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Fernsprecher Wilsdruff n.. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und llmgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtratr zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger «ud Drucker: Arthur Zschunke tu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 135 Dienstag den 13. Juni 1922. 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Donnerstag den 15. Juni 1922, abends 7 Uhr öffentl. Sitzung der Stadtverordneten. Wilsdruff, am 12. Juni 1922. Der Stadtoerordnrtenvorsteher. Die Eintragnngsliste für ein Volksbegehren auf Auflösung des Landtages liegt nicht im Z-.mmer 2, sondern Zimmer 14 d-s Verwaltungsgebäudes aus. Wilsdruff, am 12. Juni 1S22. s«ss Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der internationale Anleiheansschuß in Paris kam zu dem Beschluß, seine Arbeiten auf drei Monate zu vertagen, do zur zeit das Zustandekommen einer Anleihe für Deutschland nicht ausführbar erschiene. * Reichskanzler Dr. Wirth proklamierte in Stuttgart als höchstes Ziel der politischen Arbeit die Erhaltung der Reichs einheit. * Entgegen anderweitigen Mitteilungen wird in Berliner Blättern nunmehr doch wieder der Zusammentritt des Reichs tags zum 13. Juni angekündigt. * In Beuthen und Umgegend wurden zahlreiche Personen erschossen, der Belagerungszustand ist verhängt. Vertagt! Zu der von der „Agence Hava*" zum Wochenende gemeldeten resultatlosen Beendigung der Pariser Beratun gen über eine Anleihe wird uns von einem Berliner Mit arbeiter geschrieben: Die Pariser Bankierkonferenz ist ausgegangen wie das Hornberger Schienen — wie in allerdings noch nicht sofort amtlich bestätigter Form über den Abschluß ihrer langwierigen Verhandlungen vorerst gemeldet wurde. An Versuchen, das Haupthindernis für die Gewährung einer Reparaüonsanlelhe an Deutschland, die Unmöglich keit des Londoner Ultimatums, aus dem: Wege zu räumen, hat die Konferenz es wahrlich nicht fehlen lassen — es hat sich auch für diese unpolitischen Helfer als unüberwindlich erwiesen, dank dem Starrsinn der Franzosen, der immer noch keiner wirtschaftlichen Einsicht zugänglich ist. Höf licherweise wird gesagt, daß man den jetzt gescheiterten Versuch nach drei Monaten wieder aufnehmen wolle, aber wenn nicht Zeichen und Wunder geschehen, werden die Herren der Hochfinanz dann ihre Arbeit und ihre Arbeits kraft sicherlich nutzbringender zu verwerten wissen, als um abermals zu einem aussichtslosen Sturmlauf gegen Poin- carö und Genossen in Paris zufammenznkommen. Nur wenn bis dahin eine wesentliche Änderung der Lage einge treten sein sollte, dürfte die dreimonatige Frist ernstlich innegehalten werden. In drei Monaten kann heute mehr als jenials sehr vielerlei passieren. Wer ist nun eigentlich der Leidtragende bei diesem Ausgang der Bankierkonserenz? Die Geldgeber, die mit ihrer Anleihe der europäischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen wollten, sicherlich nicht, denn wenn auch in Amerika Überfluß an anlcgebedürftigen Kapitalien vor handen ist, so werden Herr Morgan und feine Freunde um anderweitige Unterbringung ihrer Goldschätze schwerlich in Verlegenheit sein. Wenn sie darauf gebrannt hätten, ihr Geld in Deutschland zu investieren, so hätten sie schon längst die Wege dazu gefunden, zu einer Zeit, als die Aus plünderung unserer Wirtschaft durch fremde Fronvög.e noch nicht so weit vorgeschritten war. Man soll zwar