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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921205014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892120501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892120501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1892
-
Monat
1892-12
- Tag 1892-12-05
-
Monat
1892-12
-
Jahr
1892
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M.) werde» nach Ablehnung des Zuschlags des Bau platzes IV an der Ecke der Carl Tauchmtz- und Graffi-Straße die Bieter ihrer darauf im VersteigerungSiermi» gcthaneu Gebote hier mit in Gemäßheit der Versteigerungsbedingungen entlassen. Leipzig, am 28. November 1832. Ter Rath der LtaSt Leipzig. I». 6011. Ör. Georg». Ccrutti. Nutz- nnd Lreillchichauctilm. Mittwoch, den 7. Tccember d. Is., sollen von Vormittags 8 Uhr a» im Ritterlverder, in der Rönne und Probstei des Connrwttzer Forftrevieres: 13 Eichen-Klötze von 13—60 (UL Mitteustärke 25 » - . 51—110 - 4 Weißbuchen- . 23—38 . « und 7 Eschen. « - 21—33 . - 3,0—8,5 na Länge, 2 Rüstern- . . 23u.27 . - sowie 5 Ellern- . . 18—28 « . I Pappel-Klotz « 23 « . , 10 Eschen- und Eichen-Schirrhölzer unter den im Termine öffentlich aushäugenden Bedingungen und gegen die übliche Anzahlung, ferner: 5 Rmtr. Eichen-Rlitzschette. gegen sofortige Baarzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. 102 - - Vrennschette, 3 - Erlen- u. Ahorn- dgl., 35 Haufen Abraum- und 12 - Schlsgrettzi« Zusammenkunft: Plagwttzer Straße, zwischen der Elster- und Jluthgrabenbrücke, im Rttterwerder. Leipzig, am 23. November 1832. TcS RathS Forstdrputatton. Nutzholz-^Uttion Donnerstag, den 15. Teeembrr, d. IS. sollen von Vor- mittags 3 Uhr an auf dem MiltelschlagwalLe in Abth. In des Burgauer ForftrevlerS, zwischen den Böhtitz-Lhrenbrcger Wiese» und der Fluthrinue 77 Lichen-Klotze v, 33 Buchen» » - 41 Rüstern. » » 18 Linden- - - 2 Ahorn- - » 36 Eschen- » » 5 Mashvldrr- - 2 Pappel- - . 36 Tchtrrhölzer unter den im Termine öffentlich aushängenden Bedingungen und gegen die übliche Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden Zusammenkunft: am früheren alten Forsthause bet Böhlitz. Ehrenberg. Leipzig, am 3. December 1898. TeS RathS Aorftdeputatton. 38—12? om Mitteustärke und 2— 9 w Länge, 25— 55 . . 2— 7 - - 17— 70 . - . 8— 9 - 55— 69 - - . 3—10 - - 18— 25 . - . 5— 6 - - 17— 46 . -2-9 - 23— 38 . - - 4— 7 - 21— 23 - - . 4— 5 - - u. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. December. Schon gestern haben wir hervorgehoben, daß der von dem Vorstande des WahlvereinS der Deutschconservativen ausgearbeitete Proarammentwurf selbst in der Presse dieser Partei keine günstige Beurtheilung findet. Als Beweis führten wir eine Auslastung des „Reichsboten" an, der wir beute eine conservative sächsische Stimme binzufügen können. Die „Lcipz. Ztg." bemerkt nämlich am Schluß eines Artikels, in dem aus eine Reihe abfälliger Urtheile hingcwiesen wird: „Die Programmversertiger werden bereits hieraus und nicht minder voraussichtlich aus den bevorstehenden Verhandlungen im eigenen Lager ersehen, daß sie es am Ende Niemandem Recht ge- macht, sondern nur Angriffsfläche geboten haben — ein Schicksal, das wir dem Programm voraussagten, ehe es geboren war." Auch das Centrum ist mit dem Programm-Entwürfe nicht zufrieden und zwar hauptsächlich aus einem Grunde, den die „Köln. VolkSztg." folgendermaßen klarlegt: „Daß die Conservatfven auf katholische Anhänger, wenigstens gläubige Katholiken, nicht rechnen, beweist die Stelle des Programms: „Wir erkennen dem Staat« das Recht zu, krast seiner Souverainetät