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I Wilsdruff-Dresden Dienstag, den 12. Mai 1936 Drahtanschrift: „Tageblatt' Postscheck: Dresden 2640 Nr. 110 — 95. Jahrgang Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen und des Stadt rats zu Wilsdruff behördlicherseits bestimmte Blatt und enthält Bekanntmachungen des Amtsgerichts Wilsdruff, des Finanzamts Nossen, sowie des Forstrentamts Tharandt. Nationale Tageszeitung kür Landwirtschaft und Da! „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint werktags nachm t Uhr Bezugspr. monatl 2RM. frei Haus, bei Postbestelluug 1.8Ü RM zuzügl Bestellgeld Einzelnummer lü Rpf Alle Postanstalten, Postboten, unsere Austräger u Geschäftsstelle nehmen zu jeder Zeit Be- , ,, ... .. . stellungen entgegen Im Falle höherer Gewalt oder Wochenblatt für Wilsdruff u. 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Am Sonntag begann in München die Reichstheater- feflwoche 1936 mit einer Festaufführung von Wagners Oper „Rienzi", der auch der Führer und mehrere Reichsminister beiwohnten. — In einer Zeit des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit, des Ringens um den Wieder aufbau, einer Zeit, die Arbeit und Anspannung bis zum letzten von jedem verlangt, eine Neichstheaterfestwoche? Paßt denn das zueinander? — Jawohl, es paßt zuein ander. Es ist die Eigenart der nationalsozialistischen Idee, daß der Mensch, der arbeitet, deshalb nicht auf die Kunst und Kultur verzichten soll. Der Nationalsozialis mus, der überall die Kräfte deutschen Schöpfertums ge weckt hat, bezieht die Kunst auch in diesen Kreis ein. Der Nationalsozialismus schafft Großes, schafft Neues, das Jahrhunderte bestehen soll. Sein Schöpfungswerk ist all umfassend, seine Geistesrevolution erfaßt auch die Kunst. Wann gab es in der deutschen Geschichte eine Zeit, wo die Führer des Reiches trotz angespanntester Arbeit auch noch Zeit und Besinnung für die Kunst fanden? Wann hatte ein Staat neben den Millionen für Arbeitsbeschaf fung auch noch Millionen für die Kunst übrig? Unser Führer, der erste Arbeiter des Volkes, ist t»otz seiner überbürdung ein begeisterter Freund und Förderer deut- scher Kunst. Er und seine Mitarbeiter. Und die Be wegung, die er schuf und die das Fundament legte zum neuen Reich, hat auch die deutsche Kunst befruchtet und sie befreit von den artfremden Schlacken, die in einer undeutschen Zeit die Kunst zu ersticken drohten. Diese Reichstheaterfestwoche will Rechenschaft ablegen. Sie will nicht sagen: Seht, wir haben es geschafft! Dazu ist der Zeitraum, der ihr bisher zur Verfügung stand, zu klein, sind die Ziele, die sie sich gesteckt hat, zu hoch. Nein, sie will zeigen: Seht, das ist unser Weg, dahin geht unser Streben! Italien hat einen Sieg über Abessinien und den Völkerbund erfochten. Mit der nächtlichen Ausrufung des Königs von Italien zum Kaiser von Abessinien hat der Sieg Italiens seine Krönung gefunden. Mussolini hat den Völkerbund, dessen Rat am Montag wieder ein mal in Genf zusammentrat, vor vollendete Tatsachen gestellt. Was auch der Völkerbund beschließen mag — ob er überhaupt dazu kommt, ist mehr als fraglich —, Italiens Entscheidung ist unumstößlich. Eine starke Füh rung hat über einen Staatenbund gesiegt, dessen Schwäche sein System ist. Das System von Genf, längst durch löchert und überaltert, ist tot. Daran wird auch der Ver such einiger Staaten nichts ändern, die sich klammern an diesen sogenannten Völkerbund, der nie ein Bund, das heißt, eine ehrliche Gemeinschaft war. Mussolini hat die