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«V» „Wri-eritz! Zeitung" «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sk Pfg., zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Gnzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wkißmtz-ZeitilT Amtsblatt Inserate, bet de» bedeutenden Müstage dpt Blattes eine sehr wirk same Verbreitungfinden, »erden mit 10 Pfg. di« . Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — La« ' bellarische und compItetktN Inserate mit entsprechen« dem Aufschlag. — Ginge« sandt, im revaktionellen Lheile, di« Spalteiqeil« 20 Pfg. für die Königliche Umtshauptmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Zsrauenjtein Verantwortlicher Redacteur: Carl Ithnc in Dippoldiswalde. Nr. 92. „^fkavil 0vu8, vl öi88ipa1i 8un1." „Gott, der Allmächtige, blies, und die Armada flog nach allen Winden." So hat Schiller in seinem be kannten Gedichte: „Die unüberwindliche Flotte" obige Inschrift übersetzt, die auf einer altenglischen, höchst selten gewordenen Medaille, die heute, am 7. August, das 300jährige Jubiläum ihrer Entstehung feiert, zu lesen ist. Wir meinen unsere Leser zu interessiren, wenn wir das geschichtliche Ereigniß, das vor 300 Jahren ganz Europa erregte, im Geiste an uns vor überziehen lassen. Damals waren die Machtverhältnisse Europas völlig andere als heute. Spanien, das jetzt zu einer Macht zweiten, ja dritten Ranges herabgesunken ist, war bei dem Reichthum, den es aus seinen überseeischen Be sitzungen gewonnen hatte, der allmächtige Gebieter der Staaten und Böller. Freilich unwillig genug trug man das Joch, unter das der katholische Philipp die durch die Kirchenreform freieren Anschauungen zugäng lich gemachten Böller beugen wollte, und schon hatte die vordem ganz spanische Niederlande sich im helden haften Kampfe zum Theil freigemacht und ein Beispiel dar gestellt, wie selbst ein kleines Volk, wenn es von Be geisterung für Vaterland, Freiheit und seinen Glauben erfüllt ist, siegreich aus dem Kampfe hervorgehen kann. Ferner drohete von Englands sich imnier mehr ent wickelnder Seemacht dem spanischen Ansehen Gefahr. Seit der Zeit, als unter Elisabeth, der jungfräulichen Königin, die erste Ansiedelung an Nordamerikas Ost küste geschehen war — der Seefahrer Naleigh hatte sie der Königin zu Ehren „Virginia" (das „jungfräu liche" Land) genannt — durchfurchten englische Schiffe bald neben den spanischen Galeeren den atlantischen Ocean und führten manchen kühnen Handstreich selbst gegen spanische Häfen aus. Es entstand eine Neben buhlerschaft der beiden Seemächte, die durch den religiösen Zwiespalt der Nationen nur vergröbert wer den konnte. Der Papst hatte auf den britischen In seln nur geringen Anhang, Philipp II. aber war der gehorsame Sohn der Kirche, der dem heiligen Vater in Rom in Demuth und Unterwürfigkeit ergeben war und das alleinige Ziel hatte, daß die Gesetze und An ordnungen der römischen Kirche alle christlichen Ge wissen binden, und die Priester und Ordensgeistlichen dem Denken, der Wissenschaft und aller menschlichen Thätigkeit Weg und Ziel vorschreiben sollten. Die Nebenbuhlerschaft zur See und der religiöse Zwiespalt also führten eine immer schärfer werdende Spannung herbei, die ihren höchsten Grad erreichte, als die katho lische Königin Maria Stuart von Schottland im Schlosse Fotheringay auf Befehl der Elisabeth von England hingerichtet worden war. Papst Sixtus V., reicher als irgend ein anderer europäischer Fürst, öffnete dem Könige von Spanien seine Schatzkammer und setzte ihn in den Stand, die Rüstungen in Lissabon und Cadix im größten Maß stabe zu betreiben. „Mit dem Schwerte des Herrn und Gideons," so schrieb ein Kardinal an den König, „mit welchem Du den Türken zermalmt und über Deine Rebellen (Holländer) triumphirt hast, wirst Du auch die englischen Ketzer und das verruchte, Gott und den Menschen verhaßte Weib (Elisabeth von England) züchtigen und zurückführen die edle englische Nation zu ihrer alten Glorie und Freiheit." Bald lagen mehr als 130 Kriegsschiffe vor Anker, mit Mann schaft, Kriegsbedarf und allem Nöthigen