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MsdmfferTageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmanuschast Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger >»d Drucker: «rthnr Zschunke in WUsdrnff. Verantwortlicher Schriftleiter: Her»««» Lässig, für de» Inseratenteil: Arthur Zsch«»ke, Seide t» Lvil«dr»D. Nr. 109 Donnerstag de» 11. Mai 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Darthou bestätigte in einem Schreiben an Lloyd George, daß dieser in ihrer Unterredung die Wendung von dem Ende der Entente nicht gebraucht habe. * Die russische Antwort auf das Memorandum soll nach den vorliegenden Berichten versöhnlich gehalten sein und den Weg für weitere Verhandlungen offen lassen. * Finauzmimster Dr. Hermes beabsichtigt, bei seiner bevor stehenden Reise nach Paris den gesamten Komplex der Repara- tionsfragen zur Sprache zu bringen. * Die am 15. Mai fällige deutsche Zahlung von 50 Millio nen Goldmark wird nach amtlichen Mitteilungen pünktlich an die Reparationsrommission abgeführt werden. * Der Neichsernährungsminister Fehr sprach sich im Haupt- ausschuß des Reichstages für die Beibehaltung der Getreide umlage aus. * Die französische Regierung will ans die amerikanische Note über die französischen Schulden gegenüber Amerika erst nach der Konferenz von Genua antworten. Frankreich sei nicht in der Lage, dieses Jahr schon Zinsen zu bezahlen. * Der englische Schatzsekretär teilt« ans eine Anfrage mit, daß der aus Grund der deutschen ReparationsverpDichtungen bis zum 4. Mai eingegangene Betrag sich auf 4 350 000 Pfund Sterling belaufe. Netroleumpolitik. In dem großen europäischen Ringen in Genua find eZ nicht di« äußeren Anlässe und die Differenzen in den Kom- promißformeln, die die größten Schwierigkeiten machen, sondern die im Hintergründe stehenden großen Wirtschafts- interessen. In dem Memorandum an die Russen ist alles auf politische und wirtschaftliche Prinzipien zugespitzt, aber im Grunde entscheiden nicht diese Prinzipien, sondern die verschiedeiren Interessen d«r Völker an den Werten, die Rußland bieten kann. Der in Deutschland wenig beachtete amerikanische Protest gegen die Verhandlungen einer eng lischen Petroleumgruppe mit den Russen deutel aus den Kernpunkt der russischen Frage hin: Rußland hat unge heure Bodenschätze. Man weiß, daß die Sowjets damit zu handeln verstehen, und die Ausbeutung der kauka sischen Olfelder spielt in der internationalen Politik eine viel größere Nolle, als es nach außen hin den An schein hat. Die Nachricht, daß die Royal-Dutchell-Petroleum- Gruppe einen Vertrag mit der russischen Regierung ab geschlossen habe, hat die ganze Welt alarmiert. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der französische und belgische Wider stand bei der Formulierung des Memorandums für Ruß land auf die Befürchtung zurückzuführen ist, daß diese beiden Länder, die früher im Besitz großer russischer Petroleumfelder gewesen sind, ihre Werte, für die sie nur Entschädigung erhalten, schließlich in anderen Händen sehen müßten. Der Vertragsabschluß wird sowohl offi ziell wie privatim von englischer und von russischer Seite dementiert. Tatsache ist indessen, daß seit 1920 die von englischem Einfluß beherrschte Shell-Gruppe mit den Russen in Verhandlungen steht, und daß sie auch große Interessen in Nordkaukasien und Baku hat. Offiziell be trägt zwar der englische Anteil in dieser Gruppe nur 40 Teile gegenüber fast 60 Teilen in holländischen Händen, während nur wenige Anteile in französischem und bel gischem Besitz sind. Nach dem „Daily Telegraph" hat diese Gruppe zum großen Teil bereits zwei andere Konzerne in sich ausgenommen und versucht