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Nr. L77 — 0. Jahrgang Freitag de« 5. August LV1V SachslscheUolks^eitung «r,chkl„t tS-llch ««»«- "" der Sonn- und Jestlnge. t , Mtt .Die «eit in Wort und Bild" vierteljährlich' ^ A Dresden dur» Boten »40 ^ In gan, Deutschland frei HauS »,8» chn. Multttert. Dri SreSden'd. Voten »,I8 In «an»Dcutlchlandk-, Km.« t.ikik X. — MlizrI-Nr. Kt 4- — Zeilunftspreisl. Nr- 8888. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Kzespnltene Vetitzetle oder deren Raum mit 18 ^.Reklamen mit 8U 1 die «eile berechnet, bet Wiederholungen entsprechenden Rabatt vuchdrnikerel, Redaktion und Meschäft»s»ellei Dresden, Pillntqer Etratze 48. — Fernsprecher 1888 gürRückgab« »„vertan Redaktion» ,nat. Lchristftllike keine iverbtndltchkeU -Sprechstunde: l 112 Uhr. ^pfpiseftslic! unci labencl Or'6cIo-^i8b66»'6>i l/. k-fusicl IS bstsunlgs. Eersiug 8- stockstrosi, Dcesckeu. Gsclselsk^n In sstvn Ltsclttsilsn- Utb Die Konzentration der Vethmannschen Mehrheit beginnt. Tie kurze Unterredung im Eisenbahnwagen zei tigt schon Fruchte. Wie die „Neue Badische Landeszcitg." von durchaus zuverlässiger Seite erfährt, wird Abgeord neter Bassermann bei den nächsten Rcichstagswahlen im 12. badischen Neichstagswahlkreise lHeidelberg-Eberbach-Mos- bach) kandidieren. Ter Wahlkreis, der gegenwärtig von dem nationalliberalcn Abgeordneten Beck vertreten wird, ist seit 1870 mit Ausnahme der Jahre 1884 bis 18!I3 in nationalliberalem Besitze. Bon 1884 bis 1803 war er kon servativ vertreten. Von Beck hieß es schon längere Zeit, daß. er bei den nächsten Wahlen nicht mehr kandidieren werde. Tie Kandidatur Bassermanns in Heidelberg ist die praktische Folge der kürzlich abgegebenen Erklärung der badischen nationallibcralen Parteikorrespondenz: „Tie Badenser seien bereit, den, bewährten Führer persönlich in seiner Heimat das Vertrauen bei den nächsten Wahlen zu beweisen." Hier hat Basserniann bei der Stichwahl sich gegen das Zentrum zu wehren, da dieses seit Jahren mit den Liberalen in Stichwahl kam. Tas Zentrum kann aber durch Ausstellung von zwei Kandidaten erzielen, das; es aus der Stichwahl ausscheidet und daß BasserMann dann mit dem Sozialdemokraten zu kämpfen hat. Diese Konstellation wäre dann sehr interessant. Aber nun soll der Führer der Nationalliberalen in einein so gut wie gesickerten Bezirke Unterkommen finden: damit ist der Anfang zur Konzentra tion der Bethmannschen Mehrheit gemacht. Bethmann will die jetzige Mehrheit der Rechten und des Zentrums vernich ten, das ist klar. Man wundert sich allgemein, das; Beth mann „nicht spricht", kein Programm entwickelt. So lange Bethmann keine Mehrheit nach seinem Geschmacke hat, wird er „schweigen". Er ist klug, sehr klug sogar. Wir Zen- timnSlente haben alle Ursache, seine Manipulationen mit gespannter Aufmerksamkeit zu verfolgen. Es ist kein Zweifel mehr, die großindustriellen und agrarischen Elemente in der nationalliberalen Partei haben über den jnngliberalen linken Flügel gesiegt. Die Rederei von dem Anschll's; nach links und der scharfen Frontstellung gegen die Konservativen hat denn auch in der national liberalen Presse fast ganz aufgehört. Selbst die radikalsten der nationalliberalen Blätter schwärmen wieder für die „alte erprobte Taktik" und die „hehren Traditionen" auS den neunziger Jahre» des vergangenen Jahrhunderts. Am deutlichsten aber ergibt sich vielleicht der Sieg des rechts- nationalliberale» Flügels ans der Ueberlegenheit, mit der die konservativ-liberalen Blätter wieder die jnngliberalen Ideologen behandeln und ihre Tränmereien für erledigt erklären. So schreibt beispielsweise die „Nhein.