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Tageblatt für Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Hermsdorf, Bernsdorf, Wüstenbrand, Mittelbach, Ursprung, Kirchberg, Erlbach, Lugau, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf rc. Der.Hohenstein-Ernstthalcr Anzeiger" erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei freier Lieferung ins Haus Ml«. 1.50, bei Abholung in den Geschäfts stellen Mk. 1.25, durch die Post bezogen (außer Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Pfg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgabestellen, die Austräger, sowie sämtliche Kaiser!. Postanstalten und die Landbricsträger entgegen. Als Extrabeilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das „Illustrierte Sonntagsblatt". — Auzcigengebühr fiir die 6gespaltene Korpuszeile oder deren Raum 12 Pfg., für auswärts 15 Pfg.; im Rcklameteil die Zeile M Pfg. Die ^gespaltene Zeile im amtlichen Teil 50 Pfg. Anzeigen-Annahme für die am Abend erscheinende Nummer bis vormittags 10 Uhr, größere Anzeigen werden am Abend vorher erbeten. Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt, jedoch nur bei alsbaldiger Zahlung. Die Ausnahme von Anzeigen an vorgeschriebenen Tagen und Plätzen wird möglichst berücksichtigt, eine Garantie jedoch nicht übernommen. — Für Rückgabe unverlangt eingesandter Manuskripte macht sich GDGGGGTGGGGGGTTGGTVGTGGGGGGGGTGGGGGGGGGG die Redaktion nicht verbindlich. GGGGGGGGGGGGTGGGGGGGGGGGGTGGGGTGGTTTTGDV '< ' Nl. 121. F-rnsprecher Ri. 1b1. Mittwoch, den 29. Mai 1912. Geschäftsstelle Bahnstraße 3. 39. Jahrgang Für ein 6 Wochen altes Mädchen wird eine Ziehmutter gesucht. Angebote wolle man umgehend abgeben im Rathause, Zimmer Nr. 2. Stadtrat Hohenstein-Ernstthal. Bekanntmachung. Wegen Durchlegung einer Schleuse durch die hiesige Weststraße wird der Verkehr auf dieser Straße vom 30. Mai bis mit 1. Juni v. gesperrt und Uber Gersdorf bezw. Neuölsnitz verwiesen. Luga», am 26. Mai 1912. Der Gemeiudevorstand. Kurth. »in Lnaden-^n^üxen bis rum feinsten Oenre» Ä MsU KdR, «WW-M» krstkiLssige, beste Konfektion, » » » ! UMmrmdW Lari 8oiäel j r I^UFttU, ob. Nanptgtr. 4 lnd.: ?Lll! 8viö«>. s Der schöne Paul Unmittelbar vor Pfingsten kam uns aus Paris die Mitteilung, daß der Abg. Paul Deschanel zum Präsidenten der Deputierten- tammer gewählt worden sei. Das ist in Deutschland im Trubel der Pfingstfreude nicht groß behandelt worben, es soll uns auch die Zukunft nicht stören, ist aber immerhin ein Vorkommnis, das ernstlich beachtet sein will. Denn es beweist, daß die größten Chauvini sten in ganzer Front avancieren, und daß es im Bereiche einer nahen Möglichkeit liegt, daß einer der ihrigen, und das ist Herr Descha nel, nach dem Ablauf der Amtszeit des Prä sidenten Fallieres Oberhaupt der Republik wird. Und wenn man hinzurechnct, daß sich auch die Oberchauvinisten Delcassee und Gc- Urkraft der Liebe. Roman von Karl Engelhardt. 14. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Das sind also drei Bedingungen. Die ersten beiden unterschreibe ich rückhaltlos. Die letzte hat einen Widerbaken." „Ich gehe von keiner ab. Entscheiden Sie sich." „Ja, was bleibt mir da übrig?" seufzte er. .Ich Muß ja wohl „ja" sagen." „Gut. Hand darauf!" „Hier." Eie drückte fest die dargereichte Rechte und sah Ihm eindringlich in die Angen. „So - nnd nun führen Sic mich, bitte, zu Ihrer Frau, Meister Erich, Das heißt, weun sie schon bcsuchssäbig ist." „Ab — da kennen Sie sie schlecht. Natürlich können Sie kommen." Das ganze Gespräch hindurch waren sie auf der selben Stelle stehen geblieben. Nun wandten sie sich und gingen den Weg zurück, deil Erich gekommen. Sie standen beide noch unter dem Eindrücke ihrer Unterhaltung und schritten schweigend nebeneinander her. Nur kurz vor dem Hause fragte Karla plötzlich unvermittelt: »Ist Ihr Schwager auch hier?" Und scherzend fügte sie hinzu: .Sie wißen, Sie haben ihn mir einst als Gesell schafter versprochen." „Er ist noch in Königsberg, kann aber jeden Tag kommen, wie er mir vor kurzen, schrieb." „So? Wie geht's denn mit seiner Gesundheit ? Er war doch, glaube ich, krank?" «Ja. Aber es ginge ihm besser, schrieb er mir. Und er hofft, sich hier völlig zu erholen." Man war zu Hause. Maja batte sie kommen sehen und war Ihnen bis zur Tür entgegengeeilt. .Fräulein Fannemor!" rief sie voller Freude. „O „offen der höchsten Popularität erfreuen, so werden wir unschwer begreifen, daß der Grnndton der französischen Stimmung ein sol cher ist, der nicht gerade dem Grundsätze „Nie mand zu Lieb und niemand zu Leide" hul digt. Es ist, als wäre für sie England ge radezu gemacht! Der Präsident der französischen Volksver tretung hatte früher den Spitznamen „der schöne Paul". Wenn man sich den Sechzigern nähert, geht die Apollo-Gestalt ihrem Abschluß entgegen, aber dafür wächst nicht selten der Ehrgeiz. Das ist auch hier der Fall. Die französischen Politiker sind gewiß vortreffliche Patrioten, aber für sic alle steht das eigene Ich neben der nationalen Triebfeder ihrer Ge danken. Der Marine- und Kriegsminister an der Seine haben ihre Wirksamkeit in der letz ten Zeit dermaßen gesteigert, daß sie alle anderen Staaten mitgerissen haben. Gewiß, alle Heere konnten Flugmaschinen und Unter seeboote haben, aber das brauchte doch nicht gerade derartig mit Siebenmeilenstiefeln zu gehen, wie es von Paris aus vorgemacht ist. In den Kreisen der Friedensfreunde war schon der Gedanke aufgetaucht, Aeroplane nicht als militärische Waffe zu benützen, eine Idee, die von den Franzosen sosort beseitigt wurde. Sie sind die Urheber der Verwendung der Luft waffe im Kriege. Frankreich hat sein Bündnis mit Rußland, das herzliche Einvernehmen mit England. Unter der ruhigen Nüchternheit der russischen Allianz begann die Revanchelust allmählich einzuschlafen, die Chauvinisten klagten, daß vielen Franzosen die Sache langweilig zu wer den beginne. Wenn sic das bedauerten, so war es doch für Europa eine günstige Wen düng, die sich namentlich während der Welt- — das ist schön, daß Sie Wort halten und uns be suchen." Sie umschloß ihre Hand und drückte sie. Dann zog sie Karla in das Haus. Ihre Freude war nicht geheuchelt. Das energische Mädchen, dessen unverkennbarer Grundzug trotz der etwas schroffen Außenseite tiefe Hcrzensgüte war, hatte vom ersten Augenblick an ihr Snmpathien ge wonnen. Und dazu wußte sie, daß sie eiue frühere Schülerin Erichs und ihn: in treuer Anhänglichkeit ergeben war. Und wie sich der Ertrinkende au einen Strohhalm klammert, faßte sie sofort nach der Hoffnung: vielleicht — vielleicht bringt sie einen Umschwung in ihr trauriges Ebelebeu, vielleicht gelingt es ihr, auf Erich einigen Einfluß auszuüben. Man setzte sich zu einem gemütlichen Frühstück zusammen. Karla erzählte, daß sie die letzten zwei Monate in Berlin gewesen sei. Sie berichtete von ihren Arbeiten. Und flocht heitere Episoden da zwischen. Erich wurde so lebhaft und heiter, wie ihn Maja fast nie gesehen hatte. Und glücklich ließ sie sich von der frohen Stimmung anstecken. Nur einem so scharfen Blicke, als Karla besaß, konnte es nicht entgehen, daß zwischen den beiden jung verheirateten Eheleuten etwas nicht ganz in der Ordnung sein mußte. Und sie war jetzt schon ent schlossen, mit Throndhjcm ein ernstes Wort zu reden. Man kam im Laufe des Gespräches auf die Kunst. Karla hatte der Unterhaltung absichtlich diese Wendung gegeben. Sie wollte sehen, wie weit Maja ihren Gatten auf diesem Gebiete folgen konnte. „Haben Sie viel gearbeitet?" fragte sic Erich. „Hier haben Sie als Landschaftler doch eine Fülle von neuen Eindrücken." „Weniges habe ich skizziert. Wirklich gearbeitet habe ich überhaupt