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„Weißeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 2b Psg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 48 Psg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Inserate, welche bei de» bedeutenden Auflage del Blattes eine sehr wirk' sanis Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen» dein Ausschlag. — Einge sandt, ini redaktionellen Lheile, die Spaltenzeil» LOPfg. für die Königliche WntshauplrnannschafL Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redakteur: Daul Irhne in Dippoldiswalde» Kit schtseitigem „Ztlustririen llntkrhaltungsdlall". » Mit humoristischer wochenbeilagt „Seifendlusrn". Mit land- und hauswirthschastlicher Äonatsdeilage. Nr. 76. Sonnabend, den 1. Juli 1893. 59. Jahrgang. Der neue Reichstag. Auch die Stichwahlen zum deutschen Reichstage sind nunmehr beendet, ihre Ergebnisse ergänzen erst das bislang noch lückenhaft gewesene Bild des neuen Reichs tages. Bis Dienstag früh waren von den 180 vor zunehmenden Stichwahlen 170 bekannt, welche sich auf die einzelnen Parteien folgendermaßen vertheilen: Konservative 27, Freikonservative 10, National liberale 35, Freis. Vereinigung 10, Freis. Volkspartei 21, süddeutsche Volkspartei 7, Centrnm 9, Polen 7, Antisemiten 14, Sozialdemokraten 22, Welfen 7, außerdem 1 elsässischer Protestler (Preiß-Colmar). Unter Hinzurechnung der Ergebnisse der Hauptwahlen vom 15. Juni stellt sich also folgende vorläufige Zu sammensetzung des neuen Reichstages heraus: Kon servative 77, Freikonservative 21, Nationalliberale 50, Freis. Vereinigung 13, Freis. Volkspartei 21, süddeutsche jVolkspartei II, Centrum 90, Polen 19, Antisemiten 17, Sozialdemokraten 46, Welfen 7, El sässer, d. h. elsaß-lothringische Abgeordnete, die sich noch zu keiner Fraktion bekennen 10, 1 Däne und 5 sonstige „Wilde". Es würden dies demnach 388 Ab geordnete sein, die Stellung der noch fehlenden 9 Ab geordneten wird sich erst nach dem Bekanntwerden sämmt- licher Stichwahlenresultate ermitteln lasten. Zur Ver gleichung der Parteiverhältnisse im neuen Reichstage mit denen im aufgelösten Reichstage, sei die Zusam mensetzung des letzteren hier wiederholt. Er wies auf: 67 Konservative, 19 Freikonservative, 104 Eentrumsabgeordnete, 43 Nationalliberale, 68 Frei sinnige, 36 Sozialdemokraten, 10 süddeutsche Demo? kraten, 10 Welfen, 16 Polen, 10 Elsässer, 5 Anti semiten, I Däne, 8 „Wilde". Durch die Neuwahl haben also gewonnen die beiden konservativen Frak tionen, die Nationalliberalen, die Sozialdemokraten, die süddeutsche Volkspartei, die Antisemiten — letztere im Verhältniß zu ihrer Anzahl im vorigen Reichstage am meisten von allen Parteien — und die Polen. Die übrigen Parteien sind in ihrer Stärke theils nahezu gleich geblieben, theils sind sie erheblich zurück gegangen. Die Hauptkosten des Wahlseldzuges wüsten die Freisinnigen tragen, denn während sie mit 68 Mitgliedern im vorigen Reichstage die zweitstärkste Partei waren, sind sie im neuen Parlamente nur wenig über 30 Köpfe stark, wobei die beiden Gruppen der Freisinnigen zusammengerechnet sind. Neben den Freisinnigen hat das Cenlrum einigermaßen Einbuße erlitten, die auf rund 12 Mandate zu berechnen ist, immerhin wird das Centrum auch im neuen Reichs tage wiederum die weitaus stärkste Partei sein. Wie sich von vornherein erwarten ließ, erscheinen die So zialdemokraten nicht unerheblich verstärkt im jetzigen Parlamente, aber ihre weitgehenden Hoffnungen sind durch den Gesammtausfall der Wahlen offenbar nur in beschränktem Maße erfüllt worden. Man träumte in sozialdemokratischen Kreisen schon davon, daß sich die Zahl der parlamentarische» Vertreter dieser Partei in Folge der Neuwahlen mindestens verdoppeln würde, statt besten ist noch nicht einmal das „Schock" voll geworden; allerdings sind ja die Stichwahlerfolge der Sozialdemokratie verhältnißmäßig ganz bedeutende, aber dieselben wären von ihr ganz gewiß nicht erreicht worden, wenn die bürgerlichen Parteien allenthalben kräftig zusammengehalten hätten, anstatt