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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22 z Silbergr. (E Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für das ganj-Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit ». Comp., Jägerslraße Nr. 25), so wie oon allen Königs. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 18. Berlin, Dienstag den 11. Februar 1845. Australien. Skizzen aus Neu-Süd-Wales. Die englischen Verbrecher-Kolonieen in Australien bilden gleichsam den Abzugskanal, wohin man die schädlichen Stoffe abfließcn läßt, die sich von Zeit zu Zeit in dem Staatskörper ansammeln. Ein Land, das bis zu einer so hohen Stufe der Kultur gediehen ist und ein so zahlreiches Heer von Prole tariern in seinem Schoße birgt wie Großbritanien, muß vor Allem darauf be dacht sepn, sich deS UcbcrschufscS seiner Bevölkerung zu entledigen, weshalb man auch jetzt mit dem Gedanken umgeht, die Auswanderung in einem noch größeren Maßstabe zu betreiben, als es bisher geschah. Außer den älteren Ansiedlungen in Botany-Bay und Van-Diemen's Land, wird die ganze Ufer streck« des unermeßlichen Kontinents von Neu-Holland allmälig kolonisirt, und während die Franzosen sich nur mit Muhe auf einigen unbedeutenden Inseln deS Stillen Meers behaupten können, legen ihre Nebenbuhler langsam, aber sicher den Grund zu einem neuen Albion in der südlichen Halbkugel, wie sie schon eines in der westlichen gegründet haben. ES ist äußerst schwer, sich einen bestimmten Begriff von dem eigcnthüm- lichen Leben und Treiben jener entfernten Niederlassungen zu machen, deren Bewohner mit der Zeit eine neue, merkwürdige Varietät deS angelsächsischen Volksstamms bilden werden. So wie sie der geographischen Lage nach unsere Gegenfüßler sind, unterscheiden sie sich bereits in der ersten Generation von ihren europäischen Erzeugern sowohl in phpsischer als in moralischer Hinsicht, wag man wohl nicht mit Unrecht hauptsächlich dem Einflüsse des Klima's zu schreibt. Nach einem vor kurrent erschienenen Reisewerke: Notizen und Skizzen aus Neu-Süd-WalcS in den Jahren 183V bis 1844°) zu urtheilen, ist das dortige Klima für den Europäer mit Unannehmlichkeiten und Beschwerden verbunden, für die ihn die Genüsse einer jungfräulichen Natur, der Anblick majestätischer Urwälder und mit üppiger Vegetation bedeckte Berge, kaum entschädigen können. Die Hitze soll zu gewissen Perioden noch drückender sepn, als sogar in Ostindien, da der Australier nicht dieselbe» Kühlungsmittel besitzt, die dem Indo-Briten zu Gebote stehen — man hat nämlich den Fehler be gangen, in einem Klima, das so sehr von dem englischen abweicht, die Häuser genau nach englischem Muster zu bauen! Zu den zahllosen Moskitos- Schwärmen, die den Fluch der Tropenländer bilden, gesellen sich Legionen anderer Insekten, die ihre Wuth vor Allem an den neuen Ankömmlingen aus- laffen und die Unglücklichen bis aufs Blut peinigen. In der Hauptstadt Sydney wird die Luft noch außerdem durch endlose Staubwolken verfinstert, die den dortigen Aufenthalt höchst unleidlich machen. Wenn kein ungewöhn lich heftiger Regen fällt, so ist es immer staubig, und Straßen und Häuser füllen sich mit dichten Massey feinen Pulvers, die in wirbelnden Kreisen umhertreibcn. Sobald man die Annäherung eines solchen Sturmwindes be merkt, flüchtet sich Alles von den Straßen; Thüren und Fenster