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Dienstag. Nr. 443. 14. Deccmber 1882. Leipzig» Me Zeitung erscheint mit Ausnahme de- MoutagS täglich und wird Nachmittags 1 Uhr auS- gegeben. 4>r<i4 für da» Viertel jahr 1'/, Thlr.; jede ein« i«ln« Nummer 2 Ngr. DeuWk Mgmcine Zkitung. «Wahrheit and Recht, Freiheit und Befehl» Zu beziehen durch all« Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch di« Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8>. Bns««tton4gebü-» für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Die Zoll- nnd Handelsfrage. 'V Berlin, 12. Dec. Der Specialbevollmächtigte Oesterreichs für die Ver handlungen mit Preußen über die Zoüfrage Frhr. v. Bruck ist heute Mit tag hier eingetroffen. Demnach ist anzunehmen, daß die in Wien ge pflogenen Verhandlungen zu einem beiderseits zufriedenstellenden Resultate geführt haben. Wie wir erfahren, handelte eS sich in diesen Verhandlun gen wesentlich um drei Punkte: 1) Wiederherstellung des durch Aufnahme des Steuervercins erweiterten Zollvereins vor dem Abschluß des Handels vertrags mit Oesterreich; 2) Ausschluß aller Bestimmungen aus dem Han delsverträge, welche eine künftige Zolleinigung involviren oder auf eine solche hinleiten; 3) Theilnahme Oesterreichs an allen Verhandlungen und Abschlüs sen von Verträgen mit dem Auslände, welche Tariffragen betreffen. Ueber di« beiden erster« Bedingungen war man einig, die letztere wurde von Preu ßen beanstandet. So lagen die Verhandlungen im Anfang der vorigen Woche; wir vermögen nicht zu sagen, in welcher Weise man sich jetzt ge einigt hat. Die speciellcn Verhandlungen über den festzusctzendcn Handels vertrag werden in kürzester Frist beginnen und dürften bei dem gegenseitigen Entgegenkommen bald zum Ziele führen. Deutschland. Das Frankfurter Journal berichtet aus Frankfurt a. M. vom 10. Dec.: Wie ich Ihnen heute berichten kann, ist der Verkaufder sechs Schiffe: Ernst August, Großherzog von Oldenburg, Hamburg, Frankfurt, Lübeck und Bremen contractiich abgeschlossen worden, und werden dieselben schon mor gen in den Besitz ihres neuen Eigenthümers, der englischen Lloydgesellschaft, übergehen. Der Kaufpreis ist 238,000 Thlr. Bei dem Abschlusse .des Contracts wurde ein kleiner Theil der Summe sogleich baar bezahlt. Der Abschluß des Geschäfts erfolgte darum so rasch, weil die späte Jahreszeit eS in beiderseitigem Interesse erscheinen ließ. Der Verkauf mußte jedenfalls vor dem Eintritte des Frostes bewerkstelligt werden, sollten die Schiffe nicht noch ein mal in einem deutschen Hafen überwintern und weitern Schaden nehmen. Was die Bundesversammlung dazu bewogen, Vie Schiffe schnell und um einen verhältnißmäßig billigen Preis zu verkaufen, soll die Berück sichtigung der Thatsache gewesen sein, daß, wenn die Schiffe noch im Be sitze des Bundes geblieben wären, sie bedeutende Ucberwinterungskosten ver ursacht haben würden, indem sie zugleich an Werth verloren haben würden. Berlin, 12. Dec. Der Staats-Anzeiger meldet, daß der König ge stern im Schlosse Bellevue das Abberufungsschrciben des zeitherigen kai- serlich österreichischen Gesandten am preußischen Hofe Frhrn. v. Prokesch- Osten sowie das Beglaubigungsschreiben des an seine Stelle tretenden Grafen v. Thun-Hohenstein entgegengenommen habe. "V Berlin, 12. Dec. Es unterliegt kaum noch einem Zweifel, daß die gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Europa sich sehr ernst ge stalten. Wir mögen uns über die immer näher tretenden Verwickelungen und die daraus folgenden Eventualitäten nicht voreilig äußern; allein es liegt auf der Hand, daß die neuesten Vorgänge in