sein Verhältniß zur Kirche zu ordnen". Das ist ein Satz, der direct gegen das katholische Dogma verstößt; ein Katholik, der diesen Satz unterschreibt, stellt sich selbst außerhalb der Kirche. Trotz der Eiuichränkunge», mit welchen der Satz umgeben, proclamirt er den reinsten Cäsareopapismus. Die Conservative» sagen allerdings weiter, sie wollten keine» Ge- wtssenSzwang nnd kein Nebcrgreiien der staatlichen Gesetzausgebung auf das Gebiet des inneren kirchlichen Lebens. Das klingt ganz gut, hat aber wenig Werth, weil der Staat die Grenzen seiner Macht selbst iestsetzen soll. Mit diesem Rechte bewaffnet, kann er schließlich Alles rechtfertigen, was er thut. Die Conservativen werden bei Liesen Grundsätzen wenigstens niemals i» die Lage ge- rathen können, staatlichen Gesetzen, die trotzdem auf das Gebiet des inner» kirchlichen Lebens übergreifen, den Gehorsam zu versagen." Also aus das katholische Dogma sollen die Deutsch conservativen ihr Programm aufbaucn, wenn sie das Wohl gefallen des Centrumo erringen wollen, „-katholisch" ist ja „Trumpf". Hoffentlich erinnert man sich dieser Zumuthung auf dem conservativen Parteitage, der über das Schicksal des Entwurfes entscheiden soll. Eines Parteitages ist auch daS Ccntrum dringend bedürftig, da es mit der Einigkeit der Partei reckt übel aus sieht, am übelsten bekanntlich in Bayern, wo die Relbeimer Wabl so erbauliche Dinge im Innern des „festen Tburmes enthüllt hat. So soll der nächste deutsche Katholikentag, für den Sachsen noch nicht reif ist, in Bayern abgchalten werden, obgleich cs bekannt ist. daß nickt nur der Prinzregent, sondern auch mehrere Bischöfe die Abhaltung von deutschen Katho likentagen sin Bayer», hrsonder« in München, nicht gern sehen Von München soll datier abgesehen und Würzburg ge wählt werden. In recht interessanter Weise werden der „Frks. Ztg." auS München die Gründe dargelegt, aus denen die Wahl auf Würzburg siel. Es heißt in dieser Darlegung: „Warum die Umgebung Münchens erfolgt ist, dos erklärt sich vielfach au« der Wirkung de« Schreiben«, mit dem der Prinzregenl vor zwei Jahren die damals für München als Kampftag geplante Generalversammlung verhinderte. Damit ist zugleich eine Charakte ristik unseres klerikalen Parteilebens gegeben. Das volksthüinlich derbe Clement soll mehr und mehr zurückgedrängt und dafür ein gewisser Hofklerikalismus oder besser gesagt: hoffähiger Klerikalismus entwickelt werden. Der letztere, der in fort- gesetztem Wachsen begriffe» ist, will sich der Partei so aus giebig bemächtigen, daß er mit Erfolg an die Ministclcreirungen Herangehen könnte. Das wäre ausgeschlossen, wenn die radicale Tonart Oberwasser bekäme, wäre selbst schwieriger, wenn die jetzigen führenden Männer maßgebend blieben. Dadurch, daß inan München vom Katholikentag sreidält, will man mögliche Explo- ionen und damit Anstoß »ach oben vermeiden. Aus t.:s entferntere Würzburg kommt es nicht so sehr an. Tie Führenden sind hierbei die Hofgesinnte», die Anderen müsse» theilS grollend, thcils un- bewußt mitthu». Wie weit sich der Hosklcrikalismus ciilwickel» kann, ist heute nicht abzusehe». Er ist aber in entschiedener Auswärts, beivegung und gerade mit Rücksicht auf ihn ist eS gar nicht gleich- giitig, wie die nächsten Lanbtagswahlen anssallcn. Der Hoskleriia» tlsinus glaubt Stchtwechset aus sie ausstcllen zg können." Unwillkürlich kommt man bei dieser Mittheilunz auf den Gedanken, daß bei dem Versuche, in Leipzig, nickt aber in Dresden, einen Katholikentag abzuhalten, ganz ähnliche Gründe maßgebend gewesen sind, wie bei der Umgehung Münchens und der Wabl