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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.10.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111010016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911101001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911101001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-10
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Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Das Wichtigste. * Im Innern von Tripolitanien sollen sich 40 000 kriegsbereite Muselmanen befinden. (S. d. bes. Artl) * Der englische Ueberdreadnought „K önig Georg V" ist am Montag in Portsmouth vom Stapel gelaufen. (S. Ausl.) * Ter 10. internationale Schiff fahrtskongreß wurde in Paris eröffnet. (S. Ausl.) * InSofia wurde eine deutsche Schule eröffnet. (S. Ausl.) * In dem großen Anarchistenprozeß in Jekaterinoslaw wurden von 56 Angeklag ten neun zum Tode, dreiunddreißig zu Zwangsarbeit verurteilt und vierzehn frei gesprochen. - . Europa unü üie smeriksnilche Elnmsnüerung. In dem Bericht der Kommission für aus wärtige Angelegenheiten des amerikanischen Senats über die Schiedsgerichtsoerträge findet sich eine Stelle, die für europäische Staats männer einer besonderen Beachtung wert ist. Da heißt es: „Zu den ersten Rechten der Sou veränität gehört die Befugnis, zu entscheiden, wer in ein Land kommen darf und unter welchen Bedingungen. Keine Nation, die weder unterjocht noch abhängig ist, wird irgend einer andern Nation gestatten, sie zu zwingen, die Bürger oder Untertanen jener andern Nation aufzunehmen. Wenn nun unser Recht, be stimmte Klaffen von Einwanderern auszu schließen, einmal angefochten werden sollte, so könnte diese Frage der gemeinsam zusammen gesetzten Untersuchungskommission unterbreitet werden, und wenn diese Kommission entschiede, daß die Frage vor das Schiedsgericht gehöre, so würde der Senat nicht imstande sein, eine schiedsgerichtliche Erledigung dieser im Grunde amerikanischen Angelegenheit zu verhindern." Der amerikanische Senat will demnach seine Zustimmung zu den Schiedsgerichtsver trägen nur geben, wenn die europäischen Parteien sich ein- für allemal damit ein verstanden erklären, daß die Vereinigten Staaten ganz nach Gutdünken europäische Einwanderer zulassen und abweisen dürfen, möchten auch in Zukunft einmal die Auswande. rungsmöglichkeiten für europäische Völker da durch in einer Weise eingeschränkt werden, daß sich die europäischen Arbeitsmärkte maßlos Über füllen müßten. Die bisher getroffenen Maßnahmen der Washingtoner Regierung, die Einwanderung aus Europa zu beschränken, wurden damit zu rechtfertigen gesucht, daß die „neue" Einwande rung wesentlich anders sei als die „alte". Im Iahre 1882 wanderten 650 000 Personen von „über See" in die Vereinigten Staaten ein. Davon kamen 565 500 oder 87 vom Hundert aus Großbritannien, Holland, Belgien, Frankreich, Deutschland, Skandinavien und der Schweiz; 83000 oder 13 vom Hundert aus südlichen oder östlichen Gegenden Europas, Oesterreich-Ungarn, Griechenland, Italien, Portugal, Rumänien, Polen, Rußland und der Türkei. Fünfund zwanzig Jahre später, 1907, hatte sich die über seeische Einwanderung der Union fast verdoppelt; es kamen an 1285 000 Personen, davon 81 vom Hundert aus südlichen und östlichen europäischen Ländern und weniger als 19 vom Hundert aus Nord-, Nordwest- und Mitteleuropa Das Ver hältnis hatte sich also völlig umgekehrt. Die Schöpfer amerikanischenRechts und amerikanischer Kultur sind vorwiegend Angehörige germanischer oder keltischer