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Nr. SV. Donnerstag den IS. März 1VV8. 7. Jahrgang. :ko8 mdeiten. »kr. ) 3NÜS5SN nvaren iS85K ». «eschäft e. :or: ivfer 23. )22. le, »austr. 4, »hlen. dt em. igeir i!" >8 «erdrn diesaelpalt. V»tUieU« »d. deren Raum mit ILL Seit»««, mit SV^ die^etlr berechn-, bet «tederh. bedeut. RadaL «»chA^eret. «rraftto» und »«tchüftbftellr, Dresden I Noadhiillgigks Tagrdlatt für Wahrheit, Recht «.Freiheit «rILetnt tiialich nach«, m» Ausnahme der «onn-und FelUag«. v»»u»-pk«lb i «lerlelj l 80 4 lohne »eftell»eld>, für Oester« reich » li vt-t d. Bet a a. Vostanslallr» l ZemmgSpretbliste Kr 5 ^»tn«el^Er^n^^^Iedatttott«>eprechIti>ii»e^N^ l^I ä n - t< a l< a o zsrsntiert ^em. leicht löslich, s»,unli 35 kffsnnigs, höchster llährcoert. Eerlirig 8- koclcftroh, Dresclen, VericaufrLtelleo in allen btaöitellen. "tsönigtotWinLls. ^orrellsn /^ajolißs leri-aciotts t^i-irtall u. k^etsl! Ein Notschrei der katho ischen Schulgemeinde in Chemnitz. Unter den Vorlagen, die den jetzigen sächsischen Land tag beschäftigen, erregt ganz besonders die Aufmerksamkeit der Katholiken die geplante Neuregelung der Kirchen- und ÄchUlairlagen. Auf das Wesen der Sache brauchen wir nicht einzugehen, da diese Frage bereits ausreichend er örtert lrwrden ist. Was bisher von den Verhandlungen öffentlich bekannt geworden ist, läßt unser Hoffnungsbaro meter nicht gerade sehr hoch steigen, trotzdem es allgemein als Härte anerkannt wird, daß Katholiken gescylich gezwun gen werden, zu den evangelischen Kirchen- und Schulkassen beizusteuern. Wenn dieser Zustand „historisch" ist, so ist damit doch noch nicht bewiesen, daß er auch gerecht ist. Wir glauben auch, daß die Mehrheit der Protestanten selbst es als nicht besonders „nobel" empfindet, von der durch weg ärmeren Minderheit finanzielle Beihilfe für den leistungsfähigeren Teil einzusordern. Man hat — gleichsam zur Entschuldigung — auf Oesterreich hingewiesen, wo aus dem Staatssäckel zwar den Katholiken für ihre Kultusbedürfnisse Beihilfen gewährt würden, anderen Konfessionen aber nicht. Der dies gesagt lxft, vergißt nur eins: Jene Staatszuschüsse werden aus dem sog. Neligionsfonds gegeben, der aus dem Erlöse der vom Staate vor reichlich hundert Jahren eingezogenen nnd verkauften katholischen Kirchengüter gebildet worden ist. Also gibt man der katholischen Kirche nur einen kleinen Teil ihres Eigentums zurück. Welchen rechtlichen Anspruch auf diesen Fonds haben denn die Nichtkatholiken? Oder toll man in Oesterreich es vielleicht so machen wie anderswo, wo von den gewaltsam eingezogenen katholischen Kirchen gütern Schulen gegründet wurden, von deren Besuch und Stipendiengenuß heute noch satzungsgemäß jeder katholische Schüler ausgeschlossen ist? Endlich könnten die Oester- reicher als Antwort auf ein Grundgesetz ihres Staates Hinweisen, das da lautet: „Kein Untertan darf zu Leistun gen für eine andere Konfession, als der er selbst angehört herangezogen werden." Ms in der katholische» Stadt Wien vie Gemeindeverwaltung einer meist von Arbeitern be wohnten Vorstadt zum unbedingt notlvendigen Kirchenban einen Beitrag schenken wollte, genügte der Einspruch eines einzigen Juden, um das Vorhaben zu verhindern. Und in Sachsen? Wie viele Stadtmagistrate gewähren neuen pro- testantischen .Kirchengemeinden — doch wohl aus dem Ver mögen der politischen Gemeinde, zu der auch Andersgläu bige gehören — ein reick>es Geschenk! Und sie tun Recht da mit. Aber wie steht es denn dann, Venn in derselben Stadt die arme katholische Gemeinde zu einem Kirchen- oder Schul bau zu schreiten gezwungen ist? Und wenn wirklich Oester reich so rückständig wäre, wie „man" behauptet hat, seit wann