sich, wie es leider vielfach konstatirt werden mußte, zum Vortheile des gemeinsamen Gegners unter einander zu befehden. Unter theilweise recht schwierigen Verhältnissen hat die nationallibcrale Partei nicht nur ihre frühere parla mentarische Stärke zu behaupten gewußt, sondern sie noch durch den Gewinn einer Anzahl Mandate ver mehrt. Auch die Konservativen ziehen verstärkt in den neuen Reichstag ein, vor Allem aber auch dle Anti semiten, sie zählten im früheren Reichstage nur 5 Köpfe, im neuen Reichstage aber werden sie voraus sichtlich 18 Mann stark sein, sie haben sich also bei nahe vervierfacht! Im Uebrigen muß natürlich noch abgewartet werden, wie sich die Fraktionsverhältniffe im jetzigen Reichstage endgiltig gestalten. Die Haupt- frage bei dem am 4. Juli erfolgenden Zusammentritte des neuen Parlamentes ist nun die, wie es sich zu der Militärvorlage stellen wird. Indessen kann diese Frage schon jetzt in Hinblick auf die muthmaßliche Zu sammensetzung des Reichstages mit einiger Sicherheit dahin beantwortet werden, daß die auf Grund des Antrages Huene umgearbeilete Vorlage mit einer kleinen Mehrheit wahrscheinlich zur Annahme gelangt, womit alsdann der eigentliche Zweck der Reichstags auflösung erreicht wäre. Ob aber die Reichsregierung im Stande sein wird, mit der buntzusammengewürfelten Mehrheit für das Militärgesetz, welchen Charakter die selbe ohne Zweifel tragen würde, auf die Dauer aus zukommen, das ist eine andere Frage; hierüber wird vielleicht schon die erste Wintersesston des jetzigen Reichstages Aufschluß geben. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Wiederholt ist es vorgekommen, daß bei Begräbnissen auf dem hiesigen Gottes acker die Leidtragenden durch zahlreiches, nicht zur Leichenbegleitung gehöriges Publikum gestört, sowie daß hierbei die Gräber unbefugter Weise betreten und ge schädigt wurden. Man sollte eigentlich, erwarten, daß der Ernst des Ortes und der Feier, sowie die Rücksicht auf die Leidtragenden jedem auf dem Gottesacker An wesenden das rechte Verhalten während eines Begräb nisses lehrten; die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß Mancher einer feinen Empfindung in dieser Beziehung entbehrt. Der Kirchenvorstand hat sich deshalb zu der in der heutigen Nummer dieses Blattes abge druckten Bekanntmachung, sowie zu einem entsprechenden Anschläge aus hiesigem Gottesacker veranlaßt gesehen. Uebrigens sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Störung gottesdienstlicher Handlungen und die Beschädigung von Gräbern durch das Reichsstrafgesetz mit empfindlichen Strafen belegt wird; es kann also ungezogene Neugierde recht theuer zu stehen kommen. — Durch die Herren Wahlkommissare für den 6., 8. und 9. Neichstagswahlkreis werden in unserer heu tigen Nummer die amtlich festgestellten Ergebnisse der engeren Wahlen in den gedachten Wahlkreisen ver öffentlicht. — Bezüglich der in letzter Nummer enthaltenen Notiz betr. Verpachtung der Schützenhalle und des Zeltes ist eine Verwechslung erfolgt, es hat demnach Herr Hotelbesitzer Stephan die Bewirthschaftung des Zeltes und Herr Rathskellerpachter Schwahn die der Halle übernommen. — Schont die Felder und Wiesen. Dies ist eine zeitgemäße Mahnung, welche Eltern und Erzieher den Kindern recht eindringlich in Erinnerung bringen sollten. Wir befinden uns augenblicklich in der Zeit, wo die Feldsrüchte zu reisen beginnen. In diesem Jahre nun sind in Folge der trockenen Witterung die Klee- und Wiesenparzellen so spärlich mit Aufwuchs versehen, daß eine schlechte Heuernte bevorsteht. Die Landleute sehen mit Sorge der Zukunft entgegen, da ihnen die Heu- und Kleeernte den Unterhalt für ihr Vieh im Sommer sowohl wie für den nächsten Winter bringen muß. Leider wird nun noch den Landbe wohnern von den Spaziergängern aus der Stadt viel fach dadurch großer Schaden zugesügt, daß Kinder und selbst Erwachsene die Felder und Miesen betreten, um Blumen zu pflücken. In unbarmherziger Weise wird die Gras- und Halmsrücht niedergetreten, um eine Hand voll Blumen zu erbeuten, welche