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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001016016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900101601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900101601
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-16
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
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Änrlsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Nolizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen.Preis die stgespaltene Petitzeile L5 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach» richten (6 gespalten) »0 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Postbesörderung 80.—, mit Postbesörderung 70.--. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. 527. DieuStag den 16. October 1900. 94. Jahrgang. Die Herbst-Ranglifte der preußischen Armee. 8. Von der preußischen Rangliste erscheint in der Regel in jedem Frühjahr ein« Neuausgabe, der im Herbste mitunter ein Nachtrag folgt, 'wie dies im vorigen Fahre der Fall war, wo durch die Neugestaltung der Feldartillerie und die Errichtung der Ver- tehrstruppen vielfache Veränderungen eingetreten waren. Sobald diese aber ein Uebermaß annehmen, ist eine zweite Ausgabe im Laufe des Ranglistenjahres nicht zu vermeiden, und eine solche ist von der Geheimen Kriegskanzlei soeben, allerdings nur für den aktiven Dienststand, herausg«geben 'worden. Dabei hat die Herbstrangliste eine Erweiterung dahin erfahren, daß in ihr nicht nur die neu« ost asiatische Abtheilung im Kriegs ministerium, sondern auch das Armee-Obercommando in Ost asten und das ostasiatische Expeditions-corps mit seiner Ein- theilung und mit dem gejammten Personal an Officieren, Sani- tätsosficieren und oberen Militärbeamten Aufnahme gefunden hat. Ebenso mußte die Einführung der R e i ch s -M i l i t ä r st r a f - gerichtsordnung g«bührend berücksichtigt werden, wobei daS bisherige Generalauditoriat fortgefallen war und bei den ständigen Gerichten der Armeecorps, Divisionen, Gouvernements und Commandanturen die Oberkriegs- und die Kriegs-GecichtS- räthe an die Stelle der einzelnen Elasten der Auditeure traten. Bei der hohen Bedeutung des Reichsmilitärg«richts ist auch dieses mit seinen vier Senaten in der neuen Rangliste ausgenommen, welch« mit dem 'Stande vom I. October abschließt, während die vom Frühjahr den Stand vom 7. Mai 1900 anzeigte. Neu hin zugekommen ist die bisher in der Marine-Rangliste geführte Marine-Infanterie. Das Haupintereste nimmt zunächst der Wechsel in den Stell« n'besetzungen in Anspruch, wobei von den höchsten Commandostellen das XV. Armeecorps in 'Straßburg und die 4. Cavallevie-Jnspection neu besetzt wurden; dabei wurde letztere, an deren Spitze Prinz Friedrich Leopold von Preußen trat, von Saarbrücken nach Potsdam verlegt. Die Aufstellung des ost asiatischen Expeditionscorps beeinflußte den Stellenwechsel eben falls, und so wurden 9 Divisionen, 22 Infanterie-, II Ca- vallerie-, 6 Feldartillerie-Brigaden, 39Infanterie-, I2Cavallerie-, 8 Feldartillerie- und 4 Fußartillerie-Regimenter n«u besetzt. Da zu traten die Commandanturen von Altona, Coblenz und Ehren breitstein, Stuttgart, Diedenhofen und Glatz; die Inspektionen der Kriegsschulen, der Jnfanteriefchulen, der technischen Institute der Infanterie und der Artillerie, sowie der militärischen Straf anstalten, sine Fußartillerie-Jnspection, die Feldartillerie-Schieß- schule, die Artilleriedepot-Jnspection und zwei solche Direktionen, die Gcwehr-Prllsungscommission, die Officier-Reitschule des Militär-Reitinstituts zu Hannover