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Donnerstag. — Nr. 249. -— 23. October ISS«. Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich nnd wird Nachmittags 4 Uhr au«- gegeben. Preis für das Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgemciuk Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit undErseh!» Zu beziehen durch alle Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Sve«tschland. ---Aus Süddcutschland, 20. Oct. Die neapolitanische Angelegen, iheit tritt j'ht in ein Stadium, dessen Beschaffenheit ermöglicht, mit mehr Sicherheit zu urtheilen.'Bisher-war der Conjecturalpolitik ein weiter Spiel- raum eröffnet; Wahres und Unwahres wirbelten so wirr und massenhaft umher, daß an ein gehöriges Sichten nicht zu denken war; auch hatten -die Zeitungsenten ihre guten Tage. Einige Lesefrüchte mögen von dem Allen Zeugniß geben. Heute hieß es, daß eine gütliche Beilegung außer Zweifel, morgen, daß an ein Nachgeben des Königs Ferdinand I. nicht zu denken sei. Bald sprach man von einem Einverständnis zwischen Oaster- reich und Frankreich, einem dafür gefundenen Kern, ja von einem gehei men Uebereinkommen, bald von einer sehr trockenen Antwort Frankreichs auf die Einsprache Oesterreichs gegen eine Intervention. Hier wurde eine Erkältung des guten Vernehmens zwischen Frankreich und England, dort ein engeres Zusammenschtießen behauptet. Man erzählte sich, daß Oester- reich den Ansichten Rußlands beigetreten sei; gleich darauf wollte man wis sen, daß zwischen Frankreich und Rußland völlige Uebcreinstimmung Herr- sche. Nicht zu reden von allen den Gerüchten über ältere und neuere No lten, fürstliche Privatschreiben, vertrauliche Winke, geheime Aufhetzereien, französische, englische und - sardinische, österreichische und russijche Flotten- v - abtheilnngen, über Ultimaten, außerordentliche Missionen und Gesandtschafts instructionen. Aus all diesem Chaos von Nachrichten nur noch zwei er- heblichcre Punkte hierher. Die Berichte aus Neapel melden ziemlich über- einstimmcüd, daß dort nicht sowol eine Revolution, als vielmehr ein Auf stand des Pöbels gegen die bessern Einwohnerclassen befürchtet werde, daß aber am-ehesten, trotz Abberufen der Gesandten und Kreuzer der westmächtlichen Flotten, ein völliges passives Verhalten der Bevölkerung in Aussicht stehe, indem «ine revolutionäre Erhebung durch ganz andere und wirksamereHülfen und Rück halte bedingt erscheine. Ja die Allgemeine Zeitung, freilich in dieser Hinsicht nicht die verläßlichste Quelle, läßt sich sogar schreiben, daß die Mächte sehr schlecht über die Zustande von Neapel unterrichtet seien, indem in der Residenz sowol wie überall im ganzen Lande eine Ruhe (die be kannte?!) herrsche, die nichts zu wünschen übriglassen könne. Dann cir- cnliren Sagen, als würden England und Frankreich keine aufrührerischen Bewegungen gutheißen, alle Kundgebungen in diesem Sinne vermeiden und namentlich keine muratistischcn Schilderhebungen dulden, während von an- dern Seiten Meldungen eingehen, als werde England nicht eher ruhen, bis cs, wie Oesterreich-in Oberitalien und Frankreich in Rom, so in Neapel und wenigstens in Sicilien schalten und walten könne, Frankreich aber bei muratistischcn Jnsurrcctionen dem Volkswillen sich nicht entgegenstemmen. Indem wir nicht in Abrede stellen wollen, daß in allen diesen Kundschaf ten manche Winke und Fingerzeige von mehr oder weniger Erheblichkeit vorliegen mögen, kehren wir zum eingangserwähnten dermaligen Stadium zurück. Die Gesandten kommen ein letztes mal auf die Nathschläge und Ermahnungen ihrer Negierungen, wiewol vergeblich, zurück, nehmen ihre Pässe und besteigen die