WürzburgS. Jedenfalls bars man mit Spannung der Wirkung entgegcnseben, den der Würz burger Tag nicht nur auf die bayerische Centrumspartei, ondern auch auf die höchsten Kreise m Bayern auSübt. Wie aus Rom gemeldet wird, ist für das päpstliche Bischofsjubiläum am 13. Februar n. I. vom CardinalstaatS- ecrctair Rampvlla an die auswärtigen Bischöfe die Weisung ergangen, in ihren Divcesen Kundgebungen für die Wieder herstellung der weltlichen Papslgewalt zu veranstalten. Für Deutschland ist diese Weisung allerdings überflüssig, denn hier besorgt die CentrumSpartci durch beständige Demonftrationcn für die Wiedererrichtung einer von der Geschichte verurtheilteu Slaatscaricalur bestens die Geschäfte des sranzosensreuiidlicheli RadicaliSmus in Italien, indem sie die nationalen Gefühle der Italiener beständig kränkt, während le gleichzeitig ein lebhaftes Interesse für den Bestand beS Dreibundes zu behaupten für passend findet. Für die Bedeutung der Entscheidung im öster reichischen A b g e o r d n et e n h au s c über den Dis positionsfonds sprach die große Bewegung, die wäh rend der ganzen Sitzungsdauer und über die Abstimmung hinaus unter allen Abgeordnete»! herrschte. Eine ähnliche Niederlage hatte das Cabinet Taaffe seil seiner llljahrigen Regierung nicht erfahren. Im ersten Jahre seines Bestandes, al« das Budget für das Jahr 1880 berathen wurde, wurde dem Cabinet Taaffe der Dispositionsfonds mit 154 gegen t52 Stimmen rerweigert, und Gras Taaffe mußte auf dielen Fonds für dieses Jahr verzichten. In den Jahren l881 bis 1887 kam eS zu keiner ziffermäßigen Conslatirung bei der Abstimmung über den Diöpvsitivnstonds, der im Lause dieser Jahre auch immer bewilligt wurde. Bei Berathung des Budgets für 1888 constatirte Präsident vr. Smo l ka bei einfacher Auszählung des Hauses die Ablehnung des Dis positionsfonds mit l28 gegen 116 Stimmen. Die Rechte be hauptete damals, eS sei bei der Auszählung ein Irrtbum vor- gekvmmen. Das Herrenhaus sah sich veranlaßt, die gestrichene Post von 50 000 si. ins Budget wieder einzustellen, und das Abgeordnetenhaus kam so in die Lage, nochmals Uder die Post abzustimmen, und aus diese Weise wurde dann mit 163 gegen l >6 Stimmen die um 50 000 fl. erhöbt« Ziffer deSGcsammt- erfordernisieS vom Abgeordnetenhaus! genehmigt. In der Debatte über das Budget für 1883 wurde der Dispositions fonds hei namentlicher Abstimmung mit 138 gegen 123 Stimmen, im Budget für 1890 mit l54 gegen >30 Stimmen und im Budget für 1831 mit l86 gegen 5l Stimmen ein gestellt. Die am Freitag erfolgte Abstimmung ergab die Ab lchnung des Dispositionsfonds mit 167 gegen 148 Stimmen. Es haben somit nur 3l3 Abgeordnete gestimmt. Drei Mandate sind erledigt; dem bereits seit mehr als einer Woche gewählten Abgeordneten Klucki (dem Nachfolger des verstorbenen vr. Demel), der telegraphisch bei der schlesischen Landesregierung um seine Legitimation als gewählter Ab geordneter ansuchte, wurde dieselbe bis zur Stunde nickt zugcmittelt, so daß er an der Abstimmung nicht tbeilnebmen konnte. Aber diese kleinen Kunststücke und alle Müde, die eS von Seiten der Ministerbank gekostet batte, sich der Liebesdienste der Antisemiten zu versichern, die sich vor der Abstimmung noch rübmten, die Regierung retten zu wollen, balsen der Regierung nicht, da eine nicht unbeträchtliche Zahl jener Stimmen, aus welche sie mit Sicherheit gerechnet hatte, ibr absieicn oder fick des Votums enthielten, darunter sogar eine nicht ganz unbedeutende Zahl von Mitgliedern deS von der Regierung so sehr vertheidigten Hobenwart-ClubS. — Auch in der transleithanischen