und eine Traindepot- Direction. Die Zahl der V « r a b s ch i e d u n g e n betrug in dem kurzen Zeiträume von fünf Monaten 273 Officiere, davon 13 General leutnants und 21 Generalmajors. Von den übrigen entfielen auf die Infanterie 135, die Kavallerie 56, die Feldartillerie 16, die Fußartillerie 6, die Pioniere und den Train je 7, die Leib gendarmerie 4, die Zeugofficiere 5, di« Feuerwerksofsiciere 3. Nach Dienstgraden vertheilt wurden 17 Obersten, 14 Oberstleut nants, 49 Majors, 53 Hauptleute, 29 Oberleutnants und 77 Leutnants aller Waffen verabschiedet. Von den 106 verabschiedeten Oberleutnants und Leutnants erhielten 24 eine Pension, so daß also ihr Austritt wegen Invalidität erfolgte, was nach Einführung der zweijährigen Dienstzeit häufiger als früher vorzukommcn scheint. Außer diesen Abgängen hat die preußische Armee — wobei immer daS XIH. wllrttembergischc Armeecorps als in der Rangliste mitaufgeführt einbegriffen ist — noch 39 Todesfälle zu verzeichnen, welche auf 9 Gene rale, 3 Obersten, 2 Majors, 8 Hauptleute, 6 Oberleutnants und II Leutnants entfallen und sich mit 20 auf die Infanterie, mit 4 auf die Feldartillerie, mit 2 auf die Landgendarmerie und mit je I auf Cavallerie, Fußartillerie, Train und Invalide Ver theilen. Zu den Schutztruppen sind außerdem übergetreten für Ostafrika I Major, 3 Hauptleute, 2 Leutnants, und für Kamerun 3 Hauptleute, 4 Oberleutnants, 6 Leutnants, im Ganzen 19 Officiere, während zur Marineinfanterie ausgeschieden sind 1 Major, 5 Hauptleute, 6 Oberleutnant», 30 Leutnants. Mit Ausnahme der Cavallerie und des Trains sind bei den Schutztruppen und der Marineinfanterie alle Waffengattungen betheiligt. Alle diese Veränderungen hatten zahlreiche Beförde rungen zur Folge, von denen nur einige angeführt seien: so wurden zu den betreffenden Dienstgraden befördert 2 Generale, 20 Generalleutnants, 35 Generalmajors, 53 Obersten, 95 Oberst leutnants und 130 MajorS. Die Stabsofficiere Vertheilen sich auf die Infanterie mit 38 Obersten, 57 Oberstleutnants, 37 Majors; auf die Cavallerie 8 Obersten, 22 Oberstleutnants, 28 Majors; auf die Feldartillerie 4 Obersten, 8 Oberstleutnants, 36 Majors; auf die Fußartillerie 2 Obersten, I Oberst leutnant, 7 Majors; auf die'Pioniere, I Oberst, 5 Oberst leutnants, 6 Majors; auf die Verkehrstruppen 6 Majors; auf den Train 1 Oberstleutnant, 5 Majors; auf die Landgendarmerie I Oberstleutnant und 5 Majors. Don Ehrungen, die hochgestellten Personen zu Theil wurden, sei erwähnt die Stellung L Iu suits des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin bei den Gardekürassieren, des Her zogs von Sachsen-Coburg-Gotha bei den 9. Husaren und deS Staatssekretärs des Reichspostamts, Generalleutnant v. Pod- bielSki, bei den Zieten-Hüsaren. In Chefstellen wurden der König von Italien und der Großherzog von Oldenburg Nach folger ihrer Vorgänger; letzterer bei den oldenburgischen Regi mentern, ersterer bei den 13. Husaren. Der interessanteste Theil der Rangliste ist mit der Anhang, worin eine besondere Hervorhebung der preußischen, der baye rischen, der sächsischen und der württembergischen Officiere nicht erfolgt ist. Beim Reichsmilitärgericht ist der dritte Senat jedoch als bayerischer bezeichnet; bei den Senaten wird zuerst daS militärische Mitglied aufgeführt, welches nach dem Gesetze den Vorsitz hat, während der Senatspräsident an zweiter Stelle aus genommen ist, da er in den Sitzungen nicht Vorsitzender ist, sondern als richterlicher Beamter die Verhandlungen zu leiten hat. Wie der Haupttheil der Rangliste, so hat auch der Anbang eine Dienstaltersliste für die Generale und