noch nicht, seit ich verheiratet bin." Karla sah, wie ein Schatten über Majas Gesicht zuckte. ausstellung des Jahres 1909 kundtat, wo der deutsche Kaiser wegen der glänzenden Veran staltungen im „deutschen Hause" beinahe der populärste Mann in Frankreich war. Ein paar Jahre später leitete sich der Umschwung ein, und heute steht es eben dank Englands Be einflussungen ganz, ganz anders. Den hohen Friedenswvrten entsprechen die Taten nicht, nnd wenn Herr Paul Deschanel und seine Freunde sich erst am rechten Flecke fühlen, werden auch die Worte eine andere Klangfär bung gewinnen. Es ist gut, daß wir uns die Pfingststim mung durch ein solches Hervortreten westnach barlichen Geistes nicht haben beeinträchtigen lassen, denn was für nnsere Grenzsicherheit zu geschehen hatte, das war getan; die Annahme der Wehrvorlagen durch den Reichstag enthebt uns aller weiteren Bedenken. Besser wäre es freilich, die Leute der geringeren geistigen Größe und des stärkeren Gefühls der Unver antwortlichkeit träten weniger in der politi schen Welt hervor, die sie gern entbehren kann und entbehren würde. Die Völker lassen sich leicht von Sensationen blenden, denn sonst könnten die Spieler mit dem Kriegsfeuer nicht in der ersten Reihe stehen. Es gibt allerdings auch andere, darum aber nicht weniger ge fährliche Sensationen, von denen wir in letz ter Zeit einige Beispiele erlebten. Wenn das Bürgertum in den modernen Staaten sich nicht so sehr der eigenen Verantwortlichkeit bewußt wäre, es könnten verhängnisvolle Würfel schnell fallen. Und darum »vollen wir uns freuen, daß die Besonnenheit auch am Ufer der Seine wie der Themse noch ein starkes Gewicht hat. Tagesgeschichte. Graf Berchtold in Dresden. Der österreichisch-ungarische Minister Gros Berchtold traf am ersten Psingstfeiertage mit dem Zuge 12 Uhr 4 Minuten mit einhalb stündiger Verspätung in Begleitung des Lega tionsrates Grafen Hohos von Berlin aus in Dresden ein. Er wurde empfangen von dein österreichischen Gesandten Grafen Forgach, dem Legationsrat Freiherrn von Franz, dem Le- gationssekretär Grafen Dubsky nnd dem öfter reichischen Gesandtschafts-Kanzleirat von Ruti. „So? Na, die Flitterwochen entschuldigen manches. Wie ist es denn aber? Sind Sie immer noch nicht zur „Moderne" abgeschwenkt?" „Das fragen Sie mich?" entgegnete er lebhaft. „Also immer noch enragierter Gegner? Keine Zugeständnisse?" „Ich werde mich nie zu Zugeständnijsen herbei- lassen, die meinem künstlerischen Geschmacke zuwider- laufen. Die übermodernen „Klecksereien" mit ihren sogenannten großzügigen Linien, die es so bequem machen, die Einzelheiten zu vernachlässigen, und mit ihrer verrückten Farbenphantasie — nein, mir können sie nicht imponieren." Karla lächelte über seinen Eifer. Sie kannte ihn ja in diesem Punkte. Dann wandte sie sich an Maja, die schweigend zuhörte. „Nun, Fran Throndhjcm, Sie reden ja gar nicht? Sie stehen natürlich aus Seilen Ihres Herrn und Meisters?" „Eigentlich nicht so ganz," gestand sie etwas zögernd. „Aber das sind rein snbjetüvc Gefühle und wohl keine fachkundige Kunstanschaunng." Erich batte ganz erstaunt aufgcseben. Karla aber ging lebhaft darauf ein. „Aber was kann man denn Besseres verlangen, gerade bei der Malerei, als das gesunde Gefühl sprechen zu lassen? Was denlcn Sic also von der Moderne?" „Ich meine, daß Erich sic ein wenig zu schroff verurteilt. Gewiß, die Extreme, wie sic auch in der Malerei herrschen, muten mich auch nicht sonderlich an. Aber ich habe mir immer gesagt, daß all das, was wir heute „Moderue" nennen, nur ein Suchen und Tasten ist. llnd daß mau bei Reformen leicht ins Extrem verfällt, ist klar. Ich babc manche von den neuesten Gemälden gesehen nnd war zunächst überrascht. Allmählich wurde ich mit ihnen vertrauter und prüfte ruhiger, llud da fall ich oft doch so viel Stimmung in diesen