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Nr. LL4 — Lv. Jahrga«- Tonnrag den I. Oktober IVN <7r1»emt täglich nachm. mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. «iiSgabe -1 mit .Die Zelt in Wort und Bild- viertcljShrlich 2,10 4t. In Dresden durch Boten 2,40 4t. An ganz Deutschland frei Haus 2,52 4t-, in Oesterreich 4,4» L «»sgabr » ohne illustrierte In Dresden durch Boten 2 Haus 2,22 4t; in Oesterreich Beilage dierteljShrlich 1.80 4s. ,10 4t. In ganz Deutschland sret ich 4,07 L - Einzel-Nr. 10 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die Sgespaltene Petitzeile oder deren Raum mV 15 4. Reklamen mit 50 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholung-» entsprechenden Rabatt. Buchdrnilerei, Redaktion und Geschäftsstelle! DreSdcn, Pilluiher Ltraste 4». — Fernsprecher I»00 AiirRtiitgab« unverlangt. EchriftstiiikrkcineiYerbtndlichlel« Redaktion«.Sprechstunde: II btS 12 Uhr. Olli* * »>ckt mekr! » » » » » >Vo »oll Ick sie kinsckakken? 7..^I l Vre5äe», jslrt krauevstr LU 1». 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Bon dem türkisch-italienischen Kriege. Dresden, den 8v. September 1911 Die Antwort der Türkei auf das Ultimatum Italiens zeigte die Bereitschaft, über wirtschaftliche Zugeständnisse mit Italien zu v.'rhauoeln; aber es lehnt die wichtigste Forderung ah, daß der Okkupation von Tripolis und Eyrenaika kein Widerstano entgegengesetzt werde. Und so ist denn eingetreten, waS Italien wollte, der Krieg zwischen beiden Ländern. Jameson war ein kecker Räuber, als er in Transvaal einfiel. Aber er tat eS auf eigene Ver antwortung hni. WaS aber Italien hier unternimmt, ist geradcz > die Unverschämtheit des Räubers, der der fried lichen Türket die Pistole aus die Brust setzt und spricht: „Entweder gibst du das Land freiwillig her oder ich nehme eS mit Gewalt." Und daS geschieht in unserem fortge- schrittenen Zeitalter der Humanität und international n Friedenskonferenzen vor ganz Europa. Und Italien nennt sich einen Kulturstaal! — WaS werden die Mächte dazu sagen? Italiens Regierung hat in aller Stille feine Maßregel» gctioff.n. Nicht einmal am Donnerstag Hallen die übrigen Mächte Kenntnis von dem Ultimatum, das ganz unerwartet kam. Gewis; wäre ein allgemeiner europäischer Protest gegen Italien vonnöten. Aber die beiden mit Italien Verbündeten, Deutschland und Oesterreich-Ungarn, können keinen drohenden Protest wegen ihres Bündnisses erheben, ohne Italien vollständig in die Arme von Frankreich und England zu treiben: das aber verbietet die politische Klug heit. Sie können nur freundschaftliche Iiuerviewsversnche machen. Ihre diplomatischen Vertreter interviewen auch in Nom und Konstantinopel, um den Krieg zu vermeiden. Es scheint umsonst zu sein. Tie italienische Regierung möchte, wie es scheint — durch einige billige Siege Italiens Groß- machtstellnng befestigen. Bisher hat Marine und Heer nur Niederlagen erlitten. Custozza, Lissa, Mentone, Adua sind schwarze Gedenksteine. Ein billiger Lorbeer winkt nun den italienischen Waffen, wenn England nicht einen Strich durch die Rechnung macht! Zlvar kann die Türkei keine Truppen in Tripolis landen, denn die Küste ist durch 12 Kriegsschiffe blockiert, aber es kann durch Aegypten seine Truppen ans dein Landwege nach Tripolitanien marschieren lassen: denn Aegypten ist offiziell ein türkischer Vasallenstaat und von Rechts wegen darf dieser seinen bedrängten Souverän den Tnrchmarsch der Truppen nicht