inzwischen herbeigesegcltcn Schiffe, die als Glieder von Flottenabtheilungen in bescheidener Nähe gekannt sind. Alle diese Dinge sind jedoch, genau besehen, weder feindselige Demonstrationen noch bewaffnete- Interventionen, sondern lediglich einstweilige Freundschaftsauf- kündigungcn und Deckmäntel für die Blößen, welche sich als unvermeidliche Folgen der fruchtlosen Einschüchterungsversuche ergaben. Dieselben werden, falls nicht unvorhergesehene Umstände cintrcten, welche die menschlichen Be° -rechnungen zuschanden zu- machen Pflegen, auch aus Pietät für das Pari- ' fcr Protokoll vom 14,: April 1856 auf solange ausreichen, bis die, wie es ' heißt, von- Rußland betriebenen und von Frankreich gewünschten zweiten Conferenzcn in Paris zusammenlrcten, um das für die Ewigkeit über Hals ---und Kopf zusammengestoppclte erste Mach- oder Kunstwerk zu revidiren und die Schäden in allen Ecken und Enden von Europa zu heilen oder zu - flicken, noch mehr zu verpfuschen oder als unheilbar so gehen zu lassen, wie «s- Gott gefällt. ! Die mittlerweile aus den Donaufürstenthümern, und aus > Spanien erhobenen Fragen werden gerade nicht dazu dienen, daS pariser Diplomatengeschäft zu erleichtern. Die erste ist jedenfalls für Rußland Was ser Äuf-die^Mühle, vielleicht für Frankreich und möglicherweise für England - «itt Eontrrcoup-gegen Oesterreich in und mit Neapel; die zweite aber ist - Noch sehr mysteriöser Natur-, wenngleich am wenigsten ein Gchcimniß für Frllnkreich-oder ein Räthsel für Rußland. Zerbrechen wir uns indessen über - dem ganzen Apolitischen Wust nicht vor der Zeit den Kopf und begnügen -wir Uns damit,-dass die völkerrechtlichen - Principicn bezüglich dep. Jntcrven- -'--kion in-Reapeb einstweilen gerettet und vor den Gefahren geborgen sind, '-livelche für-den eintretenden Fall von Oberitalien nur noch ungleich mehr l drehteü als^von der Seeseit« her. 6 Preußen. Berlin,'2>. Oct.^ Der Frankfurter Postzeitung ist ein Unglück passirt.' Dew Mittheilungen über das Eintreffen ^energischer französischer Noten in Wien gegen dje fortdauernde Occupation der Do.nau- fürstenthümer durch Oesterreich tritt sie nicht nur ableugncnd entgegen, sondern sie ist auch in der Lage, versichern zu können, daß die Gründe, welche Oesterreich zur Fortdauer der Occupation veranlaßten, eine durchaus billigende Würdigung von Seiten der Höfe von Paris Md London fänden. Unglücklicherweise.kommen nun die Ocsterrcichische Zeitung und .hie Ost» Deutsche Post, eine Stunde nachdem die Frankfurter Postzeitung djes ihren Lesern gedruckt ins Haus geschickt hat und folglich nicht mehr ungesagt nigchen kann, und gehen das Vorhandensein einer drängenden französischen Note zu. Wir wollen nun nicht dabei verweilen, wie die unermüdliche Schreierin vom Main sich gründlich lächerlich gemacht hat; das ist der Frankfurter Postzeitung schon öfter passtrt und wird auch in Zukunft wol noch häufig genug vorkomme». Nur darauf möchten wir Hinweisen, wie das ehrenwerthe Blatt sich österreichischer zeigt als die österreichischen Organe selbst, und wie man auch in Oesterreich schwerlich umhinkönncn dürfte, über die Dienstbeflissenheit, welche die Frankfurter Postzeitung bei dieser Gelegenheit so unglücklich an den Tag gelegt hat, mindestens die Achsel zu zucken. Wir condoliren der Frankfurter Postzeitung. Daran, daß auch deutsche Blätter gegen die Fortdauer der Occupation sprechen, erkennt die Frankfurter Postzeitung ihre Pappenheimer. Wir unsererseits erkennen in Deni, was sie sagt, ebenfalls eine Art von Soldateska aus dem Dreißig jährigen Kriege, nämlich unsere Panduren und Kroaten. Wir haben übri gens von der Frankfurter Postzeitung