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«»scheint täglich «ach«, mit Ausnahme der So»»-». Festtag«. »--«gSpretS r Bierteljährl. IMk.SO Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer «888. Bei auHerdeutschen Postanstalten laut ZeitungS-PreiSliste. Einzelnummer Itt Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vncdOniclrerel. lkaaklion uns Kercdäftttrelle. Dresden, Pillnitzer Straße 43. Inserate werden die S gespaltene Petttzeile oder deren Raum mit 18 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. RedaltionS-Sprechstunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher» Amt l. Rr. 18««. Nr. 385. »ath-ltke». Rainer. Mittwoch, den 30. Dezember 1903. Protestanten. David. 3. Jahrgang. Die Reichs-Einnahmen und -Ausgaben im Jahre 19VL. Es ist ein recht dickleibiger Band, der dem Reichstage Kenntnis gibt von den tatsächlichen Einnahmen und Aus gaben des Jahres 1902 und der am Schlüsse ein Defizit von 30 725 208,95 Mk. auftauchen läßt. Wenn man die einzelnen Kostgänger des Reiches Revue passieren läßt, er hält man recht interessante Zahlen; so belaufen sich die fortdauernden Ausgaben des Reichstags auf 858 307,15 Mk., während der Reichskanzler und die Reichskanzlei auf 238 708,30 Mk. zu stehen kommen. Mit diesen geringen Posten sängt es an, um nun sofort hoch in die Millionen hinein zu gehen. Das Auswärtige Amt verschlingt über 14,6 Millionen, das Reichsamt des Innern schon nahezu 60*/z Mill., worunter sich die Zuschüsse des Reichs zu den Invalidenrenten mit fast 38 Millionen befinden. Als wahre Nimmersatte nehmen nun am Tische Platz Militär und Marine mit 677 Millionen. Die Justizverwaltung tut es wesentlich billiger mit 2,2 Millionen, da die Be soldung der Gerichte Landessache ist und hier neben dem Staatssekretär in der Hauptsache das Reichsgericht läuft. Zur Verzinsung der Reichsschuld und deren Verwaltung waren nahezu 96,5 Millionen nötig. Das Reichsschatzamt erscheint mit 572,5 Millionen, worunter sich 556 Millionen an Ueberweisungssteuern befinden, die wieder etwas höher erscheinen bei den Matrikularbeiträgen. Der allgemeine Pensionsfonds kommt mit 72,5 Millionen. Der Neichs- invalidenfonds mit 49,3 Millionen, die ReichSdruckerei mit 5,7 Millionen. Post- und Telegraphenverwaltung laufen mit nahezu 387 Millionen und die Reichseisenbahnen mit 69 Millionen, sodaß insgesamt an fortdauernden Ausgaben 2 009 592 970,65 Mk. entstehen. Aber dies ist nicht die Gesamtausgabe des Deutschen Reiches, sondern die ein malige Ausgabe kommt mit 449,6 Millionen hinzu, sodaß es insgesamt 2 459112143,01 Mk. gibt. Diese fast 2^ Milliarden Mark sind nun durch Ein nahmen aufzubringen. Die Zölle und Verbrauchssteuern allein Wersen schon 817 Millionen ab und dazu kommen die Matrikularbeiträge mit 580,6 Millionen, sodaß glücklich schon über die Hälfte beisammen ist. Die Post- und Tele graphenverwaltung bringt eine Reineinnahme von 434 Millionen, die Eisenbahnverwaltungen 90 Millionen. Die Reichsstempelabgaben mit ihren fast 92 Millionen drücken jedenfalls das Volk am wenigsten. Während sich die ver schiedenen Verwaltungseinnahmen auf 52 Millionen belaufen, liefert der Reichsinvalidenfonds an Zinsen und Kapitalien über 48 Millionen. Neben diesen großen Posten erwecken eine Anzahl kleinerer Summen unser Interesse. Die Zolltarifkommission hat insgesamt an Tagegeldern 47 620,75 Mark erhalten. Zwischen Pecking und Berlin muh auch im Jahre 1902 ungemein viel telegraphiert worden sein; die Kosten hierfür sind über 180000 Mark. Den Häuptling Mataafa von Samoa hat man bekanntlich von 1893 bis 1898 auf den Marschallsinseln gefangen gehalten; jetzt kommt die Rech nung hierfür: auf das Deutsche Reich treffen 18 799 Mark 66 Pfg. Die Einführung und Unterhaltung von Fahr- rädern in der Armee kostete allein in Preußen 186 650 Mk. Die Beköstigung hat hier sich für einen Unterosfizier auf 43,37 Pfg. und für einen Gemeinen auf 35,62 Pfg. be laufen, im großen ganzen doch ein recht billiges „Pensionat*. Die letzte Anlage gibt eine Uebersicht über die Aus prägung und Einziehung von Neichsmünzen und beant wortet die Frage: „Wieviel deutsches Gold befindet sich im Umlauf?" 