-Westfäl. Zeitg.", das Blatt der Industriellen und Bergwerksbesltzer: ,.Diejenigen, die Fühlung mit der nationalliberalen Reichstaqsfraktion haben, war es schon seit Beginn dieses Jahres kein Geheimnis, das; in der Fraktion tiefgehende Meinungsverschiedenheiten bestehen. Auf der einen Seite eine Gruppe, die mehr den Verhältnissen der Industrie ge recht werden möchte, und auf der aivderen Seite die Basser manngruppe, die sogenannte linksliberale Politik treiben will. Es ist nicht zutreffend, wenn behauptet wird, das; diese verschiedenen Strömlingen sich zurzeit wegen der be vorstehenden Reichstagswahl nur vorübergehend bemerkbar machten. Tatsächlich handelt es sich um grundsätzliche Diffe renzen einschneidender Art, die so leicht nicht ausgeglichen werden können .... Die nationalliberale Partei stützt sich in der Hauptsache auf das gutsituierte Bürgertum, die mittleren und höheren Beamten, vor allein auf den Fabri- kanlenstand einschließlich der Gruppen, die man in dem Be griffe Großindustrie zusammenfaßt. Auf die Interessen dieser Kreise mußte die nationalliberale Fraktion 7»i Reichstage gebührende Rücksicht nehme». Das hat sie nicht immer getan. Wohl mit Rücksicht ans das Neichstagswahl- recht, bei dem die Stellung der Massen unter den meisten Verhältnissen ausschlaggebend ist, und wohl unter Einfluß des Ganges der Tinge in seinem Heiniatlande Bade», suchte Bassermann auch „Massen" zu gewinnen. Er glaubte durch eine linksliberale Politik die breiten Schichten, die man im allgemeinen als Privatbeamte bezeichnet, wie überhaupt die Beamten und manche Gruppen der Arbeiterschaft in seine Gefolgsclwft zu bringen. Dieser Versuch muß als ge scheitert angesehen werden . . . Jetzt ist es an der Zeit, diesen Irrtum zu bekennen und wieder den altbewährten Weg zu verfolgen. Wenn auch schon weite Kreise des deut schen Fabrikantentums und der Industrie durch diese Po litik der nationalliberalen Neichstagssraktion dazu gekom men sind, den konservative» Parteien zuzuneige», die sich namentlich in letzter Zeit den Interessen dieser Kreise, so weit sie den von ihr besonders vertretenen Interessen nicht entgegenstanden, besonders- zugewendet und mit Nachdruck ;>ertrete» habe», so werden diese doch ihre ganze Kraft der nationalliberalen Partei leihen, wenn diese ihnen wieder gerecht werden will. Eine zielbewnßte Rechtspolitik kann der nationalliberalen Partei nur zum Vorteile gereick>en. Sie stützt sich dann auf das Vertrauen ihres früheren festen Stammes. National gesinnte Kreise der Privatbeamten und der Beamtenschaft allgemein, sowie der Arbeiterschaft, die die radikale Politik der Organisation nicht mitmachen wollen, werden auch unter diesen Umständen für national liberale Vertreter eintreten." Gewiß kommen noch Seitensprünge vor und »och haben sich nicht alle an die neue Fraklionsrichtung gewöhnt, das instveist die neueste Nnmmer des „Elbwarls", der vom na- nonallil'eraleii Vereine für das Staatsgebiet Hamburg her- ansgegebenen Halbmonatsschrift. Diese Halbmonatsschrift veröffentlicht an der Spitze zwei Artikel, von denen der eine ans Hamburg, der andere ans Karlsruhe stammt. In beiden Artikeln wird ungefähr das Gegenteil von dem ge sagt, Inas die „Nat.-lib." Korrespondenz" und andere Blät ter darleglen. In dem einen heißt es geradezu, ein Zu sammengehen der Konservativen bei de» nächsten Wahlen sei für die Nationalliberalen ein nationaler Frevel. Es müsse vielmehr mit den Konservaliven Abrechnung gehalten werde». Diese Aenßerunge» sind mit den gröbsten Liebens würdigkeiten gegen die Konservativen gespickt, deren Po litik schlechthin „frevelhaft" genannt wird. Tie Erfolge der Sozialdemokratie, die bei einem solchen Vorgehen zu er warten sind, lassen den nationalliberalen Artikelschreiber vollkommen kühl. Er hofft, daß die ehemaligen Blockglie der diese Einbuße in konservativen Wahlkreisen wettmachen werden. Tie Karlsruher Zeitschrift betont mit großer Ent schiedenheit. daß durchaus kein Grund für die badischen Nationalliberalen vorliege, ihre Großblockpolitik zu ändern, selbst da»» nicht, wenn von nationalliberaler Seite Nord- dculschlands gegen sie ein Vorstoß unternommen werden solle. Tie badischen Nationalliberalen verlangten zwar Von den Geheimnissen. Einer der gewöhnlichsten