Frankreich und die beeilte An erkennung, welche dieselben seitens der englischen und belgischen Regierung in offenbar demonstrativer Weise gefunden, auf sehr bestimmte, den Inten tionen der östlichen Großmächte keineswegs parallele Pläne hindeuten. Unter diesen Umständen ist es von Gewicht, daß Oesterreich, Preußen und Ruß land nicht nur in der Ansicht der Dinge und in den zu ergreifenden Maß regeln, sondern auch darin vollkommen übereinstimmen, daß sie bei etwaiger Veranlassung ganz präcis handeln werden. Die alte Allianz ist vollständig wiederhergestcllt. Die Gegner derselben haben aus einer Jntrigue in Eng land einen augenblicklichen Nutzen gezogen; doch darf versichert werden, daß die Königin Victoria hierbei nicht betheiligt ist, und daß dieselbe in neuester Zeit sich privatim genähert. Jene großartige Jntrigue wird den Grund zum baldigen Sturze des gegenwärtigen englischen CabinetS abgeben, das, kaum nachdem Wellington beigeseht war, nichts Eiligeres zu thun hatte, als den Mann durch eine Anerkennung'zu ehren, von dem man noch vor kurzem einen kriegerischen Angriff auf das Land fürchtete. Soweit man hier über die Stimmung in den leitenden Kreisen in Paris unterrichtet ist, hält man auch dort die Situation für sehr ernst und glaubt an nahe bevorstehende kriegerische Ereignisse. Bisjetzt hat übrigens die auffällige Thatsache der schleu- nigen Anerkennung des französischen Kaiserthums seitens Englands noch keine ausreichende Aufklärung gefunden. Solange nicht bestimmte Anhaltspunkte in dieser Beziehung vorliegen, wird man alle hierauf bezüglichen Mittheilun- gen mehr oder weniger als Combinationen betrachten müssen. Unter dieser Reserve wollen wir auch nur auf ein in politischen Kreisen umlaufendes Gerücht Hinweisen, nach welchem zwischen her englischen und französischen Negierung gewisse auf Italien bezügliche Verabredungen getroffen sein sol len. Man will dies hier mit dem thatsächlichen Umstande in Zusammen hang bringen, daß Hr. v. Prokesch-Osten eine besondere Mission nach Nom erhalten hat. Wir sind nicht in der Lage, dieser Version eine weitere Glaub würdigkeit als die einer Combination zu vindiciren. — Die Unterredung, welche der Ministerpräsident v. Manteuffel mit der Deputation der katho lischen Partei vorgestern hatte, soll äußerlichen Vernehmen nach auf bei den Seiten nicht befriedigt haben. Man will daraus für die nächste Zeit ein mehr oppositionelles Verhalten der katholischen Fraktion herleiten. So weit wir hierüber unterrichtet sind, dürfte sich dies bestätigen und namentlich bei der Wahl des definitiven Präsidenten bestimmt Herausstellen. Wenn übri gens die Voß'sche Zeitung heute die Versicherung enthält, die Rechte werde sich nicht mehr mit der katholischen Fraction in TranSaction einlassen, so bestätigt dies unsere Ansicht und erinnert zugleich an die bekannte Fabel vom Fuchs, der keine „säuern Trauben" mochte. — Die Abteilungen der II. Kammer haben die Wahlen für die aus 21 Mitgliedern bestehende Commission vollzogen, welcher die Vorberathung der von dem Minister des Innern eingebrachtcn Vorlagen über die Ver fassungsrevision und die Gemeindeordnungsangelegenhcit obliegen soll. Es wurden gewählt: die Abgg. Scholz, Rhoden, Geißler, Martens, Gamet, Frhr. v. Rechenberg, v. Kotze, v. Manteuffel H., Reichensperger, v. Vincke, Braun, Matthis, v. Hertefeld, Graf Strachwitz, Graf Dohna, Graf Stol berg, v. Geyr, v. Byrn, v. Grävenitz, Graf Loebcn, Keller. Die Voß'sche Zeitung folgert aus diesen Wahlen und „den neuesten Vorgängen" als un zweifelhaft, daß die ultramontane Fraction in allen wichtigen Fragen sich mit der Linken