Völker gewesen; alle politischen Einrichtungen und alle Kulturwerke in den Vereinigten Staaten tragen ein entsprechendes Gepräge. Da nimmt es allerdings nicht wunder, daß man sich in Amerika heute besorgt fragt, was daraus werden soll, wenn in Zukunft fast ausschließlich Slawen und Südeuropäer in großen Massen einwandern, die von Natur und Kultur ganz anders geartet sind als der amerikanische Bevölkerungskern. Die früheren Möglichkeiten der Assimilierung dieser fremden Der Krieg um Tripolis. Die Nachrichten non bestimmten Jriedensoorschlä- gen sind fortgesetzt mit Skepsis auszunehmcn. Auch der neue türkische Nunderlaß enthält nicht ein Er suchen an die Mächte, die Vermittlung zu überneh men, sondern begnügt sich damit zu sondieren, wie sich die Mächte zu dem Gedanken einer etwaigen Ver mittlung verhalten würden. Eine Berliner Nach richtenstelle, die meist gut unterrichtet ist, sagt dazu folgendes: Der Schritt der Pforte bezweckt, von den Groß mächten zu erfahren, ob diese eine etwaige Bereit willigkeit der Türkei, auf Tripolis unter gewissen Vorbehalten zu verzichten, ihrerseits zum Anlaß für vermittelnde Schritte bei der italienischen Regierung zwecks Beendigung des Kriegszustandes nehmen wür den. In dieser Form beschäftigt die türkische An regung augenblicklich die Kabinette der Großmächte. Die Meldung des Pariser „Matin", die Türkei habe sich nur an Deutschland gewandt, ist nicht glaubhaft, vielmehr scheint es sich wirklich um einen Runderlaß an sämtliche türkischen Botschaften zu handeln. Es heißt sogar, daß bereits infolge der Anfrage der Pforte ein Gedankenaustausch unter den europäischen Kabinetten zur Vorbereitung von Vermittlungs vorschlägen erfolge. Verfrüht ist aber die Meldung eines Konstantinopler Blattes, wonach bereits der Abschluß eines Waffenstillstands zwischen der Türkei und Italien geschlossen sein soll. Die Türkei soll danach vorgeschlagen haben, daß Tripolis Italien überlassen werde, dafür aber Kreta endgültig an die Türkei fallen solle. Ueber Seegefechte liegen zwei allerdings recht dürftige Meldungen vor. Einer dieser Zusammenstöße zwischen türkischen und italienischen Seestreitkräften soll an der albanischen Küste, der andere in der Nähe von Comacchio an der italienischen Küste nördlich von Ravenna, stattgefun den haben. Die Depeschen besagen folgendes: Paris, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeldung.) Der „Matin" erfährt aus Korfu die Nachricht, Laß sechs italienische Torpedoboote gestern an der albanischen Küste eine heftige Schlacht mit drei türkischen Torpedobooten halten. Nach lebhaftem Kampf wurden zwei der türki schen Schiffe vernichtet, während es dem an deren gelang, zu entkommen. Mailand, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Gestern gegen Mitternacht wurden die Bewohner der Stadt Comacchio, wie der „Secolo" meldet, durch den Lärm einer lebhaften Kanonade aus dem Schlafe geschreckt. Der Kanonendonner auf dem offe nen Meere hielt etwa eine Stunde lang an. Man glaubt, daß es sich um einen Zusammen st oß von türkischen mit italienischen Schiffen handelt. Bei Tripolis bereitet man anscheinend eine entscheidende Land schlacht vor. Ein kleines Gefecht, das für die Türken günstig verlief, hat bereits stattgefunden: Konstantinopel, 9. Oktober. (Eig. Drahtm.) Die Blätter melden: Die türkische Garnison von Tripolis zog sich unter dem Oberst Neschet nach Beharr und Kirkk arisch zurück, wo sie eine Verteidigungsstellung einnahm. Eine italienische Kompanie versuchte bis Behare vorzurücken, mußte aber infolge des Widerstandes der türkischen Truppen sich zurückziehen. Die ein heimisch« Bevölkerung nahm an dem Kampfe teil. Malta, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Flücht ling« aus Tripolis behaupten, daß im Innerndes Landes sich rund 40000 kriegsbereite Mu selmanen befinden. . 