die Stabsofficiere; in ihr werden für die Truppen in Ostasien, sowie für die Ma rineinfanterie und die Schutztruppen aufgeführt 1 Generalfeld- Marschall, I Generalleutnant, 6 Generalmajor», 6 Obersten, 12 Oberstleutnants und 46 Major» aller Waffen und Con- tingente. So bietet die neue Rangliste einen vollständigen Ueberblick auch über unsere „Colonialarmee*. Lin Gespräch mit Lockroy. Lockroy, der bekannte französische Deputirte, spielte gerade während der letzten Fahre al» Marineminister der Kabinette Bourgeois, Dupuy und Brisson eine hervorragende Roll« in der Geschichte Frankreichs. Auch jetzt noch ist er eines der autoritäts reichsten Mitglieder der das Cabinet Waldeck-Rousseau unter stützenden Linken und insbesondere in Fragen der Marine wird sein Wort viel gehört. Auf seiner Reis« nach dem Auslande hielt er sich in den letzten Tagen auch in Wien auf, und rin«r der Mitarbeiter der „N. Fr. Pr." schreibt seinem Blatte über eine Begegnung mit dem französischen Politiker unter Anderem wi« folgt: Lockroy dürfte heute ein Mann zwischen sechzig und siebzig Jahren sein. Er hat schneeweißes Haupthaar und ebensolchen Schnurrbart. 'Er ist eine schlanke, hagere, elegante, sehr beweg liche Erscheinung. Er spricht sehr lebhaft und macht den Ein druck, ein Redner zu sein. Er war ebenaus Deutschland zurückgekehrt und noch voll von den dort gewonnenen Ein drücken. „Haben Sie in Deutschland Studien über die dortige Marine gemacht?* 'Lockroy: „Ich besuchte die drei wichtig st enKriegs- häfen Deutschlands: Kiel, Wilhelmshaven und Danzig. Ich besah mir auch die Schichau'schen Werften in Elbing. Ich bin voll Bewunderung für das, was ich in Deutschland gesehen. Wie musterhaft ging doch Alles von statten, was mit der China-Expedition zusammenhing! Die Deutschen nahmen einen ganzen Eisenbahnzug, nahmen ganze Werkstätten nach China mit . . . Zunächst will ich hervorheben, daß mir von Seiten der deutschen Staatsmänner und Marine-Behörden überall der aus gezeichnetste Empfang ward. Was sind doch die Officiere der deutschen Marine für gediegene und kenntnißreich« Männer! Und auch die Be satzungen sind vortresflich. Und welch' herrliche Or ganisation hat die deutsch« Marin«! Ich stehe nicht an, zu sagen, daß Vieles dort musterhaft ist und anderwärts eingeführt zu werden verdiente. Und dann, die Deutschen haben sich alle guten Einrichtungen anderer Staaten rasch zu eigen gemacht — mir selbst bot eS nicht geringe Genugthuung, Manches von Deutsch land angenommen zu sehen, was ich als Minister in die fran zösische Marine «inzusühren, für gut befunden. Auch was die Avancements-Verhältnisse in der deutschen Marin« anbelangt, so wetde ich den Franzosen empfehlen, darin Mancherlei nachzu ahmen.* „Und meinen Sic, daß die deutsche Marine in gewissen Ein richtungen sogar die englische überbiete?" Lockroy: „Gewiß ist «s s o. Freilich, die deutsche Marine ist noch jung, und England hat die erste Flotte der Welt. Häfen wie Portsmouth und Woolwich machen einen gewaltigen Eindruck." „An welcher Stelle rangirt nach Ihrer Auffassung die deutsche Marine?" Lockroy: „Deutschland nimmt heute den dritten Platz in Europa ein. Er st England, dann Frankreich, dann Deutschland. . ." „Also Sie geben der deutschen Marine den Vorzug vor der russischen und vor der italienischen?