Einwände, der gegen die ka tholische Religion erhoben wird, ist dieser: „Tie katholische Religion glaubt an Geheimnisse, an Dinge, die man mit dem Verstände nicht begreifen kann. Das aber ist des Menschen unwiirdig. Ter Mensch soll nur an das glauben, was er mit seinem Verstände erfassen, gleichsam mit Augen sehen, mit den Händen greifen kann." Sehen wir uns ein mal diesen Einwand etwas näher an! Ter Mensch soll nicht an Geheimnisse glauben dürfenI Aber wenn man sich die Welt ansicht, gibt es da nicht Dingo genug, die vorhanden sind, und die wir doch nicht begreifen können? Nehmen wir zum Beispiel den Mensckxml Wie viel Dinge sind am Menschen, deren innerstes Wese» uns ein Geheimnis ist! Zum Beispiel das Leben. Mir alle leben, und doch: Was ist Leben? Niemand kann darauf eine befriedigende Antwort geben. Das Leben ist nicht das bloße S e i n. Denn es gibt Dinge, die existieren, leben aber nicht, zum Beispiel die Steine, der Erdboden. Das Leben ist auch nicht die Beweg u n g. Sonne, Mond und Sterne bewegen sich, und doch, wer möchte sagen, daß Sonne, Mond und Sterne leben? Auch nicht imDcnke n liegt das Leben. Denn die Tiere leben ztvar, können aber nicht denken. Auch da« Bewußtsein kann das Leben nicht sein. Wenn wir schlafen, hören wir zwar nicht auf zu leben, haben aber kein Bewußtsein. Also was ist das Leben? Wir wissen es nicht, es ist uns ein Geheimnis. Wenn wir um »ns blicken, finden wir ebensalls in der Natur Dinge genug, die uns ein Geheimnis sind. Wie oft entlädt sich über unseren Häuptern ein fürchterliches Gewitter: Blitz und Donner erschrecken uns: Hagel, der damit verbunden ist, verwüstet vielleicht unsere Felder. Aber was ist das Gewitter? Niemand weiß es. Die Ge lehrten sagen zwar: Ein Gewitter ist eine elektrisch Ent ladung. Aber was ist Elektrizität. Das wissen wir nicht. Die Gelehrten mühen sich ab, zu ergründen, worin das Wesen der elektrisch» Kraft und des elektrischen Lichtes liegt, sie können es aber nicht finden. Die Elektrizität ist ein Geheimnis. Und so gibt es viele Tinge in der Natur, die wir nicht erfassen können. Wenn es schon in der sichtbaren Natur so manche Dinge gibt, die wir nicht erfassen können, muß es dann nicht auch in Gott Wahrheiten geben, die über unseren Verstand hinausgehen? Ganz gewiß. Gerade darin liegt ein sicherer Beweis für die Wahrheit der katholischen Re ligion, daß sie an Wahrheiten glaubt, die über das Fassungsvermögen des menschlichn Geistes hinausgehen. Und so wenig es des Menschen unwürdig ist, an die Elek trizität und an irdische Dinge zu glauben, die er nicht per- stehen kann, so wenig kann es eine Schande für ihn sein, an die göttlichen Geheimnisse zu glauben. Ja, es m u ß sogar in Gott Geheimnisse geben. Wenn wir Menschen das Wesen Gottes völlig begreifen könnten, so wäre Gott nicht unser Gott. Denn das, was in unseren Verstand hineingeht, was wir niit unserem Verstände be- nicht, daß ihre Politik als maßgebend in ganz Deutschland eingcsührt werde, sie seien aber entschlossen, an dieser ihrer Politik ihrerseits sestzuhalten. Wie sich die Auffassung der „Nat.-lib. Korresp." nebst der Nhein.-Westfäl. Zeitg." und die im „Elbwart" wiedergegebenen Anschauungen inner halb einer und derselben Partei vereinigen lassen, das ist freilich eine offene Frage. Aber vielleicht geht es am Ende doch. Gerade solche Seitensprünge bekunden klar, daß der Kern der Nationalliberalen entschlossen ist, an der Seite der Regierung die Wahlschlacht zu schlagen. Für das Zen trum gilt daher nur: Trau, schau, wem? mit angestreng- stester Wahlarbeit. Politische Rundschau. Dresden, den 4. «ugust 19tü. Am 3. August ließ sich der Kaiser von Bord der „Hohenzollern" zum „Sleipner" übersehen, der nach Hissung der Kaiserstandarte unter dem Salut der Festung nach Stettin abfuhr. Tas Publikum brachte dem Kaiser lebhafte Abschiedogrüße dar. Das, Wetter ist schön. Tic „Holsen- zollern" und die „Stettin" «ftngen unmittelbar nach der Ab