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Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn» u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. SV Pf. söhne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 16 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit. vuedilriiclttrel. IftilalMon unä LesckäMsteller Dresden, Pillnitzer Strafte 43. olksMung Inserate werden die 6gespaltene Pctitzeile oder deren Raum mit IS Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. RcdaktionS-Sprecbftunde: 11—1 Uhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1366. Nr. 248. Katholiken: Germanns. Freitaq, den 30. Oktober 1903. Protestanten: Elandins. 2. Jahrgang. Acit dem 1. November beginnt ein Mimolliillilhks Almllieilmit nuf die „Sächlilche Vol'liszeitung". Preis bei allen Postanstalten nnd ill der Expedition des Blattes 9Nk. 1 —, dnrch Boten in der Stadt frei ins Hauö gebracht Mk. 1.20. Neueintretcndcn Abonnenten liefern wir bei Einsendung der Postgnittnng die bis zum l. November erschienenen Nummern des Nvmans ,,Blei im Herzen", soweit Vorrat reicht, WM" gratis "MD nach. KWMrllk dkr „ZiiA. Uollisicituiig". Weitere (Gründe für christliche Gewerkschaften. In konfessionell gemischten Gegenden — nnd das werden mehr nnd mehr viele Gebiete Deutschlands mit der Zeit noch werden — nnd mich in anderen Gegenden haben die Bernfsvereine der Arbeiterschaft die gleichen Interessen. Sie müssen in diesen bezüglich gleicher Industriezweige auch gleichen Lohn nnd gleiche Arbeitsbedingungen anstreben. Würde man in Leipzig oder Chemnitz beispielsweise eine protestantische Organisation, in Schirgiswalde oder Crefeld oder im Münsterlande eine katholische belieben, wer könnte dann dafür bürgen, das; diese dnrch die Konfession so scharf geschiedenen Organisationen sich über ihre Forderungen immer einigen würden. Ja! noch mehr! Gerade die Gründung konfessioneller Organisationen würde die grösste Schwierigkeit haben. Mitglieder von Kirchenvorständen, anders gesinnte Geistliche würden an manchen Orten die Gründung von Gewerkschaften ihrer Konfession verhindern können, manchmal ohne Anwendung besonderer Mühe: sie würden die im Entstehen begriffene konfessionelle Organi sation mit Leichtigkeit maßregeln und ihre Tätigkeit ganz nnd gar lahmlegen können. lind so wäre zu befürchten, das; die konfessionelle Trennung die Einigkeit in Wirtschaft- lichen Fragen hindert, daß die eine konfessionelle Orga nisation dem Wirken der anderen unüberwindliche Schwierig keiten bereitet. Die Arbeiter selbst haben für eine derartige kon fessionelle Trennung auf wirtschaftlichem Gebiete, wie sie heutzutage leider von einer gewissen Richtung befürwortet und angestrebt wird, zu allermeist gar kein Ver ständnis; sic wollen in ihren Massen eine solche kon fessionelle Trennung nicht. Die Kongresse, ans denen Arbeiter zu entscheiden hatten nnd unbeeinflusst von anderen ihre Stimme abgeben konnte», haben sich stets und ein stimmig für interkonfessionelle Organisationen entschieden. Wie wohltuend berührt es jeden Sozialpolitiker, der nicht ans die rote Fahne eingeschworen, das; endlich einmal protestantische nnd katholische Arbeiter ans einem ersten deutschen Arbeiterkongres; sich znsammengefnnden haben. Manche Meinungsverschiedenheiten in Dingen, welche an nnd für sich mit der Konfession nichts zu tun haben, sollen und können da beglichen werden. Und wir hoffen nnd wünschen: Znm Segen des gemeinsamen geliebten Vater- landes! Die Idee des aus konfessionellem