fast schon zuviel gesprochen, und wir gehen darum zu dem Thatsächlichen der, Situation über, in welcher Bezie hung von einem neuen Momente Vermcrkung zu nehmen ist. Die Gründe, welche für die Fortdauer der Occupation bisjetzt angeführt worden sind, kön nen nicht mehr lange auSreichcn, und cs wird darum nöthig, daß man endlich mit dem Kern deS Ganzen hervortrele. Dieser Kern besteht darin, daß keine Vereinigung der beiden Fürstenthümer und darum auch nicht die Einberufung der beiden Divans uck Koo erfolge. Wir glauben gütunter- richtct zu sein, wenn wir sagen, daß Hr. v. Hübner mit Instructionen versehen worden sein dürfte, um in diesem Sinne in Paris thätig zu sein. Zwar möchte Oesterreich wol zugebcn, daß über die Frage: ob Vereini gung oder nicht? Stimmen aus dem Lande gehört würden; allein es wünscht die Zusammensetzung und Bildung dieser Stimmen so, daß es, mit Rück sicht auf die sonst noch etwa anzuwendcnhen Nebenmütcl, einer Entschei dung im Sinne der Nichtvercinigung wol gewiß sein könnte. Keine DivanS sollen nämlich, nach der Meinung Oesserreichs, vernommen werden, son dern nur eine Anzahl von Bojaren. Auch wird es als zweckmäßig hinge stellt, wenn diese Bojaren nicht im Lande tagten, sondern während der zwei ten Confercnz, welche bcvorsteht, nach Paris beschiedcn würden. Als Haupt grund zu dem Allen wird angeführt, daß durch eine Zusammenbcrufung der beiden Divans nur dem Parleigetriebe, keineswegs aber den wahren Bedürfnis sen und Interessen deS Landes gedient werden würde. Natürlich wird das Alles von der Hohen Pforte bestens unterstützt. Es fragt sich indessen, ob auch die übrigen Unterzeichner des FriedenSvertrags vom 30. März geneigt sein werden, die in Betreff der Donaufürstenthümer getroffenen Bestimmungen also zu umgehen. Es ist natürlich nicht daran zu denken. — Ucbcr die Behand lungsweise, welche die Neuenburger Angelegenheit auf der bevorstehen den Confercnz erfahren wird, vernehmen wir Folgendcs. Preußen wird, unter Darlegung dcS betreffenden Verhältnisses und unter Hinweis auf die neuerlichen Vorgänge in Neuenburg, die Mitwirkung der Confercnz zur Wiederherstellung seines Rechts begehren. Da das Recht Preußens in klarster Weise feststehl und von den Großmächten im Jahre 1852 auch noch ausdrücklich anerkannt worden ist, so kann über die Entscheidung der Con fercnz, was diesen Punkt betrifft, schon im voraus kein Zweifel obwalten. Nachdem diese Entscheidung, in welcher gleichzeitig auch die endliche Ncgu- lirung der betreffenden Angelegenheit als eine nicht länger aufzuschicbende Nothwendigkcil bezeichnet wird, vorlicgt, wird der schweuerische Bundesrath cingcladcn werden, einen Bevollmächtigten zur Confercnz zu entsenden oder in sonst geeigneter Weise die Stellung, welche er zur Sache cinnimmt, der Confercnz zu bezeichnen. Einer entsprechenden Vermittelung dürfte man wol allseitig geneigt sein; indessen muß, wenn eine solche überhaupt mög lich sein soll, vor allen Dingen der, schweizerische Bundesrath den Stand punkt verlassen, welchen derselbe der neuenburgcr Frage gegenüber bisjetzt eing-nommen hat.. Zu Unterhandlungen war der Bundesrath nämlich auch bish-r geneigt, aber nur unter Zugrundelegung des neuen schweizerischen Slartsrechts von 1848, welches von einem Recht; Preußens auf Neuen- bürg bekanntlich nichts, weiß.. Verläßt der schweizexische Bundesrath diesen Standpunkt nickt, so ist eine friedliche, Negulirung der Sache eine Ünmög- lichkeit geworden, und cS würde dann, nm dem europäischey Recht und den Beschlüssen der Großmächte Achtung zu verschaffen, das entsprechend Weitere zu beschließen sein. Daß man, wenn man einpral an die Sache