8t. Malta, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Bei dem Bombardement von Tripolis wurde ein Haus in der Nähe des britischen Konsulats, wo 600 Europäer und reich« Araber unter der den t- jchen Flagge Schutz gesucht halten, von einem Ge schoß getroffen. Das Dach stürzte ein und 2 Euro- päcr wurden getötet, mehrere verletzt. Türkische Rüstungen für Albanien. Rom, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Wie der „Messagero" zu berichten weiß, betreibt die tür- kiiche Regierung ihre Kricgsrü st ungen an der Küste von Epirus und Albanien mit fieberhafter Tätigkeit. Ein Regi ment Kavallerie, 10 Feld- und I Eebirgsbatterien sollen nach Prevesa geschafft worden sein, wo sich schon 10 Bataillone Infanterie befanden, die von Janina aus dorthin gebracht worden sind. Der türkische Kriegsministcr soll die weitgehendsten Vor bereitungen getroffen haben, falls Italien die euro päische Türkei angreifen sollte. „Uns lassen diese Kriegsrüstungen der Türkei", so schreibt das Blatt, „gegen einen Einfall Italiens in das Land vollstän dig kalt. Sie bleiben uns ganz unverständlich, da Italien ja gar nichts mit der europäischen Türkei zu tun har und gar nicht daran denkt, diese anzuareifen." Steigende Kriegsneigung in der Türkei. Saloniki, 9. Oktober. (Meldung des Wiener K. K. Telegr.-Korr.-Bureaus.) Wie der Wali von Skutari meldet, gelang es angesichts der kritischen Lage, die katholischen Mälissoren mit Len mohammedanischen Arnauten zu ver söhnen. Alle seien bereit, das Land gegen jeden Feind zu verteidigen Die Negierung möge den Arnauten unbedenklich Waffen ausfolqen. — Das iungtllrkische Komitee wurde davon verständigt, daß der I m a m Iahia im Jemen infolge der Be setzung von Tripolis durch Italien um Gnade ge beten habe, da er gegen die Ungläubigen ziehen wolle. Protest gegen die Landung der Türken in Samos. Athen, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Die Deputierten von Samos haben gegen die Landung von 600 türkischen Soldaten protestiert, die vorgestern vertragswidrig vorgenommen worden war. Der Fürst von Samos hat diese Protestnote der Pforte überliefert, die Antwort darauf steht jedoch noch aus. Sollte die Pforte dem Protest nicht statt geben, so werden sich die Deputierten an die Groß mächte wenden. Ans der Suche nach einem Minister des Auswärtigen. Sofia, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Ass im Bay, der hiesige türkische Gesandte, ist zur Ver handlung wegen Uel>ernahme des M i n i st e r i u m s des Auswärtigen nach Konstantinopel ab gereist. Sein Eintritt in üie Negieruna würde das Kabinett Said bedeutend stärken, da Assim ein her vorragendes Mitglied des jungtürkischen Komitees und ein temperamentvoller Diplomat mit stark entwickeltem nationalen Selbstbewusstsein ist. Eine österreichische Warnung an die Balkanstaaten. Konstantinopel, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Die österreichisch-ungarische Regierung hat die Pforte davon verständigt, daß sie an alle Balkanstaaten die Aufforderung gerichtet hat. alles zu vermeiden, was irgendwie einen Krieg auf dem Balkan herbeiführen könnte. Sollte ein Balkanstaat dennoch einen Krieg vom Zaune brechen, so würde Oesterreich-Ungarn eventuell selbst gegen ihn einschreiten. Die italienische Presse gegen