Hälfte der österreichischen Monarchie werden die Vorgänge im österreichischen Neichsrath lebhaft erörtert. Der „Pester Lloyd" hält die neue BundeS- genossenschast Tciafse'S, die Lueger und Schncidcr'sche Sippe, mit denen die RegierungSmänuer pactirt und sich compro- mittirt haben, für eine wahrhaft tödtliche Ironie; andere Blätter meinen, Ungarn müsse jetzt Gewehr bei Fuß sieben um eine zweite Aera Hohenwart abzuwehren. Ungarn werde sich einer solchen erwehren, aber Oesterreich könnte ein lang dauernde- Siechthum erfahren. Mit der Neubildung des französischen Cabinets will e» nicht reckt vorwärts gehen. Herr Brissen, der Mann mit der sprüchwörtlich gewordenen Ullantastbarkeit des Charakters, der „Aristides der dritten Republik", hat die Lösung der CabinetSsrage zu schwierig befunden und über läßt daS Werk anderen, mit mehr Geschick oder Glück operirenven Händen, denen des Herrn Casimir Perier r. B.. der aber nach den neuesten Nachrichten auch schon am Ende seines Latein- angekommew. ist und den Auftrag zur Bildung des neuen Ministeriums in die Hände Carnol'S zinückgegede» hat. Und bei alledem war e» gerade Herr Briffon, dem die öffentliche Meinung, wie keinem andern, zntraute, auS den Verwickelungen des TageS den rettenden Ausweg zu finden. An dem guten Willen hat eS dem mrhrgenannlen Politiker auch wohl schwerlich gefehlt; wenn seine Befähigung und Energie, die von den Freunden des Manne« beide nicht gering veranschlagt werden, sich im gegebenen Falle unzureichend erwiesen haben sollten, so würde das nur darthun, daß der zu lösende Knoten ein außergewöhnlich schwer zu entwirrender ist, und so verhält ich die Sache denn auch in der That. Bei dem Versuch, mit dcni Staatswagen auf dem gefährlichen Terrain des Panamaschwindcls zu manövrircn, ist man in ein falsches Geleise gerathcn und hat sich anscheinend gründlich sest- gefahre». Ein Loskommen wäre schon möglich, aber nur auf die Gefahr schwerer Havarien hin, und Liese Gesabr möchte die Regierung, wenn sich'S irgend vermeiden läßt, nickt lausen, weil der ganze Organismus durch die zahl reichen vorbergcgangciien Erschütterungen schon so locker in einem Gefüge geworden ist, daß jeder weitere Stoß von vcrbängnißvollcn Wirkungen gefolgt sein kann. Man unter- ucht also, man tastet, späbt und prüft, aber damit allein ist'S nicht gclkan. Es handelt sich für den Nachfolger des Ministers Loubet um nichts Geringeres, als um die Äsung einer Aufgabe nach Art der Quadratur des Zirkel« oder des psrpetunw wodilo. Er soll dem durch den Pananiaskanval beleidigten Gewissen der Nation Genuglbuung schassen und soll doch auch gleichzeitig mit einem Parlament regieren, dessen bedeutendste und ecnslnß- reicksle Parteien er durch rücksichtsloses Vorgehen wider ihre in dcni Panamasckwindei gespielte Rolle unmöglich machen würde. Es ist wahr, geschehene Dinge sind nicht zu ändern, aber sie lassen sich unter Umständen so arrangircn, daß sic aümälig aus der unmittelbaren Gesichtslinie entschwinden. DaS geht aber hier nicht. Der Skandal ist zu weit gediehen, ui» vertuscht werden zu können. In irgend einer Art müssen sich die herrschenden Gewalten mit den Tbatsachc» auseinander setzen oder sie fallen in Gefahr, von der öffentlichen Meinung als Mitschuldige gebrandmarlt und ihrem Schicksal überlassen zu werden. Man spricht von einem Ministerium auö der Reihe der gemäßigten Republi kaner. Ob gerade ein solches den Muth finden wird, ent schlossen in daü Wespennest der Panama-Affaire einzugreifen, darf bezweifelt werden. Jeder Versuch aber, durch einen sogen, faulen Frieden sich aus der Verlegenheit