Volltext Seite (XML)
MsdmfferÄWblatt für. Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in Ler Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 BW. im Monat, bei Zustellung durch Lie Boten 2,so RM., bei Postbestcllung 2 RM. zuzüglich Abtrag« » gebühr. Einzelnummern UMofg.AllePostanstaltcn 2öü0b0nbla1t fük Wiisvruff tt- Ulllsiögenv PostbotcnundunsereAus- trägerundDeschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Kr cg oder sonst. Betriebsstörungen besieht kein Anspruch auf Lieferung Ler Zeitung oderKürzung Les Bezugspreises. — Rücksendung emgesandterSchriststücke erfolgt nur, wenn Porto betliegt. werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr 6 d-kn^^"^^e» annahmebis«orm.10Uhr. — — ' r» berückstchtigt. Anzeigen, durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir kein- Garantie, -leder Siabattanloruck Richtigkeit »er Klage e.ngezogen werden must oder L°r Auftraggeber inKonkurs gerät. Anz. nehmen ?üeVttmM!uug-p°Zu^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptnmnnschast Meisten des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forftrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Wilsdruff-Dresden Teiegr.-Adr.: „Amtsblatt" Nr. 271 W. Jahrgang Postscheck: Dresden L64V Sonnabend, den 21. November 1931 Herkulesarbeii. Skandalprozessc. — Der unsinnige Young-Plan.' Politische Spannungen. Man har in Berlin eine steinerne Brückcnfigur aus ver Meisterhand Schadows schleunigst den zerstörenden Witterungseinflüsien entziehen und im Museum unter bringen müssen. 'Daß diese verwitterte, schadhaft ge wordene Figur ausgerechnet den guten alten Herkules oarstelll, der nun sozusagen einen Ruheposten erhält, könnte man insofern als einen nicht einmal guten Witz der Weltgeschichte bezeichnen, als gerade heule die Kräfte und die Energie eines Herkules an recht vielen Stellen drin gendste Notwendigkeiten sind und sich für seine Betätigung zahlreiche Gelegenheiten finden. Eine Parallele für seine Reinigungsarbeil im Stalle des Königs Augias bietet die Unzahl heutige: Prozesse skandalösester Art, durch die sich die Gerichte teils hindurchmühcn, oder sie noch im Stadium der Borbereitung sind. Man braucht >a zurzeit nur auf Sklarek oder „Fava g" hinzu weisen. Oder den Namen Katzenellenbogen aus zusprechen. Oder daran zu erinnern, daß auch der Nord- wolle-Prozeß uns noch „bevorsteht". Und wir müssen obendrein noch bekennen, daß wir es völlig ver lernt haben, uns nach der Richtung hin über irgend etwas stoch zu wundern, die durch jene Namen angedeulet oder vielmehr schon zur Genüge gekennzeichnet wird. Denn nicht bloß bei den Angeklagten, sondern bei recht vielen Zeugen — die übrigens morgen schon zu Angeklagten werden können — tritt eine solche innere Hem- mungs- und Verantwortungslosigkeit zu- iage, daß man die ärgsten Beschuldigungen von vorn herein für durchaus möglich und wahrscheinlich hält. Der aroße volkswirtschaftliche Einfluß, den hier mehr spekula tive Gerissenheit als kaufmännisch-organisatorisches Können, mehr die Skrupellosigkeit als scharsblickende Ein sicht verschafften, wird hemmungslos nur zu privatwirt- ichastlichem Nutzen eingesetzt und rasch findet sich ein Kreis, der an dieser Jagd nach privatem Gewinn teil- nimmt, ohne sich ängstlich an gesetzliche Bestimmungen oder nur moralische Grundsätze zu halten. Früher war wzial verurteilt, wer nur „das Zuchthaus mit dem Ärmel gestreift" hatte. Jetzt wird in jenen Prozessen eine ganze Anzahl von Zeugen zwar vernommen, aber — nicht vereidigt. Und nicht bloß das Gericht weiß, warum es aus den Eid verzichtet. „Kurzen Prozeß machen" ist gerade im Zeitalter des Rechtsstaates" viel zu sehr zu einem stark veralteten Sprichwort geworden. Aber es gib, noch ein anderes, üM so zeitgemäßeres Wort, „äummum sus, summa injuria", was man am