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5Wische Vorfzeitung lelegramm-Kdr.: vorfzeitung Dresden. 67. Jahrgang Dresden, Sonnabend, den 29. Juli 1905. Nr. 174 Bezugsbedingungen: Vt« „vorfMung- erscheint jede» Woche,»,, nachmittag» S Uhr mit dem vatum d«, folgenden lag«,, Vie vezugogebühr detrSgi 1« Mari oterieljührlich »der dv pfg. ftir jeden Monat, vt« „vorfzeiwng" ist p» beziehen durch die kaiserlichen poftanslaltrn, di« Landbriestrilger und durch unser« Voten- vei freier cieferung in» lfau» erhebt di« Post noch di« Sustillung^rdühr von «ü pfg. Da- -teaefte. Der Kaiser ist Donnerstag vormittag in,Cadinen eingetroffen. Heute begab er sich über Marienburg nach Danzig. Das deutsche Kronprinzenpaar hat seine Ostseefahrt beendet und ist über Swinemünde nach Potsdam zurückgekehrt. Die schwedische Zweite Kammer hat der Auf nahme der vom Sonderausschuß geforderten ! 00 Mil lionen Kronen-Anleihe zugestimmt. An Bord des Lloyddampfers „Kaiser Wilhelm der Große" hat Minister Witte am Donnerstag die Reise nach New Dort angetreten. Der König der Belgier empfing gestern in Gegenwart des Prinzen Adalbert eine Abordnung der deutschen Kolonie, welche Glückwünsche zur fünfundsiebzigsten Jahresfeier überreichte. Nach einer Meldung Lenewitschs landeten am 24. Juli, I Uhr nachmittags, japanische Torpedoboot zerstörer ein Bataillon in der Bucht von Castries, etwa neun Breitengrade nördlich von Wladiwostok. Sie besetzten den Leuchtturm und hißten die japanische Flagge. gelber für den'Reichstag. — Aenderung des Submissions wesens. — Sicherung der Forderungen der Bauhand werker. — Errichtung von Taxämter. — Warenhäuser. — Privatbeamtenfürsorge. — Verschärfung der Be stimmungen der Konkursordnung: Größere Rechtssicher heit gegenüber säumigen Schuldnern, Manifestanten listen. — Schutz der Arbeitswilligen. — Entlastung des Haus- und Grundbesitzes. — Aenderung des Kommunal abgabengesetzes. — Abschaffung der Doppelbesteuerung. — Einführung einheitlicher Sonntagsruhe in Stadt und Land usw. Oesterreich-Ungarn. Es kann mit aller Be stimmtheit gesagt werden, daß sich die Neuwahlen in den tschechischen Landgemeinden im Zeichen des schärfsten Kampfes zwischen Jungtschechen und Agrariern vollziehen werden. Mit derselben Entschiedenheit kann versichert werden, daß die Jungtschechen den Radikal- Sozialen überhaupt, den Abgeordneten Choc, Fresl und S^nabl insbesondere, jede moralische und materielle Hilfe, die sie ihnen im Jahre I90l anaedeihen libßen, diesmal entziehen werden. Zum Schluß heißt es, daß erst nach durchgefühlter Wahl die Frage gelöst werden würde, ob sich alle tschechischen Parteien zu einer großen Partei vereinigen werden oder nicht. Dänemark. Das „Reutersche Bureau" meldet aus Barbados unter dem 5. Juli: Es ist sehr wahrscheinlich, daß derAnkauf der dänisch-westindischen Inseln wiederum in der nächsten Session des Kongresses in Washington erwogen werden wird, da man in St. Thomas jetzt beabsichtigt, eine Kommission nach Dänemark zu senden, um in Dänemark dringliche Vor stellungen zu machen, die Uebernahme der Inseln St. Thomas, St. John und Santa Cruz durch die Vereinigten Staaten nicht länger zu verweigern. Dänemark wird wahrscheinlich diesmal günstiger ge stimmt sein, da die Lebensbedingungen auf den östlich von Porto Rico gelegenen Inseln sehr traurige sind und sich wahrscheinlich noch verschlimmern