Gemälden, die aus die Einzel- Der Minister begab sich mit dem Gesandten zunächst nach dem Hotel Europäischer Hof, wo er abstieg, darauf in die Wohnung des Gra fen Forgach, nachdem er zuvor noch bei dem Minister Grafen Vitzthum von Eckstädt vorge sprochen hatte. Graf Vitzthum nahm dann an einem Frühstück beim Grafen Forgach, als auch ail dem Essen teil, das um 7 Uhr abends bei dem König im königlichen Schlosse zu Dresden stattfand, und bei dem auch der Kronprinz, Graf Forgach und die übrigen Mit glieder der österreichischen Gesandtschaft zu gegen waren. Vor dem Diner wurde Graf Berchtold in einviertelstündiger Audienz vom König empfangen. Der König überreichte ihm bei dieser Gelegenheit das Großkreuz des Rau tenordens. Graf Hohos erhielt den Komtur des Albrechtsordens. Politische Fragen wur den nicht weiter erörtert. Der ganze Empfang behielt den Charakter diplomatischer Höflich keit. Gegen 12 Uhr nachts reisten Graf Berchtold und Graf Hoyos nach Wien ab. Der Tranerfall im Hause Cumberland ist von einem englischen Telegrapheilbureau dazu benutzt worden, um die Haltung Kaiser Wilhelms gegenüber der Familie Cumberland gröblich zu entstellen. Das Telegraphenbureau hatte nämlich die Meldung verbreitet, Kaiser Wilhelm habe es abgelehnt, sich bei der Lei chenfeier vertreten zu lassen. Demgegenüber weist die „Nordd. Allg. Ztg." darauf hin, daß der Kaiser dem Herzog von Cumberland draht lich seine herzlichste Teilnahme ausgedrückt hat, wofür der Herzog in einem ebenso warm ge haltenen Telegramm gedankt hat. Im Auf trage des Kaisers haben bekanntlich die Prin zen Eitel Friedrich und August Wilhelm von Preußen der Leiche des Prinzen Georg Wil helm bei der Ueberführung von Nackel nach Friesack die letzten Ehren erwiesen. Während der Pfingsttage hielten 26 Mitglieder der han noverschen Ritterschaft am Sarge des Prinzen die Ehrenwache. Am heutigen Dienstag wird Prinz Georg Wilhelm im Beisein zahlreicher Fürstlichkeiten im Mausoleum zu Gmunden beigesetzt. Die abgelaufene Rcichstagssession würdigt die „Nordd. Allg. Ztg." in einem be merkenswerten Artikel. Das Organ des Kanz lers sagt dazu: In einer kurzen, angestreng ten und ungewöhnlich bewegten Tagung hat heilen bisweilen so wenig eingehen, und ich bemerkt« durch einzelne Versuche, daß die Verschiedenheit der Farbcnreflcxe in der freien Landschaft tatsächlich oft mehr vorhanden ist als man in der älteren Schule beachtete. Und es schien mir ähnlich auch auf dem Gebiete der Literatur. Ich sah überall einen Keim des Guten, von dem ich glaube, daß er noch Früchte zeitigen kann und wird. Wenn die Extreme erst ein mal ein bischen überwunden sind." Sie war ganz rot geworden während ihrer Worte. Erich aber traute seinen Ohren nicht. War denn das wirklich Maia, die mit so ruhiger, klarer Auffassung Kunstrichtungen vertrat? Von der Selle hatte er sie überhaupt noch nicht gekannt! Karla warf ihm einen triumphierenden Blick zu. „Ei, der Kuckuck!" rief Erich angeregt, zu Maja gewandt. „Das wußte ich ja gar nicht. Da habe ich in dir ja eine Gegnerin?" „O nein!" erwiderte sie mit innigem Blick. „Ich liebe deine Kunst." Und froh, zärtlich, faßte sie seine Hand und strich leise darüber. Langsam wie zufällig zog er sie zurück. Karla hatte sie beide betrachtet. Nun erhob sie sich plötzlich und streckte Maja über den Tisch hin über die Hand zu. „Frau Tbrondhjem — wollen Sie mir eine Liebe tun? Eine sehr — sehr große?" Maja sah sie überrascht und fragend an. „Aber gewiß, Fräulein Fannemor " „Wir wollen Freundinnen sein, Frau Throndhjcm. Wahre, wirkliche Freundinnen, die kein Falsch, keinen Hehl vor einander haben. Ich bin zwar ein bischen ruppig —" „Aber wie gern — wie gern, Fräulein Fannemor!" rief Maja voller Freude und drückte Karlas Hand. Dann eilte sie um den Tisch herum, umschloß Karla und küßte sie. (flortsetzung folg!.-