werden hermetisch verschlossen, und eö wagt sich Keiner zum Hause hinaus, bis sich die Plage verzieht. Im Innern des Landes werden diese Unannehmlichkeiten in einem noch höheren Grade angetroffen. „Das Klima von Bathurst", schreibt MrS. Meredith, die Verfasserin des obengenannten Werkes, „steht dem von Sydney in jeder Beziehung nach, da in letzterem Orte die drückende Hitze zum Theil durch den mittäglichen Seewind gemildert wird — die Ebenen von Bathurst aber sind, obwohl sehr hoch gelegen, doch von allen Seiten so durch Gebirgs ketten eingcschlossen, daß sie ganz auf ihre eigene schwüle Atmosphäre beschränkt sind, deren Temperatur noch von Zeit zu Zeit durch den sogenannten heißen Wind bis zu einer erstickenden Gluth vermehrt wird. Der ganze Luftraum scheint sich dann mit dem Feuer eines ungeheuren Schmelzofens zu füllen, das mit orkanartiger Gewalt in alle Oeffnungen eindringt. Meine englische Ge wohnheit, bei heißer Witterung die Thüren und Fenster weit anfzurcißcn, fand ich hier, den Antipoden so nahe, dem Zweck durchaus nicht angemessen; das einzige Mittel, sich einigermaßen gegen diesen Sirokko zu schützen, besteht vielmehr darin, bei dessen Ankunft jede Thür und jedes Fenster zuzumachen und mit niedergelassenen Rouleaus so geduldig und regungslos als möglich das Ende dieser schrecklichen Heimsuchung abzuwarten. Für die Menschen be schränkt sich das Rebel allerdings auf einige Stunden der Abspannung, des Durstes und der Mattigleit (obgleich diese heißen Winde auch oft mehrere Tage '1 Kot«» aus Sleetoiie» ok Kew Soutl, >VaIe», » re»iüeuce in tönt eolnux krom MM to Mit- Nx Ul,. Lin U-reüiill. Louüou NiSt. ohne Unterbrechung wehen), aber die unglücklichen Felder und Gärten kommen nicht so leichten Kaufs davon. Es ist, als ob ein Salamander über jeden grünen Strauch gefahren wäre und ihn verbrannt und ausgetrocknet hätte. Ich habe große Strecken angebauteS Land gesehen, die mit Weizen, Gerste und Hafer in schönster Blüthe bedeckt waren, aber plötzlich von der Hitze so versengt und geschwärzt wurden, daß man das Korn abmähcn mußte, um höchstens als schlechtes Stroh zu dienen. Weniger erheblich, obwohl für den Besitzer äußerst betrübend, ist der Schaden, der in den Gärten angerichtct wird, wo die zartesten und lieblichsten Blumen zuerst unter dem brennenden Hauch des Feuerkönigs verdorren. — Ich habe niehrerc Male in Bathurst ein Phänomen beobachtet, das in den weiten Ebenen von Neu-Sud-Wales nicht ungewöhnlich ist. ES ist dieses eine Reihcfolge hoher Staubsäulen, die von dem Wirbel winde gebildet werden und in ihrer ganzen Höhe einen beinahe gleichen Durch messer bcibehaltcn, indem die Spitze wie eine leichte Rauchwolke verschwindet und die Basis sich längs der Erde zu ziehen scheint. Ohne ihre perpendikuläre Stellung zu verlasse», bewegen sie sich ruhig und majestätisch eine hinter der anderen fort; ihre Höhe würde ich auf siebzig bis hundert, ihre Breite auf etwa zwanzig Fuß schätzen. Deni Anschein nach ist ihre Geschwindigkeit nicht sehr groß, aber mein Mann erzählte niir, daß er, ans einen, schnellen Pferde reitend, umsonst versucht habe, eine Zeit lang mit diesen luftigen Reisenden gleichen Schritt zu halten. Wenn sic einen Bach oder einen Fluß überschreiten, verliert man den unteren Theil der Säulen aus dem Gesicht und es zeigt sich im Wasser eine starke Bewegung — sobald sie jedoch