zu ziehen, würde das Gesläudniß bedeuten, daß die bürgerliche, die „blaue" Republik abgewirtschaftet hat. und die socialistiscke rothc Republik würde kaum lange sich bedenken, aus die Bankerotterklärung de« jetzigen Systems mit Eiuleitung eines sehr summarischen ProceßverfabrenS zu antworten. Die Verhandlungen de« parlamentarischen Panama- UntersuchungS-Ausschusscs haben in den letzten Tagen eine Anzahl von Vorgängen an den Tag gebracht, die be weisen, daß sehr Vieles saul ist im Staat Frankreich. DaS stärkste Stück leistet sicher Mayer vom „Gaulois", der ffch gegen den Zeugen Rosstgnol beschwert, weil dieser auS- gesagk hat, der „Gaulois" habe fünfzehntausend Franken von der Panama-Gesellschaft bekommen; Mayer erklärt die- sür eine Beleidigung, denn eine so niedrige Summe nehme er nicht, er habe sehr viel mehr bekommen, wie es sich bei seiner und des „Gaulois" Stellung von selbst verstehe! — Eine große Nolle spielt bekanntlich das Copir- buch des verstorbenen Barons Reinach, von dem allgemein behauptet wird, daß es Reinach gestohlen worden sei. Nach einer anderen Lesart aber hatte Baron Reinach sich mit dem Copirbuche zu dem Iustizminister begeben — welcher Weg auch sein letzter Gang gewesen sei — um den Minister über die Angelegenheit aufzuklären. Iustizminister Ricard hätte aber dem Baron Reinach das Cvpirbuch abverlangt und eS zurückbebalten. Hierdurch habe Baron Reinach erkannt, daß er verloren sei, und, nach Hause zurückgekehrl, den Selbstmord begangen. Man hat Ursache, anzunebmen, daß das gcheimnitzvolle Cvpirbuch in der weitere» Entwickelung der Angelegenheit noch eine große Rolle spielen und daß es, sei es nun bei der Gerichtsver handlung, sei eS dadurch, daß es in die Hände eines Publicisten gerathcn, bei geeigneter Gelegenheit zum Vorschein kommen werde. Baron Reinach spielte nicht bloS durch seine Betbeiligung an fast allen großen Unternehmungen, sondern auch in politischer Beziehung eme große Rolle. Er stand mit allen Ministerien, die einander ablosten, in engen Beziehungen und war in allen Kreisen wegen seiner Klugbrit, seines klaren Urtheils und seines großen Wissens sehr beliebt, dabei im persönlichen Verkebr ein überaus gefälliger Man». Im geschäft lichen Verkehr kannte er dagegen keine andere Richtschnur für sein Handel», als seine» Vortvcil, und betrieb seine Geschäfte mit der größten Rücksichtslosigkeit, wie er denn auch durch seine Börsenoperationen an dem Ruin einer ganzen Reihe in den letzten Iabren zu Grunde gegangener Institute Anthest batte. Der Umstand, daß man ihn in geschäftlicher Beziehung in dieser Weise beurtbeilt, verschaffte auch den mannigfachen Gerüchten über die Art, wie er die ihm für die Agitation zu Gunsten deS Panama Unternehmens anvertrauten Gelder verwendet habe, Eingang, ja sogar dem Gerüchte, daß er diese Gelder oder einen Tbeil derselben gar nicht den Personen, die durch dieselben gewonnen werden sollten, zngeführt, sondern für sich verwendet habe, in der Voraus setzung, daß jene Personen gegen ihn ja nicht klagbar aus- trclcii könnten. Hierdurch entstand der Glaube, daß er sich durch das Cvpirbuch rechtfertigen wollte, während ihn der Verlust oder die Abnahme desselben in den Tod trieb, weil er sich de« Mittels beraubt sah, sich der Verwickelung in den Panama-Proccß zu entziehen." — Vom Sonnabend liegt noch folgendes Telegramm vor: * Paris, 3. December. Die Panama-UntersuchungS^kom- mission vernahm heute die Deputlrten Gran et und Baihaut, die gestern von dem Rcdacteur deS „Libre Parole", Martin, be zichtigt worden waren. Beide stellten dir Anjchutdigungen