seitdem, diese Slfelder in ihre Hand zu bringen. Es kann dahingestellt bleiben, ob di« Verhandlungen, die sich infolge der russischen Weigerung einer Anerkennung des Privateigentums verschleppten, jetzt zum Abschluß ge kommen sind. Jedenfalls weiß man, daß in einem Ver tragsentwurf für fünf^Jahre vorgesehen ist, daß die Sow jetregierung und die Shell-Gruppe das gleiche Kapital auf bringen und den gleichen Gewinnanteil haben sollten. Der Konzern hat die Verpflichtung, einen bestimmten Prozent satz von russischen Arbeitern zu beschäftigen. Die für die Ausfuhr verfügbare Olmenge wird von Rußlands eigenen Bedürfnissen abhängen. Die beiden Vertragsparteien haben das Recht, den Verkauf aller zur Ausfuhr gelangen den Olmengen zu kontrollieren. Am Ende der 5 Jahre darf die Sowjetregierung den Anteil der Shellgruppe auf kaufen oder sie muß den Vertrag erneuern. Die Methode der Produktion und die Arbeitsbedingungen sollen der Sowjetregieruny unterliegen. Die Vereinigten Staaten haben sich bisher gegen jede Anerkennung der russischen Regierung passiv verhalten, indessen scheint auch die amerikanische Standard- OillEompanie mit den Russen in Verhandlungen getreten zu sein. In dem Falle, daß die englisch-holländische Gruppe, was wahrscheinlich ist, zum Abschluß gelangt, würde dieses Petroleummonopol die Interessen des ameri kanischen Konzems und verschiedener anderer ausländi scher, namentlich französischer Gesellschaften stark beein flussen. Aus diesem Grund« wird auch das Drängen der Franzosen auf die direkte Rückgabe des Privateigentums verständlich, um die englischen Ausbeutungs ab sichten z« durchkreuzen. Die amerikanische Gesellschaft indessen, die bisher eine unumstrittene Vormachtstellung auf dem Pe- troleummarkte innehatte, hat ohnehin durch de« Erwerb von mexikanischen Petroleumquellen durch die Shellgruppe eine starke Konkurrenz erhalten- Wenn diese auch in Baku den Vorsprung gewinnen würde, wäre es mit -der mono polartigen Stellung der Amerikaner vorbei. Amerika kann daraus erkennen, wohin di« Fernhal tung von der europäischen Politik führt, vielleicht, daß es jetzt nach dieser Lektion seinen Kurs ein wenig ändert. Wieder gereiiei! Die Konferenz wird nicht „torpediert". Abermals hat man in Genua eine schwere Krisis hinter sich, ohne allerdings zu wissen, was nun weiter werden soll. Vorläufig hat man sich angesichts des un vermeidlich erscheinenden Bruches in der Entente nur rasch versichert, daß man es gar nicht so böse gemeint hat. Poincarö selbst hat an Lloyd George einSchreiben übersandt, in dem der französische Standpunkt auseinander- gesetzt, jeder Wunsch, die Genueser Konferenz „zu torpe dieren", in Abrede gestellt und die Freundschaft Frankreichs zugesichert wird. Ferner erhielt Lloyd George einen zweiten Brief, und zwar von Barthou, in dem es heißt: Sie fordern mich auf, Zeugnis abzulegen über unsere Unterredung vom Sonnabend, die so viele Kommentare hervorgerufen hat. Hier ist meine Antwort: Sie haben nicht ein einziges Wort gesprochen, das so ausgelegt werden könnte, als wollten Sie damit die Absicht zum Ausdruck bringen, die Freund schaft zu brechen, die unsere beiden Länder eint. Schließ lich hat auch Chamberlain im Unterhause erklärt, er habe keinen Grund zu der Annahme, daß die Verhandlun gen in Genua die Beziehungen der britischen Regierung zu Frankreich gefährden könnten. Damit ist der schwer bedrohte Friede zunächst wenigstens äußerlich wieder hergestellt. Llohd Georges neue Plane. Ein Pariser Blatt berichtet von den Plänen, die Lloyd George habe, um die Konferenz wieder flott zu machen. Beabsichtigt sei, Frankreich und Belgien für das Memo randum zu gewinnen und die Beratung mit