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^S6. 11872, Mittwoch, den 17. Juli. - für . Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt des Königlichen Gerichtsamtes und de« Ktadtrathes z« Dischosswerda. Vks« Skttschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, Mittwoch« und GsnnsdendS, und koket einschließlich der Sonn abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'1, Nge. Inserate werden bi« Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr «ngenammen und kostet die gespaltene Sorpülzeklr oder deren Siam» 8 Pfennige. Politische Umschau. Mit der abgelaufenen Woche vergingen zwei Jahre, seit Frankreich in frivolster Weise Deutsch land zum Kriege herausforderte. Wer sich des infernalen Jubels erinnert, mit welchen damals der HW „nach Berlin" in Paris ausgrstoßen ward, und M Widerhalls, den er weithin im Land« fand, der muß in der That die Franzosen für unverbesserlich haften, wenn er heute noch in einem großen Theile ihrer Presse die Behauptung wiederholt findet, daß KdWch die Napoleonische Regierung au Frankreichs gaszen Unglück schuld sei. Um so mehr verdient es aber auch Anerkennung, wenn ausnahmsweise eiu französisches Blatt den Muth hat, in diesem Punkte die Wahrheit zu sagen. Ein solches Beispiel liefert das vom Präsidenten Thiers inspirirte „Bien Public", indem es mit Bezug auf die ungeheure Last der neuen Anleihe sagt: „Ganz neuerdings noch wohnten wir in der Nationalversammlung schmerzlich bewegt jenem hitzigen Streite bei, welcher der Verlesung der Convention mit Deutschland voran ging." ,Hören Sie dieses", sagten die Einen, „Hören Sie jenes", sagten die Anderen. Wir aber dachten: Ist das die Stunde, sich solche Anschuldigungen in's Gesicht zu werfen? Hören wir Alle, denn wer ist unter uns, der, wenn er in seine Brust greift, sich frei von Jrrthum und Fehlern wußte? Lesen wir Alle das Gesetz, in welchem Frankreich von sich selber drei Milliarden verlangt-, lesen wir Alle, denn wer unter uns weiß sich frei von Schuld? Freilich, Viele behaupten es, aber wer glaubt cS ihnen? Sie glauben es selbst nicht! Und diese Schuldlosen, wo waren sie in der Stunde der Ge fahr"? Daß solche offene Sprache gar manchen Leuten nicht gefallen wird und am wenigsten den Freunden Gambetta's liegt auf der Hand. Um so ehrenwerther ist es, daß sie in einem, dem Präsidenten der Republik so nahestehenden Blatte geführt wirb. Nach den neuesten Berichten aus Paris ermächtigt der Gesetzentwurf, welchen der Finanzminister der Nationalversammlung vorgelegt hat, den Minister nicht nur zur Aufnahme einer Anleihe in Höhe der von Frankreich an Deutschland noch zu zahlenden Hauptsumme von drei Milliarden, sondern er be stimmt gleichzeitig darüber noch hinaus, daß durch Siebenundjwanz-gster Jahrgang. die AnSgabevon fünfprocentige» Renten auch die Zinsen beschafft werden sollen, welche Frankreich von den schuldenden Summen zu zahlen hat, sowie die Kosten der Aufnahme der Anleihe. Der Nominalbetrag der Anleihe wird sich also um noch einige hundert Millionen über die drei Milliarde« hinan» steigern, doch läßt sich die Summe nicht ge nau fixiren, da einmal noch nicht bekannt ist, zu welchem Cour- die französische Regierung die An leihe wird begeben könne», andererseits aber ebenso wenig sich berechnen läßt, welche Zinseaersparniß Frankreich erreicht, falls die Verhandlungen mit der Bank vou Frankreich und den anderen Credit-Jnstttute« gelingen, die auf eine Befriedigung Deutschlands noch vor Ablauf jener Termine hinauslaufen, welche in der jüngst abgeschlossenen Convention als die äußersten bezeichnet worden sind. Die Regierung verlangt in der That ein großes Vertrauen. Sie wünscht nicht nur vollständig freie Hand, um selbst zu bestimmen, zu welchem Course und zu welchen Bedingungen eine Summe von mehr als drei Milliarden aufzunchmen sei, sondern sie will auch »och darüber hinaus selbstständig contrahircn, wie und unter welchen Bedingungen diese Summe möglichst schnell aufzubringen ist. Ein Eingehen auf diese Wünsche setzt ein eminentes Vertrauen voraus; legt die Nationalversammlung dasselbe wirklich an den Tag, so mögen sich Präsident Thiers und der Finanzminister Goulard wohl rühmen, daß so aus gedehnte Vollmachten in finanziellen Dingen noch Niemand anvertraut find. Was den Emissions cours betrifft, so ist derselbe noch nicht definitiv festgesetzt, aber das Eine darf man Wohl als sicher annehmen, derselbe wird ein verhältnißmäßig billiger sein. Das ergiebt sich schon aus der großen Höhe der AnlehnSsumme, die es nothwendig machen wird, auch aus dem Auslande starke Subscriptionen heran zuziehen. In Frankreich selbst dürfte bei jedem EmissionscourS, ob hoch, ob niedrig, viel gezeichnet werden, um das Land von der Occupation zu be freien. Das Ausland dagegen, auf dessen Betheiligung man doch ebenfalls reflectirt, hat in dieser Bezieh ung keine Sympathien und wird sich nur durch materielle Vortheile zur Theilnahme einladen lassen. Noch in dieser Woche tritt die Nationalversammlung in Berathung über das Anleiheprojectund dann