an das jenseitige Ufer gelangt sind, erscheinen sie wieder in derselben Gestalt. So wie einige ver schwinde», treten andere unbemerkt an deren Stelle und schließen sich dem Niesenwalzer an. Als ich diese sonderbare Erscheinung zuerst erblickte, dachte ich mir die Staubsäulen als eine neue Art Genien, die zur Erholung von ihren wichtigeren Arbeiten sich zu einem ernsten und majestätischen Reigentanz vereinigten. Nach Beendigung des Tanzes verlieren sich diese Slaubmänner zwischen den Bergen, in deren Nähe das Schauspiel stattsindct." Hat der Kolonist in Ncu-Süd-Wales schon mit manchen natürlichen Hin dernissen zu kämpfen, so sind die sozialen Zustände des Landes noch weniger geeignet, ihn mit seiner neue» Lage auszusöhne». „Es fehlte unö zwar nie an Gesellschaft", schreibt unsere Verfasserin, „aber mit einigen seltenen Aus nahmen fand ich bald, daß die Unterhaltung der Damen sich ganz auf Putz, auf häusliche Leiden und Freuden und besonders auf das Haupt-Thema, „Schlechte Domestiken", beschränkte, während die Männer so in der Sorge für ihre wolligen Schätze vertieft sind, daß sie die langen Abende hindurch von nichts anderen, sprechen, als von ihren Fließen, Hccrdcn, Weiden und Triften. Einige unserer Freunde gehörten indcß zu den ersten Abenteurern, welche die gefahrvolle Landreise nach Adelaide mit zahlreichen Heerden Hornvieh und Schafe unternommen hatten; ihre Erzählungen waren immer höchst inter essant und schienen, nach den ewigen Woüschur-Abhandlungen jener Alltags menschen, sogar eine Art Romantik zu besitzen ... Ich bin weit entfernt, die achtbaren Merinos-Enthusiasten verletzen zu wollen — ich wünschte nur, daß sie ihre Zeit besser zu wählen verständen. In Europa schleppt der Advokat seine Prozeß-Akten und Protokolle nicht in die SalonS; der Arzt denkt nicht daran, die Gesellschaft bei einem Diner mit den Einzelnheitcn seiner letzten wunderbaren Kur zu unterhalten; selbst der Dichter gewinnt cs zuweilen über sich, seine Freunde mit dem neuesten Produkt seiner Mühe zu verschonen, und man könnte also süglich auch von dem Wollzüchter verlangen, sich auf eine Zeitlang von seinen Fließen und Wollsäcken zu trennen und nicht darauf zu bestehen, sie seinen Gästen aufzutischen. „Ein großer Theit der Bevölkerung besteht natürlicherweise aus Eman- zipisten (Dcportirtcn, deren Strafzeit abgelaufen ist) und ihren Familien oder Nachkommen. Eine strenge SchcidungSlinie wird in den meisten Fällen zwischen diesen und de» freiwilligen Einwanderern gezogen, und obgleich die Emanzipisten nicht selten zu den reichsten Leuten in der Kolonie gehören, ist es ihnen doch unmöglich, da» gegen sie herrschende Vorurthcil zu besiegen- Ihre mangelhafte Erziehung bildet auch bei Vielen ein unübersteigliches Hin derniß, sich auf eine höhere Stufe in der sozialen Rangleiter zu erheben; sie überlassen sich daher völlig der Gewinnsucht und geben ihren Nachkommen ein so schlechtes Beispiel, daß man sehr bezweifeln muß, ob sich die künftige Gene ration zu ihren Gunsten von der jetzigen unterscheiden dürfte. Man sieht oft einen steinreiche» Mann, dessen Frau und Töchter sich nach der neuesten Mode kleiden, in einer glänzenden Equipage fahren, die im grellen Kontrast mit seinem beschmutzten Anzug und nachlässigen Acußeren steht, während der Sohn eines solche» Emporkömmlings mit kostbaren Ringen, Ketten und Brustnadeln