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ilsdnOrÄMatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, für Lürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter T Nr 230 — 83 Jahrgang Mittwoch, 1. Oktober 1924 Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Tageblatt" erscheint tSglich »achm. S Uhr für den folgende« Tag. Bezugspreis: Bei Abholung irr »«SefchLftrfteLe und den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch dir Boten 2,30 Mk., bei Postbeftellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend M«« »d D^chSftrstrll-^ — «hmen ,u jeder Feit «e. »Zungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung E Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eiugesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Porto beiliegt. Anzeigenpreis: die ügespalte« RaumzeileMGoldpfennig, die 2gespaltenc Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold- pfennig, die 3 gesvalteneAeklamrzette im textlichen Teile 100 Doldpfennig. NachweUungsgedühr 20 Goldpfennige. Dor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 -nnahmrdi«»onn.lvUhr — — ^ür die Richrigk-u der durch Fernruj LbrruiiUeltenAujeigeu rderuchmru wir deine Garantie. Zeder Rlldllitanspruch erlischt, wenn derBetrag durch Klage eins«,o,«n werden mutz oder derAusrraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt enthSl« die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmaunschast Meitze«, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt. Finanzamts Nossen. Wilsdruff-Dresden Postlchcck: Dresden 2840 AebmeiWg der deutschen Denkschrift In Paris au Herrn Herriot. H.. Die deutschen Vertreter in den verschiedenen Haupt- Übe haben die Denkschrift der deutschen Regierung Eini Völkerbund und die deutschen Vorschläge für den ritt an die Regierungen abgegeben. In Paris er- Zweierlei stecht. Zur gleichen Zeit, als Dr. Stresemann auf dem Bezirkstag der Deutschen Volkspartei die bekannten Be dingungen andeutele, unter denen Deutschland bereit sei, dem Völkerbund beizutreten, vielmehr, was vorher ge regelt sein müsse, ehe wir den Antrag stellen, ist in Genf eigentlich schon die Antwort erteilt worden: der neue Mtlitäikontrollplan, den ein Unterausschuß ausgearbeitet hatte und der von der Rüstungskommission angenommen, zum Teil sogar noch verschärft worden war, hat auch die Billigung des Völkerbundrats gesunden. Also die Billigung jener zehn Mächte, an die von der deutschen Regierung die Frage gerichtet worden ist, ob sie bereit sind, uns die selbstverständliche Gleichberechti gung zuzugestehen, auf die wir, dem „theoretischen" Geist und Wesen des Völkerbundes gemäß, Anspruch erheben können. Es soll aber der Grundsatz des „Zweierlei Rechts", nämlich desjenigen für die „Sieger" und desjenigen für die „Besiegten", verewigt werden. Zu gleicher Zeit, als Dr. Stresemann die Hoffnung aussprach, daß die Ant wort der zehn Mächte „eine Bejahung der deutschen Mit arbeit am Völkerbund herbeiführen" würde, ist diefe Ant wort gegeben worden, dadurch, daß wir in der großen Frage der Militärkontrolle, die Dr. Stresemann ausdrück lich als Lie Lebensinteresten Deutschlands aufs engste be- ttihrend bezeichnet hatte, ganz glatt ausgeschaltet wor den sind. Diese Kontrolle soll einmal weitgehendster Art sein. Nicht etwa bloß die Land-, See- und Luststreitlräfte, son dern die gesamte Rüstungsindustrie soll kontrolliert werden können, d. h. aVo die gesamte Stahl-, Flugzeug- und chemische Industrie zum mindesten. Jedes Mitglied kann dem Generalsekretär der Kontrollkommission „Tatsachen" mitteilen dürfen, die dann zu einer solchen Untersuchung führen. Was sich leicht mit Hilfe ausländischer und deut scher Spions bewerkstelligen ließe. Eine zeitliche Grenze ist nicht gesetzt. Zunächst wird also eine ständige beratende Kom