* Lockroy: „Fa wohl, und es ist keineswegs die Möglichkeit ausgeschlossen, daß Deutschland, wenn es einmal die projectirten zwei Milliarden für Vie Marine geopfert hat, die zweite Flotte der W«lt besitzen wird. Ich habe «inen u n - geheuren Patriotismus allerwärts in Deutschland angetroffen. Alle scheinen bereit, dem deut schen Kaiser in seinen großen Plänen und Unternehmungen zu secundirrn. Fm U«brigen ist Marin« eine Geldfrage. Wenn Frankreich, das glücklicher Weise reich ist, nicht große An strengungen betreffs der Flotte macht, so ist die Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, daß es an Vie dritte Stelle rückt. Die ganz« Zukunft Frankreichs beruht auf feiner Flott«. Die Küsten unsere» 'Landes sind ungeheuer langgestreckt; dann, wir sind ein großes Colonialreich, haben Besitz in drei Welttheilcn. So sind wir denn mit unserem Handel und unserer Politik zugleich auf das Meer angewiesen. Di« Flotte ist ein« Lebensfrage für unS." „Und die russische Flotte?" Lockroy: „Sie rangirt nach der deutschen. Sie hat bis jetzt mehr ihren Beruf einerseits im baltischen, andererseits im Schwarzen Meere gehabt, und war hier wie in zwei S«en «inge- schlossen. Nun strebt sie hinaus nach den Gowässrrn OstafienS — Wladiwostok! — Port Arthur!" „Wie denkt man in Frankreich über di« Zurückziehung der russischen Truppen aus Peking?" Lockroy: „Man hat sich in Frankreich keineswegs dafür zu erwärmen vermocht. Außer dem allgemeinen Motiv, daß die Chinesen, wenn sie nicht gründlich gedewüthigt werden, in den Europäern di« Geschlagen«» sehen wcrden, kommen noch für un» Franzosen unsere speciellm ostasiatischen Interessen in Betracht. Wie leicht könnten die Chinesen, wenn di« civilisirtm Staaten nicht gründlich« Abrechnung mit ihnen halten — natürlich meine ich, daß wir dabei mehr der Gerechtigkeit genug thun, cklL daß Rache innerhalb barbarischer Formen genommen werde — wie leicht könnten sie den Versuch machen wollen, unS aus Süd-China zu verdrängen. Wir könnten in unserem Besitze in Tonking und Anam gefährdet werden, wenn Frankreich nicht beitrüg«, an dem Werke der Vergeltung gegen China theilzunrhmen, da» sich so schwer an der Civilisation vergangen hat." „Wie denkt man in Frankreich über die Betrauung deS Grafen Waldersee mit dem Oberkommando?" Lockroy: „Nun, offen gesagt, die etwaige Betrauung eine» französischen Generals hätte Wohl in der Welt weniger An fechtung erfahren. Frankreich sucht in Nord-China, daS der Schauplatz der Begebenheiten ist, nichts, gar nichts für sich. DaS Oberkommando eine» französischen Generals wäre also weniger Kritiken ausgesetzt gewesen, al» die Bestellung eines Engländers oder Rusten, und auch Deutschland hat eben mehr Interessen in Nord-China, al» Frankreich, und so erfährt auch Graff Walder- see's Bestellung einige Anfechtung." „Aber im Ganzen gehen ja Frankreich und Deutschland in gutem Einvernehmen in China vor?" Lockroy: „Sicherlich! Und ich meine, Deutschland selbst hätte «S gar nicht ungern gesehen, einen französischen General zum Obercommandanten der alliirten Truppen bestellen zu lassen. Ein« Anregung in dieser Richtung scheint sogar von Deutschland ausgegangen zu sein." „Darf man in der Unparteilichkeit und in dem Wohlwollen, mit dem Sie, mein Herr, heute zu mir über Deutschland sprechen, ein Zeichen dessen sehen, daß die öffentliche Meinung in Frankreich überhaupt jetzt mehr als früher geneigt ist, Deutschlands Absichten mit Ob jektivität und Wohlwollen zu beurtheilen?" Lockroy: „Ohn « Zw «ifel hat sich in den Beziehungen beider Länder zu einander einUmschwungzumBesseren vollzogen. Wie gesagt, ich habe während meiner Reise durch Deutschland nirgends ein Symptom von Abncigung gegen Frank reich vorgefunden." „Halten Sie eS für möglich, daß das Wort des verstorbenen Fürsten Bismarck zur Wahrheit werden könnte: Ein Bündniß zwischen Deutschland und Frankreich wäre di« größte Wohlthat für die Civilisation?" Lockroy: „Wer vermöchte vorauszusagen, was die Zukunft bringt? In der Politik wird oft das Unwahrscheinlichste wahr scheinlich." Oie Wirren in China. Au» Tientsin meldet daS Reuter'sche Bureau: Eine Erklärung des Feldmarschalls Graf Waldersee, die die militärischen Ereignisse seit der Uebernahme deS Ober kommando- durch ihn znsammenfaßt, bezeicknet als Grund der Verzögerung der Uebernahme die Ausschiffung der Trans portmittel und die Schwierigkeit deS Zusammen wirken» der verschiedenen Truppentbeile. Jetzt sei die Lage zufriedenstellender. Die activen Operationen seien mit der Expedition nach Poatingfu ausgenommen worden. Er sei der Ansicht, daß die Untbätigkeit der Chinesen eine Ki«eg»list sei, ui- Wecker« Offensivmaßnahmen thunlichst zu verdecken. * Tientsin» 15. October. (Telegramm.) Generalfeld- marschall Graf Waldersee ist am 14. October früh mit seinem Stabe nach Peking aufgebrochen. (Wiederholt.) Ein Attentat auf -en Kaiser von China soll versucht worden sein. ES wird uns darüber berichtet: * Frankfurt a. M., 1». Oktober. Tie „Frkf. Ztg." berichtet aus Shanghai: Wie ein kaiserliches Eüict niittheilt, ist versucht worbe», denKaiser Kuangkü auf seiner Reise nach Siuganiu zu ermorden. Ter Atten täter sei, bevor er den Kaiser habe verletzen können, fest genommen und enthauptet worden. (Wiederholt.) Der Attentatsversuch, wenn er wirklich stattgefunden bat, würde die sich immer mehr häufenden Meldungen von einer weitgreifenden Erhebung gegen die Mandschu- Dynastie glaubwürdiger erscheinen lassen, aber vielleicht bat da« kaiserliche Edict nur den Zweck, sie glaubhaft zu machen. Der Aufstand müßte natürlich von den kaiserlichen Truppen unterdrückt werden, waS die Concentration großer chine sischer Streitkräfte rechtfertigen und — unauffällig machen würde. Im Grunde würden sie aber gegen die Fremden zusammengezogen. Wer will von bier au- entscheiden, was wabr, was falsch ist! Stehen große Theile der Südprovinzen wirklich gegen die Mandschu-Dynastie auf, dann hätten die Verbündeten leichtes Spiel, und der Kaiser thäte am besten, sich nach Peking unter den Schutz der Mächte zu flüchten. Aber neuere Meldungen wollen ja wieder wissen, daß er auf dem Weg inS Innere seine« ungeheuren Reiches begriffen ist. Weitere Nachrichten: * Loudon, 15. October. (Telegramm.) „Daily Chronkcle" berichtet au» Hongkong unter dem 14. October: Die kaiser- lich chinesischen Truppen haben die Stadt Weischon zurück erobert, die von den Aufständischen der Provinz Kwantung genommen worden war. * Berlin, 15. October. (Telegramm.) Da» Kriegsministerium theilt über die Fahrt der TruppentranSportichiffe mit: Die „Darmstadt" ist am 12. d. M. vor Taku eingetroffen. * Berlin, 15. Oktober. (Telegramm.) Nach amtlichen Nachrichten ist Tsingtau gestern von einem heftigen Wirbel- sturme heimgesucht wordru, der viel Schaden angerichtet hat. DaS Gouvernement ist daran nur mäßig betheiligt. * London, 15. October. (Telegramm.) „Standard" berichtet au« Shanghai: Durch »inen gestrigen Wirbelsturm sind 16 Gebäude beschädigt worden. Eine Person soll getödtet, acht Personen sollen verletzt worden sein. Die „Times" veröffentlichen den ersten Theil d«S Tagebuches ihre» Berichterstatter» vr. Morisson in Peking. ES heißt darin über die Ermordung de« Frhru. v. Ketteler: Am 20. Juni Vormittags versammelte sich da» diplomatische CorpS in der französischen Gesandtschaft, um abermals über die Sache zu berathen und Kenntniß zu nehmen von der Ant wort deS Tsung li Damen» auf die Forderungen deS diploma tischen CorpS hinsichtlich der Schutzmaßregeln, welche die chine sische Regierung für den Rückzug nach