Volltext Seite (XML)
für Reichenvmnd, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. ezngspreis: Vierteljährlich 30 Pf- — Anzeigen werden außer in der Geschäftsstelle «Reichenbrand, Nevoigtstraße 11) von Herrn Friseur Weber in Reichenbrand und von Herrn Kaufmann Emil Winter Rabenstein entgegengenommen und die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 20 Pf. berechnet. Schluß der Anzeigen-Annnhme Freitags nachmittag S Uhr. — Fernsprecher Amt Siegmar 244. Vereinsinserate können nicht durch Fernsprecher aufgegeben werden. Ml Sonnabend, den 5. Januar 1918 Die Unterhaltungsgenosienschaft für den Kappelbach Montag, den 14. Januar 1918 nachm. V2K Uhr n Gasthofe zu Siegmar eine Genossenschaftsversammlung ab, auf welche die der Genossenschaft an- ehörenden Grundstücksbesitzer hierdurch besonders hingewiesen werden. Die Tagesordnung hängt in den Gemeindeämtern öffentlich aus. Reichenbrand, Siegmar, Neustadt und Nabenstein, am 2. Januar 1918. - Die Gemeindevorstände. Hundesteuer. Alle in Rabenstein mit den beiden Rittergütern gehaltenen Hunde sind bis zum 10. Januar d. I. et der unterzeichneten Gemeindebehörde anzumelden. Die Steuer beträgt für jeden Hund jährlich 20 Mk., ir tatsächliche Zughunde 10 Wk. Der Steuer unterliegen alle Hunde, die am 10. Januar d. I., dem Zähltage, hier gehalten oder n Laufe des Jahres hier angeschafft werden. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, am 3. Januar 1918. Gemeindevorstandsgeschäfte. Infolge llebernahme einer anderen Stelle verläßt der Unterzeichnete heute sein hiesiges Amt. Bis zur Wiederbesetzung werden die Gemeindevorstandsgeschäfte durch den l. Gemeinde- ältesten — Herr Gutsbesitzer Irmscher — geführt, der in der Regel werktags vormittags zwischen 11 und Vs1 Uhr im Gemeindeamt zu sprechen ist. Rottluff, am 5. Januar 1918. Der Gemeindevorstand. Geißler. Hundesteuer. Nach 8 22 der Gemeindesteuerordnung für Rottluff ist jeder Grundstückseigentümer oder an dessen Stelle der von ihm betraute Grundstücksverwalter bei eigener Verantwortung verpflichtet, den Beauftragten des Gemeindevorstandes alle die Hausbewohner, die am lü. Januar des Jahres einen oder mehrere Hunde halten, unter Angabe der Zahl der Hunde anzugeben. Die diesjährige Aufzeichnung der Hunde erfolgt am 10. dieses Monats durch den Schutzmann. Dieser ist berechtigt, die Steuer, die für jeden Hund 5 Mk. beträgt, gegen Aushändigung des Steuerzeichens in Empfang zu nehmen. Hundevesitzer, die an den Schutzmann keine Zahlung leisten, haben die Steuer gegen Empfang der Steuerniarke bis zum 31. Januar 1918 im hiesigen Gemeindeamte — Kassenzimmer — zu entrichten. Rottluff, am 2. Januar 1918. Der Gemeindevorstand. Kirchliche Nachrichten. Parochie Rabenstein. Am Epiphaniasfest, 6. Januar, Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst Mit Beichte und heil. Abendmahl: Pfarrer Kirbach. Kollekte für die Heidenmission. Abends 7 Uhr Weihnachtsfeier der kirchl. Jugendvereine im Tasthofe „Zum Grünen Tal". Mittwoch, 9. Januar, Abends 8 Ahr Versammlung des eo. Jung frauenvereins. Freitag, 11. Januar, Abends 8 Ahr Kriegsbetstunde mit Beichte und heil. Abendmahl: Pfarrer Kirbach. Wochenamt: Derselbe. Parochie Reichenbrand. Am Erscheinungsfest, Sonntag, den 6. Januar, Vorm. 9 Ahr redigtgottesdienst mit Abendmahl. Beichte