verwehren. Gestattet also England den Durchmarsch, dann kann die italienische Flotte ruhig nach Syrakus znrückfahren, denn in diesem Falle sind in Tripolis für die Italiener nur blutige Köpfe zu holen. Freilich beging England damit eine Treulosigkeit gegen Italien: aber solche Kleinigkeiten haben den Briten noch nie Gewisseiisbedenken bereitet, sobald sie davon einen Vorteil erlangen konnten. Die lügnerische Politik Englands ist sprichwörtlich. Aus der Parole, die Kiderlen-Wächtcr an die Presse ausgibt, geht hervor, daß er in der Tovpelstellung zwischen Italien und der Türkei den Schwerpunkt seiner Stellung nach der italienischen Seite zu legen scheint, als nach der wertvolleren. Ausschlaggebend dafür ist vor allem der Dreibundgedanke, obwohl man gleichzeitig ein Interesse daran hat, gerade diesen Gedanken möglichst aus dein Spiele zu lassen. Insbesondere hat man mit Oester reich zu rechnen, dessen Presse von Ansang an ausfallend leise getreten hat. Auch Frankreich dürfte nicht den Mut eines Protestes gegen Italiens Vorgehen finden. Zwar wird es über das eigenmächtige Vorgehen verblüfft sein. Denn es hat mit Bezug auf den Schritt, den die orientalische Frage in ver hängnisvoller Weise anfzurollen droht, gegen Frankreich und England vollständiges Schweigen bewahrt. ES ist nicht ausgeschlossen, daß das Vorgehen Italiens in Tripolis ver schiedene Gelüste anderer Mächte auf Gebietsteile der Türkei mächtig wecken wird. Da ist besonders Serbien, welches seit der Einverleibung von Bosnien und der Her zegowina auf Novibazar spekuliert. Und der Herr der Schwarzen Berge dürfte nicht zögern, stin kleines König reich um einen Lappen am Meere zu bereichern. Damit würde Oesterreich in Mitleidenschaft gezogen. So könnte das brüske italienische Vorgehen gegen Tr-polis vielleicht doch geeignet sein, den zündenden Funken in das Pulverfaß zu werfen, der einen Weltkrieg entbrennen lassen würde. Ist das Tripolis, ist das Italien wert? Se'bst die englische Presse wendet sich gegen das „italienische Abenteuer", und England hat wahrlich allen Grund dazu, den Islam nicht so schroff herausfordern zu lassen, daß in allen, auch in den englischen Besitzungen „die grüne Fahne des Propheten" anfgerollt wird. Für das Anfflainmen des mohammeda nischen Fanatismus mit seinen Massakres gegen die Christen würde dann Italien die Hauptverantwortnng zu tragen haben. Wir sind gewiß keine Freunde der Mohammedaner. Aber wir dürfen, auch die Macht des Islams nicht unter schätzen und uns der Gefahr nicht verschließen, daß dieses brutale Vorgehen Italiens dem Ansehen und der Aus breitung des Christentums unter den Mohammedanern viel leicht auf Jahrhunderte hinaus einen unwiederbringlichen Schaden zufügt. Ist das Tripolis wirklich wert? Aber was kümmert sich die gegenwärtige Negierung Italiens um das Christentum und christliche Interessen? Soweit wir die Stimmen der deutschen Presse verfolgt haben, wird das brüske Vorgehen Italiens in dieser Tripolis-Angelegenheit entschieden verurteilt, und ans die Sympathie der deutschen Presse wird die italienische Regierung bei ihrem völker rechtswidrigen und friedensgefährlichen Vorgehen gegen die Türken ii i ch t rechnen können. , , , * * * Alle Telegramme aus Italien, ins Ausland besonders, werden konfisziert oder verstümmelt. Man droht der Presse mit dem Hochverratsparagraphen, wenn man irgend etwas über die militärischen Vorbereitungen zur Tripoliserpe- dition verlauten lasse. Tie militärischen Vorbereitungen