20 Mark-Stücke sind es insgesamt 16 679 870; 10 Mark-Stücke 61914 689 und 5 Mark-Stücke 744 014. An Reichssilbermünzen sind im Umlauf: 152 975 875 Mk. an 5 Mark-Stücken, 176 175 522 Mk. an 2 Mark-Stücken, 215 862 500 Mk. an 1 Mark-Stücken, 71 433 023 Mk. an 50 Pfennig-Stücken, 5 466 700 Mk. an 20 Pfennig-Stücken. Nickelmünzen waren ausgegeben: an 20 Pfennig-Stücken noch 822 365 Mk. 20Psg., an lOPfg.-Stücken 46 621 203 Mk. 60 Pfg., an 5 Pfennig-Stücken 22 829 751 Mk. 85 Pfg. Und auch an Kupfermünzen kann kein Mangel sein: - 6 211 848 Mk. 84 Pfg. kann man in Deutschland in 2 Pfg.- Stücken haben, was wohl verschiedene Eisenbahnwaggons voll gibt, und 1 Pfennig-Stücke sind im Werte von 9 736 750 Mk. 64 Pfg, im Umlauf. Da kann es wesentlich an Geld in Deutschland nicht fehlen. Politische Rundschau. Deutsch!««-. — Der hl. Vater hat am 28. d. M. zwei Kund- gebungen betreffend die Kirchenmusik veröffentlicht. In der ersten wird die strikteste Durchführung einer Instruktion befohlen. Der alte traditionelle gregorianische Gesang, wie von den Vorvätern ererbt und dnrch neneste Forschung in so glücklicher Weise in ursprünglicher Reinheit wieder hergestellt ist, soll in allen Funktionen des Kultus ein geführt werden. Auch das Volk soll am Gesänge teilnehmen. Der Papst befiehlt die Einrichtung besonderer Diözesan-Kom- missionen zur Ueberwachung und Pflege des traditionellen gre- gorianischen Gesanges in kirchlichen Lehranstalten und Insti tuten, Gründung von höheren Musikschulen. Er ermahnt die kirchlichen Oberen, dafür zu sorgen, daß die Weisungen strikt ausgeführt werden, damit die Autorität der Kirche nicht der Verachtung anheimfalle, welche schon wiederholt solche Maß regeln vorschrieb. Die zweite Kundgebung ist ein Brief an den Kardinalvikar vom 8. Dez. Der Papst befiehlt das Aufhören skandalöser Musik, namentlich theatralischer Vespern in römischen Kirchen. Durch diese beiden Erlässe wird die Reform der Kirchenmusik nach und nach dnrchgeführt, jedenfalls ist aber die so brennend gewordene Choralfrage endgültig gelöst. Die Reform wird auch in Deutschland, besonders bei den Cäcilienvereinen, große Genugtuung Hervorrufen. — Vom Kaiser Wilhelms-Kanal. Nach dem dieser Tage dem Reichstage zugegangenen Verwaltungsbericht des Kaiser Wilhelm-Kanals für das Etatsjahr 1902/3 betrugen die Gesamteinnahmen rund 2,5 Millionen Mark, der Fehl betrag belief sich auf 225,586,52 Mark. Der Bericht bemerkt dazu, dieser Fehlbetrag würde nicht nur gedeckt, sondern es würde ein Ueberschuß vorhanden sein, wenn einmal ein die Selbstkosten deckender Tarif für den Schlepp betrieb bestände und zum anderen die Schiffe der kaiser lichen Marine Kanalgebühren entrichteten. Diese Bemerkung des Tarifs scheint auf die Absicht der Negierung hinzudeuten, eine Erhöhung der Tarifsätze dnrchznführen, die wir auch für ganz gegeben bezeichnen möchten. Die Kanalfreunde rufen jetzt immer so laut, daß die Kanäle sich so „gut rentieren" würden: man mache deshalb einmal den Anfang mit den schon bestehenden Kanälen. — Eine Kühlanlage soll neben der Munitionskammer auf den Kriegsschiffen angebracht werden, weil die Munition an Treibkraft verliert, wenn sie dauernd in einem erwärmten Raume uutcrgebracht ist. Die Gesamt kosten belaufen