folgt man denn im protestantischen Sachsen dem bösen Beispiel eines so „rückständigen" katholischen Staates? Wie hart die Katholiken unter den bestehenden sächsi schen Steuerverhältnissen leiden, mag folgendes Musterbei spiel zeigen. In Chemnitz bestand 1874 bei Einführung des neuen Schulgesetzes eine kleine katholische Schule mit zwei Lehrern. Wie das junge Deutsche Reich in jenen Tagen im Milliardensegen schwamm, so bezahlte man auch in Chemnitz herzlich wenig katholisch Kirchen- und Schnl- anlagen, denn einige wohlhabende katholische Familien (von denen heute keine einzige niehr dort existiert) deckten größ tenteils den Bedarf. Da wuchsen im „oldenen Frieden dem „sächsischen Manchester" die Schwingen: immer neue In dustrien entstanden und die Fabrikherren inußten sich nach frischen Arbeitskräften nmsehen. Und siehe, „das Gute liegt so nahe'! Das nachbarliche katholische Oesterreich be- sonders bot genügenden, ja reichlichen Ersah. „Man" zog i>»e billigen katholischen Arbeiter ms Land herein, und die Jndustrieherren (waren darunter wobl viele Katholiken?) erhielten die gesuchten Leute, und die katholische Schule — deren Kinder. So hatte jedes seinen Teil. Die katholische Schule füllte sich so rasch, daß '»an Ende der achtziger Jahre an einen großen Neubail denken mußte. Der Zuwachs kani so plötzlich, daß mitten im Schuljahre in der Unterklasse auf den viersitzigen Bän ken überall sechs, ja auch sieben Kinder saßen und die ein- klasfige Fortbildungsschule auf einmal gegen 120 Schüler zählte. Inzwischen waren energische Leute in den Schulvor stand eingetreten, die die schwere Aufgabe übernahmen, der Gemeinde eine Schule „ohue Geld" zu bauen. Nun ging — genau wie zur selben Zeit nn lie- den Deutschen Reiche — ein Pumpen los, daß heute die Ge- meinde stöhnt unter der Last der Geldsummen, die sie — nickst hat. Unserer guten Stadt gediehen die günstigen Jahre so zur Leibesfülle, daß ihr der Gurt zu eng wurde. Um sich Luft zu schaffen, sing sie an, fest „einznbezirken". Da durfte auch die katholische Gemeinde nickst leer ausgehen: sie erhielt bei der christlichen Teilung wieder — die Kinder. Und es ivaren ihrer so viele, daß wir binnen 14 Jahren eine zweite katholische Schule entstehen sahen, und diese füllt sich heute schon wieder recht hübsch, so daß doch halt! Wozu an die Wand malen, lvas noch zeitig genug kommen wird. Der Schulvorstand aber sagte beim Ban der zweiten Schule znm Architekten: Gib der neuen Schule auch ein hübsches Gesicht, damit die Gemeinde dies Sorgenkind lvenigstens ein klein bißchen lieb gewinnt, nnd damit auch die vielen armen Kinder, die diese Schule besuchen werden, wenigstens ein paar Stunden im Tage in freundlichen Räumen weilen könnenI Der tat es auch: aber weil die Architekten gern Scherz lieben, so hat er außen am Treppenhanse in Köpfen die süßen und die sauren Mienen verewigt, die wir allemal ziehen, wenn nstr einerseits die sröhlick-cn Kinderscharen erblicken, und ande rerseits daran denken, was sie uns kosten. Nun wollen nstr einmal die finanzielle Schattenseite dieses „Fortschrittes" genau ins Auge fassen. Dazu mögen folgende Proben ans dem Haushalte dienen: 8745,21 .45 6145,1» „ Einnahme Ausgabe Vermögen Schulden — Besoldungen 4675,06 IN«» lnach dem Bau der I.k. Schule) Einnahme 86 683,86 ^ Ausgabe .81 »40.51 „ Schulden 206 8N2.8I . Reinvermögen 48 088.2» , Besoldungen 17 507,50 „ INN7 17 560.86 12 822.12 „ 12 015.24 , , 0564.17 . I»0« (nach dem Bau der 2. k. Schule) Einnahme 77 »85,52 ^ Ausgabe 89 279,87 ,*) Schulden 560 »24 64 . Reinvermögen 55 »81,48 „ Besoldungen 4S 863,50 .. In diesem sprungweisen riesigen Anschwellen der ein zelnen Ausgabeposten liegt das Unhaltbare der