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Wehrmann. —— nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchurs sorf, Langen leuba-Niederham, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remfe, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 244. Donnerstag, den 20. October 1W7. Witterungsausfichten für den 26. October: Etwas wärmeres, zeitweise heiteres Wetter mit mäßigen westlichen Winden. Barometerstand am 19. October, nachmittags 3 Uhr: 768 mm. "Waldenburg, 18. October 1887. Warum der deutsche Reichskanzler zuerst den Gra fen Kalnoky und dann den Ministerpräsidenten Crispi und nicht zu gleicher Zeit beide Minister in Friedrichs ruhe empfangen habe, darüber hat sich die „Moskows- kija Wedomosti" den Kopf zerbrochen. Hierbei ist das genannte Blatt zu folgenden Erwägungen gekommen: „Fürst Bismarck gesteht Oesterreich das volle Recht zu, den Berliner Traktat zu verletzen, erlaubt aber ebenso Rußland, denselben zu vertheidigen. Weder der einen noch der anderen Seite verspricht er seine Unter stützung in diesem Kampfe. Und dies nennt man den Frieden in Europa sichern, der ganz und gar aus schließlich auf der strengen Beobachtung der internatio nalen Verträge basirt." Rußland verlangt selbstverständlich von Deutschland keinerlei freundschaftliche Dienste, wiewohl es vollkom men im Recht ist, von einer Signatarmacht des Ber liner Traktats die Erfüllung ihres Versprechens und die strenge Beachtung des Traktats zu verlangen. Eine Gleichgiltigkeit für das weitere Schicksal dieses Ver trages, die gegenwärtig gewissermaßen das Ideal der deutschen Politik zu sein scheint, könne durch nichts ge rechtfertigt werden. Aber auch Oesterreich kann mit dem Fürsten Bismarck nicht zufrieden sein, und wir begreifen es sehr gut, daß der Kaiser Franz Joseph in seiner Thronrede des österreichisch-deutschen Bünd nisses, aus dem für Oesterreich auch nicht der geringste praktische Vortheil erwachsen kann, mit keinem Worte erwähnt. Auf seinen bulgarischen Fürsten kann Oester reich nicht verzichten; es muß ihn in jeder Hinsicht so wohl mit seiner eigenen Autorität, als auch mit der seines Bundesgenossen zu unterstützen suchen, während von einer offiziellen Unterstützung seines deutschen Al- liirten bis jetzt noch nichts zu bemerken ist. Indem Fürst Bismarck die bulgarische Frage zu einer russisch-österreichischen umgestaltet, verfolgt er offenbar das Ziel, die speziellen Interessen Deutsch lands zu sichern. Was auch die Folgen eines Zusam menstoßes Rußlands mit Oesterreich sein mögen, ein derartiger Conflict ist Deutschland, das in diesem Fall von der Gefahr eines Krieges nach zwei Fronten be freit würde, nur wünschenswerth. Zu diesem Zwecke sieht sich auch der deutsche Kanz ler rechtzeitig nach zuverlässigen Freunden um, sucht unter Anderen Italien zu gewinnen. Für den Fall eines russisch-österreichischen Zusammenstoßes würde Italien durch eine Aggressivbewegung Frankreich in Schach halten und für diesen Dienst eine territoriale Vergrößerung nicht nur auf Frankreichs, sondern haupt sächlich auch auf Kosten Oesterreichs, ob letzteres nun als Sieger oder Besiegter aus dem Kampf mit Ruß land hervorgeht, zugesichert erhalten. Selbstverständ lich konnte sich Fürst Bismarck mit Herrn Crispi nicht in Gegenwart des Grafen Kalnoky über diesen Gegen stand unterhalten, und daher mußte er auch mit Ersterem besonders conferiren. Die neue Tripelallianz ist daher, wenn man sie ge nauer betrachtet, durchaus nicht so fest und drohend, wie sie unsere Gegner