ausgerüstet. Die adlige Jugend strömte kampfbegeistert herbei, um auf der „Armada", die man stolz als die unüber windliche bezeichnete, ihre Waffendienste der Sache des heiligen Glaubens zu weihen. Noch nie hatte man in den westlichen Meeren eine solche Seemacht erblickt. Auch in den Niederlanden (soweit sie noch spanisch waren) herrschte große Bewegung; allerwärts zogen Fußvolk und Reiter herbei, um die Operationen der Flotte zu unterstützen. Man war der festen Zuver- Dienstag, den 7. August 1888. sicht, daß England nach einem kurzem Kriege dem An greifer als Beute zufallen müßte. Wenig geschützte Hafenorte, eine an Zahl und Ausrüstung weit zurück stehende Flotte, eine durch religiöse Spaltung geschwächte Bevölkerung: wie wollten sie dem mächtigen Andrange widerstehen? — Und wäre der Angriff sofort erfolgt, so wäre voraussichtlich der Schlag ein vernichtender gewesen. So aber verschob man die Abfahrt der Flotte auf das Frühjahr 1588. Das kam England zu statten. Es erwachte eine alle religiösen Zwistig keiten bei Seite setzende patriotische Begeisterung, die ihres Gleichen suchte. , Im Mai verließ endlich die Armada den Hafen von Lissabon, konnte aber, ungünstiger Winde halber, erst im Juli nach dem Kanal segeln. Wie thurmhohe Häuser fuhren die Galeeren über die See, begleitet von den Gebeten in den Kirchen, die den Sieg für den „heiligen Krieg" herabflehten. Doch verschob der spanische Admiral Medina Sidonia eine Landung an der englischen Küste, bis ihm die von den Nieder landen erwarteten Transportschiffe zugegangen sein würden. Diese Vereinigung kam nicht zu Stande und dadurch scheiterte das ganze Unternehmen. — Noch lag die ganze spanische Flotte bei Calais vor Anker, als in der Nacht vom 7.-8. Aug. 1588 8 Brander, zu denen man die schlechtesten Schiffe ausgewählt, von der englischen Küste her sich der spanischen Flotte näherten. Die Befehlshaber der Schiffe wurden von Entsetzen ergriffen und lichteten die Anker, um nicht vom Feuer ergriffen zu werden. Als sie am andern Morgen ihre Stellung wieder einnehmen wollten, ver hinderte ein starker Südwestwind die Landung, jagte sie weiter nach der Nordsee und trieb sie auf Untiefen. Diesen Augenblick benutzten die Engländer, schoben sich mit ihren leichten lenksamen Galeeren in die Lücken und Zwischenräume der Flotte, um, unterstützt von den Holländern, die mächtigen spanischen Fahrzeuge, die von ihren Kanonen gar keinen Gebrauch machen konnten, anzuqreifen und auf die Sandbänke von Zeeland zu jagen. Manche wurden erbeutet oder ver sanken, andere vermochten nicht, sich vom Platze zu bewegen — ein einziger Tag hatte das Unternehmen, auf das die Blicke von ganz Europa gerichtet waren, vernichtet. Admiral Medina Sidonia beschloß, mit den davon gekommenen Schiffen die Rückfahrt durch die Nordsee über Irland zu nehmen, aber von Stürmen und Unfällen wurde die Flotte verfolgt, und was den Untiefen, den Brandern und Feinden entgangen war, zerschellte an den Riffen und Klippen der Hebriden, Shetlandsinseln und der irischen Küste, so daß von der „unüberwindlichen Armada" nur jämmerliche Trüm mer nach Lissabon zurückkehrten. Zitternd erstattete der Admiral Bericht, aber Philipp, die Hand der Vor sehung erkennend, entließ ihn gnädig mit den Worten: „Ich habe Euch gegen Menschen, nicht gegen Stürme und Klippen gesendet!" — Von nun an trat die britische Nation als ebenbürtige Rivalin der spanischen zur Seite. Königin Elisabeth ließ eine Medaille schlagen, auf welcher eine im Sturm untergehende Flotte dargestellt wird mit der bescheivenen Inschrift: Xsilavit veno, et clissiputi 8unt. — Es ist manchmal recht gut, daran zu erinnern, daß auch in der Ge schichte der Völker das Sprüchwort: „Hochmuth kommt vor dem Fall" seine Berechtigung in drastischen Bei spielen darthut. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, 6. August. Es gehörte eine gute Portion Muth dazu, sich am vergangenen Frei tag an der vom Gewerbeverein geplanten Fahrt nach Dresden zum Besuche der Molkerei von Ge brüder Pfund zu betheiligen. Sturm und Regen und fast keine Hoffnung auf Besserung — wer konnte unter solchen trüben Aussichten den Zurückbleibenden ihre Fahnenflucht verargen? Aber die getreuen Fünf undzwanzig, die '/,2 Uhr auf der Bautzner Straße 54. Jahrgang. - —- . in Nr. 4l und 43 sich eingestellt hatten, haben den Besuch nicht bedauert, sind vielmehr vollbefriedigt von demselben zur Heimath zurückgekehrt. Herr Paul Pfund und der Inspektor der Molkerei übernahmen in zuvorkommendster Weise die Führung, und erläu terten die Herbeischaffung, Prüfung und weitere Be handlung der Milch und der für die Residenz geradezu zu einer Existenzfrage gewordenen daraus gewonnenen Produkte. Herr Pfund macht kein Hehl daraus, daß er vor, wenn wir nicht irren, 10 Jahren mit 30 Liter Milch täglich, die er von 2 ihm gehörenden Kühen gewonnen, sein Geschäft begonnen habe. Wenn jetzt in der mit Dampskraft betriebenen Molkerei täglich 16000 Liter von mehr als 46 Ritter- und größeren Bauergütern gelieferte Milch zur Verarbeitung ge langen, so ist dieser höchst erfreuliche Aufschwung des Geschäfts einestheils dem glücklichen Gedanken, ein derartiges, dem allgemeinen Bedürfnisse entgegenkom mendes Etablissement zu gründen, anderntheils der Thatkraft, Umsicht und Gewissenhaftigkeit, mit welchen dasselbe geleitet wird, zuzuschreiben, und es ist bsi solcher Grundlage die Hoffnung auf noch weitere Entwickelung wohlbegründet. — Man sah zuüächst in den durch höchste Sauberkeit ausgezeichneten, mit Halb porzellan ausgekleideten Arbeitsräumen die durch vier Centrifugen bewirkte Scheidung der Vollmilch in Sahne und Magermilch, die ihre weitere Verwendung in der Butterei und Käserei finden, soweit sie nicht sofort verkauft werden. Eine besondere Spezialität, auf welche die höchste Sorgfalt verwendet wird, ist die Kindermilch. Dieselbe wird von der Domäne Pillnitz und vom Steyer'schen Gute in Reinholdshain entnommen. Das Letztere unterliegt steter bezirks thierärztlicher Kontrole; die Kühe erhalten ein gleich mäßiges, die Säurebildung möglichst ausschließendes Futter. Auch diese Milch wird täglich in dem Labo ratorium der Molkerei auf ihren Gehalt untersucht und, besonders in den heißen Sommermonaten, pa- steurisirt, d. h. bis auf 70° 0. erhitzt, wodurch die ' Bakterien getödtet werden und die längere Haltbarkeit des Produkts erzielt wird. — Besonderes Interesse erregte die Herstellung der Butler mittelst Dampf, der täglich 4 bis 6 Mal seine Arbeit wiederholen muß. Auf dem Butterkneter, einem sich langsam in hori zontaler Ebene auf metallener Scheibe drehenden Zahnrads, wird die Butter gewaschen und nach Be darf gesalzen, sodann auf Marmortischen in Halb- pfundstücke zerpflückt, gewogen und geformt und endlich verpackt. Täglich gelangen weit über 4000 Stück süße oder gesäuerte Butter zur Ausgabe. — In der Käserei werden allerlei Sorten, vom einfachen Quark handkäse bis zu den feinsten Fettkäsen, die dann im Eiskeller in großen Massen aufgespeichert sind, her gestellt. — Der Herstellung der Molkereierzeugniffe entspricht die Beförderung, die durch 46 Pferde- und Handwagen theils unmittelbar, theils durch die am Postplatze, auf der Prager Straße, in Blasewitz, sowie durch die in Chemnitz und Annaberg befindlichen Kommanditen bewirkt wird. Den kaufmännischen Theil des Geschäfts leitet ein aus 7 Personen beste hendes Kontor nebst Kasse, an welches die zahlreichen, durch einen auf dem Dreirade da und dort auftau chenden Kontroleur beaufsichtigten Transporteure täg lich abzurechnen und abzuliefern haben. In den Ver kaufsstellen findet täglich Inventur statt, bei welchen die etwa verbleibenden Reste aus's Neue geprüft und für weitere Verwendung bestimmt werden. Alle Rück stände oerwerthet die Molkerei zur Schweinemast, und besitzt dieselbe zu diesem Zwecke in Mickten bei Uebigau einen Stall, in dem ca. 300 Schweine bis zu etwa 100 Kilo Schwere gemästet werden. — Höchst aner- kennenswerth ist die Fürsorge, die Herr Pfund seinen Pferden, sämmtlich schöne, wohlgenährte und gepflegte Thiere, zu Theil werden läßt. Der vom Baumeister Jacob erbaute Pferdestall ist musterhaft. Aber da rüber ist das Wohl der zahlreichen, bei ihm beschäf-