Martin« entschieden in Abrede. Ferner wurde der Senator Albert Renault vernommen, der erklärte, daß zwei der in« Bankhaus« Thierröe beschlagnahmten Checks, einer von LOOOO Frcs. und einer von 5000 Frcs., die seinen Namen trügen, ein Guthaben von der gleichen Höbe bedeuteten, welche» er an Baron Reinach hatte. Cornelius Herz telegraphirte aus London «inen ähnlichen Bescheid bezüglich zweier Checks im Betrag« von je einer Million, die er vom Baron Reinach empfangen hatte. Die durch den Polizei-Commiffar Clement beschlagnahmten Checks lauten aus solgende Namen: Lorneliu« Herz zwei Check« von je einer Million, Thabert 195 000 FrcS. und 140 475 Frcs., Lhe- vlllard ein Check von 150000 Frc«. und vier von j, 100 000 Frcs., ein« unleserttche Unterschrift 80000 Frc«., Davoust 50 000 Frc«., Lredtt Mobilier 40 000 Frc«., an die Ordre von Kohn - Reinach 40000 FrcS.. Ouverge 40000 Frc«.. Favre al« Guthaben bei Kohn-Reinach 35 000 Frc«., Eloim 25 000 Frc«., Simeon im Ge schäfte de« Wechselagenten Jasmin, Credit Mobilier, Aigmar, Castellen, Burster, Praslon, Schmidt und der Senator Albert Grevy je 20000 FrcS. und Leon Renault 20000 Frc«. und "^000 Frc». Dir Partriver hält» isse in der griechischen Kammer haben in der letzten Zeit eine gewisse Verschiebung erfahren, welche bei der am 24.Novbr. vorgcnommcnenPräsi dentenwahl zu Tage trat. Die Regierungsmehrheit dürfte keine numerische Schwächung erfahren haben, denn wenn auch bei gleichem Anlässe vor 4 Monaten lbü Deputirte für den RegierungS- candidatcn stimmten, diesmal dagegen bloS 117, so ist ,m Auge zu behalten, daß bei der jetzigen Wahl nur 150 Depu tirte anwesend waren. DaS Verhältniß ist also in beiden Fällen da« gleiche. Zwar will die Opposition in dem Um stande, daß mehr als 30 Abgeordnete der Mehrheit der Sitzung fern geblieben sind, einen Beweis für den rin- tretenden Zerfall der Majorität erblicken, denn nach oppositioneller Auffassung stellen jene Dreißig eben so viel Unzufriedene dar, die nur nicht offen gegen die Regierung auslrete» wollen. Ersabrungsgemäß ist aber die griechische Kammer niemals vollzählig beisammen; übrigens fehlten auch manche von der Opposition, auf welche dasselbe Argu ment angewendel werden könnte. Nächst dem RegierungS- caudtdatelt vereinigte der Deputirte Nally, welcher mit allen Mitteln die Erbschaft Trikupis anstrebt, die meisten Stimmen — elf — auf sich. Dieses Resultat hat etwas überrascht, denn man batte ihm böcksteuS acht Stimmen vorauSgesagt. Nun scheint eS, daß noch weitere vier Ab geordnete^ welche am Erscheinen verhindert waren, mit ihm gehen. Seine Partei wäre daher numerisch mit der deli- lannistiscken Gruppe, welche l4 weiße Stimmzettel abgab, gleich stark, aber man bars wobl aniiehmen, dag einige An hänger Delijanni's gefehlt haben. Ueberraschung rief e« auch dervor, daß Herr ConstantopuloS, „der Bankerott- Minister" — so genannt, weil er nachdrücklich für die Redu- cirung de« Coupons eintritt —, fünf Stimmen erhielt, wäh- rend er in der letzten Session nur zwei Mann hinter sich hatte. Die Regierungsmehrheit ist also intact geblieben, aber die beiden Oppositionsgruppen Rallh und ConstantopuloS haben unzweifelhaft anf Kosten Delijanni's gewonnen. Nus Samoa in London tingegangenrn Nachrichten zu- folge ist dort ein Aufstand ausgevrochen. ES handelt sich dies Mal nickt um Kämpfe der Eingeborenen unter einander, wie bei den jüngsten Mordbrennereien auf der Insel Tutuila, sondern es solle» die britischen Einwohner in Apia ange griffen worden sein. DaS englische Kriegsschiff „Ningamoora" ist sofort nach Apia abgegangen. Warum gerade