darstellen: wie es scheint, gehen Mitglieder dieses neuen Bundes vor Allem darauf aus, einander selbst zu betrügen und zu berauben ..." Wenn sich die Herren Russen mit diesen Anschau ungen nur nicht selbst betrügen. Wollen sie nicht an die Festigkeit des neuen Bundes glauben, auch gut. Uns kann's recht sein. Die Folgen werden sie selbst zu tragen haben, wenn sie sich verrechnen. Politische Rundschau. Deutsches Reich. In Baden-Baden wurde am Dienstag im Kreise der kaiserlichen Familie der 57. Geburtstag des in Italien abwesenden Kronprinzen begangen. Es fand größere Familientafel statt. In Baveno, dem Wohnsitze des Kronprinzen, waren alle Glieder der kronprinzlichen Familie an der Festtafel vereinigt. Dem hohen Geburtstagskinde sind eine enorme Menge von Glückwunschtelegrammen zugegangen. In Berlin war das Haupttelegraphenamt sehr stark dadurch in Anspruch genommen. Viele Häuser der Reichshaupt stadt waren festlich beflaggt. Die Vertreter der Pro vinz Ostpreußen haben eine besondere Adresse an den Kronprinzen abgehen lassen, welche den Gefühlen des Bedauerns darüber Ausdruck giebt, daß der Kronprinz nicht zu den Manöver» nach Königsberg kommen konnte, und mit dem aufrichtigsten Wunsche für dessen Gesundheit schließt. Kommt der Czar nach Deutschland? Der „Nat.-Ztg." wird mitgetheilt, einem dänischen Staats angehörigen in Berlin sei von einem dänischen Staats minister die Reise des Czaren für die nächsten Wochen : bestimmt angezeigt. Die „Kreuzztg." schreibt dagegen: ! Wir sind in den Stand gesetzt, mitzutheilen, daß von s einer solchen Zusammenkunft in Regierungskreisen nicht ' das Mindeste bekannt ist und sie auch nicht erwartet wird. Der Ursprung der Nachricht dürfte in einer Börsenspeculation zu suchen sein. Weiter entnimmt das genannte Blatt einem Briefe aus diplomatischen Petersburger Kreisen Folgendes: Als Graf Kalnoky ! nach Friedrichsruhe reiste, glaubte man in der Umge- - bung des Czaren, Fürst Bismarck werde versuchen, j dem österreichischen Minister des Auswärtigen in der bulgarischen Frage Concessionen für Rußland abzurin gen. Als aber Crispi nach Friedrichsruhe gekommen, habe man alle auf den Fürsten gesetzten Hoffnungen schwinden lassen und den Besuch des genannten italie nischen Staatsmannes als ganz besonders gegen Ruß land gerichtet angesehen. In Kopenhagen sei es dann gelungen, den Czaren zu überreden, daß die Candida - tur Koburg in Berlin ersonnen worden sei. Natür lich ist von dem Letzteren kein Wort wahr. Der „Reichsanzeiger" berichtet über den Gesund heitszustand des Kronprinzen: Sir Morell Ma ckenzie hat vor seiner Rückkehr nach England Se. K. K. Hoheit den Kronprinzen in Baveno nochmals be sucht und abermals die fortschreitende Besserung des Halsleidens Sr. K. K. Hoheit bestätigt, hielt aber größte Schonung im Sprechen, sowie behufs Vermei dung von Erkältungen einen Winteraufenthalt in einem warmen Klima für unbedingtnothwendig. Der Kron prinz wird daher zunächst noch in der sehr zweckmäßig und bequem eingerichteten Villa Clara zu Baveno ver bleiben und dann voraussichtlich an der Riviera Aufent halt nehmen. Graf Herbert Bismarck ist von seiner kurzen Reise nach Friedrichsruhe wieder in Berlin eingetroffen. Wie aus Friedrichsruhe gemeldet wird, befindet sich Fürst Bismarck zur Zeit recht wohl. Er sieht äußerst gesund aus. Fürstbischof Or. Kopp ist in Berlin angekommen. Am Dienstag Vormittag las er in der festlich ge schmückten Hedwigskirche die Messe. Nachmittags fand im Cultusministerium die Vereidigung als Fürstbischof