H9 Ahr: Hilfsgeistlicher chwarze. Kollekte für die Heidenmission. Dienstag Abend 8 Ahr Jungfrauenverein. Mittwoch Abend 8 Ahr Kriegsbetftunde: Pfarrer Rein. Amtswoche: Derselbe. Dauernde Papiersammlung. Für die Bedürfnisse der Heeresverwaltung wird von jetzt ab erneut Zeitungs papier gesammelt und in allen Schulen und bei den von den Gemeindeverwaltungen bestimmten Dienststellen dauernd angenommen. Die Sammelstcllen werden durch einen An schlag gekennzeichnet. Das Plakat zeigt deutsche und bundes- genössische Zeitungen und bringt damit zum Ausdruck, daß allerlei Zeitungspapier für die Sammlung angenommen wird. Es ist dringend erwünscht, daß alles zusammengebracht wird, was an Zeitungspapier in den Haushaltungen ungenützt lagert. Der Bedarf ist groß und Größe, Ursprungsort, Parteifarbe und Staatsangehörigkeit der Zeitungen sind vollkommen gleichgültig. Der müde Soldat schläft auf französischen und englischen Hetzblättern ebenso gut, wie auf den Erzeugnissen der deutschen Amtspresse. Wer sich durch Eifer und Erfolg besonders hervortut, erhält ein Gedenkblatt. Unbedachte Münklingen. Sie wissen nicht, was sie tun! Nur so lassen sich die unbedachten Kränkungen erklären und etwas entschuldigen, die sich in unsre in gewissen Kreisen gang und gäbe gewordene Ausdrucksweise eingeschlichen und eingenistet haben. Da wird in einer Geschichte erzählt von einem „armen, aber fleißigen Manne." Ja, sind denn die armen Leute in der Regel träge und faul, und ein fleißiger unter ihnen eine Ausnahme? Tas „aber" ist hier ganz falsch und töricht und verletzend gebraucht. Wenn nun eine Geschichte anfinge: „Es war einmal ein reicher, aber träger Mann!" Man fühlt sogleich, daß das „aber" nicht stimmen will, obgleich es unter den Reichen eher träge Leute gibt, als unter den Armen. Arm, aber ehrlich — arm, aber unbescholten — arm, aber zufrieden — arm, aber fromm — wie oft heißt es so! Immer ist das „aber" falsch, unbedacht, ja fast beleidigend gesagt. Noch viel eingefleischter ist folgende Sprachunart geworden: „Ein junges Mädchen, aus sehr guter Familie, sucht Stellung" usw. Worin besteht denn die Güte dieser Familie, und inwiefern soll sie eine Empfehlung sein?" Wenn so etwas ^wie eine rechtschaffene Familie gemeint wäre, möchte es durchgehen. Aber es ist eine wohl habende (oder wohlhabend gewesene), vornehme, angesehene Familie gemeint, deren Glieder durchaus nicht immer gut oder brauchbar sein müssen. „Gute" Familie ist immerhin noch nicht so sehr herausfordernd, wie „bessere" Familie. Denn die Steigerung kommt doch auf eine Vergleichung hinaus, und den „besseren" Familien entsprechen eigentlich auf der andern Seite die schlechteren. Es ist dieselbe Un überlegtheit im Ausdruck, wie die „besseren" Mädchen, die gesucht und angeboten werden, und die nur sogenannte bessere Arbeit verstehen und tun, oder bessere Manieren haben und zeigen sollen, oft aber lange nicht so brauchbar und wertvoll sind, wie ein tüchtiges gewöhnliches Dienstmädchen, das sich keiner Arbeit scheut und nebenbei oft auch natürlichen Anstand besitzt und nicht bloß sogenannten Gebildeten ihr fein sein sollendes Getue mehr oder weniger richtig abgeguckt hat. Und schließlich die „besseren" Stände, denen doch auch nur „schlechtere" Stände gegenüberstehen müßten, die aber an wirklicher