Volltext Seite (XML)
k« Mittwoch, den 7 Juli. L880. 157 ^vw'b-Vr L^,<^ ^irksav^ Amtsblatt der König!. Amtshauptmannschaft Flöha, -es Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Frankenberg. Erscheint täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, Abends für den folgenden Tag, — Jnseraten-Annahme für die jeweilige Abend-Nummer bis Vormittags io Uhr, Zu beziehen durch alle Postanstalten. Preis vicrtcljiihrl. 1 ,/h 50 H. Einzelne Nummern 5 H. Inserate werden mit S Pf. für die gespaltene CorpuSzeile oder deren Raum berechnet. Geringster Jnseratenbetrag so Ps. Com- plicirte oder tabellarische Inserate nach Uebereinkommen. Der preußische Landtag hat seine Arbeiten beendet und die Abgeordneten der langersehnten Erholung freigegeben. Bei der Bedeutung, welche er an sich und besonders durch die letzte ihn beschäftigende Vorlage für das ganze Reich Hal, ist ein Rückblick auf diese seltsamste aller Sessionen geboten, der freilich ein wenig erquicklicher ist. Dieselbe Zerfahren heit und Unsicherheit, welche die Reichslagssession kennzeichneten, war auch die Signatur des preu ßischen Landtags. Auf Seiten der Negierung vermißte man jeden klar entworfenen Plan, ohne jede Rücksicht auf Bildung eines begrenzten Pro grammes wurden die Vorlagen eingebracht und ihre Vertheidigung von Seiten des Ministertisches trug nicht dazu bei, das Ansehen vor der gesetz geberischen Befähigung der neuen Excellenzen zu erhöhen. Innerhalb der Parteien fehlte eben falls jede ersichtliche Direktive; die Minderheit von gestern ward zur Mehrheit von heute, es herrschte die Combination von Fall zu Fall und die endliche Entscheidung über die Gesetze glich oft einem Würfelspiel. Daß diesem unerträg lichen Zustande, diesem traurigen Wirrwarr ein Ende gemacht werden muß, das gestaltet sich zu einer immer dringlicheren Forderung in den Krei sen des Volkes, und die jüngsten Ersatzwahlen haben von Neuen» bewiesen, wie der Weizen der radicalen Parteien zu blühen ansängt, wenn die allgemeine Unzufriedenheit wächst. Das Herrenhaus hat in der verflossenen Ses sion, welche eine Dauer von mehr als acht Mo naten umfaßte, 25 Plenarsitzungen, das Abge ordnetenhaus deren 88 abgehalten, doch steht der positive Ertrag zu dem Aufwand von Zeit und Diäten in keinem günstigen Verhältniß. Der für Preußen und auch für Deutschland weitaus wichtigste Vorgang ist die Erwerbung großer und ausgedehnter Privatbahnnetze durch den Staat. Fürst Bismarck ist nicht der Mann, einen ein mal gefaßten Gedanken wieder fallen zu lasten, und man geht nicht irre, wenn man diese staat liche Erwerbung der hauptsächlichsten Eisenbahnen lediglich als einen neuen, aber wirksameren Ver such ansieht, das Reichseisenbahnproject zu rea- lisiren. Man wird sich erinnern, wie dasselbe in erster Linie dadurch scheiterte, daß Baiern und Sachsen sämmtliche Bahnen innerhalb ihrer Gren zen und zwar mit nicht geringen finanziellen Opfern aufkauften. Jetzt hat Preußen das Gleiche gethan und befindet sich im Besitz eines weitgreifenden und geographisch sehr günstig ge legenen Netzes, welches ihm in Verbindung mit den elsaß-lothringischen Linien ermöglicht, dem Verkehr neue Wege vorzuschreiben. So könnte es leicht kommen, oaß die Mittel- und Kleinstaa ten noch uin die so geschickt vereitelten „Reichs eisenbahnen", an deren Verwaltung sie doch par- ticipiren würden, bitten. Wie in den anderen Particularstaaten haben sich die Versprechungen, welche man an die aus der Zollreform resulti- renden Ueberschüffe des Reiches knüpfte, auch in Preußen nicht erfüllt. Die den Communen tn Aussicht gestellte Steuerüberlassung ist nicht eingetreten und die zum Ersatz angebotene Schank steuer wurde als Danaergeschenk vom Abgeord netenhaus« zurückgewiesen. Mit dem Forst- und Feldpolizeigesetz hat sich die konservative Majo rität kein Dankesvolum bei dem Volke verdient. Die Nachsession ward hauptsächlich berufen, um die Verwaltungsorganisation auf gesetzlicher Basis zu vollenden ; der wichtige Entwurf wurde aber von der inzwischen eingebrachten kirchen- politischen Vorlage verdrängt und in seinen letzten Stadien geradezu über das Knie gebrochen. Wie wenig die Kampfeslust in dem seit Jahr hunderten discutirten Thema „Staat und Kirche" an Intensität verlor, bewiesen nicht nur die hoch gehenden Wogen bei den Verhandlungen im Ab geordnetenhaus, sondern vor Allem die gespannte Aufmerksamkeit, die rege Theilnahme, womit man in ganz Deutschland die Redeschlachten am Dön- hofsplatze zu Berlin verfolgte. Es ist dies kein Streit zwischen Rom und Preußen, es ist das alte Ringen zwischen Papst- und Kaisermacht, und die Hohenzollern haben mit der deutschen Krone auch diese Erbschaft