Tientsin angedeihen las sen wollte. ES war seitens der chinesischen Regierung keine Antwort eingetroffen. Einer der Gesandten machte den Vor schlag, sich ia corpore nach dem Tsung li Damen zu begeben. Der Antrag fand aber keine Annahme, ein Glück, denn sonst wäre die schrecklichste Niedermetzelung erfolgt, die die Welt geschichte je zu verzeichnen gehabt batte. Einige Augenblicke später verließen zwei Tragstühle die französische Gesandtschaft, um sich nach dem Damen zu begeben. Im ersten befand sich Frhr. v. Ketteler, der gut chinesisch sprechen konnte, im zweiten der Dolmetscher Cordes. Die Nachrichten laufen schnell in Peking, denn 4 Minuten später kam mein Boy zu mir und rief: „Der deutsche Gesandte ist ermordet worden!" Es war richtig, der deutsche Gesandte war durch einen chinesischen Officier erschossen worden. Eine Patrouille von 15 Mann ging unter ver Führung des Frhrn. v. Soden ab, um die Leiche aufzuhcben, mußte sich aber vor den Kugeln der chinesischen Gewehre unverrichteter Sache zurückziehen. Cordes, der später krank daniederlag, erzählte mir den Hergang folgendermaßen: Als wir die fran zösische Gesandtschaft verlassen hatten, kamen wlr zuerst an der österreichischen Gesandtschaft vorüber und traten dann in die Hadahmanstraße ein. Vor der belgischen Gesandtschaft befanden wir uns in der Nähe eines Polizeipostens. Ich sah in diesem Augenblick einem Fuhrwerk nach, das eben an dem Tragstubl meines Herrn vorbeifuhr, als ich plötzlich drei Schritt vor mir ein schreckliches Schauspiel sah. Ein Mandschu in großer Uniform mit einem M a n d a r i n e n h u t mit blauer Feder legte sein Gewehr auf Frhrn. v. Ketteler an. Er drückte, als er sich in einer Entfernung von einem Meter be fand, ab, und der Schuß fiel. Erschreckt hieß ich meine Träger halten; ich stieg aus und bemerkte, daß v. Ketteler's Stuhl ver lassen in der Straße stand. Im selben Augenblick erhielt auch ich einen Schuß. Ich sah ein, daß das geringste Zögern ver- hängnißvoll wäre und lief in nördlicher Richtung davon, während hinter mir weitere Gewehrschüsse fielen. Ich wandte mich noch mals um und sah den Sessel noch am selben Fleck stehen. Ich wurde von zwei mit Lanzen bewaffneten Männern verfolgt, da bei verlor ich den Weg und hörte hinter mir die Rufe: es ist ein Fremder, er hat nur erhalten, was er verdient hat. Niemand zeigte mir den Weg, endlich wies mich ein Verkäufer nach der Gesandtschaftsstraße, und eine halbe Stunde nach der Ermor dung meines Gesandten kam ich in der amerikanischen Gesandt schaft an, wo ich in Ohnmacht fiel. Von da wurde ich nach der deutschen Gesandtschaft gebracht. Der Mörder war kein Räuber, sondern ein kaiserlicher Soldat in großer Uni form. Seine Leute hatten in der Nähe des Polizeipostens Auf stellung genommen, der unter dem Befehl des Militärkomman danten von Peking, Changli, steht. Die'Polizeibeamten waren Zeugen des Vorfalles. Ich bekräftige, sagte Cordes, daß der Mord an dem deutschen Gesandten vorbedacht war und durch «inen kaiserlichen Soldaten auf Beseht von hohen kaiserlichen Beamten begangen worden ist. Sine Unterredung mit einem Mitkämpfer in Peking. Aus Shanghai, 6. September, erhält die „Frkf. Ztg." folgenden interessanten Bericht: Von den Personen, die in Peking eingeschlossen waren, be findet sich augenblicklich Herr Bismarck hier und ich habe Gelegenheit gehabt, ihn zu sprechen. Herr Bismarck hat während der Belagerung ein interessantes Tagebuch geführt, und als der deutsche Gesandte v. Mumm nach meinem Interview von der Anwesenheit des Pekingkämpfers erfuhr, nahm er das Tagebuch für den Kaiser in Anspruch, an den es mit