Rußland da durch zu ermöglichen, daß man Artikel VH beseitige und einfach erkläre, die Frage des Privatbesitzes müsse zwischen Moskau und den interessierten Regierungen direkt erörtert werden. Die in Genua vertretenen Staaten sollen aufgefordert werden, einen Friedens- pakt zu unterzeichnen, der nur fünf Jahre gültig sei und der den Vertrag von Versailles unter dem Vor wand nicht enthalte, daß die Neutralen nicht bereit seien, sich auch nur im entferntesten an diesen Vertrag zu binden. Was die Reparationen anlange, so werde man Frank reich den Plan einer internationalen Anleihe unterbreiten. Durch diese Maßnahmen hoffe man, einen genügenden Druck aus Frankreich ausüben zu können, damit es jede selbständige Handlung nach dem 31. Mai unterlasse. * Die Antwort der Russen. über die Stellungnahm« der russischen Delegation zu dem bekannten Memorandum der Entente über den Wiederaufbau Rußland- verlautete in Genua vor der Veröffentlichung der Antworttextes, daß die Russen nicht glatt zustimmen werden, daß aber rhre Antwort eine zwischen Ja und Nein liegende Basis für weitere Verhandlungen abgeben werde. So werden im Prinzip die Vorkriegs« und Kriegs - schuldenanerkannt, jedoch mit einem Vorbehalt, der sich gegen die Einsetzung von „Reparationskommissionen' und anderen Institutionen wendet, die die Finanzhoheit Rußlands beeinträchtigen würden. Ferner wird in der Antwort ein« Gegenrechnung zu den alliierten Forderungen enthalten sein, und darin werden sich auch die Deutschland von der En- tent« abgenommenen Goldbeträge befinden, die Rußland seiner zeit aus Grund des Friedens von Brest-Litowfl an Deutschland gezahlt hat. Es handelt sich also, wie man in Genua sagt, um eine „versöhnliche Ablehnung'. Sobald die russische Antwort überreicht ist, wird jede Dele gatton sie mit ihren Sachverständigen besprechen, und dann wird ein Gedankenaustausch zwischen den Delegationen statt- finden. Die Entscheidung der Konferenzmächte über die russische Antwort und damit über den Weitergang der Konfe renz wird mithin kaum vor Ende der Woche zu erwarten sein. Potitische Rundschau. Deutsches Reich. Der ErnLhrungsminister für die Getreideumlage. Bei der fortgesetzten Beratung des HauptausschüsseS des Reichstages über das Ernährungsministerium ergriff Ler Ernührungsminister Fehr noch einmal Las Wort und betonte, daß Lie Frage seiner Einstellung zur öffentlichen Getreidewirtschaft insofern eine grundsätzliche sei, als die Volksernährung unter allen Umständen gesichert werden müsse. Im allgemeinen müsse Lie Sicherstellung im Umfange der vorj ährigen Erfassung auf- rechterhalton werden; denn derBrotpreis müsse in an gemessener Weise erträglich gestaltet werden. Ein« Teuerung habe eingesetzt, von der sich Wohl niemand im Liormüre «in« reckte Vorttelluna gemacht Lobe. Er Lab« bereits Verhandlungen mit Len" einzelnen Wirtschafts-' gruppen eingeleitet. Die bevorstehenden Tariferhöhungen. Angesichts Ler neuen Aufwendungen für Lie Beamten- besoldung ist mit neuen Tariferhöhungen bei Post und Eisenbahn zu rechnen. Allerdings steht der Zeitpunkt Liefer Erhöhungen noch nickt fest. Ferner wird von amt licher Stelle auch die kürzlich verbreitete Zeitungsnachricht^ Laß die Gebühr für einen Fernbrief auf 8 Mark erhöht werden müsse, in Abrede gestellt. Wie die Deckung der durch die Gehaltserhöhungen bei der Post entstehenden Mehrausgaben erfolgen soll, steht noch nicht fest. Es mutz abgowartet werden, wie Lie Erhöhung Ler Eisenbahntarife auf die Gebührengestaltung der Post einwirkt. Französische Einmarsch-Borbereitungen. Nach Meldungen aus Ludwigshafen sprechen viele Anzeichen dafür, daß di« besetzte Pfalz als Aufmarsch gelände für die Mtion