übernommen. Neue Selten konnten in der Frage selbstverständlich nicht eröffnet werden, zehrt die Debatte auf die sem Gebiete doch schon längst von der Kunst der Wiederholung. ' Nicht uninteressant war die Be obachtung, wie sich das Centrum wand und drehte, um bei der Gelegenheit möglichst viel herauszuschlagen. Herrn v. Pultkamer streuten die vltramontanen Führer den duftigsten Weih rauch, man führte als drittes Wort den Frieden im Munde. Die Hauptbestimmungen der Vorlage sind gefallen, die Gegensätze wurden von Neuem verschärft und der Frieden dadurch nicht geför dert, sondern weiter hinausgerückt. Mit der Curie und ihrer Partei kann man als gleich berechtigter Gegner nicht pactiren, und wenn sich die Regierung damit tröstet, dem katholischen Theile des Volkes ihre Friedensliebe gezeigt zu haben, wenn sie den Gesetzentwurf in seiner ver kümmerten Form „als Abschlagszahlung" accep- tirt, die Einbringung desselben wird ihr von den klerikalen Agitatoren im Volke doch als Schwäche vorgeworfen werden. OertlicheS und Sächsisches. Frankenberg, 6. Juli 1880. 's Wie das neueste Dr. Journ. meldet, hat Se. Excellenz Hr. Finanzminister v. Könneritz einen sechswöchigen Urlaub angetreten und sich auf seine Besitzung ErdmannSdorf begeben. s- In der Kirche zu Hilbersdorf wird nächsten Sonntag Nachmittag das Jahresfest des Chem nitzer Gustav-Adolf-Zweigvereins durch einen Festgottesdienst abgehalten, bei welchem Pastor Ergenzinger aus Reichenberg in Böhmen die Festpredigt hält. — Se. Maj. der König hat am Sonnabend nach der früh auf dem Augustusplatze bei strö mendem Regen über das 106. und 107. In fanterieregiment abgenommenen Parade die Vor lesungen der Professoren Friedberg und His, im Nachmittag die Lorck'sche Kunsthandlung be ¬ sucht und erschien am Abend im neuen Stadl- lheater, wo der „Jüngste Lieutenant" mit der vorzüglichen Berliner Soubrette Ernestine Wegener gegeben wurde, die ihr Spielhonorar für diesen Abend (300 M.) den Lausitzer Wassercalamitosen überwiesen hatte. Am Sonntag Vormittag besuchte der König den Gottesdienst in der katholischen Kirche, empfing Mittags die Präsidentschaft, die Mitglieder, die Hilssrichter, die Reichs- und Rechtsanwaltschafte des Reichsgerichts in Audienz, besuchte Nachmittags die landwirthschaftliche Ver suchsstation in Möckern und Abends den Frhrn. v. Tauchnitz auf Kleinzschocher. Montag früh gegen 8 Uhr erfolgte die Abreise nach dem Erz gebirge. Zur Verabschiedung hatten sich wiederum die schon zur Begrüßung erschienenen Spitzen der obersten Reichs-, Militär- und Civilbehörden eingefunden. Die Reise ging zunächst per Extra zug nach Meerane, von da per Equipagen nach Glauchau und durch den Mülsener Grund nach Zwickau und wird von allen Orten der enthu siastischste Empfang des geliebten Landesvaters feiten der massenhaft versammelten Bevölkerung gemeldet. — Der am Sonntag in feierlicher Weise vollzogenen Einweihung der renovirten St. Ja kobikirche zu Chemnitz wohnten auch Cultusmi- nister vr. v. Gerber und Landesconsistoriums- präsident Uhde aus Dresden bei. Diese Kirchen- renovirung ist die größte, welche während der letzten Jahre in Sachsen zur Ausführung kam und ist bei derselben aller Reichlhum der kirch lichen Kunst zur Verwendung gekommen, nament lich darf wohl die mit Steinmetzarbeiten und Sculpturen reich geschmückte Hauptfront der Kirche als eine der schönsten Kirchenfayaden über haupt angesehen werden. Aber auch das Innere hat gänzliche Erneuerung und Verschönerung er halten und ist hier namentlich die Ausstattung des Altarplatzes mit Glasgemälden, einem in Holz geschnitzten Hochaltar rc. erwähnenswerth. Die neue St. Jakobikirche ist zu einem Gottes hause umgestaltet worden, welches nicht allein Chemnitz, sondern auch dem ganzen Lande zur Zierde gereicht. — Am 19. Juli findet die zweite Geucke- Wagner'sche Extrafahrt nach München (Ober-Ammergau), Tirol, Schweiz, Stuttgart u. s. w. statt (s. Inserat). Diese seit 12 Jah ren zu immer größerer Beliebtheit gelangten Alpenfahrten finden wiederum eine über aus rege Belheiligung; das diesjähr. Programm, von dem sich bereits eine zweite Auflage nöthig machte, giebt eingehendste Auskunft über alles Wissenswerthe. Die dritte Extrafahrt findet am 16. August statt. An der 1. Extrafahrt am 5. Juli betheiligten sich, von Dresden bis Zwickau aufsteigend, gegen 300 Theilnehmer, denen sich in Eger noch an 300 von Leipzig und Berlin kommende Paffagiere anschloffen. — Die Frage der definitiven Einfügung der Dampffeuerspritzen in den Löschoraanismus der Stadt Leipzig ist nunmehr, als entschieden anzu sehen, nachdem der Rath beschlossen hat, die der Stadt längere Zeit probeweise unentgeldlich über-