sem Bunde, der ein Werkzeug Moskaus zu werden drohte, das ihn auszuspielen gedachte gegen den Faschismus, den Todesstoß versetzt. Dieser Genfer Völkerbund, den der Geist von Versailles schuf, wird den Politikern, die vor die Aufgabe gestellt sind, ein neues Europa zu schaffen, nicht als Mittel dazu dienen können. Das wer den die Staatsmänner, die sich auf Genf stützen, einsehen müssen. Das Rad der Geschichte dreht sich unerbittlich weiter und wer ihm in die Speichen fallen will, über den wird es Hinwegrollen. Der Genfer Bund ist ein Erzeug nis einer überholten Epoche. Etwas Neues muß an seine Stelle treten, eine GemeinschaftderVölker, denen es ernst ist um den Neubau und die Be friedung Europas. Der deutsche Autosieg in Tripolis hat erneut be wiesen, daß die deutschen Rennwagen keinen noch so star ken Gegner zu fürchten haben. Erst zwei große inter nationale Rennen sind in diesem Jahr ausgetragen wor den. Das eine war der Große Preis von Monaco in Monte Carlo, der mit seiner kurvenreichen und mit „Schikanen", künstlichen Hindernissen, besetzten Strecke längst nicht die volle Entfaltung aller Kräfte der deutschen Rennwagen zuließ. Hier siegten drei deutsche Wagen, voran Caracciola aus Mercedes-Benz, dahinter zwei Auto- Union-Wagen. Jetzt hat es sogar einen vierfachen deut schen Sieg in Tripolis gegeben. Dieses Rennen, das nach dem Ausfall des Berliner Avusrennens das schnellste Rennen überhaupt ist, stellte ganz andere Anforderungen an die Wagen, als das Rennen in Monte Carlo. Hier mußte die letzte Geschwindigkeit aus den Wagen heraus- geholt werden, Straßenlage und Windschnittigkeit waren ebenfalls Voraussetzungen für den Sieg. Diesmal war die Auto-Union glücklicher. Sie konnte die beiden ersten Plätze besetzen vor zwei Mercedes-Benz-Wagen. Aber ob die eine oder die andere Firma, das ist ganz gleichgültig. Wichtig ist nur, daß wieder die deutschen Farben zum Siege gekommen sind, daß sich deutsche Qualitätsarbeit wieder durchgeletzt h tt gegen die schwerste Konkurrenz des Auslandes. Denn, das muß hier einmal betont werden, die ausländischen Rennwagen haben sich in diesem Jahre endlich wieder zu sehr beachtlichen Gegnern entwickelt. Sü werden von Nennen zu Rennen besser. Wenn es da trotzdem diesen vierfachen Sieg, einen geradezu über wältigenden Erfolg für Deutschland, gegeben hat, dann ist dieses Ergebnis um so wertvoller, und wir können »' s freuen, daß das Autorennjahr 1936 einen so guten Auftakt genommen bat. Senf vor vollenden Wallachen Die Neutralen für Wetterführung der Sanktionen gegen Italien Schwere Verantwortung für England und für Frankreich Mitten in der schwersten Krise des Völkerbundes trat der Rat am Montag in Gens zusammen. Die von Musso lini proklamierte Annexion Abessiniens sowie die Ausrufung des Königs von Italien zum Kaiser von Abessinien haben den Genfer Bund vor Tatsachen gestellt, mit denen er zunächst nichts anzufangen weiß. Es gibt zwei Möglichkeiten für den Völkerbundsrat: Entweder findet er sich mit dem Gegebenen ab oder er be schließt verschärfte Sanktionen gegen Italien, in der Hoff nung, Mussolini so nachgiebiger zu machen. Die Stimmung in Genf war am Montag sehr gedrückt. Bei den Vertretern aller Staaten bestand das peinliche Gefühl, daß die Völkerbundspolitik eigentlich zusammengebrochen sei. Dabei ist man sich nicht darüber einig, ob und wie man sie liquidieren soll. Die Neutralen, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Holland, Spanien und die Schweiz, sind an sich gegen die Aufhebung der