mission gebildet, die aus Mitgliedern des Völkerbundes und aus Vertretern aller Nachbarstaaten eines zu kontrol lierenden Staates besteht. Diese Kommission bereitet nun die „Untersuchung" vor, der man Die schöne Bezeichnung „Investigation" schenkte. Zunächst wählt der Nat eine Untersuchungskommission aus einer Reihe von Sachver ständigen, dw von der ständigen Kommission namhaft ge macht werden und nur Staaten angehören, die nicht in vestigationsreif sind. Diese gehören keiner Untersuchungs kommission an. Also Deutschland, Österreich, Ungarn, Bulgarien. Man mutet uns also zu, daß wir uns kontrollieren lasten sollen aus Die Denunziation irgendeines polnischen oder tschechischen oder eines sonstigen Feindseligen. Wenn das der Völkerbund ist, dann können die Genfer Herren auch ohne uns glücklich werden. Das Schönste ist dabei aber doch, daß die Militärkontrolle vom Völkerbund bezahlt wird; wenn wir ihm also beitreten, tragen wir die Kosten dieser Kontrolle mit, von der wir ausgeschlossen sind. Man lehnt es zwar ab, sich von uns „Bedingungen für den Eimrttt kn den Völkerbund diktieren zu lassen", schafft aber schnell noch gegen uns gerichtete neue, schwerste Bedingungen. Die deutsche Regierung hat das vor acht Tagen beschlossene Memorandum über den Eintritt in den Völkerbund an die zehn beteiligten Mächte überreichen lassen. Wird sie nach diesem neuesten Vorgehen in Genf noch auf dem gleichen Standpunkt wie vor acht Tagen stehenbleiben können? Die Mlitärkontrolle des Völkerbundes. Der Entwurf zur Kontrollorganisation des Völker- vnndsrates in den durch die Friedensverträge entwaffne ten Ländern Deutschland, Österreich, Ungarn und Bulgarien sollte erst später veröffentlicht werden, ist aber durch eine Indiskretion seitens der französischen Dele gation bereits Vertretern der französischen Presse mitge teilt worden. Der Entwurf besteht aus neun Artikeln. Er stellt ein Kompromiß zwischen den verschiedenen im Rate vertretenen Tendenzen dar und ist dadurch zustande gekommen, daß der Rat einerseits Bestrebungen ausge- schaltet hat, die darauf hinausgingen, alle alliierten Nach barstaaten der genannten vier Länder in die Liste für die Kontrollkommission auszunehmen, und daß er andererseits die Vertreter der zu kontrollierenden Staaten vollkommen von den Kontrollkommissionen ausgeschlossen hat. Die Mitglieder der Kontrollkommission werden aus den Delegierten der zehn Ratsmächte genommen. Dem Ent wurf gemäß erstreckt sich die Kontrolle auf alle Gebiete des Nüstungswesens, aber auch aus Militärgesetze und aus den Unterricht und die Ausbildung für den Krieg. KeuherN kritische Lage in Senk. Der Völkerbund gefährdet. Genf, 29. September. Die Beratungen in Gens find in ein kritisches Stadium eingetreten durch einen japanischen Antrag, der das Schiedsgerichtsprotokoll ändern will in dem Sinne, daß das Schiedsgericht auch in solchen Fällen angerufrn werden kann, wenn ein Staat sich durch die innere Gesetz gebung eines andern benachteiligt fühlt. Mit andern Worten gesagt: Kann Japan das Schiedsgericht des Völkerbundes anrufen, wenn die Nordamerikanische Union oder die Dominions Australien und Neuseeland japanischen Untertanen die Einwanderung verweigern? In dem Schiedsgerichtsprotokoll ist vorgesehen, daß, wenn vom Internationalen Gerichtshof erklärt wird, daß es sich beim Vorgehen eines Staates um eine innere Angelegenheit des Staates handelt, ein Verfahren vor dem Völkerbundrat oder dem Schiedsgerichtshof nicht möglich ist. Run aber machen die Japaner geltend, wenn es dabei bliebe, hätten Vie ganzen Verhandlungen keinen Wert für sie und sie müßten den Rücktritt Japans vom Völkerbund erwägen. Die italienische Vertretung hat bereits er klärt, sie werde die japanischen Anträge unterstützen. Da durch ist der ganze Schiedsgerichtsplan