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Vutsmtzer Tageblatt Bank-Konten: Pulsnitzer Bonk, Pulsnitz und v Uf Commerz- und Privat-Bank, Zweigstelle Pulsnitz Dienstag, den 10. Mai 1932 Nummer 108 84. Jahrgang Amtlicher Teil WW M sm .MSN' MM WM i gut Anzcigcn-Grundznhlen in Die 41 mm breite Zeile (Mossc's Zeilenmesscr 14) 1 mm Höhe 10 H/, in der Amtshanptmannichaft Knincnz 8 iH/; amtlich 1 mm 30 und 24 M; Neklamc 25 Tabellarischer Satz 50 °/o Aufschlag. — Bei zwangSivciscr Cinzicbung der Anzcigengebnhren durch Klage oder in KonknrSfällen gelangt der volle Rechnungsbetrag nntcr Wegfall »on Preisnachlaß in Anrechnung.' Bis '/-IO llhr vorinittags eingehende Anzeigen finden am gleichen Tage Aufnahme Dr. Goerdeler Reichswirtschaftsminister? Berlin, 10. Mai. Wie die „Vossische Zeitung" von informierter Seite hört, ist dem Leipziger Oberbürger meister Dr. Goerdeler das Reichswirtschaftsministcrium an- gcboten worden. Dr. Goerdeler habe sich dem Vernehmen nach mit der Uebernahme des Ministeriums grundsätzlich einverstanden erklärt, jedoch unter der Voraussetzung, daß die von der Reichsregierung beabsichtigte Verordnung über die Einführung der 40-Stunden-Arbeitswoche in einer Form festgeiegt wird, die es denjenigen Betrieben, die durch diese Notverordnung in ihrer Existenz bedroht werden, ermöglicht, eine den besonderen Verhältnissen des Betriebes Rechnung tragende besondere Regelung der Arbeitszeit vorzunrhmen. Wie weiter verlautet, soll die Ernennung Dr. Gondelns noch Ende dieser Woche oder Anfang nächster Woche erfolgen. Das Wichtigste Das hessische Kabinett hat beschlossen, als Termin für die Landtagsneuwahl den 3. Juli in Aussicht zu nehmen. Painlcvü, der auf Bitten seiner Freunde offiziell eingewilligt, hatte, feine Kandidatur für die Wahl zum Präsidenten der französischen Republik anzeigen zu lassen. Hat nach einer Meldung Berliner Blätter aus Paris in später Rächt- stunde seine Kandidatur wieder zurückgezogen. ' Erscheint an jedem Werktag Im Falle höherer Gewalt, Krieg, Streik oder sonstiger irgend welcher Störung des Betriebes der Zeitung oder der Bcfördcrungscinrichtnngcn, hat der Bezieher keinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rück zahlung des Bezugspreises. — Wöchentlich 0.60 ÄM bei freier Zustellung; bei Abholung wöchentlich 0.50 SL; durch die Post monatlich 2.40 Ek freibleibend Schuldcntilgungsgcsetz sofort an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Als vr. Frick auch hier widersprach, machte Präsident Löbe geltend, daß der Neichsfinanzminister die Verabschiedung des Gesetzes in dieser Woche im Namen der Regierung verlangt habe. Ein Antrag der Nationalsozialisten, die Aussprache zu vertagen, wurde darauf gegen die Antragsteller, die Deutschnationalen nnd die Kommunisten abgelehnt. So mußte Abg. Reinhardt (Nat.