der gleichen Post geht, mit der dieser Artikel abgeschickt wird. Ich fand Herrn Bismarck gelund, wenn auch nicht frisch auS- sehend. Zahlreiche Geschwüre sind die Folge jedes Fehlens von frischem Gemüse. Die Vertheidiger der Gesandt schaft hatten mit Pferdefleisch und Reis vorlieb zu nehmen. Da auch die Garderobe unter den Unbilden der Witterung und permanenter Kämpfe natürlich stark gelitten hatte, so trug Herr Bismarck einen Flanellanzug, dessen Eigenthümer er nicht sein könnt«, da er viel zu groß für ihn war. Auf meine Frage er zählte er mir, daß eseinAnzugdesermordetenHerrn v. Ketteler fei. Die unglückliche Gattin des Gesandten, die mit großer Tapferkeit ihren Anfangs mit elementarer Gewalt auSbrechenden 'Schmerz niederkämpftc, hatte die Kleidungsstücke ihres Gatten zur Verfügung gestellt. Immer aber hoffte sie noch, daß ihr Mann doch noch lebe und sich in chinesischer Gefangen schaft befinde, eine Hoffnung, die, wie man wohl sagen darf, sich glücklicher Weise nicht bestätigte, denn das Beste, was unter den obwaltenden Umständen Herrn v. Ketteler zu Theil werden könnt«, ein sofortiger Tod, hat ihn sicherlich vor einem grau samen 'Geschick bewahrt, wie englische Journalisten es sich schon ausgemalt hatten. Gegen diese Journalisten herrscht unter den Geretteten eine große Erbitterung. Man kann das wohl begreifey, denn es muß aüf das Tiefste empören, zu hören, daß einer dieser Herren die Folterqualen Ketteler's genau schilderte, ein Anderer die Damen der überwältigten Ge sandtschaft in das Innere Chinas in schlechte Häuser schleppen, ein Dritter endlich alle Vertheidiger, nachdem sie ihre letzte Munition zum Erschießen von Frau und Kind benutzt, unter den Säbeln der Boxer ihr Leben aushauchen ließ. Leute, die derartig« Geschichten erfinden, sind Verbrecher und sollten wicht im Journalistenstande geduldet werden. — WaS den Dolmetscher Cordes anbelangt, so hat er in erster Linie dem Umstande, daß er in seiner Sänfte aufgesprungen war, zu danken, daß er sich noch am Leben befindet. Wäre er sitzen geblieben, so wäre der Schuß, der ihn traf, wie bei Ketteler, durch d«n Kopf gegangen. DaS Personal der Gesandtschaften, die natürlich nach Ketteler's Ermordung durch die kaiserlich chinesischen Truppen jeden 'Gedanken daran aufgaben, sich dem Wunsche der chinesischen Regierung gemäß von derartigen Mordgesellen «s- cortiren zu lassen, verlor in dem Schrecken des Augenblicks durchaus nicht den Kopf. Zunächst galt es, sich auf eine Be lagerung vorzubereiten, und das that man, indem man kurz entschlossen aus allen Privat- und Geschäftshäusern der Gesandt schaftsstraße an Lebensmitteln zusammenschleppte, wa» aufFutreiben war. Ein wahres Glück, daß man daran dachte, sonst hätten die enqlischenGreuelberichterstatter mit ihrer grausen Schilderung der Endes der Europäer, Japaner und Amerikaner wohl Recht behalten. Am meisten zeichnete sich dabei der Wirth de» „Pekinghotels", Herr Schamot, ein Schweizer, auS, dem es gelang, große Mehlvorräthe züfammenzubringen. Herr Schämst hat sich auch mit seiner ihm an Tapferkeit und Energie vollständig ebenbiirdigen Gemahlin an dem Zuge zur Rettung der belgischen Ingenieur« betheiligt. Mann und Frau, Beide gute Schützen und Reiter, waren sie zur Rettung ihrer Mit menschen hinausgezogen. Di« Schilderung des tapferen Ehe paares möchte ich mit Herrn BiSmarck's eigenen begeisterten Worten wiedergeben: „Sie schoß genau so gut, wie wir selbst, und backte für uns alle vorzügliches Brod. Ihr Mann war ein vor züglicher Schütze und wußte durch seinen nie versagenden Humor
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