sich nur auf 4^ Millionen Mark. — Braunschweig hat den Vorrang vor Gericht behauptet, der einzige Staat der Welt zu sein, in dem es unter schwerer Strafe verboten ist, daß der eigene katholische Seelsorger ein katholisches Kind taufe. Die Negierung vertrat diese Auffassung am 23. d. M. vor dem Amts gericht in Gandersheim gegen jene des katholischen Pastors Raune aus Detfurth. Dieser hatte cs neulich gewagt, wie bereits mitgeteilt, dem sterbenskranken Kind eines preußischen Eisenbahnbeamten im Braunschweigischen Flecken Bodenburg die Nottaufe zu erteilen. Gegen die auferlegte Geldstrafe von 30 Mk. erhob der Pastor Einspruch. Bei der Ver handlung weist er aus einer Urkunde ans dem Jahre 1827 nach, daß Bodenburg zu seiner Pfarrei gehöre und ihm die Befugnis znstehe, wie es wörtlich dort heißt, „zu taufen, zu beerdigen und zu kopulieren". Den Beweis, daß die Katholiken Bodenburgs seit langer Zeit von Detfurth aus pastoriert wurden, lehnte das Gericht ab. Es verlangte den Nachweis, daß die Erlaubnis hierzu nach den neuesten Gesetzen erteilt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall, daher sei die Bestrafung berechtigt. Brauuschweigs Bestand ist gesichert, das Evangelium gerettet, denn die Erfüllung einer einfachen Christenpflicht, d. i. die Spendung der Taufe im Notfälle — kostet schwere Strafe, wenn sie ein preußischer katholischer Geistlicher in einem braunschweigischen Dorfe seiner eigenen Pfarrei vollzieht. — Bayer» und das Reich. Die liberale Presse ist - bemüht, an falschen und schiefen Darstellungen über das Verhältnis Bayerns zum Reiche das denkbar stärkste zu leisten; den Vogel aber hat der Münchener Korrespondent des „Berliner Tageblattes" abgeschossen, der orakelt: „An Petrorrio als Erzieher. Eine römische Neujahrsgeschichte von M. Marasse. (Nachdruck Verbote».) „Mütterchen" — stotterte er endlich schüchtern, „hat er nicht recht ? Sag, warum tust Du denn — nie etwas?" Sie sah den Knaben starr vor Entrüstung an: „Undankbarer," fuhr sie auf, „habe ich nicht Dich ge boren?" „Aber Mutter, andere Frauen haben ein Dutzend Kinder und flechten sich zierlich die Haare, kleiden sich sauber, be- reiten die Polenta —" Klatsch! Diesmal hatte er sie wirklich weg, die be schämende Ohrfeige, ihm am 28. Dezember vom ungerechten Schicksal vorbeschieden. Stumm steckte er sie ein, die Mutter aber sank nach so ungewohnter Kraftanstrengung auf ihr Lumpenlager zurück. Petronio ordnete die Reiser auf dem steinernen Herd, kundig machte er ein Feuer an, das in Zugluft unruhig flackerte und den feuchten Raum notdürftig erhellte. Er verstand es, eine Pizza zu backen, und den Salat machte er mit Oel an. Die Mutter schielte scheu nach dem geschäftigen Knaben. Gewissensbisse peinigten sie. Sie dachte daran, daß sie den eigenen Vater nie so umschmeichelt hatte, daß sie sich vor dem Spiegel goldene Blumen, von seiner kunstfertigen Hand geschaffen, ins Haar gesteckt, nie aber für sein Wohl gesorgt hatte. Jahrelang konnte sie die strenge Härte des Mannes nicht begreifen, der nach ihrer Flucht nie mehr etwas von dem einst vergötterten Liebling wissen wollte, auch von der Geburt des Enkels gar keine Notiz nahm. Da sie nun das resolute energische Walten d:8 eigenen Kindes sah. kam ihr zum ersten Mal das Bewußtsein ihrer schweren Schuld. Wenig konnte sie von dem genießen, was ihr das arglose Bübletn nach sachverständiger Be reitung mit kindlich stolzem Lächeln und ohne eine Spur von nachtragendem Zorn zum Abendessen darbot. Gleich darauf warf sich der kleine Held auf die Pritsche und schlief, in der sicheren Hoffnung, sein Ziel zu erreichen, traumlos und fest die ganze Nacht. Die Fran aber machte über dem krausköpfigen Schläfer das