statt, woran sich ein Diner schloß. Zu dem Kaisermanöver war auch eine Deputation aus dem Wahlkreise Memel nach Königsberg gekom men, um ihrem Abgeordneten, dem Grafen Moltke, ihre Aufwartung zu machen. Da der Feldmarschall nicht nach Ostpreußen gekommen war, wurde ihm eine Photographie der Deputation übersandt, wofür jetzt folgendes Dankschreiben eingegangen ist: „Gern hätte ich in Königsberg meine Littauer Wähler begrüßt, die mir nun schon zwanzig Jahre lang ihr Vertrauen ge schenkt haben. Da mir dies nicht vergönnt gewesen, ist es mir eine große Freude, wenigstens die trefflich gelungenen Photographieen dieser braven tüchtigen Be wohner unserer äußersten Grenzmark zu erhalten, wo sie gegen vielfach beengende politische Verhältnisse, im rauhen Klima und auf kärglichem Boden, muthig und standhaft ankämpfen. Ich bitte, daß Sie es gütigst übernehmen wollen, Allen meinen aufrichtigen und herz lichen Dank zu sagen für das mir werthe Zeichen ihres Wohlwollens." Niemand sucht Andere hinter einer Thür, hinter welcher er nicht schon selbst gesteckt hat. Als die De batte über den letzten bedauernswerthen französisch deutschen Grenzzwischenfall am höchsten ging, wollten die russischen Blätter mit ihrer Franzosenliebe und Deutschenfresserei rein zum Dache hinaus. Wir waren die professionsmäßigen Verächter des internationalen Rechtes; dabei dachten die Russen aber in ihrer Be scheidenheit gar nicht an sich selbst. Und doch kann mit vollem Rechte die Behauptung aufgestellt werden, daß kein Staat sich so zahlreiche Grenzver letzungen und Grenzausschreitungen seiner Soldaten und Grenzbeamten zu Schulden kom men läßt, als es Rußland Deutschland gegen über gethan hat. Da man in Deutschland aller öffentlichen Aufbauschung solcher Fälle grundsätzlich ab geneigt ist, so wurde die Mehrzahl dieser Grenzver letzungen die sich in den letzten zehn Jahren gewiß auf mehrere hundert belaufen werden, unmittelbarzwi schen den Grenzbehörden verhandelt; nur die schwerst wiegenden Fälle sind seiner Zeit zur öffentlichen Kennt- niß gekommen; einige hiervon möchten wir hier er wähnen, um zu beweisen, welche außerordentliche Lang- muth, Friedfertigkeit und Ruhe Deutschland in allen solchen Fällen bewahrt hat. Durch Urtheil des Schwurgerichts zu Tilsit vom 22. September 1884 wurde der russische Grenzsoldat Kononienko wegen versuchten Raubes zu 18 Monaten Zuchthaus und Ehrverlust und Polizeiaufficht auf 2 Jahre verurtheilt, weil er in Uniform nachts bei einem Kaufmann in einem preußischen Orte eingedrungen war, um dort Branntwein zu rauben; er wurde durch die Hausge nossen mit Gewalt verhindert, den bereits von ihm niedergeschlagenen Hauptmann zu erwürgen. Ende 1885 wurde der russische Accisebeamte Bieljajew wegen versuchten Todtschlages, wegen wiederholter vorsätzlicher Körperverletzung und wegen öffentlicher Beleidigung zu einer Gefammtstrafe von 2 Jahren 6 Monaten Gefäng- niß verutheilt; er war mit einem Amtsgenossen, beide mit Pistolen bewaffnet, über die Grenze nach Landsberg O.-S. gedrungen und hatte dort u. A. auf den das Zollgeld erhebenden Chaussee-Einnehmer geschossen. Im April 1886 wurde auf den preußischen Gendarm Sommer auf dessen Patrouillengang an der Grenze ohne jeden Anlaß von einem russischen Grenz- Soldaten geschossen. Leider gelang es deutscher seits nicht, dea Thäters habhaft zu werden, und die russischen Behörden konnten ihn erst recht nicht finden. Der russische Stabscapitän Saloga hatte sich im Juni 1786 eine so schwere Grenzverletzung zu Schulden