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Dresden, H in der Expedi tion, N. MeiHn. «affe Nr. S, ' zu -a-en. Preist vierteljährlich 12'/rNgr. Zu beziehen durch § ave kgl. Post- Anstalten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Redigirt unter Verantwortlichkeit des-Verlegers C. Heinrich. Politische Weltfchau. Deutschland. Laut Verordnung des Bundespräsidiums tritt der norddeutsche Reichstag am 23. d. M. m Berlin zusammen. Aus einem Berichte des Bundeskanzlers an den König Wilhelm geht unzweifelhaft hervor, daß man ursprünglich das Zollparlament vor dem Reichstage emberufen wollte, um „dem die Gesammtheit der deutschen Staaten umfassenden Ge meinwesen den Vortritt zu gewähren." Inzwischen sel aber be kannt geworden, daß in Würtemberg und Südhessen die Wahlen zu spät anberaumt seien. Es mußte daher entweder das Zoll parlament ohne Teilnahme der würtembergischen und emes Theiles der hessischen Abgeordneten eröffnet, oder, statt in der zweiten Hälfte des März, erst im April berufen werden. Die Wahl der ersten Alternative vermag der Bundeskanzler nicht zu befürworten. So unerwünscht der durch die Verspätung der Wahlen in Würtemberg und Hessen bedingte Aufschub auch sei, so erfordere doch das Interesse der neuen Institution, daß dieselbe unter Theilnahme aller dazu Berufenen ins Leben trete. Die Session des Reichs-Bundesrathes wurde am 7. 'd. M. durch Graf Bismarck im Bundeskanzleramte eröffnet, wobei die Neuwahl der Ausschüsse vorgenommen wurde, die ausnahmslos auf die vorjährigen Mitglieder fiel. Das Präsidium überreichte dem Bundesrath folgende Vorlagen: Vertrag mit den Ver einigten Staaten von Amerika über die Staatsangehörigkeit; Gesetzentwurf, betreffend die Unterstützung der Familien der zum Dienst einberufenen Mannschaften der Ersatzreserve; Antrag wegen der Transportvergütung für die Beförderung von Truppen rc. auf Eisenbahnen; Antrag wegen Herbeiführung eines internatio nalen Systems der Schiffsvermessung; Gesetzentwurf, betreffend die Erhebung einer Abgabe von der Branntweinbereitung in den Hohenzollernschen Landen; Gesetzentwurf, betreffend die Bewilli gung von Pensionen an die vormals- schleswig-holsteinschen Offiziere; Antrag des Germanischen Museums auf Bewilligung einer Unterstützung. — Der zweite gegenwärtig in Berlin tagende Bundesrath, nämlich der Zollparlaments-Bundesrath, hat folgende Ausschüsse aus seiner Mitte gewählt: I. Ausschuß für Zoll- und Steuerwesen. Preußen: General-Steuer-Direktor v. Pommer-Esche und in dessen Behinderung: Geheimer Ober-Finanz-Rath Henning. Baiern: Staatsrath v. Weber. Sachsen: Geheimer Finanz-Rath v. Thümmel. Würtemberg: Ober-Finanz-Rath Riecke. Braunschweig: Geheimer Rath v. Liebe,. Stellvertreter. Hessen: Geheimer Ober-Steuerrath Ewald. Mecklen- burg-Strelitz: Drost v. Oertzen. Ausschuß für Handel und Verkehr. Preußen: Präsident Delbrück und in dessen Behinderung Ministerial-Direktor Philipsborn. Sachsen: Ministerial-Direktor Or. Weinlkg. Baden: Ministerial-Rath Kilian. Hessen: Geheimer Ober- Steuerrath Ewald. Hamburg: Senator vr. Kirchenpauer, Stell vertreter. Würtemberg: Ober-Finanz-Rath Riecke. Bremen: Senator Gildemeister. .m^uslchuß für Rechnungswesen. Preußen: Ministmal- Direktor Guenther und in dessen Behinderung Geheimer Obcr-Finanj- Rath Henning. Ba,ern: Ober-Zok-Rath Gerbig. Sachsen: Geheimer Finanzrath von