benutzt wird, die Poincarö für die nächste Zeit gegen Deutschland vorbereitet. Durch das Saargebiet fahren dauernd Militärzüge, die mit In fanterie, Maschinengewehrformattone» und Artillerie be laden sind. Bei Zweibrücken ist ein riesiges französisches Heerlager eingerichtet worden. Der vorbereitete Stoß ist unverkennbar in Richtung Mannheim geplant. Die Pariser Finanzverhandlungen. Neben der Genueser Konferenz kommt den deutsches Besprechungen mit dem WieLecherftellungsausschuß des Feindbundes in Paris Lie größte Bedeutung zu. Wenn jetzt Dr. Hermes nach Paris fährt, so will er dabei den ganzen Komplex Ler Reparationsfrage behandeln, so auch Lie Frage der Besa Hungs kosten und Lie kleinen Spezialabkommen. Der englische Delegierte Bradbury hat in Ler letzten Woche drei Unterhaltungen mit Berg mann gehabt. In Len Kreisen des Wiedergutmachungs ausschusses werden große Hoffnungen aus einen neuen belgischen Plan für die internationale An leih« gesetzt. Die Zukunft LeS Rheinlandes. Der frühere Reichsminister Dr. Bell hielt in einer Versammlung in München-Gladbach einen Vortrag über „Genua und die Rheinland«'. Er führte dabei u. a. aus: Wir sehen, wie man bestrebt ist, mehr und mehr Len germanischen Geist auszurotten und den romanischen zur Geltung zu bringen auf Lem Gebiete des Theaters, der Sprache und der Kunst. So sucht man das Rheinland ein zuschläfern und für die Annexion reif zu machen. Wir hoffen, mit Frankreich und Belgien zur Versöhnung zu kämmen, aber nicht um das Opfer unserer nationaler« Selbständigkeit. Auch den Gedanken einer Neutralisierung der Nheintande mit militärischer und wirtschaftlicher Auf sicht Frankreichs weisen wir mit aller Entschiedenheit zurück. Frankreich. X Millerands Rückkehr. Der Präsident der französischen Republik ist von seiner Afrikareise, die solang« als Vor wand dafür dienen mußte, daß Po iura rL nicht nach Genua gehen konnte, jetzt nach Paris zurückgekehrt. In sei nem Beisein sollte sofort ein wichtiger Minist « rrat im Elysse stattfinden. Millerand ist bei allen Entscheidungen, die während seiner Reise in Afrika getroffen worden sind, in ständiger telegraphischer Verbindung mit Poincarö geblieben. Man hat nun in Paris die feste Überzeugung, daß die französisch-britische Freundschaft heil aus den Zwischenfällen von Genua hervorgehen werde. Großbritannien. X Eine Weltkonfcrenz der Christenheit? Ein bekannter englischer Kanzelredner Dr. Iow «tt hat den Vorschlag gemacht, daß die englische Hochkirche durch ihren Erzbischof von Canterbury, die römisch-katholische Kirche durch den Kardinal-Erzbischof von Westminster und die Führer der freien Kirchen Englands eine Konferenz Ler Führer der Christenheit der Welt einberufen solle. Eine solche Kon ferenz, auf der Großbritannien, Deutschland, Amerika, Frankreich, Italien, Rußland und Vertreter aller christ lichen Nationen der Welt Zusammentreffen, würde in der Lage sein, die Geschicke der Menschheit zu bessern. Italien. X Der Vatikan und Genua. Im Vatikan verfolgt man die Entwicklung der Dinge in Genua zuversichtlich. Di« beiden Briefe des Papstes, die auf der Konferenz einen so großen Eindruck gemacht haben, sollen übrigens schon vom verstorbenen Papste Benedikt geplant worden sein. Man sieht in Nom das Ansehen des Heiligen Stuhles ständig wachsen, obschon der Vatikan bei der Konferenz wicht direkt vertreten ist. Enve vss Kreffetages. Telegramme an -den Reichstags Präsidenten und LenKanzler. n. München, 9. Mai. Die Tagung des Reichsverbandes der Deutschen Presse ist gestern zu Ende gegangen, nachdem die Delegier tenversammlung in mehreren Telegrammen dem Dank für di« Begrüßunastelearamme Ausdruck aeaebe« hatte. Dem