werden. Norwegen. Es verlautet, die Regierung beabsichtige, dem Storthing vorzuschlagen,' durch eine Volksabstimmung über die Trennung von Schweden beschließen zu lassen. Diese Abstimmung würde wahr scheinlich am 13. August stattfinden. England. Das „Reutersche Bureau" erfährt, die Nachricht, daß das englische Kanalgeschwader während des August und September in der Ostsee kreuzen soll, sei richtig. Nach den jetzigen Bestimmungen solle das Geschwader ungefähr am 20. August die Reise antreten. Es sei keine Rede von zeremoniellen Besuchen , das Geschwader unternehme in der Ostsee, einem offenen Meere, lediglich eine Kreuzfahrt zu Manöverzwecken. Türkei. Die Untersuchung des Bomben anschlages auf den Sultan wird eifrig fortgeführt. Außer dem früheren Direktor des bulgarischen Spitals, vr. Dinow, und einigen Mazedoniern wurden keine Bulgaren verhaftet. Für Dinow verwandte sich die russische Botschaft. Seine Freilassung steht bevor. Ebenso dürften einige von den verhafteten Italienern, deren Zahl ziemlich groß ist, freigelassen werden. Anhaltspunkte für die Person des Urhebers des An schlags fehlen bisher noch. Amerika. Der amerikanische Baumwoll skandal. Die Vermutung, daß die Schätzung de» amerikanischen statistischen Bureaus über die am 1. Juni d. I. in den Vereinigten Staaten mit Baumwolle be baute Fläche falsch war, wird jetzt bestätigt Das Acker baudepartement hat nämlich erklärt, daß der enUassene Assistent des statistischen BureauS Holmes am l. Juni irrtümlicherweise die Zunahme der mit Baumwolle be bauten Fläche für 1905 auf 11,4 Prozent geschaßt hat, während sie tatsächlich einen Rückgang von 14,9 Prozent erfahren hat, da die mit Baumwolle bebaute Fläche im Jahre 1905 26 999 000 Acres beträgt. Seitens deS Baumwollpflanzvereins wird die Abnahme der bebauten Fläche aber noch höher als jene des revidierten Bericht» des statistischen BureauS geschätzt. Auf Verlangen der Produzenten wurden, wie aus New Uork depeschiert wird, wegen deS Skandals im Landwirtschaftsministerium dessen monatliche statistische Berichte, die gewohnheits gemäß am 3. veröffentlicht worden sind, am Donnerstag den 27. Juli erneut ausgegeben. Affen. Der Kriegssekretär der Vereinigten Staaten Tast und Alice Roosevelt wurden vom Kaiser von Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage. „Illustriertes Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Ngl. Nmtshauptinannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Ngl. Amtsgericht Dresden, die Ngl. Zorstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden (vberlößnitz und Radebeul. Wie ich zufälligerweise später von einem Geschworenen erfuhr, war der Grund der Freisprechung, daß der Mann durch sein Unglück ohnehin schwer genug gestraft sei. Alle diese Fälle sind nicht etwa Ausnahmefälle, sondern lassen sich um viele vermehren. Sie würden jedem richterlichen Beamten eine Anklage wegen Rechts beugung und unter Umständest sogar Verurteilung zu Zuchthaus eintragen. Den Geschworenen gegenüber fehlt es an einer entsprechenden Strafbestimmung, trotzdem es vielleicht manchmal wünsckenswert gewesen wäre, in Fällen, wo man den — bei der geheimen Beratung allerdings schwer zu führenden — Nachweis der Rechtsbeugung erbringen könnte, strafrechtlich vor zugehen. Es soll nun keineswegs geleugnet werden, daß auch die Urteile der Berufsrichter sich deS öfteren