sind übrigens ganz durchsichtig. Eine Division des italienischen Geschwaders kreuzt im Aegäischen Meer, um türkischen Truppentrans porten die Landung in Tripolis zu verwehren, dis anderen Teile der Flotte sammeln sich in Cagliari und Augusta. Oberbefehlshaber ist der Vizeadmiral Aribry. Diesem Flottenanfgebot steht ein Expeditionskorps zur Seite, das in erster Linie anS 30 000 Mann besteht aber auf 60 000 Mann gebracht werden kann. Das Kommando führt der Heeresinspekteur Generalleutnant Canera Zum Trans port dieses Korps stehen genügend Schüfe zur Verfügung, weil solche beizeiten bei allen Gesellschaften gechartert wur den. 12 italienische Kriegsschiffe warfen vor Tripolis Anker. Tie italienische Negierung hat die Kriegserklärung in Konstantinopel telegraphisch notifiziert und dem italie nischen Geschwader "in Freitagabend den Befehl erteilt, in Aktion zu treten. Nach Vlättcrineldnngen aus Tripolis näherten sich am Freitag nin 10 Uhr vormittags die italie nischen Kreuzer den Kais. Ein italienischer Torpcdoboots- ,Zerstörer lief um ll Uhr vormittags in den Hafen ein. Seine Ankunsi ,nachte auf Türken und Araber ungeheueren Eindruck. Unter Vorantragmig der weißen Fahne ging eine italienische Abordnung an Land, die dem türkischen Befehls haber in höflicher Form ankündigte, die italienische Flotte habe den Befehl erhalten, die Stadt zu besetzen. Deshalb verlange sie die sofortige Ucbergabe der ganzen Garnison. Den Nichtkämpfern wurde eine Frist von sechs Stunden zum Verlassen der Stadt eingeränmt. Der türkische Koni Der zweite Band von Grisars „Luther-. Als von Grisars Lutherwcrke der erste Band erschie nen war, ließ sich Harnack dahin vernehmen, das sei noch nicht der „Luther" von katholischer Seite an, mit dem die Protestanten zufrieden sein könnten! Ob er mit dem so eben ausgegebenen zweiten Bande, der den Reformator auf der Höhe seines Lebens behandelt, zufrieden sein wird, trotz der hohen Anerkennung, die Grisar den glänzenden Gaben Luthers zollt? Zahlreiche Luthcrfabeln, wie sie hüben und drüben kolportiert werden, was bei dem Streit um Denifle offen zutage trat, werden abgetan. Wir nennen nur die drei un ehelichen Kinder, die böse Nachrede dem Reformator einge hängt hat, das Mürlein von den wilden Orgien, die Luther mit entlaufenen Nonnen gefeiert haben soll, die intimen Beziehungen zu der Frau Cotta und vieles andere mehr, was man bei Grisar selbst Nachlesen mag: hier sei nur ge nannt der „gute Trunk", der in der Lnthcrpolcmik eine so große Rolle gespielt, und den man seit Evers noch aus der Unterschrift „Doktor plenus" beweisen wollte, was Grisar nach gründlicher Prüfung an Ort und Stelle in Rom als Dr. Johannes liest. Aber auch an so manche auf der anderen Seite liebge- wonneiie Lutherfabel muß Grisar das tödlich schneidende Messer der geschichtlichen Kritik ansetzen: Luther, der deutsche Patriot, wer kennt ihn nicht in den Lobreden seiner An hänger und Verehrer? Gewiß manch schönes Wort über die guten Eigenschaften der Nation hat Luther gesprochen, und sehr hat er es verstanden, den deutschen Nationalgeist gegen die alte Kirche aufzupeitschen, so daß sein Kampf erschien als Kampf zwischen Deutschtum und Welschtum, aber „viel entscheidender als solche günstige Urteile ist für daS Thema „Luthers Deutschtum" seine ganze öffentliche politische Hal tung in den Fragen, die den Bestand, die Einheit und Größe des Vaterlandes betrafen. Hier hat ibm seine religiöse Stellung zu beklagenswerten, den