Fi nanzleuten, insbesondere amerikanischen Finanzlcuten, keinerlei sentimentale Regungen nachsagcn, aber im vorlie genden Falle sprechen doch wohl noch andere als rein ge schäftliche Motive dabei mit, wenn die internationalen Bankenkonsorlien die fortschreitende Verelendung Europas noch aufhalten möchten. Voraussetzung dabei war immer und muß stets bleiben die Bereitwilligkeit der HaupPläu- bigerstaaten des Deutschen Reiches, diesem wieder in sei ner wirtschaftlichen Betätigung wenigstens so weiten Spielraum zu lassen, daß seine neu aufzunehmenden Schuldverpflichtungen nicht gleich von vornherein in den Schornstein geschrieben zu werden brauchen. Die „Heilig keit der Verträge", wie die Franzosen sie verstehen, l at es zu verhindern gewußt, daß eine Verständigung auf diesem Boden möglich wurde, und ganz so wie in Genua die wich tigsten Probleme auf mehr oder weniger unbestimmte Zeit vertagt werden mutzten, so ist jetzt auch in Paris die drän gende Frage einer Klarstellung der gesamten Kriegslasten- frage glücklich gescheitert. Die Amerikaner werden achsel zuckend von dannen gehen und andere Verdienstmöglich keiten suchen und finden. Di« Franzosen, soweit sie auf Herrn Poincaro schwören, werden erleichtert anfwmcn, daß die Gefahr einer Revision des Londoner Ultimawms oder gar des Vertrages von Versailles abermals an ihnen vorübergegangen ist. Die deutschen Unterhändler aber werden nach Berlin zurücklehren und sich hier in eingehen» der Berichterstattung über ihr« Erlebnisse der letzten Wochen darüber Gewißheit verschaffen, ob sie trauern oder sich dessen freuen sollen, daß sie mit leeret Händen hcimg«- kehrt sind. Die Anschauungen über die Räüchkcit oder gar über die Notwendigkeit einer internationalen Anleihe sind bei uns zulande ziemlich weit auscinandergegangen. In dem einen Punkte aber herrschte ziemliche Übereinstimmung auf der ganzen Linie, daß nur eine ausreichende und mög- uchst langfristig gestellte Anleihe fllr uns uveryaupr erng- haft in Frage kommen könnte. War sie nicht zu haben, dann wäre es ein neuer schwerer Fehler gewesen, wenn unsere Bevollmächtigten sich auf irgend eine kümmerliche Ersatz lösung eingelassen hätten- Das ist nicht geschehen — im Augenblick weiß man noch nicht, ob sie überhaupt dazu in der Lage gewesen waren — und so hat sich der Stand der Dinge für uns we nigstens im Augenblick nicht verschlechtert. Es bleibt einst weilen bei dem Moratorium für den Lauf dieses Jahres, und die letzten Zusagen unserer Negierung haben — soweit sie nur für den Fall des Zustandekommens einer ausreichenden internationalen Anleihe gegeben waren — ihre bindende Kraft verloren. Nun werden wiederum die Politiker das Wort zu nehmen haben und sich überlegen müssen, ob sich neue Wege finden lassen, aus der Sackgaffe herauszukommen. Die Franzosen mögen sich im Augenblick die Hände reiben, daß vorläufig alles beim alten bleiben muß, die Zeit arbeitet in diesem Falle nicht für sie, sondern gegen sie. Nach drei Monaten werden sie selber vielleicht schon sich darüber ihre eigenen Gedanken machen. Deutsches Kapital in Rußland. Abkommen mit der Ukraine. Das Außenhand »lskommissariat der Sowjet-Ukraine in Moskau teilt mit, von einer Gruppe großer deutscher Banken sei ein Abkommen unterzeichnet worden, wonach diese Banken der Sowjet-Ukraine einen Kreditvon 100 Millionen Reichsmark gewähren und eine land wirtschaftliche Konzession im Odessaer Gouver nement auf 200 000 