gefährdet und ebenso die in Aussicht genommene Abrüstungskon ferenz. Zu ihrem Zustandekommen ist es nämlich not wendig, daß von den vier Ratsmitgliedern England, Frankreich, Italien und Japan die Mehrheit, also drei Staaten, das Protokoll ratifizieren müssen. Es wird eifrig und fast ohne Unterbrechung über die schwierige Lage ver handelt, aber eine Lösung wurde noch nicht gefunden. Die japanischen Vertreter weisen immer wieder darauf hin, daß der betreffende Absatz Des Völkerbundpaktes einem Staate gestatte, sich einer internationalen Untersuchung unter dem Vorwand zu entziehen, daß der Gegenstand des Streites eine innere Angelegenheit des Landes sei, selbst wenn dadurch die Ehre oder die Lebensinteressen eines anderen Staates beeinträchtigt würden. Der Delegierte erklärte, daß es zu seinem lebhaften Bedauern seiner Ne gierung unmöglich sei, einer solchen Bestimmung zuzu stimmen. Demgegenüber trat der brasilianische Delegierte für die Souveränität eines Staates in seinen inneren An gelegenheiten ein und wies umgekehrt darauf hin, daß es doch eine Ungerechtigkeit bedeute, falls ein Staat, der seine inneren Angelegenheiten nach eigenem Ermessen regeln wolle, dafür von einer Macht, die sich verletzt glaubt, straf los mit Krieg bedroht werden könne. Der japanische An trag wurde noch einmal an die Unterkommission zurück verwiesen. Mßerst kritische Lage. Die Beratungen über die durch die japanische Stellung nahme hervorgerusenen Schwierigkeiten werden noch da durch kompliziert, daß verschiedene Delegationen, so Neu seeland und Australien, für den Fall der Annahme der japanischen Wünsche damit gedroht haben sollen, daß s i e das Protokoll nicht unterzeichnen würden. Die Lage ist damit äußerst kritisch geworden. In Ler gegenwärtigen Phase der Völkerbundsversammlung, in der alles zum Abschluß drängt, steht man vor einer bis jetzt unlösbaren Situation, da ein ständiges Ratsmitglied im letzten Augenblick die Annahme des Protokolls verweigert, falls nicht bestimmte Bedingungen, die von anderer Seite aber lebhaft bekämpft werden, angenommen werden. Ange- soigle die Übergabe durch Herrn v. Hoefch, der sofort nach seiner Ankunft Montag früh zum französischen Minister präsidenten fuhr, an Herrn Herriot persönlich. Uber den Inhalt der Rote soll nach Verabredung nichts veröffentlicht werden. Da aus englischer Quelle bereits Andeutungen über den Wortlaut der Note vor liegen, wird festgestellt, daß nach einer Erklärung des Bot schafters v. Hoesch diese Informationen gänzlich unzu treffend sind. Bedingungen find in der Note nicht gestellt. Die Kriegsfchuldfrage ist nicht berührt worden. Herriot erklärte, daß er die Antwort erst nach Beratung mit seinen Kollegen erteilen könne. Er sagte serner, daß er nicht ganz so lange Zeit zur Über legung brauchen werde, wie die Netchsregierung zur Ab fassung des Memorandums. In den Instruktionen an den Botschafter soll dem Vernehmen nach zum Ausdruck gebracht worden sein, daß die Reichsregierung den ernst lichen Wunsch hat, dem Völkerbund bcizutreten, und daß er diesen Wunsch dem Ministerpräsidenten Herriot zur Kenntnis bringen müsse. Vie llmlatzbesteuerung Keine Umstellung des jetzigen Systems. Der Reichsminister der Finanzen hat tn einer Denkschrift, die dem Reichstag, dem Reichsrat und dem Vorläufige« Reichswirischastsrat zugegangen ist, zu den Problemen der Umsatzdesteueruna Stelluna aenommen. stchts der unsicheren Haltung eines Teiles der englischen öffentlichen Meinung befürchtet man auf französi scher Seite, vaß auch die Ratifizierung durch England noch unbestimmt sei. Das deutsche Memorandum beim Völker bund überreicht. Eigener Femsprechdienst des ,,Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 30. September. Aus Gens wird mitgeteilt, daß das deutsche Memorandum gestern beim