Boden organisierten Bcrnfsvcrcins wird für gewöhnlich von Nichtarbcitcrn pro pagiert und protegiert. Einzelnen Arbeitern sie eiuzn- impsen, mag ja wohl auch gelungen sein. Aber die Masse der Arbeiter sieht die Entwickelung von Organisationen ans konfessioneller Basis als eine ungesunde an, wir möchten fast sagen, als eine Treibhauspflanze, welche nicht stand halten wird, wie ihr Boden aus sich heraus nicht genug Nahrung bietet. Einer interkonfessionellen Organisation stehen auch katholische kirchliche Stellen mit Nichten feindlich gegenüber. So hat noch kürzlich der Bischof von Buffalo in einem Hirtenschreiben angeführt: Nicht die Unionen <neutralen Gewerkschaften) verurteile ich, sondern nur die kirchenfeind lichen Bestrebungen innerhalb gewisser Unionen. — Was in Amerika erlaubt ist, kann in Deutschland nicht unerlaubt sein. Die amerikanischen Bischöfe würden sich gewißlich glücklich schätzen, wenn sie eine der deutschen ähnliche chrisl liche Arbeiterbewegung hätten. Die wirtschaftliche Organisation der Arbeiterschaft muft auch in finanzieller Hinsicht stark und mächtig sein. Ist sie das nicht, dann fehlt ihr jeglicher Sinn und jedwede Be deutung. Eine konfessionelle Trennung würde auch ans diesem Gebiete eine gewaltige Schwächung herbeifülnen. Augenblicklich sind die sozialdemokratischen Gewerk schaften den christlichen Gewerkschaften hinsichtlich iprer Geld mittel wie ihres Mitgliederbestandes ganz bedeutend über legen. Die sogenannten freien <sozialdemokratischen» Gewerk schaften haben 7t»0000 Mitglieder nnd gegen 07, Organe, die christlichen ungefähr l00000 Mitglieder nnd lO Organe. Die freien Gewerkschaften hatten im Jahre >000 eine Ein nahme von !>'/„ Millionen, die christlichen noch längst nicht eine einzige Million. Streitigkeiten im Lager der Arbeiter, welche noch etwas ans ihren christlichen Glauben halten, schwächen die Position dieser, sic bedeuten mehr als einen fast alles gedeihliche Wirken schwächenden Luxus. Noch ans eins sei Hingelviesen: Wir stehen katholischen Arbeitervereinen natürlich mit den allergrößten Sympathie» gegenüber. Wir wünschten ihre Gründung überall da, wo nur einige Hoffnung ist, sie erhalten und dnrch sie wirklich Gediegenes leisten zu können. Wir sind keine prinzipiellen Feinde protestantischer Arbeitervereine. Würde aber auf dem Gebiete der Gewerkschaften das Moment der Konfession in den Vordergrund treten, dann würden z. B. katholische Arbeitervereine nnd katholische Gewerkschaften schließlich ein und dasselbe werden, sie würden identisch sein. Und dann? Entweder würde eine derartige Gewerkschaftsbewegung taten los verlaufen, oder: es entstünde wirklich irgendwo einmal eine nachhaltige Bewegung, nnd das mit ihr mehr oder weniger verbundene Odium fiele ans die betreffende Kon fession zurück. Keines von beiden kann vom Standpunkt eines auf streng konfessionellem Standpunkt stehenden christlichen Ar beiters gewünscht werden. Also bleibt nichts anderes übrig als die Förderung, möglichst nachhaltige Förderung christ licher (Gewerkschaften. Politische Rundschau. Äeutschland. — Zur Kaiserzusammenkunft am ck. November in Wiesbaden ist großer militärischer Empfang vorgesehen. Zn dein Zwecke werden die Regimenter, deren Chef der Zar Nikolaus ist. dnrch Abordnungen hier vertreten sein. Nach Angabe des „Mein. Kurier" wird der Znsammenknnft des Zaren mit dem Kaiser auch Reichskanzler Graf Bülow beiwohnen. Auffallend ist, das; dieser Znsammenknnft des Kaisers mit dem Zaren, jene des Präsidenten