Güte nichts vor andern voraushaben. Diese sogenannten besseren Stände sind bloß höher, vornehmer, bemittelter, gebildeter. Warum sagt man nicht richtiger: ein Mädchen aus höherem, vornehmerem, bemittelterem, ge- bidetercm Stande? Da hätte man ein klares und wahres Bild vor sich und wüßte ungefähr, was zu erwarten ist. Den Gipfel nicht bloß der Unbedachtsamkeit, sondern geradezu der Anmaßung ersteigt die „gute Gesellschaft" oder, wie es noch irriger und dümmer heißt: „die Gesellschaft". Sie findet sich in reinster Blüte in Residenzen und anderen vor nehmen Städten, in Ablegern aber auch in Kleinstädten. „Er oder sie gehört zur Gesellschaft." Das ist in manchen Augen das Höchste und Schönste und Beneidenswerteste, was von einem Menschen gesagt werden kann. Diese „Gesellschaft" ist ein möglichst enger Kreis von Persönlichkeiten, die durch ihren hohen Stand oder ihren alten Namen oder ihren schweren Reichtum dermaßen über alle andern Sterblichen sich erhaben dünken, daß sie völlig abgeschlossen ihren Ver kehr pflegen. Das sind dann die „besten" Kreise, obwohl sie oft weder gut, geschweige denn besser als andere sind, ja, zuweilen weniger gut, ja viel schlechter, als die Angehörigen der schlechtesten Stände, von denen doch entgegengesetzt ge redet werden müßte, wenn man nicht das unerträglich Kränkende eines solchen Ausdrucks fühlte. Doch bleibt es bei der geringeren, aber immer noch genug starken Kränkung, die sich die gefallen lassen müssen, die nicht den Vorzug haben, auch nicht haben wollen, zu den „befferen" Ständen und Familien gezählt zu werden. Ob das Vaterland bestehen könnte, wenn es nur lauter solche gute, bessere und beste Leute hätte? (Aus dem Sächsischen Beiblatt zum Nachbar.) Zwei Frane« von KUdung. Roman von E. Willkomm. Forpetzung. Nachdruck verboten. „Allerdings, gnädige Frau, und zwar so schnell wie möglich. Ich werde dem Rechtsanwalt, dem ich die Sache der Frau v. Königsheim übertrage, gleich Ihre Ankunft melden und derselbe wird Sie empfangen." Frau Waltershausen blieb einige Minuten nachdenklich. Sie trennte sich nur ungern von ihren Kindern und Schülern und Schülerinnen, selbst wenn es nur auf einen oder zwei Tage war. Aber der Kommerzienrat hatte recht und so wollte sie auch nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Nach einigen Zögern sagte sie zu, so bald wie möglich nach Berlin zu reisen, zum ersten Male in ihrem Leben. 29. Kapitel. Ohne Zwischenfall war Frau Waltershausen in Berlin angekommen. Mit Entsetzen erfuhr sie sogleich, wie furchtbar das Schicksal mit der einst so beneideten und glücklich ge priesenen Adelheid v. Moser in den letzten Monaten verfahren war. Aus der Haft war sie einstweilen entlassen worden, aber das Elend war darum nicht geringer. Der Gerichtsvollzieher war in der letzten Zeit fast täglicher Gast bei ihr gewesen und hatte ihr schließlich nur die un entbehrlichsten Gegenstände gelassen. Da sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, so mußte sie auch die seitherige große Wohnung räumen und hatte mit ihren wenigen Habseligkeiten Zuflucht in einem kümmerlichen Dachstübchen einer Vorstadt straße suchen müssen. Hier war es, wo Frau Waltershausen die einstige Salon dame wiedertraf, nachdem sie von dem Rechtsanwalt ihre Adresse erhalten hatte. Es dunkelte