-Soz.) das Wort nehmen. Der Ansicht des Finanzministers, daß der bisher beschrittene Weg zur Sanierung von Wirtschaft und Finanzen führe, widersprach er mit dem Hinweis, daß sich die Lage ständig verschlechtert habe. Die letzten Notverordnungen hätten Wirtschaft und Finanzen in grauenhafte Unordnung ge bracht. Die Schmälerung der Kaufkraft der Massen müsse lähmend auf den Arbeitsmarkt wirken Das deutsche Volkseinkommen sei von 76 Milliarden im Jahre 1929 auf 50 Milliarden im Jahre 1930 und wahr- scheinlich 40 Milliarden im Jahre 1932 zurückgegangen. Der Minister habe seinerzeit prophezeit, daß die' schwebende Schuld am 31. Oktober 1932 auf rund 1,28 Milliarden ge sunken sein werde. Tatsächlich betrage die schwebende Schuld am 1. April 1932 bereits 1,72 Milliarden. Dann fuhr der Redner fort: „Durch das Schuldentilgnnasgcsctz wird der Ueberbrückungskredit von 1931 um ein Jahr verlängert. Im Oktober 1930 hat der Minister im Reichstag gesagt, daß er zum zweiten Male eine Unterschrift für einen solchen Kredit nicht gibt. Heute hat er die neue Unterschrift gegeben. Der Grund des ganzen Gesetzes und der plötzlichen Reichstags- emberufung ist der, daß die Negierung kein Geld mehr be kommt, weil die Neichsschuldenverwaltung die Notverord- nungskrcdite für ungesetzlich erklärt hat. Die national sozialistische Fraktion denkt nicht daran, dem Schulden- tilgungsgesetz zuzustimmen, solange Politik nach den Me thoden Brüning und Dietrich getrieben wird. Sie behält sich vor, nach Artikel 59 der Ncichsverfassung Anklage vor dem Deutschen Staatsgerichtshof wegen bewußter Ver fassungsverletzung zu erheben." Als l)r. Frick (Nat.-Soz.) erneut Vertagung be antragte, wurde der Vorschlag durch den Vizeprädenten Esser dadurch abgebogen, daß letzterer die Abbrechung der Sitzung zur Erörterung stellte. Das Haus trat dem Vorschlag bei und vertagte sich auf Dienstag 11 Uhr, setzte aber auf die Tagesordnung der Dienstagsitzung auch die zweite Lesung des Schuldcntilgungsgesetzes. Präsident Löbe eröffnete die Reichstagssitzung am Montagnachmittag mit Nachrufen auf den früheren Vize präsidenten des Reichstages vr. Rießer, auf den Abgeord neten der Wirtschaftspartei Dr. Jörissen und auf den Abg. Limbertz (Soz.), die in der Zwischenzeit verstorben sind. Er teilte dann mit, daß er dem Präsidenten der französi schen Kammer die Teilnahme des Deutsch« Reichstages zu dem Tode des Präsidenten Doumer ausgesprochen habe. Ebenso habe er im Namen des Reichstages zum Ableben des Direktors des Internationalen Arbeitsamts, Albert Thomas, kondoliert. — Präsident Löbe gab weiter die Ver änderungen im Reichstag und im Kabinett bekannt. Aus dem Kabinett ist bekanntlich Minister Or. Warmbold aus- geschieden und Staatssekretär Or. Trendelenburg ist dafür mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Neichswirtschafts- ministeriums betraut 'worden. Reichsfinanzminiftn vr. Dietrich die Verhandlungen mit einem längeren Rückblick über die Schulden des Reiches, wobei er feststclltc, daß die Schulden des Reiches um ungefähr 300 Millionen seit 1930 ab- genommen haben. Die ursprünglich durch Gesetz vorgesehene Schuldentilgung sei aber in der Praxis nicht durchgeführt worden. Durch das Schuldentilgungsgesetz sollen zunächst folgende ungedeckten Schulden allmählich ge tilgt werden: 1. 