Dessjatinen erwerben. Die Deutschen sollen ihre Arbeit bereits begonnen haben. Wie gleichfalls aus Moskau amtlich gemeldet wird, hat eine Gruppe deutscher Kapitalisten Vertreter der Süd ost-Bank (Rostow a. Don) nach Berlin eingeladen, um Verhandlungen zwecks Heranziehung deutschen Kapitals zum wirtschaftlichen Wiederaufbau -der südöstlichen Ge biete Rußlands aufzunehmen. Der Petersburger Sowjet veranstaltete eine feierliche Sitzung seines Ausschusses'für auswärtige Angelegenheiten zur Begrüßung der gegen wärtig in Petersburg weilenden Vertreter der deutschen Jndustriewelt. Die deutschen Herren erklärten, wie die Petersburger „Prawda" berichtet, daß sie von der Dauerhaftigkeit der angebahnten deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen überzeugt seien; zugleich aber wiesen sie auf die Verbesse rungen hin, die in der Technik des r usf is chen A uß e n- bandels erwünscht seien. politische Rundschau. Deutsches Reich. Dksziplinarrecht für die Reichswehrmacht« Der Entwurf eines Difziplinargesetzes für die Wehr macht ist dem Reichstag zugegangen. Durch die Aust» Hebung der Militärgerichtsbarkeit sind die bürgerlichen Gerichtsbehörden für Straftaten und Vergehen der Wehr machtsangehörigen zuständig, soweit es sich nicht um ein fache Disziplinarbestrafungen handelt. Infolgedessen sind die bürgerlichen Gerichte stark belastet und die Ahndung der Straftaten und Vergehen von Wehrmachtsangehvrigen wird ungebührlich hinausgezögert. Das ist natürlich nicht im Inte reffe der Aufrechterhaltung der Manneszucht, und deshalb bezweckt die Vorlage, diese Straftaten disziplina risch zu ahnden. Das Gesetz will die Fälle nicht etwa in die Hand der Disziplinarvorgesetzten legen, sondern sie in einem förmlichen Disziplinarverfahren Kammern über tragen. Ermäßigter Bahntarif für Düngesalze. Um für den Herbst die Eisenbahn zu entlasten, damit sie Kartoffeln und Brotgetreide befördern kann, hat das Neichsverkehrsministerium einen Saisontarif für Dünge salze (Kali) mit Gültigkeit vom Mai 1922 bis 30. April 1923 geschaffen, der eine Ermäßigung von 30 Prozent für die Monate Mai bis Juli, von 20 Prozent für die Monate Mä'-r. April, August und Dezember, von 15 Prozent für die Monate September, November, Januar und Februar Vorsicht. Der Zweck ist, die Verbraucher der Düngemittel z» alsbaldiger Abnahme zu veranlassen. Zum weiteren Anreiz für die Verbraucher beschloß das Kalisyndikat, beim Bezug im Sommer einen Preisnachlaß zu gewähren. Da vo-m Juli ab bereits die Getreidebeförderung einsetzt, mM«n Düngemittel unverzüglich auf die Bahn gebracht werden. Alle am Düngemittelverkehr beteiligten Kreise müssen damit rechnen, daß Lei dem im September begin nenden Kartofselverfand Düngemittel mögUcverwefie überhaupt nicht mehr befördert werden können. Übergriffe der Nheinlandkommission. Das Wirtschaftskomitve der Interalliierten Nheinland kommission hat, ohne die beteiligten deutschen Jndusirie- nnd Fachkreise zu befragen, Äusfuhrmindestpreise für Tone festgesetzt, die 25 Prozent unter den Ausfuhrmindest preisen liegen, die von der deutschen Aussuhrindustrie und dem Ausfuhrhandel beschlossen worden sind. Diese Maß nahme ist ein widerrechtlicher Eingriff in die innerdeutsche Wirtschaft. Die Festsetzung von Ausfuhrmindestpreisen ist lediglich Sache der beteiligten Kreise von Ausfuhrindustrie und Ausfuhrhandel. Die Elsaß-Lothringer find nicht begeistert. Seit Kriegsende stellten 82 600 Elsaß-Lothringer