Sanktionen, wollen aber ihrerseits keine Anträge stellen. Die Stimmung die ser kleinen Mächte gegenüber England und Frankreich ist sehr erregt, weil ja die Großmächte die Durchführung der Sanktionen gegen Italien im Oktober 1935 veranlaßt und die Verantwortung für die heutige Lage damit auf sich genommen haben. Im übrigen haben die kleinen Mächte verlangt, daß sie Einfluß auf den Gang der Locarnoverhandlungen bekommen und daß sie bei der Reform des Völkerbundes gehört werden. Diese Beschlüsse der Neutralen, die zusammen mit der Klei nen Entente und der Balkan-Entente elf Stimmen für die Fortsetzung der Sanktionen aufbringen, sind nun noch erheblich durch die Erklärungen Mussolinis verschärft worden. Wenn diese Gruppe auch nicht ernstlich an eine Auswirkung der Sanktionen gegen Italien glaubt, so will sie doch nicht einfach das Ansehen des Völkerbundes preisgeben und erwartet von den Ver tretern der beiden Großmächte England und Frankreich eine Lösung der Spannung über eine einfache Vertagung hinaus. England und Frankreich befinden sich in einer äußerst schwierigen Lage, die dadurch noch verschärft werden könnte, daß Mussolini Anträge in Genf stellen ließe. Es verlautet, daß der italienische Ratsvertreter, Baron Aloisi, dahin gehende Aufträge bereits habe. Er könnte z. B. vom Nat verlangen, daß Italien nach der Proklamation des Königs von Italien zum Kaiser von Abessinien die Vertretung Abessiniens im Völkerbund zufällt, oder er könnte die Ausstoßung aus dem Völkerbund verlangen, weil nach italienischer Auffassung Abessinien nicht mehr bestehe. In beiden Fällen müßte der Völkerbundsrat einen Beschluß über die peinlichen abessinischen Fragen fassen. Das römische Blatt „Popolo di Roma" hat bereits in einem Leitaufsatz erklärt, daß Baron Aloisi nicht nur Italien, sondern auch Abessinien ,u vertreten habe. Wenn der König von Italien einen Frieden schließen wollte, könnte er dies nur mit sich selbst in seiner neuen Eigenschaft als Kaiser von Abessinien tun. In der S an k- tionsfrage könne Italien überhaupt nicht verhandeln, solange die Sanktionen, die einer Bestrafung gleichkom men, andauerten. Oie üblichen Vorbesprechungen. Der Montagvormittag war mit Besprechungen aus gefüllt, die sich in der Hauptsache auf die weitere Behand lung der italienisch-abessinischen Angelegenheit bezogen. Frankreichs Vertreter Paul-Boncour hatte Unter redungen mit dem britischen Außenminister Eden und dem Vertreter Italiens, Baron Aloisi, der seinerseits eine rege Tätigkeit entfaltete. Aloisi sprach u. a. auch mit dem Sowjetkommissar Litwinow. Von Bedeutung waren auch die Besprechungen des chilenischen Vertreters mit den Vertretern Italiens und Englands, da Chile die Absicht zugeschrieben wird, die Aufhebung der Sanktionen zu beantragen. Der abessinische Delegierte Wolde Mariam ließ mitteilen, daß er vor dem Völkerbundsrat auf Grund telegraphischer Anwei sungen des Negus aus Jerusalem eine Erklärung abzu geben habe. Italiens Vertreter verläßt unter Protest die Ratssitzung. Der Völkerbundsrat trat Montag nachmittag zu einer nichtöffentlichen Sitzung zusammen. Etwa zehn Minuten nach Beginn der Sitzuna verließ Baron Aloisi den Saal, nachdem ergegendie An wesenheit des abessinischen Vertreters Wolde Mariam am Rätstisch protestiert hatte. Die Protesterklärung Aloisis lautete folgendermaßen: „Italien kann die Anwesenheit eines sogenannten Vertreters Abessiniens nicht zulassen. Denn tatsächlich ist nichts vor handen, was einer staatlichen Organisation Abessiniens ähnlich sieht. Die