Lonbet mit Lambsd o r s f v oransgebt. Bon einem Gchcinivertrag zwischen England und Deutschland weis; die „New P)ork Times" zu berichten: Derselbe garantier! beiden Mächten den Besitz ihrer afrika nischen Kolonien und verpflichtet sie, sich gegenseitig zu unterstützen im Falle eines Angriffs einer dritten Macht ans die Kolonien. Des weiteren behauptet die Depesche. Deutschland nnd Rußland seien z» einem Einvernehmen betreffs der Mandschurei gekommen. Deutschland lasse Rußland völlig freie Hand, wogegen Rußland dem deutschen Handel in der Mandschurei die „offene Tür" gewähre. Der Zar sei von dem englisch deutschen Abkommen, das ebenso bindend für beide Parteien sei, wie das Bangtse Abkommen, verständigt worden und billige es, da Rußland ja keine Interessen in Afrika habe. — Die Bestätigung dieser nicht glaubhaften Nachricht bleibt abznwarten. Keine neue Militärvvrluge. Den „Berl. Neuest. Nachr." zufolge sind die für den Reichstag in Aussicht ge standenen größeren Militärfordernngen anfgeschoben. — Die prrnftische Gcncralfynvdt erklärte ihr Einver ständnis mit dem vom Evangelischen Oberkirchenrat mit Blei iin Herzen. Erzählung von I. R. von der La ns. Aus dein Holländischen übersetzt von L. van Heemstede. IM. gorlsetzim,;., iNnchdruck verboten.» „Wir müssen es aber durchsetzen, mag es kosten was eS will!" sagte Frau de VrieS entschlossen, im Vorgefühl des Triumphes, der ihres Lieblings harrte, es wird gewiß sofort in den Zeitungen stehen, »venu festgestellt ist, wer die Hauptperson des Aufzuges sein wird. Es wäre viel leicht am besten, wenn Papa vor einer vollendeten Tatsache stünde. Wenn jeder es weiß nnd darüber sprich!, dann kannst Du, »venu Du Dich nicht vor dem ganzen Lande lächerlich machen nullst, nicht mehr znrücktreten, nnd Papa mns; seine Zustimmung geben, ob er will oder nicht." „Darauf möchte ich es aber nicht ankommen lassen. Nein, er mns; freiwillig dazu gebracht werden, sonst lasse ich mich auf nichts ein. Könntest Du ihn denn nicht mürbe machen?" „Ich!? Wo denkst Tn hin? Das wäre das beste Mittel, um alles von vornherein zu verderben, ich kann in seinen Angen nichts Gutes tun. Dann wäre es noch besser, wenn Du Dich hinter Henriette stecktest, die steht bei ihm augenblicklich in hoher Gunst." Ein Wagen rollte heran und hielt vor der Thür still; Konrad warf einen Blick auf die Straße nnd erkannte das Coupe, des Doktors. „Da ist Papa schon, früher als sonst, wie mir scheint." „Er hat sich gewiß beeilt, weil er wußte, dos; Du kommen würdest. Laß die Sache einstweilen ruhen nnd suche ihn erst in gute Laune zu bringen. Streiche Dein eifriges Studium nur gut heraus nnd widersprich ihm nicht, er ist in letzter Zeit wieder sehr empfindlich. ES ist ein Kreuz," seufzte sie, „sich täglich mit einem Mann herumquälen zu müssen, dem es gänzlich an Welt- und Menschenkenntnis fehlt!" Konrad seufzte unwillkürlich mit. als wenn er das Cchlachtopfer eines knauserigen Tyrannen wäre. „Laß den Kopf nicht hängen, Junge!" tröstete ihn seine Mutter, „gehe rasch hinunter, Papa zu begrüßen. Das hat er gerne, nnd thne weiter alles, was in Deinen Kräften ist, um ihn günstig zu stimmen." Und beide ihr Gesicht in die freundlichsten Falten legend, erschienen Mutter und Sohn im Wohnzimmer, wo der Doktor, gerade eingetreten, sich schon verlangend nach seinem Sohne, dessen Heimkehr er von dem Dienstmädchen erfahren hatte, nmsah. 