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»7. Februar L8S7 Rr. 4«. Dienstag -Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI« Zu beziehen durch all« Postämter de« In« und Auslandes, sowie durch di«. Erpedition in Leipzig (Querstraße Rr. 8). Prtt» für da-Bi«rt«ljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Jnsertionsgebuhr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. DGB' DtuW AllWtinc Ztitiing. Preußen. * Berlin, 15. Febr. Die Angelegenheit der Herzogihümer Holstein und Lanenburg soll jetzt den Gegenstand lebhafter Verhandlungen zwischen den Großmächten bilden. Da eine abschlägliche Antwort des däni« schen Cabinets auf die Federungen Preußens und Oesterreichs eine ernste Entwickelung dieser Angelegenheit herbeisühren könnte, so sollen die Groß mächte, namentlich aber Rußland, wie man andeutet, in einem Sinne auf Dänemark einwirken, welcher letzteres zu einer nochmaligen reiflichen Er wägung der Sache veranlassen dürfte. Die ursprünglich beabsichtigte Ant wort möchte daher wesentliche Minderungen erleiden, bevor dieselbe an das hiesige und an das wiener Cabinet abgeht. — Die Angaben wegen bevor stehender bedeutender Veränderungen in Besetzung der höhern Befehls haberstellen im Heere werden in unterrichteten Kreisen bestätigt. Bei mehren Armcecorps dürste ein Wechsel in Bezug auf die obersten Befehls haber stattfinden. Man will wissen, daß der bisherige Oberbefehlshaber der Truppen in den Marken, General v. Wrangel, zum Generaloberst der Cavalerie deS Heeres ernannt werden würde. In den hiesigen militärischen Kreisen wird diese Angelegenheit sehr lebhaft besprochen. — Die Frage über die dreijährige Dienstzeit bei der Fahne scheint ihre Lösung im Sinne des Antrags der Negierung zu erhalten. Die Aussprüche eines der nam haftesten Gewährsmänner in dieser Sache, des verstorbenen Generals v. Gries heim, dürften zu dieser voraussichtlichen Lösung der Frage viel bcigelragen haben, da sie namentlich in den Kreisen der Oppositionssractionen rege Be achtung gefunden haben. Wir haben bereits früher angedeutct, daß viele Mitglieder der CentrumSsractionen und der Linken sich Abends zu freien Be- rathungen zu versammeln pflegen, um eine gegenseitige Verständigung über die vorliegenden Hauptfragen herbeizuführen. General v. Griesheim bezeich net nämlich in seinrr bekannten Schrift die Wiedereinführung der dreijäh rigen Dienstzeit bei der gesammten Infanterie sowie die Besetzung der Füh- rerstellen bei der Landwehr durch Linienoffiziere als Lebensfragen für die preußische Armee, deren Erledigung ohne Nachtheil nicht aufgehoben wer den dürfe. "Ihre Wirkung sei keine augenblickliche; diese könne vielmehr in ganzer Kraft erst nach einer Reihe von Jahren eintreten, aber wenn der Bau zusammenbreche, sei es zu spät, um am Fundament zu bessern. Die Sachlage ist folgende: Man will, nachdem man eS 20 Jahre lang mit der zweijährigen, zwei Jahre hintÄrch mit der dritthalbjährigen Dienstzeit bei der Linieninfanterie versucht hat) jetzt wieder definitiv zu der ursprünglichen Einrichtung zurückkehren, wie sie durch die Stifter der gegenwärtigen Mi- lttärörganisation Preußens dieser.letzter» bei deren Schöpfung im Jahre 1814 zugründe gelegt und bis in die dreißiger Jähre festgchalten wor den ist, zur vollen dreijährigen Dienstzeit. Es handelt sich nicht um eine Anbahnung der Beseitigung der gegenwärtigen Organisation des Heeres, sondern vielmehr um deren Kräftigung durch die Rückkehr zu ihren ur sprünglichen Grundlagen. Diese Auffassung namhafter Mitglieder der Cen- trumSfractionen wird auch von hervorragenden Mitgliedern