Zeichen des Kreuzes und küßte ihn auf die braune Stirn. In ihr arbeiteten Ent schlüsse. erst gegen Morgen fand sie Ruh. Als der Knabe die nußbraunen Augen frisch und ge stärkt aufschlug, lag die Mutter fest eingeschlafen, in die Lumpen hineingewühlt, das mächtige, widerspenstige Stirn haar auf den geschlossenen Lidern. Da lief der prächtige Bursche in den Morgen hinaus bis au die Kirche der brüderlichen Märtyrer S. Giovanni e Paolo auf dem Zälius, und von einem schwarzen Passiouisten, den er in der Vorhalle traf, verlangte er keck zu seinem Vater, dein Maler Serra, geführt zu werden. Der Mönch starrte den schlanken und wohlgebildeten Knaben an: „Dein Vater ist unten im Oratorium, hier nimm dies Lichtstümpfchen und hier den Korb mit Wein und Brot. So brauch ich ihm selbst das Frühstück nicht zu bringen. Doch stör ihn nicht, verstehst Du? Wir dulden keine Unter- brechung bei der Arbeit!" Der Mann, der in dem gewölbten Raum die Heiligen- legende der beiden Hofbeamten des Kaisers Julianus Apostata an die Wand malte, bemerkte den Knirps sogleich und eine seltsame Ahnung griff ihm bei seinem Anblick ans Herz: „Wer bist Du, was willst Du hier?" fuhr er den Knaben an. Mit geballten Fäustchen, das Haupt hoch, stolz und herausfordernd trat Petronio vor den vor Staunen ge- lähmten Mann: „Ich bin Petronio, Dein Sohn, ich werde ein Vagabund, hat der Lehrer gesagt, und schade sei's, hat er gesagt, die Mutter hungert und friert!" Bildschön sah der Bengel aus, Serra fühlte nichts wie Vaterstolz und Künstlerfreude. „Petronio," sagte er überlegen, „Du benimmst Dich sehr unschicklich. Deine Mutter hat mich ins Unglück ge bracht, der glänzende Feiertagstraum war ausgeträumt, wir hatten nichts zu beißen und zu brechen. Die Mönche hier zahlen mir 3 Lire den Tag, und wenn ich fertig bin, kann ich sehen, daß ich weiter komme. Und doch lebt etwas Kühnes, Selbständiges in mir, und hätte ich eine Stütze an dem Weibe gehabt —" hier brach seine Stimme. „Petronio," sagte er daun wieder gefaßt, „nm Deinetwillen will ich es noch einmal versuchen, aber heute steh still, ich muß Dich malen!" Mit leichter Hand ging er ans Werk, auf dem fein- ornamentierten Goldgrund des Altars entstand bald ein Knabenantlitz, das mit religiöser Innigkeit znr wolken thronenden Madonna emporschaute. Dazwischen sprach das ungleiche Paar manch kluges Wort, Vater und Sohn ver gaßen die Zeit und waren glücklich im Erkennen des gegen seitigen Wertes. Die Mönche brachten das Essen und sahen staunend zu, am Nachmittag geleiteten sie einen Fremden herab, der war aus Florenz und verliebte sich in das Midergesicht mit den sehnsüchtigen Brauen über der energi schen Nase und dem trotzigen Mund. Aus dem Dunkel heraus bestellte er bei dein Maler eine Skizze des BildeS für sich und gab ihm einen Vorschuß von 20 Lire, seinen Namen nannte er nicht und erklärte, sich das Bild selbst holen zu wollen. Die Mönche übten Zwang auf den be glückten Künstler aus, erst habe er sein Werk in der Unter kirche zu vollenden, dann möge er seiner Wege ziehen. Petronio versprach, noch einige Male Modell zu stehen, die Mönche, die den Kunstwert des Knabenkopfs mit den großen Augen, das Blühen der Farben, die Gefälligkeit der heiligen Gestalten, mit denen Serra den unterirdischen Raum belebte, zu ahnen begannen, schenkten auch dem hereingeschneiten Büblein eine Lira und einen Fiasco roten Weines. So verabschiedete sich Petronio versöhnt vom wiedcrgewonnenen Vater und stieg mit dem Fremden zu menschlichen Behausungen herauf. Der Herr, ein flotter hochgewachsener Fünfziger, mit weißen Haaren, aber schönen lebendigen jugendlichen Augen, verließ den kleinen Genossen auch auf der Straße nicht. lSchluß folgt.)