besten wohl mit dem Goelheschen: ..Gesetz wird Unsinn", wiedergebcn darf. Auch der Young-Plan ist völkerrechtlich sestgelegies Gesetz, — aber auch in Paris weiß man, daß er wirtschaftlich schon längst zum Unsinn geworden ist, znm Wider sinn gegenüber der Wirklichkeit mast etwa nur in Deutsch land, sondern überall mehr oder weniger in der ganzen Weltwirtschaft. Trotzdem sind auch hier die Kräfte eines Herkules notwendig, um den Anspruch aus „Rechte" aus zuräumen, die zum Unsinn geworden sind. Steh, doch hinter diesen Rechten nicht bloß der sorgfältig formulierte und formulierende Buchstabe des Vertrages, sondern die schwerer zu nehmende politische und wirtschaftlich-finan zielle Macht. Bismarcks zum viel mißbrauchten Schlag wort auSgemünzter, aber mehr als geistreiche Spielerei gemeinter Satz, daß Politik „die Kunst des Möglichen" sei, verlangt natürlich auch eine einigermaßen richtige Ein schätzung der eigenen Kraft. Und daher hat Di Brüning dem französischen Verlangen Rechnung getragen, auf dem ..Buchstabenwege" zu einer „Anpassung des Young- Planes an die wirtschaftliche Depression der Gegenwart" und einer vorläufig noch nicht absehbaren Zukunst hinzu streben Also: formell die Sachverständigenkommission des Young-Planes etnberufen zu lassen zwecks Prüfung der deutschen Wirtschafts- und Finanzlage Wie weit sich diese Untersuchung nun allgemein gestaltet, ob wir also ^ue praktische Neuauflage der Baseler „Laluon-Wiggin- ^nimisston" erleben werden, aus deren Arbeit und Fest- ^Ungen dann das Stillhalteabkommen entstand, läßt heute noch nicht sagen. Aber selbst, wenn nur die »?^sfermöglichkeit oder -Unmöglichkeit der deutschen L"^g-Plan-Perpflichtungen geprüft wird, dann steht der s!"^>huß vor der grotesken Tatsache, daß schon „jch, weniger als 16 europäische Staaten eine ^'senzwangswirtschafi haben einführen müssen! Daß dadurch weltwirtschaftlich weiter kam, wird niemand ^haupum können. Aber noch sieht niemand den .Herkules, mir her Weltkrise fertig wird. " * Der Zwang also regiert die Welt zwischen dem Nord- und dem Südpol, aber solch ein Zwang entnimmt von unter ihm zu leben und zu leiden haben, die -'n ^"llung letzten Endes doch nur aus dem — Erfolg, wun" umfangreichen Masse der Zwangsbestim- nnd ' "V" denen wir Deutsche überschüttet wurden GegenianO"'^^^' der Erfolg aber in einem schreienden stärkerem Zweckmäßigkeit begegnet daher immer ?eustch,^.^' oder direkter Verneinung. Daher wachsen ^cher nock die wirtschaftlichen, sondern »och die politischen Spannungen. Man braucht ver äeuklche Antrag überreicht Die Prüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit. Der Antrag der deutschen Reichsregierung, den tm Young-Plan vorgesehenen Sonderausschuß zur Prüfung der deutschen Zahlungssähigkcit einzuberufcn, ist der Bank für Eintreibung der deutschen Kriegstribute tu Basel übergeben worden. Gleichzeitig mit dem Antrag hat die Reichsregierung ein Schreiben überreichen lassen, in dem sie ihren Antrag begründet, d. h. in dem sie die Beweise für die deutsche Zahlungsunfähigkeit darlegt. Der Antrag Das Memorandum, das allen auswärtigen Mächten mitgeteilt worden ist, zerfällt in zwei Teile: erstens einem historischen Teil, in dem die politischen Vorgänge leit Juni d. I. bis zum Laval-Hoover-Abkommen vargestellt sind Tie deutsche Reichsregierung har besonderen Wert daraus getegi. diesen historischen Teil in der Note einzufügen, damit durch ihn klar herausgearbeitet wird, daß es sich bei diesem Schritt Deutschlands nicht um eine isolierte Aktion handelt, son dern um ein Glied in ver K e l t e der politischen Aktionen, die sich seit Juni adgespiel: haben. Deutschland hatte schon im Juni d. I. ven haupt- beteiligten Mächten angckündigi, daß Deutschland nicht mehr imstande sei, die Y o u n g - Z a h l u n g e n voll zu leisten