in den meisten Fällen in der nächsten Wirthschast, in welcher man einkehrt, achtlos liegen bleiben. Sonntags steht man in den verschiedenen Sommerwirlhschaften ganze Bündel solcher Blumen verschmäht liegen, durch deren Erbeutung den Landleuten auf ihren Wiesen sehr empfindlicher Schaden zugefügt worden ist. Gerade in diesem Sommer, bei der bevorstehenden schlechten Heuernte, ergeht deshalb an alle Eltern und Lehrer dis herzliche Bitte, den Kindern das Betreten der Wiesen und Ländereien außerhalb der Wege zu ver bieten, und mögen vor Allem Erwachsene den Kindern kein schlechtes Beispiel geben, indem sie die Wege ver lassen und die Wiesen rc. betreten. — Die von verschiedenen Zeitungen und auch von uns gebrachte Meldung, nach welcher eine Berliner Tischlermeistersfrau wegen Benutzung einer unsauber gewordenen Briefmarke zu einer Geldbuße von drei Mark durch die Postbehörde verurtheilt worden sein sollte, wird jetzt von der kaiserlichen Oberpostdirektion in Berlin dahin ergänzt, daß die Geldstrafe nicht wegen Benutzung einer unsauber gewordenen Briefmarke, sondern wegen Portohinterziehung verhängt worden ist. Die betreffende Briefmarke ist, wie die bei der Retchsdruckerei vorgenommene sorgfältige Prüfung zweifellos ergeben hat und wie auch der Augenschein zeigt, vor ihrer letzten Verwendung durch die Tischler- meisterssrau bereits einmal postmäßig entwerthst ge wesen. Durch die abermalige Verwendung der Marke hat die Frau sich einer Portohinterziehung schuldig ge macht, für welche Seitens der Postverwaltuug auf Grund des § 27 zu 3 des Gesetzes über das Post wesen des deutschen Reiches vom 28. Oktober 1871 eine Geldstrafe von 3 Mk. zu verhängen war. — Der Siebenschläfertag und die alte Bauern regel von 7 Wochen Regen oder Trockenheit. Noch oft wird der Siebenschläfertag als ein Tag betrachtet, der das Wetter auf 7 Wochen hinaus bestimmt. Er freulicherweise sind aber die „Siebenschläfer", wenn man ihre Einwirkung auf den Regen genauer ins Auge faßt, recht ohnmächtige Herren. Die Zeitschrift „Landwirthschast und Industrie" giebt darüber fol genden interessanten Aufschluß: Die in Karlsruhe an gestellten, auf einen Zeitraum von 56 Jahren sich er streckenden Beobachtungen haben ergeben, daß es während dieser Zeit 26 mal am Siebenschläfertage regnete, aber uur IImal (also 42 von 100 Fällen) wirklich längeres Regenwetter eintrat. Nach Professor Neubert in Dresden folgten in den letzten 25 Jahren auf einen regnerischen Siebenschläfertag in den nächsten 7 Wochen durchschnittlich 23,i Regentag, auf einen trockenen Siebenschläfer sogar 25,- Regentage. Eine dritte Beobachtung endlich hat ergeben, daß nicht ein einziges Jahr im letzten halben Jahrhundert in der Siebenschläferperiode nach einem regnerischen 27. Juni alltäglich Regen gebracht hat, selbst wenn man einzelne Tropfen als Negenfall rechnet. Die höchsten Ziffern führen die Jahre 1885 mit 40 Regentagen, 1886 mit 40, 1885 mit 38 und 1874 mit 37 Regentagen. Es erscheint sonach völlig gleichgiltig, ob am Siebenschläfer Regen fällt oder nicht. Geradezu erdrückend aber wirkt die Beweisführung, wenn man stehl, wie selbst die Extreme der Regel zuwider fallen. Ein trockener Siebenschläfer brachte das absolute Maximum (1866 mit 40 Ne gentagen), ein nasser das absolute Minimum (1842 mit 15 Regentagen). — Für rechtzeitiges Erscheinen am Brandplatz und erfolgreiche Löschthätigkeit gelegentlich des Brandes bei dem Gutsbesitzer Eichler in Waltersdorf, am 18. Mai d. I., hat die königl. Brandversicherungskammer den Spritzen der Gemeinden Döbra und Börnche-n bei Glashütte Prämien nach Höhe von 30 Mk. und beziehentlich von 25 Mk. bewilligt. Frauenstein. Als am Montag Abend der Bier händler Naumann aus Mulda mit seinem Geschirr am sogen. Kottelberg herabfuhr, widerfuhr ihm das Unglück, daß der Wagen umschlug und er aus einen Steinhaufen und zwei andere Mitfahrende in den Straßengraben geschleudert wurden. In Folge des Umschlagens des Wagens hat sich das Ortscheit gelöst und ging das Pferd in der Richtung nach der Stadt