die Deutschen. Aus Rom wird berichtet: „Corriera della Sera" schreibt in einem Leitartikel, die italienfeindliche Sprache der deutschen und österreichischen Presse drohe die Wohltat Les wirklich herzlichen und solidarischen Aktes, den die deutsche Regierung durch Uebernahme des Schutzes der Italiener in der Türkei vollzogen habe, in Frage zu stellen. Es scheine, daß die Presse der beiden verbündeten Länder von keinem anderen Streben erfüllt sei, als von dem, sich mit den Hand lungen ihrer Regierungen in absoluten Gegensatz zu stellen, und das in einem Augenblick, wo es gelte, den Wert des Dreibundes zu beweisen! In Oester reich und Deutschland benutze man jede Gelegenheit, die öffentliche Meinung gegen die Italiener einzu nehmen. — Sind die Italiener an der Beurteilung, die ihnen zuteil wird, etwa unschuldig? Opfer des Aberglaubens. Nom, 9. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) In der Dominikanerkirche zu Bari entstand gestern eine große Panik, die dadurch hervorgerufen wurde, daß plötzlich während des Gottesdienstes die Statue der Maria del Resario zu bren nen anfing. Da sich die Volksmenge nicht erklären konnte, auf welche Art und Weise das Feuer ent standen sei, wurde sie in ihrem Aberglauben bestärkt, in der brennenden Statue ein göttliches Omen zu erblicken. Die Kirchenbesucher nahmen an, daß die Jungfrau Maria ihnen wegen ihres Verhaltens bezüglich Tripolis zürne. (!!) Es kam in der Kirchs zu eine: großen Demonstration gegen den Krieg, worauf die Menge die Kirche wieder ver ließ, ohne das End« des Gottesdienstes abzuwarten. D'Annunzio über den Krieg. Der „Corriera della Sera" veröffentlicht eine lange Ode g'Annunzios über den Krieg, die das Gedächtnis an die unglückliche Seeschlacht von Lissa zurückruft. Die Ode feiert dann den Sieg der neuen italienischen Flotte und mahnt Italien, krairvoll seinen Krieg zu Lande und zu Wasser durchzuführcn. Elemente sind in dem Maße geringer geworden, als sie selbst zunahmen. Die Zeiten großer Landschenkungen durch die Regierung und eines schwindelhaft über triebenen Eründungswesens im Bau von Bahnen zu Besiedelungszwecken sind längst dahin, und immer seltener bietet sich den ein gewanderten früheren ehrgeizlosen Bauern oder Taglöhnern Osteuropas die Gelegenheit, sich als Farmer langsam von selbst in einen geistig ge weckten, freien, stolzen, strebsamen Bürger der Union zu verwandeln. Das platte Land in Amerika saugt die Einwanderung nicht mehr auf, hilft dieser vielmehr, die Städte zu Über völkern, wo die Angehörigen der verschiedenen ost- und südsuropäischeu Nationalitäten sich in einzelnen Stadtteilen absondern, nach über kommenen Gewohnheiten sich einrichten und an Sprache und Sitten der Väter festhalten. In den letzten 20 Jahren hat sich die städtische Bevölkerung der Union von 13,1 Millionen auf 28,5 Millionen vermehrt, das heißt mehr als verdoppelt, während die gesamte Bevölkerung nur um 47 vom Hundert zunahm. Je größer die Stadt, desto stärker war der Zuwachs. New Pork, Chicago und Philadelphia allein sind 1900 bis 1910 zusammen 2 Millionen Menschen zugewachsen. Die bestehenden Einwanderungsgesetze suchen, soweit Europäer in Betracht kommen, die „physisch und moralisch Untauglichen" auszu schließen. Die vor vier Jahren gebildete United States Immigration Commission, von deren neun Mitglieder je drei vom Präsidenten des Senats, dem Sprecher des Kongresses und dem Präsidenten der Union, der damals Roosevelt war, ernannt sind, schlägt die Einführung des „liter-Lv^ test" vor, wonach jeder Einwanderer, um zugelassen