und den Schluß darangefügt, daß es daraus die Konseaenzen ziehen würde. Damals ist es nicht dazu gekommen, weil inzwischen das Hoover- Iahrin Kraft getreten war. Es folgt dann tm Anschluß an die Aktion Hoovers die Londoner Konferenz von Finanzsachverständigen und weiterhin eine Konferenz internationaler Sachverständiger in Basel, beide Male zur Prüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit. Daran knüpfte sich dann das sogenannte Stillhalteabkom men Deutschlands mit seinen ausländischen Gläubigern. Und an dieses Abkommen schließt sich nun als weiteres Glied der Kette der Antrag, der der Baseler Tributbank überreicht worden ist. Den Schlußpunki soll, wie schon gesagt, die große ReaierungSkonferenz setzen. Der zweite Teil des Dokuments bezieht sich darauf, welche Kompetenzen der Sonder ausschuß der Tributvank in Basel haben soll. Die deutsche Regierung vertritt hierbei die Auffassung, daß sich seit Aufstellung des neuen Planes die wirtschaftliche und soziale Lage in der Well, insbesondere in Deutschland, durch die Krise von Grund aus geändert habe. Da der neue Plan dem Sonderausschuß die Aufgabe zuweist, die Lage unter allen Gesichtspunkten zu prüfen, so must nach deutscher Auffassung der Ausschutz das Problem in feiner Gesamtheit und unter Berücksichti gung aller Faktoren prüfen, also auch die Frage der privaten Verschuldungen, die vor dem Februar 1932 ge regelt werden müssen, und zwar durch eine Bereinbarung zwischen den ausländischen Gläubigern und den inlän dischen Schuldnern. Deutschland hat damit dem Prüfungsausschuß in Basel die Aufgabe gestellt, ohne Begrenzung nach irgendeiner Seite hin die Lage Deutschlands zu prüfen Bei dem Schritt Deutsch lands handelt es sich, wie noch hervorgehoben werden soll, nicht um eine vereinbarte Aktion mit einer anderen Regierung, sondern um eine einseitige Erklärung Deutschlands Dem Schritt sind wie bekannt Verhand lungen zwischen Deutschland und Frankreich in Paris vorangegangen, so daß also Frankreich über die deutschen Absichten vollkommen informiert ist. auch hier nur oft Gejagtes anzudeuten, nur aus Vor kommnissen der allerletzten Zeit blindlings herauszu greisen: Hessenwahlen, Konferenz der Innen minister, offizielle Klagen über den politischen Terror der andern deutliche Verschiebungen in den bis herigen Kräfteverhältnissen und daher auch Gruppierungen der Parteien zu einander und zu der Regierung Brüning. Taß hierbei auch die schwere Wirtschaftsnot stark einwirkt, mit weiterem Anwachsen ihre Wirkung auch noch ver schärft — übrigens nicht zuletzt nach der sozialen Richtung hin —, finde! ihren deutlichen Ausdruck gegenüber dem Reichskanzler in den von Tag zu Tag dringlicher werden- oen Forderungen der Parteien und Verbände, die sich da bei aus die stimmungsmäßige Entwicklung in den Massen stützen können. Wenn Deutschland an allen Ecken und Enden brennt oder zu brennen beginnt, kann man sich auch nicht bloß versprechen lassen, daß später die Lösch arbeiten einsetzen werden. Und den ablehnenden Willen eines ganzen Volkes könnte selbst ein Herkules nicht be siegen. Dr. Pr. Del MMM des deuWen Antrages. Zur Einberufung des Young-Ausschusses. Tas umfangreiche Schreiben der deutschen Reichsregie- cung an die Baseler Tributvank, in dem sie die Ein berufung des Sonderausschusses zur Prüfung der deut schen Zahlungsfähigkeit beantragt, erinnert in der Ein leitung an die verschiedenen Aktionen und Konferenzen i m Som in e r dieses Jahres, die sich mit der deutschen Zah lungsfähigkeit beschäftigten. Die Regierung weist darauf hin, daß seit dieser Zeil die Dinge sich völlig geändert haben, und erinnert daran, daß sie Baseler Sachverstän digen ihren Bericht mit der Mahnung schlossen, daß keine Zeit zu verlieren sei. um Deutschland die so drin gend benötigte Hilfe zu