770 Millionen, die aus dem Fehlbetrag des Jahres 1930 noch nicht abgcdeckt sind. 2. Das Defizit des Jahres 1931 mit rund 500 Mil lionen und 550 Millionen des außerordentlichen Haushalts. Die fundierte Schuld des Reiches beträgt: 1. An Kriegs- und Nachkriegsschulden 4631 Millionen, 2. an Stabilisierungsschuld 607 Millionen, 3. an Entschädigungs schuld 1291 Millionen, 4. an Tributschulden, und zwar an Schulden der Dawes- und Poung-Anleihe 2205 Millionen, 5. an Schulden für außerordentliche Ausgaben 1474 Millio nen. Das Reich habe lediglich etwa 114 Milliarden Schulden in der Nachkriegszeit für außer- ordentliche Ausgaben gemacht. Alles andere entfalle auf Krieg, Entschädigung und Reparationen. Zwei Arten von K r c d i t c r m ä ch t i g u n g e n feien im Umlauf. Solche, die der Negierung durch formelles Gesetz erteilt seien und solche aus Notverordnungen. Während die Reichsschuldenverwaltung die Notverordnung vom 6. Oktober 1931 als eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Er teilung von Krcditermächli mngen angesehen habe, habe sie diesen Standpunkts verla a bei der Verordnung vom 20. Februar 1932. Zu der Frage, ob die Verlänq e r u n g der vorjährigen Ermächtigung durch die Not verordnung vom 29. Marz 1932 gültig sei, habe sie sich bis- lang nicht geäußert. Die Ncichsregierung vertrete die Auf fassung, daß Kreditermächtigungen auch durch Rotverord- nungen auf Grund des Artikels 48 der Ncichsverfassung er teilt werden könnten. Weiter machte der Reichsfinanzminister Mitteilung über die während der Krcditkrise vom Reich übernommenen Garantien. Die gesamte Verpflicht»^ belaufe sich neben der restlichen Garantie zugunsten der ehemaligen Danatbank auf 1115 Millionen. Der tatsächliche Verlust aus den Bankentransaktionen bestehe in 185 Millionen verlorenen Zuschüssen und 150 Millionen, die bei der Zu sammenlegung des Aktienkapitals der Dresdener Bank ver loren gingen. Der Minister gab dann ein Bild von dem Etat für 1932. Ungeklärt sei nur noch die Frage, wie die Kosten für die Arbeitslosen aufgebracht werden sollen. Im vergangenen Jahre hätten die Ä u f w c n d u n g e n f ü r d i e A r b e i ts- losen insgesamt 3,3 Milliarden betragen. Davon seien Fernsprecher 18. Tel.-Adr.: Tageblatt Pulsnitz Postscheck-Konto Dresden 2138. Giro-Konto 146 MWMWlM MW Miel M MWMW Dr. Goerdeler Reichswirtschaftsminister — Beunruhigende Gerüchte aus Memel (Siehe Drahtmeldung) Das Pulsnitzer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshcmp-mannschaft u. des Finanzamtes zu Kamenz des Amtsgerichts und des Stadtrates zu Pulsnitz sowie der Gemeinderäte Großnaundorf und Weißbach behördlicherseits bestimmte Blatt Hauptblatt und älteste Zeitung in den Ortschaften des Pulsnitzer Amtsgerichtsbczirks: Pulsnitz, Pulsnitz M. S-, Großröhrsdorf, Breinig, Hauswalde, Ohorn, Oberstcina, Niedersteina, Weißbach, Ober- und Nicderlichtcnan, Fricdcrsdorß Thiemendorf, Mittelbach, Großnaundorf, Lichtenberg, Kleindittmannsdorf Geschäftsstelle: Pulsnitz, Albertstraßc Nr. 2 Druck nud Verlag von E. L- Försters Erben (Inh. I. W- Mohr)Schriftleiter: I. W. Mohr in Pnlsnitz auf das Reich 900 Millionen für die Krisenuntcrstntznng und über 230 Millionen für Zuschüsse an die Gemeinden entfallen Die Finanzierung dieser Zuschüsse sei noch nicht geklärt, ins besondere nicht, weil man nicht übersehen könne, inwieweit wirklich eine Möglichkeit zur Arbeitsbeschaffung bestehe, nnd wie sich die Verhältnisse in der Arbeitslosigkeit im nächsten Winter entwickeln würden. Für den freiwilligen Arbeitsdienst und die Arbeitsbeschaffung Geld aus laufenden Mitteln