zu werden, eine Prüfung über seine Fähig keit, in einer Sprache zu lesen und zu schreiben, bestehen müßte. Man nimmt an, daß dadurch einem Drittel der aus Süd- und Osteuropa Ankommenden die Einwande rung verwehrt würde. Die Kommission regt anderseits, wohl um in amerikanischen Arbeit geberkreisen keine Stimmung gegen sich auf kommen zu lassen, an, die Einwanderung ge lernter Industriearbeiter zu begünstigen. Es ist nun ganz unvermeidlich, daß sich der Andrang ost- wie südeuropäischer Arbeitskräfte auf mittel- und westeuropäischen Arbeits märkten in dem Maße vermehren muß, als die Auswanderung aus Ost- und Südeuropa infolge der amerikanischen Einwanderungs gesetzgebung nachläßt. Die Gefahren, die ein massenhaftes Einströmen dieser Leute aus dem europäischen Osten in die westeuropäische Kul turzone im Gefolge haben müßte, kann man sich leicht ausmalen. Die Löhne der nationalen Arbeiter würden sinken, die Gefahr der Ar beitslosigkeit würde lawinenartig anschwellen, weil bei den hohen Kosten der Nutznießung heimischer öffentlicher Erziehungs- und Wohl fahrtsanstalten in den niedrigeren Erwerbs arten die Zahl der landesangehörigen Arbeiter, die die Konkurrenz kulturloser Osteuropäer aus halten können, immer geringer werden müßte. Im übrigen ist zu befürchten, daß auch die deutsche Auswanderung in den nächsten Jahren wieder erheblich zunehmen wird, wie es mit der eng lischen bereits geschehen ist. Aus England werden voraussichtlich am Jahresschluß seit dem 1. Januar mehr als 3M 000 Menschen den heimischen Staub von den Füßen geschüttelt haben. Wenn Deutschland in einigen Jahren wieder ähnliche Menschcnmassen an überseeische Länder abgeben muß, so kann es ihm nicht gleichgültig sein, in welchem Maße dann die Einwanderung von Deutschen in die Vereinigten Staaten behindert wäre. 2n den Vereinigten Staaten wohnen noch nicht 9 Menschen auf einen Quadratkilometer, in Deutschland 120. Hat die Bevölkerung der Vereinigten Staaten einen Monopolanspruch auf einen vielmals größeren Teil der Erde, als sie selbst in abseh barer Zeit bei noch so starker natürlicher Ver mehrung verwerten könnte? Internationale Schiedsgerichtsoertrüge, die einer internatio nalen Gerechtigkeit entsprechen sollen, können nur auf der Grundlage völliger Freizügig, keit geschlossen werden. Deutschland sollte sich daher unter keinen Umständen auf einen Schiedsgerichtsvertrag mit Amerika einlaffen, der ihm das Recht verwehrte, nötigenfalls gegen amerikanische Einwandcrungsbeschränkungen zu protestieren. Oder soll es dahin kommen, daß sich amerikanische Einwanderungsbehörden gegenüber deutschen Einwanderern noch mehr herausnehmen dürfen als gegenüber chinesischen Kulis? 6. Kriminalität unü Lerulsbllüung Auf dem jetzt in Dresden stattgefundenen Kon. greß für I u ge n d bi ld u n g und Jugend, runde hat der bekannte Pädagoge Oberstudienrat Ke r s che n st« i ne r-München in einem von der Versammlung mit Enthusiasmus aufgenommenen Vortrag die dringende Notwendigkeit betont, daß di« Volksschule zur Arbeitsschule im besten Sinne Les Wortes umgewandelt und in erster Linie für manuellen, von tüchtigen, technisch ausgebildeten Lebrern geleiteten Unterricht gesorgt wird. Es ist allerdings von wesentlicher Bedeutung für das Ge- deihen des sozialen Mechanismus, daß die Zahl der Ungelernten möglichst eingeschränkt wird und zu diesem Zweck eine technische Ausbildung auf den ver schiedensten Gebieten schon in der Schule erfolgt. Außer den vielen Gründen, die zur Rechtfertigung
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