und der Fraction Bethmann-Hollweg gegen die Rechte ver einigen werde. — Von den Höchstbesteucrten der sieben Kreise des Regierungsbezirks Düsseldorf ist der ehemalige Bankdirector Hansemann, „in Anerkennung seiner Verdienste um die Provinz und seiner preußisch-patriotischen Gesin nung", zum Abgeordneten für die I. Kammer gewählt worden. — Die Neue Preußische Zeitung spricht sich über die rasche Anerken nung Napoleon's III. durch England sehr bitter aus. Sie sagt: „Kaum heimgekehrt von der Leichenfeier des greisen Helden, der das Kai- serthum des Ersten Napoleon nach St.-Helena verlegte, und dem cs noch am Spätabend seines Lebens keine Ruhe ließ, die Gestade der grünen In sel vor dem Erbfeinde seines Volkes zu schirmen; kaum heimgekehrt von dieser Feier ist es, wie cs scheint, der eiligste Gang Lord Malmesbury's, der Erste nach dem letzten bourbonischen König das neue Kaiserthum mit «Herzlichkeit» willkommen zu heißen und damit eine Politik Lügen zu stra fen, die, wie es uns bcdünken will, von bessern Männern erdacht, Europa (England nicht ausgeschlossen) zu Anfang dieses Jahrhunderts vor dem Schicksal bewahrt hat, in französische Präfccturen abgetheilt zu werden. Und welches sind die Gründe, die Lord Malmesbury zu diesem in der englischen Geschichte unerhörten Schritte bestimmten? Es ist, um cs kurz und nackt auszusprechen, die Anerkennung der Volkssouveränetät in ihrer rohesten, demagogischsten Gestalt; eine Anerkennung, die in dem Munde eines englischen Staatsmanns aus der Schule der Tories keine andere Deu tung zuläßt, als die der diplomatischen Unwahrheit oder der Desperation." — Der Redacteur der Neuen Preußischen Zeitung, Assessor Wa gener, war kürzlich wegen Preßvergehens zur Untersuchung gezogen wor den, weil er in dem Zuschauer der Neuen Preußischen Zeitung einen Pas sus aus dem von der Urwähler-Zeitung veröffentlichten stenographischen Be richt über die von dem Ministerpräsidenten den Deputirten von 21 hiesigen Gewerken ertheilte Audienz übernommen halte. Der mitgetheilte Passus ent hielt nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine Verleumdung des Stadtraths Risch und da der Angeklagte diejenige Person bezeichnet hatte, welche die Uebernahme des Passus bewirkt, diese Person sich aber außer dem Bereiche der richterlichen Gewalt befand, so wurde er vom Criminalgerichte auf Grund des §. 37 des Preßgesetzcs als verantwortlicher Redacteur der Zeitung zu 20 Thlrn. Geldbuße verurtheilt. Der Angeklagte hatte gegen diese Entschei dung appellirt, seine Appellation wurde jedoch in der gestrigen Sitzung deö Criminalsenats des Kammergerichts auf Antrag des Staatsanwalts nach kurzer Berathung zurückgewiesen. — Bekanntlich brachten die Blätter vor einiger Zeit die Nachricht, Laß die Jesuiten aus Hohenzollern ausgewiesen worden seien. Später wurde diese Nachricht widerrufen. Aus folgendem Actenstücke geht der wahre Sachverhalt hervor. Es ist eine Antwort, welche der Erzbischof von Frei burg auf eine Vorstellung bei dem Könige und dem Ministerpräsidenten wegen dieser Ausweisung erhalten hat. Sie lautet: Unter ergebenster Bezugnahme auf daß Schreiben des unterzeichneten Vor sitzenden unsers Collegiums vom 22. d. M. benachrichtigen wir Ew. Exc., daß nach einer Verfügung des Hrn. Minister« des Innern vom 23. d. M. das Ver bot der Niederlassung fremder Jesuiten in den preußischen Staaten nur so ver standen werden soll, daß die Gesuche um Naturalisation von der Ministerialgench- migung abhängig gemacht worden sind, wogegen der vorübergehende Aufenthalt der genannten Geistlichen, sobald sic den für den Aufenthalt fremder Unterthancn