die Eng länder angegriffen wurde», wird in der Meldung nicht mit- getheilt, doch giebt eine schon unterm 12. October aus Apia gebrachte Correspvndeuz darüber einigen Auf schluß. Danach hat die samoanische Regierung kein Geld. Da die Verhältnisse unleidlich sind, glaubt man auf Samoa steif und fest daran, daß die Mächte demnächst eine neue Conferenz berufen werden, auf der die ganze Samoasrage von Neuem wieder geregelt werden würde. Herr Stevenson, der bekannte englische Schriftsteller in Apia, der vermulblich auch als Vater de« Gerüchte« anzusehen ist, setzte nun alle Hebel an, um großartige Petitionen an die englische Negierung zu Stande zu bringen, damit dies« darauf dringe, daß ihr bei der zu erwartenden Liquidation der königlichen Firma Malietoa und Mataafa die Schutzherrschaft über tragen werde. Diese Agitation scheint die Eingeborenen erbittert zu haben und darum sind vielleicht die Angriffe auf die Engländer erfolgt. Besondere Gefahr, soweit eS Apia betrifft, ist kaum vorhanden, da der deutsche Kreuzer „Bussard" in Samoa ist: auch müssen die wegen der Unruhen in Pago-Pago auf Tutuila entsendeten zwei amerikanischen Kriegsschiffe bereits in den dortigen Gewässern eingetroffen sein. Bon der Wiedereinberusung einer Samoa-Conserenz ist wohl gegenwärtig noch keine Rede, doch war, wie wir s. Z. meldeten, das deutsche Auswärtige Amt wegen der dortigen Unruhen mit den Cabineten von London und Washington in Verbindung getreten zum Zwecke der Berathung von Maßnahmen, die der Wiederkehr derartiger Vorkommnisse Vorbeugen sollten. So viel ist sicher, daß die drei Mächte, odwobl sie alle den Wunsch nach einer Besserung der Ver» hältnisse hegen, einer gründlichen Abänderung der unzu reichenden Abmachungen von 1889 noch auSweichen. Ob dies auf die Dauer möglich sein wird, ist zu bezweifeln. Deutsches Reich. U Berlin, 4. December. Die von dem Reichskanzler in der Reichstagssitzung vom 30. November vorgetragene Liste über die Abstimmungen der freisinnigen bezw. Fortschrittspartei bei früheren Militair- vorlagen ist in den Kreisen dieser Partei offenbar sehr übel vermerkt worden, wie aus verschiedenen Einwendungen von Rednern im Reichstag und aus Preßäußerungen hervor- geht. Ein Widerspruch gegen geschichtliche Thatsachcn ist aller dings unmöglich Nach dem jetzt vorliegenden stenograpbischen Bericht lautete diese lehrreiche Liste des Reichskanzler-folgender maßen: „Mit Ausnahme deS IähreS l888 hat die sreisinnige Partei allen den Forderungen der verbündeten Regierungen, welche auf eine organische Stärkung unserer Wehrkraft ab- »irlten, widerstanden. Die freisinnige Partei hat wider sprochen der Festsetzung d«r Frieden-Präsenzstärke in der Verfassung de« Norddeutschen Bunde- mit 15 Stimmen, zwei waren dafür; dem Gesetz vom 9. December 1871, be treffend die Frirden«präsenzstärke, hat dir Gesammlheit der freisinnigen Partei widersprochen, si« bat dem Militairgesetz Widersprochen mit 32 Stimmen, während nnr 8 dafür waren: sie bat dem Gesetz über dir Ergänzung de« RcichSmilitairgcsetzeS vom 6. Mai 1880 wider sprochen in ihrer Geiammtbrit; sie hat dem Gesetz, betreffend die Friedenspräsenzstärke, vom 25. November 1888 widersprochen in der Gesammtheit; sie hat später geschloffen gegen denselben unveränderten Entwurf noch einmal gestimmt; sie hat nicht widersprochen dem Gesetz, betreffend Veränderung der Wehrpflicht, vom 11. Februar 1888; sie bat widersprochen dem Gesetz, betreffend Arnderung der Friedensprisenzstärke, im Jahre 1890 in ihrer Gesammtheit. Ich meine also, daß,
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