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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtsLmter u. der StadtrLthe zu Freiberg u. Brand, 290. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen«. Ab. 6U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. Il U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, 14. December. Prei« viertelsährl. 2» Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 1 Ngr. berechnet. 1872. ll -f- Freiberg, den 13. December 1872. Allgemein wird der Rücktritt des Kriegsministers Grafen Roon als vollendete Thatsache bezeichnet. Roon war ein Theil jenes Dreigestirns am politischen Himmel Deutschlands, welches unter der Firma „Bismarck - Moltke - Roon" sich für alle Zeiten ein bleibendes Andenken in den Analen der Geschichte zu wahren wußte. Wohl schwerlich haben Diejenigen Recht, die seinen Rücktritt mit der Abstimmung im Herrenhause in Verbindung bringen. Es ist wahr, Graf Noon stimmte gegen die neue Kreisordnung und somit gegen die Regierung. Dasselbe that aber auch Graf Moltke. Hätte den Einen die Ungnade des Hofes getroffen, so konnte der Andere davon nicht verschont bleiben. Bisher sind aber nicht die geringsten Anzeichen vorhanden, daß Graf Moltke seine Entlassung nehmen werde. Nein, der Rücktritt Roons entbehrt politischer Motive und ist lediglich auf die Thatsache zurückzuführen, daß Roon seines hohen Alters wegen schon längst sich mit dem Wunsche trug, die Bürde seines Amtes auf jüngere Schultern abzuladen. Wiewohl der Staat in ihm einen Mann von seltenen Geistes gaben und großer Charactertüchtigkeit verliert, fällt es uns den noch schwer, unsere Anerkennung in warme, herzliche Worte zu kleiden. Graf Roon zeigte während seiner ganzen Amtsführung, daß er auf Popularität, auf Zuneigung des Volkes nicht den ge ringsten Werth legt. Es könnte aufdringlich erscheinen, ihm jetzt mit dem Ausdruck eines solchen Gefühles lästig zu fallen. Die Kämpfe, welche er mit dem preußischen Abgeordnetenhause in der Conflictszeit bestand, scheinen ihm das Herz verbittert zu haben. Starr und schroff war und blieb seine Stellung gegenüber der Volksvertretung. Während Fürst Bismarck in den großen Erfolgen des Krieges vollen Ersatz für die früher ihm bereiteten Schwierig keiten fand, scheint seinem College« die Erinnerung an das frühere Ungemach die Freude an den späteren Resultaten vergällt zu haben. Ein Kranz von Anecdoten schlingt sich um jeden der hervorragen- ideren deutschen Generale, nur vom Grafen Roon bewahrt die Ge- chichte nicht einen Zug, der ihn uns menschlich näher rückte. Dagegen bleibt ihm ein rühmlicher Platz als Schriftsteller, als Parlamentsredner, ein unvergänglicher Ehrenplatz als Organi sator gesichert. Er war es, welcher die Wissenschaft der Erdkunde weiter führte und verbreitete; vielleicht war er der Erstes welcher sie für die Militärwissenschaft fruchtbar machte. Als Parlaments redner zeigte er eine seltene Beherrschung der sprachlichen Form. Obwohl jeden rhetorischen Schmuck verschmähend, war Graf Roon auch den bedeutendsten Rednern als Gegner gewachsen. Als Organisator führte er nicht nur die Reorganisation der preußischen Armee durch, sondern erweiterte letztere zur norddeut schen und schließlich zur deutschen Armee. Der Rahmen des von ihm geleiteten Instituts wuchs während seiner dreizehnjährigen Amtsführung um das Dreifache, ganz abgesehen von den großen Thaten, welche die Armee in dieser Zeit ausgeführt. Zur Characteristik des scheidenden Ministers wollen wir eine Episode aus den früheren Verhandlungen des Abgeordnetenhauses erwähnen. Als über die Zukunft der Landwehr unter den Ver tretern