jetzigen Zu- stände, denn die Decknngsmittel wachsen durchaus nicht im gleichen Verlstiltnisse. Das lehren folgende Ausführungen: Jnnerlxüb 14 Jahren mußte die Gemeinde zwei neue Schulen bauen. Die eine kostete 285 624 Mark, die andere 800 208 Mark: die innere Einrichtung erforderte noch zirka 42 000 Mark. (Der Sitz für ein 5kind kostet reichlich 28 Mark, nnd über 1200 Kinder wollen Platz nehmen!) Diese Summen mußten natürlich durch Anleihen beschafft werden, die (1906) mit Tilgungsquote 28 683,10 Mark Zinsen ver schlangen, dazu kommen für Besoldungen 49 863,60 Mark (heute schon weit über 60 000 Mark), kurz im ganzen eine Ausgabe von 89 279,37 Mark. Wie nun solche Summen decken? Durch Schulanlagen natürlich. Ja, nun kommt das große Aber! Da nimmt nun der Senior nnd Vertrauensmann des Schulvorstandes die vom Stadtrate hecgestellte Stenerliste, seht sich hin, rech net nnd rechnet wieder nnd versucht zum 28. Male die Lösung der uralten Aufgabe, ein Faß mit durchlöchertem Boden zu füllen. Ans grund des von der Königlichen Be- zirks'chnlinspektion und dem hohen Königlichen Ministerium eingehend und doppelt geprüften Voranschlages (für das Jahr 1906 Bedarf rund 87 000 Mark) berechnet er die zu erhebende Stenerqnote, und als alter Praktikus nimmt er lieber den Mund etwas voll nnd erklärt: Wir müssen 76 Prozent des staatlichen EinkommenstenersaheS erheben und würden danach rund 100 000 Mark einnehmen. Er wird aber überstimmt nnd man setzt in Rücksicht ans die Steuer zahler nur 70 Prozent fest. Danach müßte sich die Kasse mit zirka 98 000 Mark füllen, und das würde recht hübsch ansreichen, dem galoppierend schwindsüchtigen Betriebs fonds etums Lebenselirier znznfübren. Drewiertel Jahre später legt der Kassierer Rechnung ab, ehe sie der Schulbe hörde zur Prüfung überreicht wird. Eingegangen sind durch das Steneramt an Schnlan- lagcn im Jahre 1906 Summa Snmmarum 52 729,81 Mark statt 98 845,89 Mark!! Verschämt erklären 6507,89 Mark Neste, daß sie gern bereit sein werden, „wenn bessere Tage kommen", der lieben katho lischen Schulkasse sich zur Verfügung zu stellen, während frech lachend 84 108,69 Mark Wegfälle sich auf Nimmer wiedersehen empfehlen. Gleichzeitig präsentiert das Stener- amt eine Rechnung von 3678,76 Mark für Einnahmegebüh ren. Darunter sind zur ganz besonderen Freude des Schul vorstandes zirka 860 Mark Kosten für erfolglose Pfän dungen. *) Somit ein Fehlbetrag von 11 208,85 der von dem Betriebsfonds in der Höhe von 80 00» ^ genommen werden mutzte. 178. Unter Rcinvermögen'verstehen wir die Bewertung der Schulgrundstücke, des Inventars usw. nach Abzug der Schulden. Diese geivaltige Differenz zwischen Soll und Haben helfen etwas mildern die Staatsbeiträge nnd eine vorn hohen Ministerium durch besondere Befürwortung der KV- niglickx'n Vezirksschulinspektion bittweise erlangte Extra beihilfe. Trotzdem bleibt ein Fehlbetrag von zirka 1 1 000 Mark, der die Rechnung aufs nächste Jahr schwer belastet nnd zu einer Erhöhung der Anlagen zwingt. Daß Wegfälle von Steuern eintreten, irstrd überall Vorkom men, aber daß sie eine solck>e Höhe erreick>en — (1907 gar 37 323,44 Mark!!) — das ist ungesund nnd mackst die Auf stellung eines Hauslialtplanes auch dem erfahrensten und vorsichtigsten Schulvorstande fast unmöglich. Mit welchen Schvierigkeitcn würden erst unerfahrene Männer zu kämp fen haben! Unter solchen Umständen kann man mit Sicher heit den Zeitpunkt berechnen, an dem die Schulgemeinde erklären muß: Wir können nicht mehr! Mas durch die Ungunst der bestehenden Verhältnisse ans einem vorsichtig ausgestellten Haushaltplane für ein Zerrbild-Werden kann, zeigt folgende Aufstellung: IVVtt. Einnahme. Extrobeihilfe des König!