aufzubringcn, sei völlig un möglich. Der Etat werde in Einnahmen und Ausgaben mit 8,3 Milliarden balancieren. Der eigentliche Reichsaufwand betrage ungefähr 6 Milliarden. Darin seien enthalten 1 Milliarde für die Arbeitslosen, 1,2 Milliarden für die Kriegsopfer nnd 480 Millionen für die Sozialversicherung sowie 420 Mil lionen für die außerordentliche Schuldentilgung. Für den eigentlichen Betriebs« upwand des Reiches ver- »"'be Uhter Abzug der Ueberweisunaen an die Länder 2,2 Milliarden. Die Aussprache. Abg. Breitscheid (Soz.) verlangte eine schnelle Verab schiedung dcs Haushalts durch das Kabinett und den ernsten Willen, die Probleme durch das Parlament zu lösen. Für die Balanzicrung des Etats seien zwei Voraussetznngen gegeben. In den neuen Etat dürften keine Reparationszahlungen eingesetzt werden. Die Sanierung der A rb e i tg l 0 s e n v e r s i ch e r u n g und der G e m c i n d e f i n a n z e n müsse außerhalb des Reichshaushalts gefunden werden. Die Sozialdemokratische Partei fordere, daß keine Aufhebung oder Suspendierung der Arbeitslosenversicherung käme. Gegen die beab sichtigte Notabgabe beständen Bedenken. Man müsse vor allem eine Politik der Stabilität treiben, um mit der Bürgerkriegsatmosphäre in Deutschland ein Ende zu machen. Wenn es eine Privatarmee eines Parteiführers gebe, so werde damit eine Panikstimmung er zeugt, in der ein Wiederaufbau der Wirtschaft nicht möglich sei. Das Verbot der SA. sei dringend notwendig ge wesen. Das Reichsbanner dagegen trete nur für den Schutz des Staates ein. Die Parteien hätten die Pflicht, zu prüfen, ob das Programm der Nationalsozialisten eine stabile Regierung gewährleiste. Ueberall stoße man aber auf Wider sprüche. Auch in der Außenpolitik hätten die National sozialisten keine klare Linie. Als sich der Rcdyer anschlie ßend äußerte: „Wollen Sie (zu den Nationalsozialisten) allein regieren oder wollen Sie in eine Koalition gehend riefen die Kommunisten: „Und vr. Breitscheid wird Außen minister!" Als Dr. Breitschcid auf den Landesverrat dcs Nationalsozialisten Graf von der Goltz in Pommern cin- amq der erklärt habe, daß sich im Falle eines polnischen Mtgriffs keine Hand zur Verteidigung erheben werde, so- lange das jetzige System bestehe, rief er scharfen Widerspruch bei den Nationalsozialisten hervor — Zur Notverordnung Uber die Gottlosenverbände äußerte er sich dahin, daß seine Fraktion zwar Ausschrei, tungcn ablehne, daß man aber nichts durch Notverordnungen eindämmcn könne, was an dieser Bewegung geistig be rechtigt sei. Da zunächst keine weiteren Wortmeldungen vorlagen, wollte Präsident Löbe die Aussprache schließen. Darauf er klärte Abg. Torgler (Komm.), daß seine Fraktion geglaubt habe, daß zunächst die Nationalsozialisten reden würden. Da das nicht der Fall sei, bäte er, dem Abg. Schneller das Wort zu geben. Schneller sprach dann über den „neuen Raubzug gegen die arbeitenden Massen". Nach dem kommunistischen Redner beantragte Dr. Frick (Nat.-Soz.), die Aussprache abzubrechen und am Dienstag fortzusetzen. Präsident Löbe regte darauf an, das Donnerstag, de» 12. Mai 1932, 20 Uhr im Rathaus, Sitzungssaal öffentliche Schnlansschnh-Sitzung. Tagesordnung düngt im Rathausslur aus. Oh 0 rn, am 9 Mai 1932. Der Bürgermeister.