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2. Inhnz., N u in in e r rr^. Dciblatt Mr „Säch^schen Elb-Iciinng". Verantwortlicher Ncdactcur »nd Verleger: Ludwig Donath i» S ch a n d a u. Motto: Will!) d» geliebt sein von den Leuten, So höre, lerne, schweig, und los, das Streiten. Olearius. Der Verworfene. Novelle. (Fo> Isepung.) V. Dcr Morgen sank eben von den Gipfeln der Vcrge mit rosigem Schimmer herab in die noch vom Schleier der Nacht bedeckten Tbälcr. Tiefe Nuhc herrschte noch in der ganzen Natnr; von keinem Hauche bewegt lag dcr See unter einer Decke von leichten Ncbeldünsicn, welche die ersten Strahlen der Dämmerung überpurpunen. Nur von den Höhen herab klang wie dcr Ruf aus ciner besscrn Welt die Schalmei des SennerS und daS liebliche Geläut dcr Hccrdcnglocken; von den dunklen Gründen wehte hie und da aus einer einsamen Waldtäpcllc des Met- tenglöckleinö frommer Morgengruß in die Fricdcns- tönc von oben, und allmälich erwachte die schlum- mcriidc Natur unter so hehren Grüßen zur Mor- gcnkcier. Noch regte sich kein Laut eines lebenden Wesens auf den Triften des Thales, der Tranm- goit hielt ja noch in allen Menschcnherzcn sein Frcu- denlager — nur Ottmar schritt, düster und freudig, unmuthig und webmüchig gestimmt, über die thani- gen Wiesen dem Gestade des Sccs zu. Er wollte den Morgen auf den schimmernden Flutbcn genießen und mit dem ersten Fischer, den er bei seinem Kahne finden würde, überfahren an das jenseitige Ufer, um ans einige Zeit die Stadt zu meiden, wo jetzt, das konnte er vorausschen, sein Name in jedem Munde lebte. So gelangte er, einem Träumenden gleich, an die Fischcrhüttc, in der ihn vor Wochen seine Ver folger ausgesucht. Dcr chrlichc Waltcr trat cbcn gähnend aus der Thüre, und sah mit klar geriebe nen Augen nach den Höhen, um das Wetter zu er kunden. „Gott grüß Euch, Landmann!" redete ihn Ott mar an, als er ihm näher getreten war. „Wir bekommen heute einen schönen Tag und ruhig Was ser, wenn dcr klare Himmel nicht lügt und der zahl reiche Thau!" i „„Mögt Recht haben!"" entgegnete Waltcr. l — „„Trockene Wiesen des Morgens deuten auf Sturm und Ungewitter; da gicbt's aber Thau die Menge, als hätte es geregnet heute Nacht. Die Fische springen so lustig, und die Käfer summen schon, die liebe Morgensonnc zu begrüßen. Auch ist die Luft kühl und erquickend. Das Alles deutet auf einen schönen Tag. Nun, will's Gott, ich will ihn nützen. Muß heute noch nach dcr Klause hin über, Geschäfte abmachen."" „Nach der Klause?" fragte Ottmar freudig. „Und habt Ihr Platz noch für Einen in Eurem Kahne?" „„Wollt Ihr mitfahrcn?"" versetzte Walter. „„Ich fahre gern und sicher — brauch auch meine Groschen, und verdiene sic gcrne. Sprccht nur ein indeß, und seid mcin Gast bei dcr Morgensuppe; denn auf dcm Wasser ist es frisch!"" Ottmar ließ sich nicht lange heißen, sondern trat, nachdem er dem Fischer ein blankes Silberstück für die Ucberfuhr geboten, in die dunkle Stube, in dcr die freundliche Hausfrau cbcn -aS rauchende Frühmahl, eine schmackhafte Milchsuppc, auf den Tilch gesetzt hatte, und nun die Kinder zu wecken ging, Dcr Fischer bet seinem Gaste einen Platz bei dcm cinfachcn Imbiß, Ottmar abcr saß in sich ver- sunkcn da und kostcte nur iclicn das Gcricht. Doch plötzlich sprang er mit einem Schrei empor, und trat dcm Lagcr näher, auf dem dic Wahnsinnige noch immer lchlummcrtc. „Hciligcr Golt!" rief er und drückte die zitternde Hand auf die Augen, alS wollte er einen wüsten Traum aus seiner Seele scheuchen. „Heiliger Gott! ist'S möglich! — Mann, wie kommt Ihr zu diesem Wcibe?" „„Es ist eine Unglückliche, die ich vor sechs Jahren halb erstarrt im Schilfe des Gestades fand"", belehrte der Fischer. „„Ich behielt sie bei mir, weil sich Niemand zu ihr gemeldet hat. Weckt sie nur nicht, Schlaf ist oas einzige Glück, das sie noch auf dieser Erde genießen kann. Sic ist wahn sinnig.""