bringen. Dann heißt es im Hauptteil wörtlich weiter: In den seither vergangenen Monaten Hai sich die wirt schaftliche und finanzielle Lage Deutschlands aufs äußerste zugespitzt. Die Tatsachen die diese Lage kennzeichnen, sind allgemein bekannt. Auch in anderen Ländern hat der Druck der Krise zu den ernstesten Erscheinungen geführt. Die Welt ist sich in steigendem Maße klar geworden über den inneren Zusammenhang der verschiedenen durch die Lage aufgeworfenen finanziellen Teilprobleme und über die Notwendigkeit, sie alsbald in ihrer Gesamtheit in Angriff zu nehmen. Bei ven Überlegungen, inwelcher Form diese Ausgabe am besten zu behandeln sei, ist letzt hin der Gedanke in den Vordergrund getreten, zunächst den Beratenden Sonderausschuß einzuberufen. Do nach dem Shstem des Neuen Planes die Einberufung des Beratenden Sonderausschusfes von einem Antrag der deutschen Regierung abhängt, Hai sich die deutsche Regierung zu diesem Antrag entschlossen, damit ihrerseits alles geschieht, was den Weg zu um fassenden Matznah men der Regierungen eröffnen kann. Nach dem Neuen Plane ist für diesen Antrag die Erklärung der deutschen Regierung ersorderlich, daß „sic in gutem Glauben zu dem Schluß gekommen ist, daß die Währung und das Wirtschaftsleben Deutschlands durch den teilweisen oder vollständigen Transfer des aufschtebbarcn Teiles der Annuitäten ernstlich in Ge fahr gebracht werden könnten" Indem die deutsche Regierung diese Erklärung ab gibt, muß sie zum Ausdruck bringen, daß eine solche Er klärung der gegenwärtigen Sachlage nicht gerecht wird Seit der Aufstellung des Neuen Planes ist die wirt schaftliche und finanzielle Lage in der Welt, insbesondere in Deutschland, durch eine Krise ohnegleichen von Grund aus geändert worden. Da der Neue Plan dem Beratenden Sonderausschuß die Aufgabe zuweist, die Lage unter allen Gesichtspunkten zu prüfen, muß der Ausschuß das Problem in seiner Gesamtheit und unter Berücksichtigung aller seiner Faktoren prüfen und hierbei insbesondere berücksichtigen, daß die Frage der privaten Verschuldung Deutschlands rechtzeitig vor Ende Fe bruar nächsten Jahres neu geregelt sein muß, und zwar durch eine Vereinbarung, die zwischen ausländischen Gläubigern und deutschen Schuldnern zu treffen ist. Da die gegenwärtigen Verhältnisse die größte Beschleunigung der zu treffenden Maßnahmen er fordern, schlägt die deutsche Regierung vor, daß der Be ratende Sonderausschuß unverzüglich zusammen- tritt, und daß er seine Arbeiten so schnell als möglich er ledigt, damit schon in nächster Zeit eine Konferenz derjenigen Negierungen stattfinden kann, die für die alsdann zu fassenden Entschlüsse zuständig sind. * Die Baseler Tributbant wird nun die Mitglieder des Ausschusses in den Ländern, denen wir Tribute zahlen müssen, von dem deutschen Antrag verständigen, und sie zu einer Sitzung in Basel einladen Gleichzeitig wird sie ihnen die deutschen Dokumente zuschtcken, und die Aus schutzmilglieder werden sich zunächst an ihrem Wohnort eingehend mit den Darlegungen der deutschen Reichsregie rung beschäftigen und mit ihren Regierungen darüber sprechen Tann erst wird es zur ersten Sitzung in Basel kommen. Es werden vielleicht Wochen darüber vergehen, es ist sehr wohl möglich, oatz der Ausschuß erst zu Beginn des nächsten Jahres zusammenkommt. Dabei ist zu be achten, daß dieser Ausschuß auch nicht die letzten Entschei dungen irefsen kann, er Hai nur das Recht, den einzelnen Regierungen bestimmte Maßnahmen aus Grund seiner Untersuchungsergebnisse zu e m p s e h l e n. Die letzte Instanz ist dann die große Reglern ngskonserenz, auf ver Vie Minister der einzelnen Länder mir allen Voll machten verlieren sind Bis diese Konferenz zusammen tritl, kann es Monale dauern. Der deutsche Antrag an die Baseler Tributbank, ven Sonderausschuß einzuberufen,