einzige dort vor handene Souveränität ist diejenige Italiens. Deshalb wäre jede Erörterung über einen italienisch abessinischen Konflikt gegenstandslos. Ich sehe mich daher gezwungen, auf die Teilnahme daran zu verzichten." Wolde Mariam erklärte, daß Abessinien als Völker bundsmitglied nicht der Angreifer, sondern das Opfer eines Angriffs sei. Es habe keine internationalen Gesetze verletzt und bleibe dem Völkerbund treu. Abessinische Frage auf Ritte Juni vertagt. In englischen Kreisen wird der in der nicht öffentlichen Sitzung gefaßte Beschluß des Völker bundsrates, den italienisch-abessinischen Streitfall auf seiner Tagesordnung zu belassen, dahin ausgelegt, daß nach Auffassung des Rates 1. noch eine abessinische Regie rung und 2. eine abessinische Souveränität bestehe. Auch hat man aus den Unterredungen Edens mit den Ver tretern der verschiedenen Mächte und Mächtegruppen die Überzeugung gewonnen, daß alle maßgebenden Ratsmit glieder für die Fortdauer der Sanktionen sind. Die Vertagung der abessinischen Frage auf Mitte Juni soll vom Rat schnellstens beschlossen werden. Die öffentliche Ratssitzung. In der auf die nichtöffentliche Sitzung folgende» öffentlichen Ratssitzung, die von dem eng lischen Außenmini st er geleitet wurde, wurden nur einige kleinere Fragen der Tagesordnung behandelt, darunter Hilfeleistung für bedürftige Ausländer und die Arbeiten der Hygieneorganisation. Aloisi berichtete über gewisse Organisationsfragen des Haager Gerichtshofes. Oie Auffassung englischer Kreise. In englischen Kreisen in Genf wird der Beschluß des Völkerbundsrates, den italienisch-abessinischen Streitfall auf seiner Tagesordnung zu belassen, dahin ausgelegt, daß nach Auffassung des Rates noch eine abessinische Regierung und eine abessinische Souveränität bestehe. Auch hat man aus den Unterredungen Edens mit den Vertretern der verschiedenen Mächte und Mächtegruppen die Ueberzeu- gung gewonnen, daß alle maßgebenden Ratsmitglieder für die Fortdauer der Sanktionen sind. Haile Gelassie protestiert. Beim Völkerbund traf am Montag aus Jerusalem ein Protesttelegramstt des Negus ein. In diesem ersucht der Negus den Völkerbund, keine Gebietsausdehnung oder Annexion, die auf Grund von Waffengewalt und Ver letzung internationaler Abkommen vorgenommen worden ist, anzuerkennen. In dem Telegramm legt der Negus auch dar, warum er dem Kriege ein Ende gesetzt und sich ins Ausland begeben habe. Er werde vom Ausland aus in friedlicher Weise fmr Abessiniens Un abhängigkeit und die Aufrechterhaltung des Prin zips der kollektiven Sicherheit und der Heiligkeit inter nationaler Verträge Weiterkämpfen. Wörtlich heißt es in dem Telegramm unter anderem: Wir haben unseren Boden ehrlich verteidigt bis zu dem Augenblick, wo es durch den Gasregen, den Italien aus schüttete, offenbar wurde, daß unser Widerstand nicht fort gesetzt werden konnte. Wir verlangen jetzt, daß der Völ kerbund beschließt, keine Gebietsausdehnung oder Aus übung einer angeblichen Souveränität, die sich aus einer widerrechtlichen Waffengewalt und aus zahlreichen Ver letzungen internationaler Verpflichtungen ergibt, zu zulassen. Der Vizelönig von Abessinien zieht in den Palast des Negns ein. Sofortige Wiederherstellung des geplünderten Kaiser- schlaffes — Vereinigung der italienischen Nord- und Südarmee. Der neue Gouverneur der Hauptstadt des italienischen Kaiserreiches Abessinien, Bottai, hat die sofortige In angriffnahme der Wiederherstellungsarbeiten an dem kaiserlichen Schloß in Addis Abeba anaeordnet. das der