1L. Wieder war großes Diner beim Doktor de Vries, nnd alle angesehenen Persönlichkeiten ans seinem Bekannten kreise, die seine Frau znsammenzntrommeln gewußt hatte, waren um den festlich geschmückten Tisch geschart. Wegen des schönen Frühlingstages war das Festmahl nicht im Salon, sondern im Gartenzimmer, das überreich mit Blumen geschmückt war. angerichtet. In allen Ecken waren Gebüsche von blühenden Azaleen nnd Kamelien wie ans dein Boden hcrvorgewachsen; der Schornsteinmantel nnd dw Spiegel waren ganz von Blnmengnirlanden nm- kränzt. Am reichsten aber entfaltete sich die Blnmenpracht zwischen dem Krystall nnd den silbernen Tafelaufsätzen, nnd ein zauberischer Anblick war es, als beim Dessert, da es schon zu dämmern anfing, überall zwischen dem Grün elektrische Glühlichter entflammten in farbigen Kelchen von venetianischem Glas verborgen. Alle Gäste waren entzückt von der schönen Illumi nation. womit der Sohn des Hauses sie überrascht hatte, nnd überschütteten ihn zur größten Freude seiner Mutter mit schmeichelhaften Lobsprüchen wegen seines erfinde rischen Geistes. Mit gewinnender Freundlichkeit nahm der Held des Abends die ihm gezollten Komplimente entgegen, sie in artiger nnd geistreicher Weise ans den Damenflor übertragend. Der Abend war aber dazu ansersehen, nicht so sehr um ihn, sondern um seinen Vater zu verherrlichen. Von Tag zu Tag hatte Frau de Vries auf einen günstigen Augenblick gewartet, um ihren Mann gewissermaßen zu überrumpeln und ihn für den kostbare» Plan, den sie mit Konrad geschmiedet hatte, zu gewinnen. Dieser hatte von vornherein darauf verzichtet; jedesmal »nenn er mit seinem Vater zusammen war, nal»m die Unterhaltung eine ganz andere Richtung an. als daß ne zu dem bewußten Ziele hätte führen können. Der Doktor erkundigte sich nach seinen Studien, zeigte sich nnznsrieden über seine geringen Fort schritte und seine übermäßigen Ausgaben, hielt ihm das Beispiel Adolf Weevers vor, der ihn in wenigen Jahren nicht nur eingeholt, sondern überflügelt hatte, und gab deutlich zu verstehen, das; darin bald eine Aendernng kommen müsse, sonst wäre es besser, die kostbaren nnd nnfrncht baren Studien an den Nagel zu hängen. Um nicht Alles zu verderben, hatte Konrad nur wenig darauf geantwortet nnd sich darauf beschränkt, die schönsten Versprechen für die Zukunft zu geben. In seinem Unmut hatte er wiederholt Trost gesucht bei seiner Mama, die ihn in ihrer mütter lichen Zärtlichkeit vollkommen beruhigte nnd es ans sich nahm, selbst dafür zu sorgen, das; Alles nach Wunsch ginge. Aber trotz ihres diplomatischen Taktes wollte ihr dies nicht ge lingen; der Doktor schien zu vermnten. daß man etwas wider ihn im Schilde führe, nnd blieb sehr zurückhaltend. Ein unverhoffter Zufall kam ihr schließlich zu Hilfe, nnd von dem Tage an war ihr Feldzngsplan seslgestellt. Jetzt mar der Amp> 'llick gekommen, da die künstlich gelegte Mine znm Sprü.-en gebracht werden sollte. imlich ihre Blicke über oie Tafel uc fröhliche Gesichter nnd heiter ite Mahl, der prickelnde Wein, a gene Unterhaltung, die Inrnriöse ach befand, hatten die ganze Ge sellschaft in gehobene Stimmung gebracht. Der Sohn deö Hauses und einige seiner Stndiengenossen, die ebenfalls zu den Eingeladenen zählten, sorgten schon dafür, daß die jungen sowohl wie die alten Damen nichts von Langeiveile verspürten. Witz- nnd Scherzworte flogen bin nnd her, von fortwährenden Lachsalven begleitet; besonders die mutwillige, schwarze Eslella war dabei in ihrem Element. (Fortsetzung folgt.) Frau de VrieS lic schweifen. Sie sah strahlende Angen. die angenehme, n: Umgebung, in der mau -W j EN