Thümmel. Hessen: Geheimer Ober- Vrcißigster Jahrgang I. Guaci .r. Steuer-Rath Ewald. Mecklenburg-Schwerin: Staats-Rath v. Müller. Braunschweig: Geheimer Rath v. Liebe. Lübeck: Senator vr. Euttius: Stellvertreter. Würtemberg: Ober-Finanz- Rath Riecke. Baden: Gesandter Freiherr v. Türkheim. IV. Ausschuß für die Geschäfts-Ordnung. Preußen: Präsident Delbrück. Baiern: StaatSrath v. Weber. Würtem berg: Geheimer Legationsrath Freiherr v. Spitzenberg. Mecklen burg-Schwerin: Staatsrath v. Müller. Sachsen-Koburg- Gotha: Staatsminister Freiherr v. Seebach. Preußen. Der Prinz Napoleon macht viel Besuche und empfängt viel Besuche — das ist Alles, was man mit Bestimmt heit über seinen Berliner Aufenthalt sagen kann. An der königlichen Tafel hat er mit seinem Gefolge dinirt und außerdem veranstaltete der Hof ihm zu Ehren ein Konzert. Zwischen dem Prinzen und Graf Bismarck fand dieser Tage eine mehrstündige Unterredung statt. Wie man in Berlin erzählt, beabsichtigt Napoleon auch Dresden zu besuchen. — Aus Ostpreußen lauten die Nachrichten noch immer traurig genug. Der Typhus breitet sich mehr und mehr aus. In Braunsberg hat man aus diesem Grunde die Sträflinge entlassen müssen und in Stallupönen ist der Landrath demselben erlegen. In Königsberg bereitet man sich auf einen starken Anfall der Seuche vor und beabsichtigt deshalb das Turnhaus in ein Typhus-Hospital um^uwandeln. In Labiau fanden sogar Ruhestörungen statt, indem eine Volks menge vom Landrath und Bürgermeister die Herausgabe des an geblich vom König geschickten Geldes forderte. Einige Kompagnien der Königsberger Garnison mußten zur Herstellung der Ruhe requirirt werden. — Ein Seitenstück zu den Hietzinger Agitationen bilden die sogenannten „Brandbriefe", die jetzt plötzlich und massenhaft in der Provinz Hessen auftauchen. Wir geben hier folgende Probe von diesen Schriftstücken: „Unsere gerettete Ehre sei uns eine Bürgschaft, daß wir nicht vergeblich hoffen auf die Stunde der Vergeltung! Und diese Stunde kommt! Das Blut der von Bruderhand Gemordeten schreit nach Rache und der verwegene, gotteslästerliche Uebermuth des Siegers fordert die strafende Hand des Allmächtigen auf ihn, den Frevler, herab. Gott wird seinen heiligen Namen nicht länger schänden lassen. Graf Bismarck weiß es wohl, daß trotz der blenden den Erfolge noch nichts erreicht ist, daß nur mehr zu verlieren, aber das Spiel noch nicht gewonnen ist. Und er wird's nicht gewinnen. Schon nahen die Zeichen, daß der Rachegeist sich drohend erhebt vor dem Gewalthaber in Berlin, und in Feuer slammen von den Gräbern zu Sadowa steigt das Wehe, Wehe zum Himmel empor." „Hinweg mit der er drückenden Last des preußischen Militär-Despotismus, mit der Erhöhung der Steuern, mit allen aufgedrungenen Veränderungen, hinweg mit dem Frevel der Annexion! . . . Kurhessen! Harret der Stunde, denn sie kommt! Fern sei jede stumpfe Ergebung! Seien wir fest und stark und standhaft! Es sei verachtet, der sich Kurhesse nennt und nicht denkt und thun will, wie seine Väter gedacht und gelhan! Wehe den Verräthern! Gottes Rache über die Tyrannei des Borussenthums! Es lebe der Kurfürst! Es lebe Kurhessen! Es lebe Deutschland!" Man glaubt die Urheberschaft dieser Briefe ebenfalls nuf Hretzlng zurückführen zu sollen. UebrigenS ist es ein merkwürdiges Zechen der Zeit, daß sich sogar der Erbprinz vonAugusten- . SO