oder dort -ansässige Deutsche den Antrag auf Erwerbung der französischen Nationalität. In 15 000 Fällen handelt es sich um deutsche Ehemänner, in 13 000 Fällen um deutsche Frauen, die von dem Recht Gebrauch machten, daß sie durch Verheiratung mit einem Elsaß-Lothringer oder einer Elsaß-Lotüringerin sofort französisch werden trotz reichs- deuischer Abstammung. Van den eingelaufenen Anträgen wurden 72 800 von der französischen Regierung genehmigt. Man hatte in Frankreich mit der drei- bis vierfachen Zahl der Anträge gerechnet. Nordamerika. X Ein Amerikaner in der Kriegsschadenersatzlommission. Es erscheint wahrscheinlich, daß Staatssekretär Hughes in folge einer Anregung von feiten Deutschlands, zum dritten Mitglied« der Schadenersatzkommission einen Amerikaner zu ernennen, einen amerikanischen Bürgervon unparteiischem Urteil und hohem Ansehen in die Kommission entsenden wird. Jedenfalls werde durch die geplante Maßregel die Erledigung der Ansprüche sehr erleichtert werden. Dis amerikanischen Behörden seien von dem Vorgehen der Deutschen befriedigt. Aus In- und Ausland. Paris. Auf die Anfrage eines Abgeordneten hat das Kriegsministerium feftgestellt, daß 18 822 französische Kriegsge fangene in der Gefangenschaft in Deutschland gestorben sind. Paris. Der zuständige Kammerausschuß hat mit 8 Stim men bei zwei Enthaltungen den Wahlzwang im Prinzip angenommen. Rio de Janeiro. Der Kongreß hat Artur Benardes zum Präsidenten der Republik gewählt. Peking. Zwischen den beiden kämpfenden Parteien in China wurde ein Waffenstillstand abgeschloffen. Es wurde eine neutrale Zone zwischen China und der Mandschurei ge schaffen. „Nationale Festigkeit." Der Reichskanzler für Deutschlands Unabhängigkeit. Stuttgart, 10. Juni. Der Reichskanzler Dr. Wirth und Dr. Rathenau haben bei ihrem hiesigen Besuch vor einem großen Kreise geladener Gäste Ansprachen gehalten. Die Rede des Kanzlers behandelt» hauptsächlich Genua. Noch vor einem Jahre hab« alG Politik unter der Idee der „Sanktionen" gestanden. Die Besetzung der drei Rheinstädie wird von uns allen als großes Unrecht empfunden. Wenn man Genua damit vergleicht, so ergibt sich, daß man aus dem Rebeldunst des politischen Diktates heraus ist. Im Jahre 1921 wäre der Vertrag von Rapallo nicht möglich gewesen. Man hat in Genua geglaubt, uns einige Tage unbemerkt an die Wand stellen zu dürfen. Da haben wir gehandelt und dieses Werk geschaffen, das der erste Friedensvertrag geworden ist, ein Vertrag des Ver- gessens und Vergebens. Solange Rußland und Deutsch land einander nicht feindlich gegenüberstanden, ist es bei den gut gegangen. Alle Märchen über besondere Ab machungen militärischer und politischer Art sind in das Reich der Fabel zu verweisen. Wir hätten unsere Pflicht verletzt, wenn wir den Frieden mit Rußland nicht ge schloffen hätten, denn die französischen Bemübnngen, die Kette um uns ganz zu schließen, waren deutlich sichtbar. Heute ist der Vertrag eine anerkannte Tatsache. Zu den Fragen, über die in Genua nicht offiziell gesprochen wurde, gehört das Reparationsproblom, die deutsche Frage, die in Wirklichkeit eine europäische, ja, ein Weltproblem ist. Für uns war die Aufgabe die, aus dem politischen Hexenkessel, wo di« Diktate schließlich das letzte Wort haben, uns her auszuheben in das Reich wirtschaftlicher, nüchterner Er wägungen. Die Zeit wird kommen, wenn wir nur Geduld haben, daß die ganze Welt die Reparationen als eine rein