wahren Interessen des Deutschtums entgegengesetzten Schritten aeführt" <76). Auch die Legende von Luther, dem Reformator der Ehe und der Achtung der Frau sinkt dahin. Denn daß durch ihn und die von ihm konzedierten Trennungsgründe das ehe liche Band gelockert wurde, sollte fürder nicht mehr bestritten werden, und daß die weiteren von Luther ausgestellten Grundsätze über die Ehe nicht zur Hpchachtnng vor der Fra» führen konnten, ebenfalls nicht. Vollends die Gewährung der Bigamie in dem hessischen Toppelehehandel, die bereits auch von Protestanten als eine schwächliche Konzession des alternden Mannes, die seinem ganzen Werke nicht zur Ehre gereicht, zugegeben wird! Grisar hat hier eine ganze Reibe protestantischer Urteile zusaniinengestellt und zeigt die Hin fälligkeit des Versuches, für diese Nachgiebigkeit und Schwäche Luthers seine katholische „Belastung" haftbar zu machen, und die Lächerlichkeit, hier von einem „Beichtrat" zu sprechen. „Luther hat die Ehe nicht, wie man gesagt hat, zu einer höheren Würde gebracht, als sie im Mittelalter be saß. Kein Vorwurf gegen bie vorangegangenen katho lischen Zeiten ist ungerechtfertigter, als daß sic der Ehe nicht den ihr gebührenden Rang zucrkannt, sie gering ge schätzt und sogar als sündhaft betrachtet hätten" (218). Ver gleiche außerdem das Kapitel: „Die Frau entwürdigt im Mittelalter und durch Luther erlöst?" (481 kr.). Abschwächungsvcrsnche sind auch gemacht worden an dem Worte „Sei ein Sünder und sündige tapfer, aber tap ferer glaube." Das sei nur eine paradoxe übertreibende Darlegung seines Standpunktes, wie eS ja Luther liebe, die Dinge auf die äußerste Spitze zu treiben. Das ist alles richtig. „Anderseits aber kann der enge Zusammenhang der be fremdlichen Worte (in einem Briefe an Mci nchthon) mit seinem ganzen System von Sünde und Gnade nicht geleug net werden: sie sind bloße Rhetorik . . . die Worte enthal ten eine starke Selbstvernrteilnng der lutherischen Recht- fertigiingslchre ... cs ist tragisch, daß er fast wörtlich das gleiche Brandmal, das in obigen Worten lieg!, seiner Haupt- lehrc aufdriickt, sowohl bei der ersten Anssprache derselben i» seinen Briefen, nämlich im Schreiben an Georg Spcn- lein von 1616, als wieder in einem seiner spätesten Trost- sthreiben an einen von Gewissensängsten gequälten Freund, Georg Spalatin (161)." „Will man gleich, um Luther nicht unrecht zu tun, noch so lebhaft sich die Warnungen vor der Sünde in seinen Schriften, auch den damaligen, vorstellen, bringt man auch noch so weitherzig den Einfluß seiner Rhe torik in Anschlag, es stellt sich das „I'ai-en lcii-iitc-r" doch immer hauptsächlich dar als Wirkung eines gewaltsam sich aufbäuinendeii Trotzes gegen die überkommene Auffassung von Sünde und Gnade, mit der seine eigene Nechtferti- gungslehre nun einmal sich nicht vereinigen ließ. In den unheilvollen Worten gipfeln die oben durch viele seiner Acnßerniigen bestätigten praktisch-religiöstn Ideen Luthers, die auf Kosten der sittlichen Anforderungen der menschlichen Freiheit und Ungebundciiheit entgegenkoinineii" (S. 162). Daß da ein sehr wnnder Punkt der lutherischen Lehre vorlicgt, bestreitet znm Beispiel der protestantische Theo loge W. Köhler (Katholizismus und Reformation, Gießen 1906) in keiner Weise: „Wenn die katholische Forsckying hier immer wieder eingrcift, so werden wir das ehrlick-e Zuge ständnis machen müssen, sie führt keine Lufihiebe. hier lie gen Mängel vor" (S. 68). (Schluß folgt.)