der Linken ge° theilt. — Der frühere Redacteur der Patriotischen Zeitung, Lindenberg, ist auf die hochherzige Fürsprache des Prinzen von Preußen vom König begnadigt worden. Die betreffende Cabinetsordre ist, wie man hört, be reits an das Justizministerium ergangen. — I« der Sitzung deS Hauses der Abgeordneten am 14. Febr. stand der Be richt der Commission zur Prüfung des StaatshaushaltsetatS für 1857, betreffend den Etat der Post-, GesetzsammlungS- und Zeitungsverwaltung, desgleichen der Telegraphenverwaltung und für die Porzellan- und Gesund- heitSgeschirrmanufactur auf der Tagesordnung. .Wir geben Folgendes aus der allgemeinen Debatte, woran» sich auf die Standpunkte der verschiedenen Parteien schließen läßt. Die allgemeine Diskussion eröffnet der Abg. v. Ger lach: Da» gegenwärtige Budget liege formell viel günstiger als das vor jährige. DMalö war das Budget auf noch nicht bewilligte Steuern be gründet, und dem Hause hätte di« Pstcht abgelegen, das Recht zu wahren, daß durch bloß« Zustimmung zum Budget auch nicht etwa die Steuerzu schläge als bewilligt angesehen würden. DaS diesjährige Budget beruhe nicht mehr auf nicht bewilligten Einnahmen; aber von anderer Seite trete «in neuer zu erwägender Umstand auf. R«ben den gewöhnlichen Ausgaben d«S Budget» tret« die Regierung mit neuen Bedürfnissen auf, und dies müsse da» Hau» bestimmen, bei der Budgetberathung von andern Gesichts- punkten au-zugehen. Wenn beispielsweise di« Regierung 200,000 Thlr. zur Erweiterung des Telegraphenwesen» fodere, so müsse man sich ernstlich fragen, ob diese Summe bewilligt werden könne zu einer Zeit, wo, wie die Regierung sägt, die Beamten darben und hungern ; dasselbe sei bei den 8— 900,000 Tylm. zur Erweiterung der Eisenbahnbauten der Fall. Selbst Bttdgttmonituren, dir sonst von der andern Seite (link-) aufgestellt und »on der Rechten bekämpft worden, seien in eine andere Phase getreten, so z. B. di« Bedenken gegen die zu hohen Kosten der berliner Polizei, wegen zu hoh«r Positionen im auswärtigen Depart«m«nt, der pot»dam«r Jmme- diatbauten re. Ein Unterschied würde ferner zu machen sein zwischen pro ductiven und unproduktiven Ausgaben. Uebrigens seien die neuen Steuern noch nicht bewilligt; von der Linken liege ein Antrag vor, welcher wesent lich auf eine Ablehnung hinauslaufe, und was die Stimmung in der Fi- nanzrommission anbelange, so sei dieselbe nach Allem, was auS den Zeitun gen verlaute, eine ungünstige. Man müsse deshalb auf wesentliche Erspa rungen bedacht sein. (Bravo rechts.) Ministerpräsident v. Manteuffel: „Wenn ich dem Vortrage des Hrn. v. Gerlach richtig gefolgt bin, so war derselbe mehr eine Auffoderung an das hohe Haus als an die Staatsregic- rung. Ich konnte mich somit eines Eingehens auf denselben enthalten, wenn ich eS nicht für nothwendig erachtete, einem geäußerten Bedenken ent- gegenzutreten. Es ist Ihnen Allen bekannt, daß die Negierung es nie in Zweifel gezogen hat, daß der Landesvertrctung die volle Freiheit zustehc, Steuern zu bewilligen oder abzulchnen; die Negierung konnte nje daran zweifeln, da es ein verfassungsmäßiges Recht des Landtags ist. Auf der andern Seile ist sich aber auch die Negierung der Verpflichtung wohl be wußt, die Sleuerkraft des Landes zu schonen. Sie ist nur ungern daran- gegangen, neue Steuern vorzuschlagcn, und sie ist nur dazu vermocht wor den durch die pflichtgemäße Ueberzeugung, daß das Interesse des Staats eS erfodere. Die Regierung kann sich hierin geirrt haben; aber die Bitte muß sie aussprechen: Prüfen Sie und verwerfen Sie nicht ohne genaue Erwägung der Einzelheiten, welche