Volltext Seite (XML)
Wienftag. Nr 91 20 November 1866. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch allePost- anstalten. Weißerttz-Zeitung. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten - Zeile 8 Pfg. Amts- »vd Anzeige-Platt der Königliche« Gerichts-Ämter nab Itadtrathe M Dippoldiswalde and /ranenflci». Berankwortlicher Redacteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Die Eröffnung des Landtags. Dresden. Der Eröffnung der Stände am 15. Nodbr. ging ein vom Oberhofprediger Or. Liebner in der Hofkirche abgehaltener Gottesdienst voraus, in wel chem er das Thema: „Was ist der Wille Gottes für lins in dieser Zeit?" ausführte in der Erläuterung der Sprüche 1) 5. Cap., 1. Brief Petr., B. 6.: „So demüthiget euch nun unter die gewaltige Hand Gottes rc." und 2) 4. Cap. Brief Pauli an die Epheser, B. 3. 4.: „Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geiste durch das Band des Friedens rc." Um 12 Uhr fand die Eröffnung des Landtags unter den üblichen Ceremonien statt. Die Thronrede, welche Se. Majestät selbst verlas, lautet: „Meine Herren Stände! Nach einer kurzen aber inhaltschweren Zwischenzeit sehe Ich Sie heute wieder um Mich versammel!. Ein blutiger Krieg hat in Deutschlands Fluren ge- wüthet lind Mich zu monatelanger Trennung von der theueru Heimath genöthigt. Zwar mit tiefem Kummer über die schweren Opfer, welche das Land hat bringen Müssen, bin Ich iil Ihre Mitte zurückgelehrt, aber doch gestärkt von dem Bewußtsein, nur das Gute gewollt zu haben und gehoben durch die Ueberzeugung, daß Sachsens Ehre allenthalben ungeschmälert geblieben ist und vor Allem durch den Blick nach Oben, von wo die rechte Hilfe niemals fehlt. Ehrenvoll und tapfer, selbst bei schwerem Mißgeschick, hat das sächsische Heer gekämpft und mit Ergebung und Pflichttreue die schwierigen Ausgaben gelöst, die ihm bei sei nem Austritte aus dem Lande und bei seiner Rückkehr in dasselbe gestellt waren. Unerschütterlich treu und von weiser Besonnenheit hat sich die sächsische Bevölkerung aller Klassen bewiesen und so der Welt gezeigt, daß die Anhänglichkeit an ein angestammtes Fürstenhaus noch immer mehr als ein leeres Wort ist. Durch die Begebnisse der letzten Zeit ist das Band ge löst worden, welches bisher die deutschen Stämme umschloß und an dem Ich bis zu Ende treu gehalten habe. Sachsen tritt nunmehr in ein neues Bundesverhältniß ein, dessen Gestaltung in Kurzem unter Theilnahme eines Parlaments aus den betheiligten Staate» festgestellt werden wird. So wie es Mein fester Entschluß ist, dem norddeutschen Bunde, der unter Preußens Leitung sich bildet, und allen eingegaugeneu Verpflichtungen dieselbe Treue zu bewahren, die Ich dem alten Bunde gehalten habe, so wird es auch nun mehr unsere gemeinsame Aufgabe sein, diesem neu sich bilden den Verhältnisse mit frischem Muth, mit Offenheit und aller Redlichkeit entgegenzukommen und für seine günstige Gestaltung auch anderweite Opfer nicht zu scheuen. Es werden Ihnen daher, Meine Herren Stände, zunächst die hierauf sich be ziehenden dringendsten Vorlagen gemacht werden. Vor Allem wird der mit der Krone Preußens abgeschlossene Friedensver trag Ihnen mitgetheilt werden, um, soweit solches verfassungs mäßig nöthig, Ihre nachträgliche Zustimmung zu erlangen, sowie auch gleichzeitig über die zu Erfüllung der eingegangenen pecuniären Verbindlichkeiten erforderlichen finanziellen Maß regeln die entsprechende Vorlage erfolgen wird. Ein zweiter unanfschieblicher Gegenstand ist die Erlas sung eines neuen Gesetzes über Erfüllung der Militärpflicht. Da das sächsische Heer künftig bestimmt ist, einen integriren- den Theil des norddeutschen Bundesheeres zu bilden, so ist zu der nach tz. 3 des Friedensvertrags angekündigten Reor ganisation eine Anpassung unseres Heerergänzungswesens an die königlich preußischen vielfach bewährten Einrichtungen der erste vorbereitende Schritt, der ungesäumt in's Leben geführt werden muß. Endlich wird noch der Entwurf eines Wahlgesetzes für das norddeutsche Parlament Ihnen vorgelegt werden und einer baldigen Erledigung bedürfe». Die infolge der veränderten Bundeseinrichtungen nöthig werdenden Umänderungen der Verfassungsurkunde und des Wahlgesetzes unseres engeren Vaterlandes, sowie die definitive Feststellung unseres Staatshaushaltes hängen so eng mit der Organisation des norddeutschen Bundes zusammen, daß sie nicht eher bei der Ständeversammlung zur Berathung kommen können, als bis man über jene Organisation im Klaren ist. Es wird sich daher nach der Erledigung der gedachten und einiger anderen dringenden Ges bäste eine Unterbrechung Ihrer Thätigkeit durch Vertagung nöthig machen. Wenn hiernach der geeignete Augenblick zu Ihrem Wiederzusammenkitt ein getreten sein wird, werden sodann neben den erwähnten Be- rathungsgegenständen noch mehrere längst gewünschte Gesetze zur Vorlage gelangen können. Ich rechne hierzu zunächst die bereits von den Zwi schendeputationen bearbeitete Kirchenordnung für die evange lisch-lutherische Landeskirche. Die auf dem letzten ordentlichen Landtage zur Sprache gekommene Einführung von Geschwor- »engerichten für Criminalsachen ist Gegenstand näherer Er wägung gewesen, die Mich zu dem Entschluß geführt hat, ein Gesetz zu Einführung dieses Instituts nnker Benutzung der in anderen Ländern gemachten Erfahrungen bearbeiten zu lassen. Diese Arbeit, deren zeitige Inangriffnahme durch die Zeitumstände gehindert worden ist, wird Ihnen nach Ihrem Wiederzusammentritt vorgelegt werden. So hoffe Ich denn, im Vertrauen auf Glstt und Ihre bewährte patriotische Mitwirkung, daß dieser Landtag, der am Eingang einer neuen Zeit steht, zur Linderung der Wun den des Landes beitragen und unserem engeren und weiteren Vaterlande manches Gute bringen und noch Mehreres vor bereiten wird."