schon, als Frau v. Königsheim die Türe ihres Stübchens öffnen hörte, denn in dieser Jahreszeit, es war Wintersanfang, brach der Abend zeitig an. Verdüstert fuhr sie auf von ihrem Sitze am Fenster, das eine sehr unromantische Aussicht auf ein paar enge Höfe hatte und kehrte unwillig ihr Gesicht der Türe zu. „Du bist es, Franziska!" rief sie aus, als sie die Ein tretende erkannte und umarmte die Freundin mit Heftigkeit. „Ja, ich bin es." „Das ist in der Tat lieb von Dir und beweist mir, daß Du Dich entsetzt haben mußt, wie ich selbst. Diese heuchlerischen Larven!" „Wen meinst Du?" „Diese elenden Geschäftsmenschen! Ich hasse sie, daß ich aufjauchzen könnte vor Freude, wenn ich sie vor meinen Augen zu Grunde gehen sähe!" Es dauerte geraume Zeit, ehe es Frau Waltershausen gelang, die überaus Erbitterte zu besänftigen. Frau v. Königs heim fühlte sich tödlich verletzt, wollte anfangs auch Frau Waltershausen nicht anhören und nannte den Kommerzienrat Brandenstein einen heimtückischen, knauserigen und lieblosen Menschen und geberdete sich wie eine Person, der man schreiendes Unrecht angetan hat. In ihrer maßlosen Auf geregtheit war sie aber doch so naiv, daß sie der Freundin keinen Hehl aus ihrem unbesonnenen Handeln machte. Mit einem lächerlichen Zug in ihrem jetzt fahlen Gesicht, da die Schminke fehlte, sagte sie: „Natürlich habe ich das Pensionsgeld einstweilen gebraucht und Kredit in Anspruch genommen!" „Das war unrecht, Adelheid, das durftest Du nicht tun!" „Ich war ja dazu gezwungen, wenn die Leute nicht mit Fingern auf mich zeigen sollten! Glaube mir, gute Seele, die Gemeinschaft freut sich am meisten und lautesten über einen gestürzten Glücklichen, das ist so recht ordinär niedrige Menschennatur und dieses Vergnügen wollte und durfte ich meinen Neidern nicht machen. Darum habe ich das Geld genommen und die Leute mit der Bezahlung auf später ver tröstet und mich in meinen vier Pfählen nobel eingerichtet." Frau Waltershausen setzte der Freundin auseinander, daß sie sehr unklug gehandelt habe und teilte ihr zugleich mit, die Schulden würden bezahlt werden, wenn sie verspreche, sich nie wieder zu einer solchen Unbesonnenheit Hinreißen zu lassen. „Also doch!" sagte Frau v. Königsheim, keineswegs reuemütig gestimmt. Man muß die Menschen bei der Am bition ergreifen, dann werden sie mildherzig. Es ist mir- lieb, daß der starre Geldmensch zur Einsicht kommt. Einer Dame meines Standes und Ranges ist er sie eigentlich schuldig. Die ganze Geschichte wäre nicht vorgekommen, wenn er nicht so hartnäckig gewesen wäre und die Kinder immer mir vorziehen wollte." „Aber Adelheid, er handelt doch nur so, wie es seine Pflicht erfordert." „Das glaube ich einfach nicht. Ich verlange von jedem, daß er in mir die Frau von Bildung respektiert." Frau Waltershausen enthielt sich jeder Antwort auf diese wunderlichen Auslassungen. Ihr kam das ganze Be nehmen der Frau mit einem Male so sonderbar, so annormal vor, sodaß sie von einer gewissen Beklemmung erfaßt wurde. Sie konnte es sich nicht erklären, war es Mitleid allein, oder auch ein gewisses Grauen, welches sie vor der Freundin empfand. Sie teilte Frau v. Königsheim mit, daß ihre beiden Töchter, wie der Vormund ihr vor ihrer Abreise nach Berlin mitgeteilt habe, aus der Pension entlassen würden, daß sie