fahrt des „Sleipner" nach IKiel in See. — Der Kaiser in Stettin. Der .Kaiser traf um 10 Uhr auf dem „Sleipner" vor der Hafenterrasse an. An dem Landungsplätze erwartete Prinz Eitel Friedrich, der um 0 Uhr 10 Minuten hier angekommen war, seinen Vater. Ferner waren Oberpräsident Freiherr v. Maltzahn und Po lizeipräsident v. Wuthenau zugegen. Der Kaiser bestieg am Bollwerke mit dem Prinzen Eitel Friedrich ein Automobil, um sich nach dem Exerzierplätze Krokow zu begeben. Be; der Vorbeifahrt brach das zahlreich erschienene Publikum in Hochrufe aus. Das Wetter ist schön, aber sehr sckstvül. Ans dem Exerzierplätze bei Krokow nahm der Kaiser vormittags die Parade über das Grenadierregimcnt König Friedrich Wilhelm IV. (pommersches Nr. 2) ab. Hieraus nahm der Kaiser das Frühstück beim Offizierkorps des Re giments ein und brachte einen Trinksprnch ans das Re giment aus, auf den Oberst Tickhnth erwiderte. Der Kai ser und Prinz Eitel Friedrich reisten um 2>/i Uhr mittels Sonderzuges nach Berlin ab. — Drr Großhrrzog von Badru hat sich von seinem Bronchialkatarrh, der ihn seit drei Wochen ans Bett fesselte, soweit erholt, daß er in den nächsten Tagen von Schloß Eberstein nach Badenweller übcrsiedeln kann. Die Groß- Herzogin-Witwe verlegte ihre Hofhaltung am Mittwoch von Baden auf die Insel Mainau. Mitte nächsten Monats treffen sämtliche Glieder der grobherzoglichen Familie in Karlsruhe zum silbernen Ehejubiläum des großherzogltchen Paares ein. — Ans Grund dek Gesetzes über daS Paßwesen vom 12. Oktober 1867 hat der BundeSrat in seiner Sitzung vom 18. April d. I. beschlossen!: Dem RcichSkolonialamt wird die Befugnis bcigelcgt, an Beamte und Militär personen im Dienste der ReichSvcrwaltung, sowie deren Ehefrauen und minderjährige Kinder, die Reisen in eines der afrikanischen oder Südseeschutzgebietc zum Ziele haben. Auslandpässe mit Angabe des Reiseziels zu erteilen. — Der Entwurf des KurpfuschercigcsctzeS ist nunmehr auch vom preußischen Staatsministerium verabschiedet worden. Die Vorlage wird dem BundcSrat in den nächsten Wochen zugehen und es darf mit Sicherheit angenommen werden, daß der Gesetzentwurf im Reichstage noch in diesem Jahre zur Vorlage gelangen wird. — Der Deutsche Handwerks- und Gewcrbekaurmcrtag wird seine 11. Vollversammlung am 5., 6. und 7. September in Stuttgart halten. Die Verhandlungen erstrecken sich hauptsächlich aus die NeichsversicherungSordnung die Für greifen können, das steht nicht über uns. das ist höchstens uns gleichgestellt. Was aber nicht über uns steht, das kann nicht unser Gott sein, vor dem können wir nicht anbetend unsere Knie beugen. Demjenigen, vor dem wir anbetcnd niederfallen, in dem wir das höchste Wesen verehren, der muß weit über uns stehen, der muß unserem Verstände un begreiflich sein, in dem müssen Wahrheilen, die In »»ferein geschaffenen Verstände keinen Platz habe», mit anderen Worten: in Gott müssen Geheimnisse sein. Ein Vorwurf wegen unseres Glaubens an die Geheim nisse wäre nur dann berechtigt, wenn wir etwas anderes glauben würden, was gegen die Vernunft ist. Das ist aber nicht der Fall. Die Wahrheiten, die wir glauben, sind zwar über unserer Vernunft, aber nicht gegen unsere Vernunft. Es rvrhält sich mit ihnen ähnlich wie mit den Sternen, die für uns mit bloßem Auge unsichtbar sind. Es gibt im Weltenranme eine ungeheure Menge von Sternen die so weit von uns entfernt sind, daß unser bloßes Auge sie nicht sehen kann. Aber wenn wir ei» gutes Fernrohr zu Hilfe nehmen, könne» wir solche Sterne sehen. Das Wahr- »ehmen solcher Sterne liegt also ü ber der Sehkraft un serer Augen, ist aber nicht gegen die Sehkraft unserer Augen. So ist cs auch mit den Geln'imnissen. Wir können sie mit unserem bloßen Verstände nicht erkennen. Gott hat sie uns geoffenbart, im Glauben erfassen wir die Ge- Heimnisse und nach dem Tode sollen wir völlig in die Er- kenntnis derselben eingcsührt werden. ES gibt nichts Einfältigeres als den Spruch: „Der