unsere Anträge begründen." (Bravo rechts.) Graf Schwerin: „Hr. v. Gerlach hat gewissermaßen ein Pro gramm seiner Partei ausgestellt; ich halte cs deshalb für angemessen, den Standpunkt kundzugeben, den ich und meine Freunde bei der Budgetbera- thung cinnehmen wollen. Die Rede des Hrn. v. Gerlach verursachte mir anfänglich große Befriedigung, weil ich glaubte, er werde sich unserm Stand punkte anschließen; aber, wie schon in frühern Fällen, kam auch diesmal die Reservation hinterher. Eine Folgerung seiner Ansichten schien mir, daß er für Ersparnisse stimmen müsse, wie wir sie in der Regel beantrage»; am Schlüsse aber sagte er, daß er keineswegs seine Zustimmung zu den Budgetmonituren habe aussprechen wollen. Wir sind das bei ihn» schon gewohnt. (Heiterkeit.) Wir sind auch ferner der Ansicht, daß Ersparnisse im Staatshaushalt zu machen sind, und wäre das Haus auf unser« frü- hem Anträge tingegangen, so wären wir heute vielleicht nicht in der Lage, über neue Steuern bcrathcn zu müssen. Meine Freunde haben oft genug daran gemahnt. Wir werden auch dieses Jahr jede Position genau ansehen, ob sie dringend nothwcndig sei, und, wenn wir dies nicht finden, mit Ent schiedenheit dagegen stinunen. Den Unterschied zwischen productiven und unproduktiven Ausgaben werden wir gleich Hrn. v. Gerlach machen, wenn wir auch nicht in dieser Beziehung seine Ansicht über Eisenbahn-, Chausse'e- bauten und Telegraphie thcilcn. Wir werden fragen, ob die Ordnung im Lande nicht aufrechterhalten werden könne, wenn auch wmigcr Kosten für die Polizei aufgewendet werden. Wir werden ferner fragen, ob nicht, ohne die Wehrkraft des Landes zu schwächen, im Militäretat Ersparnisse gemacht werden können. Wir werden uns endlich fragen, ob nicht der Etat deS auswärtigen Departement vermindert werden könne, ohne daß denr Ansehen Preußens im Auslände Abbruch geschehe. Was die Versicherung des Herrn Ministerpräsidenten betrifft, so haben meine Freunde und ich niemals daran gezweifelt, daß die Regierung nur nach pflichtmäßiger Prüfung und Ueber- zeugung die Steuervorlagen cingebracht habe. Von unserer Seite kann ich aber zugleich die Versicherung geben, daß wir nicht ohne gründliche Erwä gung unser Votum abgeben und uns durch keine Drohung und keine Lo ckung abhalten lassen werden, nach unserer Ueberzeugung zu stimmen." (Leb hafter Beifall links.) — Die offiriell« Preußische Correspondenz enthält Folgendes: „Mehre Blätter haben die Mittheilung verbreitet, daß infolge der hcrvorgetrelenen Widersprüche gegen die von der StaalSregierung vorgelegten Steuer- gesetze das StaatSministerium die Zurücknahme einzelner Entwürfe beab sichtige. Wiewol es der Widerlegung solcher Angaben an und für sich wol kaum bedarf, so glauben wir doch zur Verhütung möglicher Misverständ- nisse und daran sich knüpfender Irreleitung versichern zu müssen, daß, so weit unsere Kunde reicht, von einem derartigen Entschlusse nicht die Rede ist. Vielmehr ist die Ueberzeugung festzuhalten, daß daS StaatSministerium, wie bereits in der Finanzcommission dessen vollste Einigkeit in Bezug auf die Behandlung der schwebenden Frage wiederholt und eindringlich ausge sprochen worden ist, auch in den weitern Stadien der Berathung die nach pflichtmäßiger Erwägung vorgelegten Entwürfe mit gleicher Einmüthigkeit und Entschiedenheit vertreten werde." — Wir di« «Zeit» meldet, hat das französische Cabinet durch seine Gesandten in Berlin, London, Petersburg und Wien Einladungen zu einer Conferenz zu definitiver Regelung der Neuenburger Angelegenheit ergehen lassen, nachdem mit den übrigen Cabineten darüber «in Einver-