Tiroler Landeshauptmanns Innsbruck. 28. Scpt. In Beantwortung einer sozia listischen Ansrage tm Tiroler Landtag wegen der Massen- bestände bei der Landesregierung stellte der Landeshauptmann fest, daß ans den beschlagnahmten Waffe» tatsächlich Waffen- lager gebildet worden seien. Da aber die Hcimwehrcn eine gesetzliche Organisation seien und sich der Landes regierung als Notpvltzei zur Verfügung gestellt hätten, k".*. Landesregierung nicht zögern, im Bedarfsfälle dies« Wassenbestände zur Ausrüstung der Helmwehren zur Verfügung zu stelle«. Die Reichsbahn bestellt S« Lokomotiven Berlin, 28. Sept. Nach Informationen des WTB- Hanüelsüienstes ist in der Verwaltungsratssitzung der Reichs bahn die Bestellung von 60 Lokomotiven bet der deutschen Lokomottventndustrie beschlossen worden. Die Verteilung der Aufträge erfolgt durch die Beschaffungsstelle der Reichsbahn im Wege der Ausschreibung. Von der Bestellung sind, ent sprechend früher gegebenen Zusagen, sieben Lokomotiven für die o st p reu ß i s ch e n Fabriken reserviert. Vom Reichsverkehrsmtnisterinm wird in der Frage der Erhöhung der Reichsbahntarise auf die Erklärung des Verwaltungsrats der Reichsbahn mitgeteilt: Der Reichsverkehrsminister hat n i e v e r k a n n t, daß die Finanzlage der Reichsbahngesellschaft angespannt ist. Nach seiner Auffassung liegt jedoch im Hinblick auf die steigenden Einnahmen der Reichsbahn gegenwärtig «och kein zwingen des Bedürfnis für eine Erhöhung der Tarife vor. Es muß zunächst abgcwartet werden, wie nach der endgültigen Gestal tung des Ävungplans dieser aus die Finanzlage von Reich und Reichsbahn sich auswirken wird. Gestan-nis -es Gberswak-er Mör-ers Berlin, 28. Sept. Der Mord an der Händlerin Elle- brandt in Eberswalde hat jetzt seine endgültige Aufklärung gesunden. Der mit mehreren anderen Land»reichern ver haftete Paul Damitz, der seit langem am meisten verdächtig war, hat nach tagelangen Verhören vor dem Berliner Kom missar Johannes Müller ein umfassendes Geständnis ab gelegt. Heute früh bat Damitz den Kommissar, ihn nicht mehr weiter anSzusragen, weil er jetzt alles sage» wolle. In furcht barer Aufregung schilderte er die Tat und forderte zum Be- weis die Beamten anf, ihn in den Wald zu begleiten. Dort wollte er die Stelle angeben, wo er die g « r a » b t e n S a ch e n vergraben hatte. Die Kommissare fanden tatsächlich die Stelle in einem Dickicht in der Nähe von Eber-Wälde. Für Elternrecht, Glaubens- und ' Gewissensfreiheit! Bo« Dr. G. Kropatschcck Der 20. Ev. - luth. Schulkongreß, der vom 27. bis 30. September in Dresden tagt, kann aus eine lange Ge schichte zurückblicken. Im Jahre 1882 trat er zum ersten Male in Frankfurt a. M. zusammen, um für das Recht der evan gelischen Bekenntnisschule sich einzusetzen. Schon damals hatte der Deutsche Lehrerverein die Simultauschule gefordert, sand aber in säst allen Staaten des Deutschen Reiches entschiedene Ablehnung mit diesem Wunsche. 1893 und 19ll kam der Kyn- greß nach Dresden. Die Denkschriften dieser beiden Kongresse zeigen, wie rasch schon vor dem Kriege die Radikalisierung des Sächsischen Lehrervereins gewachsen mar. 1893 konnte der da malige sächsische Kultusminister v. Seuüewitz in seiner Be grüßungsansprache noch daraus verweisen, daß in Sachsen von einem Schulkampfe nichts zu spüren sei, daß niemand wage, die alte bewährte konfessionelle Volksschule anzutasteu. 18 Jahre später bot Sachsen ein anderes Bild. In Zwickau hatte der Sächsische Lchrerveretn jene Thesen ausgestellt, die das, christ liche Elternhaus aus deu Plan riesen und die Gründung des Ev.-luth. Schulvercins zur Folge hatten. In der Zweiten Kammer war der Schulgesetzcntwurs gefallen, weil die damalige Negierung und Lanötagsmehrheit die konfessionelle Schule nicht gefährden wollte. Der sog. «Rote Katechismus" hatte den christlichen Eltern die Augen darüber geöffnet, was aus dem Spiel stand. Man wollte den Religionsunterricht nicht verwässern lassen. Es wird immer ein Ruhmesblatt in der Geschichte des SchulveretnS bleiben, daß er schon damals, auch von rechtsstehenden Kreisen nicht überall darin verstände», sich für volle Glaubens- und Gewissensfreiheit der Eltern und Lehrer etnsetzte: er forderte für die