mit dem Rechtsbewußtsein in Widerspruch setzen, aber dies liegt dann teils an dem Gesetz, über das sich der Richter nicht Hinwegsetzen darf, teils daran, daß man eben in vielen Dingen verschiedener Meinung sein kann, aber stets — und das ist das Wesentlichste einer geordneten Rechtspflege — wird das Urteil des Berufsrichters auf bestimmten, aus der Beweisaufnahme gezogenen Schluß folgerungen beruhen, es wird niemals auf Willkür auf gebaut sein. Um es also nochmals zu betonen: Nicht Engherzigkeit, nicht Berufsdünkel der Juristen, auch nicht politische Motive, sondern einzig und allein die Un berechenbarkeit der Geschworenensprüche, die sich nicht selten über die Rechtsordnung Hinwegsetzen, sind es, welche die Forderung der großen Mehrzahl der Berufs juristen zur Ursache haben, daß die Schwurgerichte in ihrer jetzigen Gestalt beseitigt werden mögen." Gegen die Schwurgerichte. Aus der Reihe der Staatsanwälte tritt jetzt ein scharfer Gegner der Schwurgerichte mit einem Angriff auf diese Institution hervor. Staatsanwalt Schmitten- dorf veröffentlicht in der „Tägl. Rdsch." einen Artikel, m dem es u. a. heißt: Es ist ein weitverbreiteter Irr tum, daß die allerdings vorhandene Abneigung der Mehrzahl der Fachjuriften, insbesondere der Staats anwälte, gegen die Einrichtung der Schwurgerichte darauf beruht, daß die Schwurgerichte sich jedem behörd lichen Einflüsse entzögen, weil sie in ihren Urteilen eine juristischen Spitzfindigkeiten entgegengesetzte natürliche Rechtsauslegung zum Ausdruck brächten, insbesondere weil sie unerwünschte Freisprechungen herbeiführten. Das ist, wie gesagt, ein vollständiger Irrtum. Nicht die Unabhängigkeit der Schwurgerichte, nicht die Zahl der Freisprechungen, sondern lediglich die Unberechen barkeit der Geschworenensprüche ist es, die den Juristen zum Gegner der Schwurgerichte macht. Die Geschworenen haben bekanntlich lediglich di* Frage zu entscheiden: Ist der Angeklagte schuldig, die ihm zur Last gelegte strafbare Handlung begangen zu haben? Man sollte nun meinen: wenn tatsächlich der Nachweis geführt wird, daß der Angeklagte in zu rechnungsfähigem Zustande die Straftat begangen hat, dann müßte auch zweifellos seine Verurteilung erfolgen. Weit gefehlt. Darauf ist bei den Schwurgerichten durchaus nicht immer zu rechnen. Die Geschworenen lassen sich in ihrem Spruche häufig von Umständen beeinflussen, die mit den von ihnen zu beantwortenden Fragen nicht das geringste zu tun haben: so spielt bei ihnen das Mitleid mit den Angeklagten, die Länge der Untersuchungshaft, in der sich der Angeklagte befindet, die Person des durch die Straftat Verletzten und anderes mehr, wovon man vorher keine Ahnung hat, nicht selten eine ausschlaggebende Rolle. Einige Fälle aus der Praxis: Ein Mädchen ist des Meineids angeklagt, weil sie als Zeugin in einem Strafprozeß unter ihrem Eide in Abrede aestellt hatte, mit einer bestimmten Mannsperson ver kehrt zu haben. Sie ist unter Tränen geständig; sie hatte ihre Schande nicht öffentlich kundgeben wollen. Spruch der Geschworenen: Nicht schuldig. Tin Ehemann wird von seiner Ehefrau in der nieder trächtigsten Weise hinterganaen. Er erfährt von ihrem ehebrecherischen Verkehr, geht ihr und ihrem Liebhaber nach und feuert aus einem Revolver mehrere Schüsse auf das Paar ab, trifft auch, ohne jedoch tödlich zu verletzen. Er wird wegen versuchten Mordes angeklagt. Epruch der Geschworenen: Nicht schuldig. Ein unterer Beamter, der unverschuldet durch widrige Schicksale, insbesondere durch Krankheiten in seiner Familie, in bitterste Not geraten war, ist geständig, ihm amtlich anvertraute Gelder in geringem Betrage unterschlagen zu haben. Spruch der Geschworenen: Nicht schuldig. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Der Kaiser traf gestern mittag in Cadinen ein, empfangen von seiner dort weilenden Familie, und besichtigte am Nachmittage die dortigen Hafenbauten. Heute gedachte der Kaiser über Marienburg nach Danzig zu fahren. Die Londoner „Daily Mail" will aus Stockholm erfahren haben, Kaiser Wilhelm habe vom Zaren die Zustimmung zur Besteigung des norwegischen Thrones durch einen Hohenzollern-Prinzen erlangen wollen. Der Zar werde sie möglicherweise geben, falls Rußland erlaubt werde, seine Grenze am Atlantischen Ozean geringfügig zu berichtigen; man glaube nicht, daß England und Frankreich den Plan verhindern könnten, falls das norwegische Volk ihn an nähme. — Der „Standard" erklärt in einer Besprechung des Kaisetbesuchs in Kopenhagen, es sei nicht wahr scheinlich, daß Kaiser Wilhelm dort norwegische An gelegenheiten im Auge habe, falls er jedoch ein Arrange ment zwischen Rußland und Japan auf dauernder Grundlage fördern wolle, so könnten britische Staats männer mit ihm kooperieren. Die Interessen Englands und Deutschlands kollidierten nirgends, und es sei nirgends ein Anlaß zu ernster Reibung vorhanden. Gleichheit in Gedanken, Gefühlen und sittlichen Ideen sollten eine starke, bindende Kraft zwischen beiden bilden. Ihre Geschäftsrivalität brauche kein politisches Mißtrauen zu erzeugen, da beider Völker oberste Maxime der Welt friede sei. — Die Geschichte von der hohenzollernschen Thronkandidatur für Norwegen ist natürlich eme Hunds tagsphantasie. Der deutsche Kronprinz und die Kronprinzessin sind gestern abend wieder in Potsdam eingetroffen. Eine soeben erschienene Sonderausgabe der amt lichen „Lippischen Landeszeitung" enthält eine Regie rungskundgebung des Ministers Gevekot über die Affäre Hoffmann. Die Kundgebung bezeichnet die Erklärungen Hoffmanns zum Teil als unwahr, zum Teil als unrichtig und erklärt die daran geknüpften Schlußfolgerungen für falsch. Diese Erklärung, die den Vizepräsidenten des Lippischen Landtages der Un wahrheit bezichtigt, ruft großes Aufsehen hervor. In dem Beleidigunasprozeß des Fabrikanten Hoffmann gegen den Redakteur Neumann von der „Lippischen LandeS- zeitung" wurde der Angeklagte zu 2 Wochen Gefängnis und 550 M. Geldstrafe verurteilt. - Die deutsche Mittelstandsvereinigung hält ihren diesjährigen Verbandstag am 3., 4. und 5. September in Frankfurt a. M. ab. Auf der Tages ordnung stehen u. a. folgende Punkte: Anwesenheits Anzeigen - Preise: vt« einspaltig« Seil« I» vfg, unter »eingesandt- 40 Pi? Nnzetoen-annakme erfolgt di» mittag» 12 U«. — Nnnatz»estrll«n lin»: Uns« ch«!chäti»stell«, Vein« Metkn.r Galj« Ur. < 2n»alid«nda»k, vaasenstein k voaler, Nud. Most«. <b. L. vaub« Sc t». in Leipzig, Zrantfurt a. M.: <b ilohlinlt«tt«l»dorl; Kng» Mkchler in tiStzsche,^ broda, Dtto Vtttrich in Nrttzeni>orf, Hugo Dpi» in crubnitz-Neuostra, Lmtl Nollau in Nadrdeul. Mich. Grimm in vrr^en-lvölfnttz, Zrietrtch lleuchert in Loss«baud«, Dito ltunath in Lotta. Mag Zeutich in Loschwttz. Telephon: Dresden, Nr. 2916.