des preußischen Volkes große Besorgniß herrschte, und der Abg. Gneist den Kriegsminister aufforderte, auch nur ein Landwrhr- bataillon in voller Ausrüstung auf dem Berliner Dönhofsplatze aufmarschiren zu lassen, erwiderte Roon: „die Lösung dieser Auf gabe macht keine Schwierigkeit, denn kein Mann ist unbewaffnet, kein Mann geht barfuß." Damals schüttelten Viele ungläubig den Kopf. Aber seit jener Zeit ist nicht ein Landwehrbataillon, nein wohl hundert sind aufmarschirt, nicht auf dem Dönhofsplatze zu Berlin, sondern ans dem weiten Raum von der Memel bi- zur Marne, und kein Mann ging barfuß. Mit zahlreichen Ehren ausgestattet, scheidet Graf Roon jetzt vom Schauplatze. Möge sich bei ihm zum Ruhm die Freude ge sellen, damit dem Abend seiner Tage beschieden sei, zu erkennen, wie sein Leben wohl verdient hätte, von ihm öfter mit einem Lächeln begrüßt zu werden. Tagesgeschichte. Berlin, 11. Dec. Eine ofsiciöse Correspondenz der „Schles. Ztg." beleuchtet heute das Verhalten, das der Alterspräsident des Herrenhauses, Herr v. Frankenberg-Ludwigsdorf, der KreisordnungS- vorlage gegenüber beobachtet hat, in folgender Weise: „Es ist nun erwiesen, daß derselbe sowohl die Amendements unterzeichnet, als auch bei den Abstimmungen vom Sonnabend und Montag mit der Opposition gestimmt hat. Die Vermuthung, daß der Name deS Herrn v. Frankenberg-Ludwigsdorf aus Versehen unter die Amen dements gesetzt worden sei, stützte sich äußerlich auf den Umstand, daß er bald Graf v. Frankenberg, bald Herr v. Frankenberg-Lud wigsdorf genannt wurde, innerlich aber auf die Thatsache, daß er der Empfänger eines Briefes Sr. Majestät war, der mit so über zeugenden Gründen von der Opposition gegen die KreisordnungS- vorlage abrieth, daß es fast unmöglich schien, daß ein loyaler Unter- than nicht hätte darauf hören sollen. Im Parteileben gestalten sich indessen die Dinge oft anders, als es sich die schlichte Loyalität vorzustellen vermag. Herr v. Frankenberg-Ludwigsdorf hat in der Kreisordnungsfrage von Hause aus der Opposition angehört, und ' von diesem seinem Standpunkte aus hat er dem König geschrieben und in seinem Schreiben die Bitte vorgelegt, er möge die Kreis- , ordnung zurückziehen lassen. Der König hat sich herabgelassen, , dem einzelnen Unterthan auseinander zu setzen, warum er nicht auf seine Bitte eingehen könne, und hat ihn seinerseits ersucht, sich der Ansicht des Staatsoberhauptes anzuschließen und seinen Einfluß auf seine Parteigenossen dahin zu verwenden, daß auch diese sich mit der Vorlage aussöhnen möchten. Herr v. Frankenberg hat in dessen die Ansicht seiner Partei höher stellen zu müssen geglaubt, als die Ansicht des Königs und seiner Regierung, und hat darum nach wie vor die Kreisordnung bekämpfen helfen. Er hat di» Gründe für dieses sein Verhalten Sr. Majestät in einem zweite« Briefe freimüthig vorgelegt. Wir wollen ihn deshalb nicht tadeln, aber wir glauben, daß er uns verzeihen wird, wenn wir dieses Verhalten von seiner Seite für unmöglich hielten." — Die geschäftliche Organisation des Generalpostamts hat bekanntlich vor Kurzem (auf Grund einer Denkschrift des General postdirectors) eine Aenderung erfahren. Diese Denkschrift führt aus, daß sich der Geschäftskreis der obersten Postverwaltung während der letzten Jahre in großem Maßstabe erweitert hat. Seit End» 1849, wo etwa 1700 preußische Postanstalten mit einem Gesammt» personal von 14,500 Köpfen vorhanden waren, ist die Zahl der Postanstalten im Deutschen Reichsgebiete auf 5674 gestiegen, mit einem Personal von 48,000 Köpfen. Die Postsendungen hab«» sich von jährlich 68 Million»» auf 46d Millionen vermehrt. Ditz s