Eltern das Recht, ihre Kinder vom Religionsunterricht ab zumelden, wenn sie mit dessen Inhalt nicht einverstanden waren: dasselbe Recht forderte er aber auch für die Reli gionslehrer: jeder Lehrer sollte das Recht haben, de» Religionsunterricht niedcrzulcgen, wenn er mit seinem Ge wissen es nicht mehr glaubte verantworten zu können, ihn schrist- und bekenntnisgemätz zu erteilen, wie es der Lehr plan voranssetzte. Man kann sich kaum heute noch vorstellen, wie heftig damals der Kamps geführt wurde. Die tapferen Führer des SchuloereinS wurden als Sektierer hingestellt, die die Volkskirche gefährden könnten, wenn ihre Forderungen er- füllt würden. Aus dem Schulkongreß von ISll gaben in edlem Bekennermut der damalige Minister v. Dr. v. B e ck und der Konsistorialpräsiüent 0. Böhme dem Schulverein ein Ehreu- zeugnis als dem tapferen Vorkämpfer für schrist- und hekennt- nisgemäßen Religionsunterricht. «Konfessionell sein heißt nicht etwa intolerant sein gegen andere Be kenntnisse, nein, bei glaubensfreiidiger Hochachtung des eigenen Bekenntnisses in Achtung vor dem Bekenntnis anderer die Jugend erziehen, damit das unserem Lande zu inneren Glück gereichende kostbare Gut des konfessionellen Friedens stets erhalten bleibe. Wie wir nach solchen Grundsätzen die Toleranz üben wollen, so müssen wir auch ernstlich verlangen, daß die Toleranz, die setzt überall gepredigt wird, nicht denen ausschließlich vorenthalten wird, die zum Evangelium treu und unerschütterlich stehen und in unserer Zeit der Anfechtung des Christentums das Panier des Evangeliums Hochhalten", erklärte der Minister. Und Präsident v. Böhme führte u. a. ans: «Unter allen Umständen muß verhütet werden, daß in der Schule etwas anderes als evangelisch-christliche Lehre vorgetragen werde, alk was die Kirche eben als christliche Lehre ansieht. Darum begrüßen wir gern und vertrauensvoll die mutvolle Arbeit deS Evangelisch-lutherischen Schulvereins." Die im Steno gramm vorliegenden gedruckten Verhandlungen der Schut- kongrefse lassen erkennen, mit welchem Ernste dort um wahrhaft wissenschaftlichen Fortschritt in der Methode des Unterrichts gerungen wurde. Biel hervorragende Universitäts lehrer haben ihr Bestes dort gegeben. Es lohnt sich für den Fachmann auch heute noch, jene Denkschriften der Kongresse zur Hand zu nehmen. Die Warnungen des Schulvereins blieben aber leider so gut wie unbeachtet, man hielt ihn vielfach für einen Schwarz seher, wenn er an der Hand der Reden und Schriften führen der Männer des Sächsischen Lehrervereins aus dessen rasch wachsende Radikalisierung hinwies. Schon erhoben sich ja dort Stimmen, die überhaupt aus jeden Religionsunterricht ver zichten wollten, die offen mit der Sozialdemokratie für die weltliche Schule sich einsetzten. Die rechtzeitige Erfüllung der beiden Hauptforderungen des Schulvercins hätte zweifellos hier zum mindesten die nach dem Umsturz offen zu Tage tretende Abneigung, ja Feindschaft gegen teden Religions unterricht einbämmen und die christlichen Eltern tbre heilig sten Rechte retten können. Wir können hier auf die scharfe» Kämpfe um die Schule unter der Aera Fletßner nicht ein- gehen. Es ist noch in aller Erinnerung, wie die National versammlung in Weimar unter dem Drucke der Millionen vo» Unterschriften christlicher Eltern und Freunde einer christlichen Erziehung es nach langen schwierigen Verhandlungen in der Verfassung festlegte, daß der Religionsunterricht ordent licher Lehrgegenstand in allen Schulen mit Ausnahme der ge- setzltch biß anf den heutigen Tag noch nicht zngelassenen welt lichen Schulen sein solle, und baß e» erst einer Entscheidung des Reichsgerichts bedurfte, um diese Vorschrift Ser Ber- r.issung auch für Sachsen durchzusetzen. In demselben Artikel 14a der Verfassung wurden aber auch die beiden grundlegenden Forderungen des Schulvercins endlich verwirklicht, die den Eltern Freiheit gaben, ihre Kinder vom ReligtonSunter- richt. abzumclden, wenn sie damit nicht einverstanden waren, und den Lehrern, seine Erteilung abznlehnen. Wie der Schulverein die Erfüllung dieser Forderung natür lich aufs wärmste begrüßte, weil damit «üblich volle Glaubens- und Gewissensfreiheit für jedermann verwirklicht «erbe»