Völkerbundsselretariat eingegangen ist, und zwar soll es dem Sekretariat des Völker bundes zur Kenntnis gebracht werden. Die Einberufung des Landrates des Saargedietes bevorstehend. (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Saarbrücken, 30. September. Die Saar-Negierung beabsichtigt, den Lcmdrat des Saargebietes zum 6. Oktober ein zuberufen und ihm als eine der ersten Vorlagen einen Entwurf über die gesetzliche Veranlagung des Achtstundentages gemäß des Washingtoner Abkommens vorzulegen. Auch wird sie einen Ent wurf betreffend die Arbeitskammer des Saargebietes mit aller Beschleunigung einbringen. Beide Vorlagen, namentlich die erste, werben von entscheidender Bedeutung für die Beilegung der Lohn- und Arbeilskämpfe im Saargebiet fein. Der englische Ministerrat über den Ver trag mit Rußland. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 30. September. Der gestrige Mmisterrat be schäftigte sich auch mit dem englisch-russischen Vertrag. Hierzu erführt der politische Korrespondent des „Evening Standard", das; man auf Grund allerbestunterrichteier Kreise der Ansicht ist, daß die Grundbestimmungen des Vertrages in materieller Hin sicht bezüglich der Kredite und Anleihen geändert werden dürf ten, da man nicht nur den Widerstand der Konservativen und Liberalen, sondern ebenfalls den Widerstand der Bank- und Finanzwelt der City nicht überwinden zu können glaubt. Russischer Protest gegen die Einmischung irr China Riga, 30. September. Ueber große Proteswersammlun- gen in Moskau gegen die Einmischung der Großmächte in China berichtet de Telegraphen-Ager tur Lettlands. Die Kundgebungen sollen mit der öffentlichen Verbrennung einer dem amerikanischen Staatssekretär Hughes ähnlichen Puppe vor dem Gebäude der Kommunistischen Internationale beendet worden sein. Hughes wird von der Sowjetpresse, so berichtet d'e Agentur, als einer der Hauptschuldigen an dem Ausbruch des Bürgerkrieges in China bezeichnet. Keine Unterstützung Georgiens durch die Türkei. Paris, 30. September. Nach einer Havasmeldnng aus Angora wird die Nachricht dementiert, wonach die Türken Ab sichten auf Batum haebn und türkische Beamte den Georgiern Munition zur Verfügung stellen. Die Denkschrift gibt einen überblick über den Gang der bisherigen deutschen Umsatzsteuergesetzgebung seil 1916. Das deutsche System ist auf dem Grundsatz der Besteuerung tedes Umsatzes ausgebaut. Daneben stehen als Ab änderungsvorschläge die Systeme der Fabrikats- oder Produk tionssteuer, der in Österreich eingesührien Phasenpauschalierung, der Kleinhandelssteuer und der sog. Siemens'schcn veredelten Umsatzsteuer. Die Denkschrift bespricht diese Systeme und wägt die Vorteile und Nachteile ab, die sie im Verhältnis zu einander und zu dem deutschen System haben. Sie erörtert weiter die Frage, wie innerhalb des Deutschen Systems dessen besonders nachdrücklich gerügte Mängel, nämlich die teilweise Bevorzugung der Einfuhr und die Belastung der Ausfuhr beseitigt oder gemildert werden könnten. Nach ausführlicher Stellungnahme zu diesen Problemen kommt die Denkschrift in einem Schlußwort zu dem Ergebnis, daß jeden falls eine völlige Umstellung des geltenden Systems den be sonderen Verhältnissen der deutschen Wirtschaft nicht gerecht werden könne und mit Rücksicht aus die starke Bedeutung des Umsatzsteuerauskommens für die deutschen Finanzen nicht er träglich sei. Die volkswirtschaftlich schädlichen Wirkungen der Umsatzsteuer könnten vollständig nur durch eine allmähliche Senkung des Umsatz st euersatzes behoben werden. Die Frage, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt diese übrigens bereits durch die Verordnung des Reichspräsi denten vom 14. September 1924 begonnene Senkung fortgesetzt werden könne, hänge eng mit der anderweitigen Deckung des Finauzbedarfs zusammen.