- Ministeriums 6 000,00 Anteil an den Grundsteuern 1 »86.78 , Staalöbeihilie zum Diensteinkommen der Lehrer. . 5 400,00 , Staatsbeihilfe zu den AlierSzulagen 2 716 67 , Zinsen 4»4.80 , Miele 2 600.00 . Schulgeld 4 988.48 . Strafgelder . . ' 204,50 , Wirklich eingcgangene Schulanlagen 52 720 81 , Insgemein »66 08 . Summa <7 »8t,.5L ^ ISO«. Ausgabe. Schuldzinsen >0 252,22 .« Tilgung der Anleihen 4 480 88 , Besoldungen 49 868 50 . Bau- und Revnraturkvstcn 2 705,46 . Lehrmittel und Inventar 725,05 , Verwaltiingsaufwnnd 2 035,80 , (Expedient 1N5« 40 Nnssierer 750 40 ExpedittonSauswand für de» Vorsitzende» >50 45. sür die Schuldirektionen l0> 4< -e ) Staats- und Gemeindeabgaben 408.85 , Heizung, Beleuchung, Reinigung 4 0"8?2 , WasserztnS 174 08 . V, Jahr Fortbildungsschule 160 02 . Autzerordentliche Ausgaben I 477,48 » (Drucktaste», Tinte. VersicheriingSbeitriine. Vückier sür nrnie Mnder, Lehrer- und Schülerdiblioihek, UmzunSkvslei, sür^Lehrer, ir.) Ankauf von Wertpapieren . .2 147,46 » >a»s den, Erlraa der Kriindsteiiernnteile ,nir Bild»»» eines Reservefonds sür iinvorherpeseheiie gälte, bezw x»m Anilins eines dritten Lchulgruiidstükkeö,) summa «0 270,87 Daraus ergibt sich also, daß die Einnahmen um 11 298,86 Mark niedriger sind als die Ausgaben. Dieser Fehlbetrag schwächt von neuem den Betriebsfonds und führt unbedingt zu einer weiteren Erhöhung der Stenern. Trotz aller ungünstigen Berlstiltnisse l>at der Schulvorstand eine planmäßige Tilgung der Anleihen eingehalten nnd bis Ende 1907 in Summa 42 260,77 Mark seiner Schulden getilgt. Welche Folgen ans unseren trostlosen Steuerverhältnissen erlvachsen, sei nur kurz angedentet. In der Gemeinde herrscht Erbit - ternng über die hohen Kirck>en- und Schnlsteuern, und sie macht sich Luft durch Angriffe gegen den Schulvorstand, der dadurch den letzten Nest von Lust verliert, für die „dank bare" Gemeinde die.Haut zu Markte zu tragen. Die tiefe Mißstimmung über unsere Steuerverhältnisse äußert sich aber noch mehr durch zahlreiche Aus- tritteaus der katholischen Kirche. Leider sind darunter gerade sehr gute Steuerzahler zu finden. Wenn man ans den Pfarrämtern die Anstretenden nach der Ur- sack>e fragt, so wird man zumeist (neben .Heiratsgeschicksten) die hol>en katholiscksen Steuern als Anstrittsgrund nennen hören. Sind das gute gesunde Zustände in einem Lande, wenn ein Teil de? Bevölkerung, um sich vor unerträglichem Steuerdrücke zu retten, in eine andere Kirchcngemeinschaft flüchten zu müssen glaubt? Worin liegen aber die Ursachen zu diesen für die Katholiken so traurigen Stenerverhält- nissen? Da wirken verschiedene mißliche Umstände zusam men, gegen die der Schulvorstand seit Jahren, so viel er nur kann, ankämpft. Kleine Erfolge hat er ja errungen, aber vieles lmrrt noch einer glücklichen Lösung. Wir nvllen nur auf einiges Hinweisen: Die katholische Stenerliste wird gegen Ende des Jahres vom Stadtrate ausgestellt nnd enthält die zur Zeit hier wohnenden Katholiken — soweit sie sich als solche angegeben baben! — sanft ihrem staatlichen Einkommen- stenersatze. Diese Liste geht zuerst an das Ministerium, das sie bei Berechnung der katholischen .Kirchenanlagen zu Grunde legt, nnd kommt endlich im Mai in die Hände des Schulvorstandes, dem sie nun, wie schon vorhin geschildert wurde, zur Berechnung der katholischen Schnlanlagen dient. Und nun zeigt sich gleich der erste arge Uebclstand. Die Liste enthält eine große Anzahl von Leuten, die inzwischen längst der Stadt den Rücken gekehrt haben. Darum ist der Voranschlag des Schulvorstandes von vornherein unzuver lässig. Dieses Mißverhältnis wachst aber noch niehr durch die späten Steuertermine. Am 15. Juli ist der erste Teil